Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 19.05.2004, Az.: 7 A 1055/03
Anordnung einer geschwindigkeitsbeschränkten Zone; Vermittlung des "Zonenbewusstseins"; Wirtschaftliche Interesse an einer zügigen Erreichbarkeit des Grundstücks
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 19.05.2004
- Aktenzeichen
- 7 A 1055/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 30593
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2004:0519.7A1055.03.0A
Rechtsgrundlagen
- § 45 Abs. 1c StVO
- § 45 Abs. 1a StVO
- § 45 Abs. 1b StVO
- § 45 Abs. 9 S. 1, 2 StVO
- § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO
- § 39 Abs. 1a StVO
- § 42 Abs. 2 VwGO
- § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO
- § 114 S. 2 VwGO
Fundstelle
- zfs 2004, 387-388 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Anordnung einer Tempo 30-Zone
Prozessführer
Herr H.
Rechtsanwälte Dr. Fischer und andere
Prozessgegner
Landkreis Leer,
vertreten durch den Landrat
Sonstige Beteiligte
Stadt Weener,
vertreten durch den Bürgermeister
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
§ 45 Abs. 9 S. 2 StVO nimmt die Anordnung von Tempo-30-Zonen nach § 45 Abs. 1 c StVO ausdrücklich von seinem Anwendungsbereich aus. Bei S. 2 des § 45 Abs. 9 StVO handelt es sich um eine abschließende Sonderregelung für Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs. Ein Rückgriff auf die allgemeine Regelung des Satzes 1 der Bestimmung scheidet mithin aus.
- 2.
Einer gesonderten Festellung eines "Zonenbewusstseins" bedarf es nach der Einführung des § 45 Abs. 1 c StVO nicht mehr. Für die Feststellung des "Zonenbewusstseins" ist erforderlich, dass das Gebiet, für welches Tempo 30 angeordnet wird, keine zu große Ausdehnung besitzt, die Straßen gleichartige Merkmale aufweisen und der betroffene Bereich eine erkennbare städtebauliche Einheit darstellt.
- 3.
Die Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichts beschränkt sich in Bezug auf die Ermessensentscheidung über den Erlass einer verkehrsregelnden Anordnung darauf, dass seine über die an der bloßen Benutzung hinausgehenden Interessen ohne Rechtsfehler mit denen der Allgemeinheit und anderer Betroffener, die für die Verkehrsbeschränkung sprechen, abgewogen worden sind.
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 7. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 19. Mai 2004
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht ...,
den Richter am Verwaltungsgericht ...,
die Richterin am Verwaltungsgericht ... sowie
die ehrenamtlichen Richter Frau ... und Herr...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger betreibt auf dem Grundstück ...straße ... in ... einen Holz- und Baustoffhandel.
Die etwa 750 m lange Norderstraße verläuft in etwa in nord-südlicher Richtung. Sie beginnt im Norden an der Kreuzung mit der B ... . Sie ist dann in einer Länge von etwa 500 m beidseitig befahrbar. Ab der Einmündung der Burgstraße ist sie schon seit längerem als nur in süd-nördlicher Richtung befahrbare verkehrsberuhigt ausgestaltete (Zeichen 325 zu § 42 StVO) Einbahnstraße hergestellt. Die Norderstraße endet im Süden an der Kreuzung mit der ...straße. Früher war die Norderstraße mit der sich anschließenden ...straße eine Ortsdurchgangsstraße.
Mit Schreiben vom 8. März 2002 beantragte die Beigeladene bei dem Beklagten die Einrichtung einer Tempo-30-Zone in dem etwa 250 m langen Teilstück der ...straße von der B ... bis zur Straße "...". Bei dem Beklagten ist man daraufhin in Überlegungen eingetreten, die in einigen Wohnstraßen schon bestehenden Tempo-30-Bereiche zu erweitern und eine einheitliche Zone für den gesamten Altstadtbereich östlich der... (Straßenzug ...-, ...-, ..straße) einzurichten, insbesondere auch die gesamte ...straße, soweit sie nicht verkehrsberuhigt ausgestaltet ist. Mit Schreiben vom 15. August 2002 hat die Beigeladene hierzu ihr Einverständnis erklärt.
Am 22. August 2002 ordnete der Beklagte die Einrichtung einer entsprechenden Tempo-30-Zone an. Der hiergegen vom Kläger erhobene Widerspruch ist mit Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 14. Februar 2003, zugestellt am 19. Februar 2003, zurückgewiesen worden.
Am 19. März 2003 hat der Kläger Klage erhoben.
Er trägt im Wesentlichen vor: Er müsse wegen der Tempo-30-Zone erhebliche Einkommenseinbußen hinnehmen. Sein Umsatz sei im Jahre 2003 um 13 - 14 % zurückgegangen. Insbesondere die gewerblichen Kunden könnten nicht mehr zügig zu seinem Betrieb durchfahren und würden auf einen Baustoffhandel in einem am Stadtrand belegenen Sondergebiet ausweichen. Die "rechts vor links"-Regelungen und die Radarmessungen würden die Kunden irritieren.
Die in vollem Umfang der gerichtlichen Nachprüfung unterliegenden Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 c StVO seien nicht erfüllt. Eine Tempo-30-Zone dürfe nur aus den in § 45 Abs. 1, 1 a oder 1 b StVO genannten Gründen festgesetzt werden. Nach § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO wären Verkehrs regelnde Anordnungen zudem nur zulässig, wenn dies auf Grund besonderer Umstände zwingend geboten sei. § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO schließe dies nicht aus.
Die ...straße verlaufe im Innenstadtbereich in einem Mischgebiet mit überwiegender gewerblicher Nutzung. Bei der Ortsbesichtigung sei deutlich geworden, dass es sich nicht um eine Straße mit hohem Fußgänger- oder Fahrradverkehrsaufkommen handele. Auch fehle ein hoher Querungsverkehr. Eine erhöhte Unfallhäufigkeit sei nicht festzustellen. Die allgemeine Erhöhung des Schutzes des Fußgänger- und Radfahrerverkehrs reiche nicht aus. Bis zur Einmündung der Straße "..." sei die ...straße zudem besonders breit und übersichtlich ausgebaut, so dass zumindest dieser Teil rechtswidrig in die Tempo-30-Zone einbezogen worden sei.
Das auch nach der Neuregelung des § 45 Abs. 1 c StVO notwendige Zonenbewusstsein werde nicht vermittelt. Der Bereich von der ... bis zur Straße "..." und die sich daran anschließenden im unmittelbaren Innenstadtbereich gelegenen Teile der Straße böten kein einheitliches Bild. Die gesamte Tempo-30-Zone sei in ihrer Ausdehnung auch sonst nicht überschaubar und einsichtig.
Die Kaufmannschaft der Stadt Weener sei vor der streitigen Anordnung nicht beteiligt worden, so dass deren Interessen bei der Ermessensentscheidung keine Berücksichtigung gefunden hätten. Die ...straße sei außerdem eine Durchgangsstraße im Sinne der Nr. XI. 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu § 45 StVO. Auf ihr verlaufe in erheblichem Umfang Verkehr, welcher Ziel und Ausgangspunkt nicht in der Norderstraße habe. Auch in der Straße gebe es zahlreiche Gewerbebetriebe.
Der Kläger beantragt,
die Anordnung des Beklagten vom 22. August 2002 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 14. Februar 2003 aufzuheben, soweit davon die Norderstraße erfasst sei
hilfsweise,
die im Hauptantrag genannten Bescheide aufzuheben, soweit davon die ...- straße von der Umgehungsstraße bis zur Straße "..." erfasst sei.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er erwidert im Wesentlichen: Die Anordnung der Tempo-30-Zone finde ihre Rechtfertigung in der hohen Verkehrsdichte der ...straße. Sie diene dem Schutz der Wohnbevölkerung, der Radfahrer und Fußgänger. Nach § 45 Abs. 9 StVO sei für Anordnungen nach § 45 Abs. 1 c StVO keine besondere Gefahrenlage notwendig. Die ...straße liege in einem Mischgebiet mit einem erheblichen Anteil an Wohngebäuden, die teilweise äußerst dicht an der Fahrbahn belegen seien. Die Fahrt zum Grundstück des Klägers dauere bei Tempo 30 lediglich 20 Sekunden länger als bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h. Radarmessungen hätten ergeben, dass die Geschwindigkeit in der ...straße seit der Einführung von Tempo 30 zurückgegangen sei. Dadurch sei die Verkehrssicherheit wesentlich erhöht worden. Bei Aufhebung der Tempo-30-Zone im Bereich des Ortseingangs sei zu befürchten, dass dort nach kurzer Zeit wieder höhere Geschwindigkeiten gefahren würden. Die Erhöhung der Verkehrssicherheit überwiege das Interesse des Klägers. Es sei dabei auch die deutliche Verringerung des Abbremswegs zu beachten. Dies gelte auch für den Bereich von der ... bis zur Straße "...". Gerade dort sei fast ausschließlich Wohnbebauung vorhanden. Außerdem sei der querende Fußgänger- und Radfahrerverkehr aus der ...str. und der ...Str. zu beachten. Der Zeitvorteil bei Aufhebung der Tempo-30-Zone in diesem Bereich betrage lediglich 10 Sekunden.
Es sei kaum denkbar, dass das Geschäft des Klägers durch die mit der Tempo-30-Regelung verbundene längere Fahrtzeit Umsatzeinbußen erleide. Dafür sei der Umzug eines örtlichen Konkurrenten in das Gewerbegebiet sowie die Lage auf dem Bausektor verantwortlich.
Dem Durchgangsverkehr komme in der Norderstraße nur geringe Bedeutung zu. Die Straße werde hauptsächlich von Verkehrsteilnehmern genutzt, die direkt in die ...- straße oder in deren unmittelbaren Nahbereich wollten. Der Durchgangsverkehr könne den Altstadtbereich auf der... umgehen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie unterstützt im Wesentlichen den Vortrag des Beklagten.
Das Gericht hat durch eine vom Berichterstatter am 19. März 2004 durchgeführte Augenscheinseinnahme der ...straße und ihrer Umgebung Beweis erhoben.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist sowohl mit dem Haupt- als auch mit dem Hilfsantrag unbegründet. Die Einbeziehung der ...straße in die Tempo-30-Zone durch die Anordnung des Beklagten vom 22. August 2002 ist - soweit sie gerichtlicher Überprüfung unterliegt - rechtmäßig. Sie findet ihre rechtliche Grundlage in § 45 Abs. 1 c StVO.
1.
Zutreffend geht der Kläger davon aus, dass die Anordnung einer Tempo-30-Zone einem verkehrsrechtlich anzuerkennenden Zweck dienen muss. Insoweit kommen zunächst die in § 45 Abs. 1 bis 1 b StVO genannten Gründe in Betracht (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Auflage 2003, Rdnr. 37 zu § 45 StVO). Der Verordnungsgeber hat aber darüber hinaus in § 45 Abs. 1 c StVO Regelbeispiele ("insbesondere") benannt, in denen die Straßenverkehrsbehörde grundsätzlich ohne weitere Nachprüfung im Einzelfall von einer hinreichenden Gefahrenlage ausgehen darf. Er hat hierbei einerseits Wohngebiete und andererseits Gebiete mit hoher Fußgänger- und Fahrradverkehrsdichte sowie hohem Querungsbedarf aufgeführt.
§ 45 Abs. 1 c StVO ist durch die 33. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 11. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1690) eingeführt worden Nach deren amtlicher Begründung (BR-Drs. 599/00, S. 12) bleibt die gesetzliche Innerortsgeschwindigkeit zwar 50 km/h (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO). Die Möglichkeit Tempo-30-Zonen einzurichten, mit denen nach Einschätzung des Verordnungsgebers in den vergangenen 10 Jahren durchweg positive Erfahrungen gemacht worden sind, sollte durch die Reduzierung des bislang hohen Anforderungsniveaus wesentlich erweitert werden. Gemessen an der Länge des innerörtlichen Straßennetzes darf der Anteil der durch Tempo-30-Zonen erfassten Bereiche überwiegen. Es sollte zudem ein Beitrag zur einheitlichen Rechtsanwendung geleistet werden, in dem die wesentlichen Voraussetzungen und Ausschlusskriterien in den Verordnungsrang erhoben worden sind. Angesichts dessen nähert sich Tempo 30 einer zweiten allgemeinen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften an (vgl. zum Letzteren auch: Kramer DAR 2001, 100 <106>).
Die sich hiernach ergebenden Voraussetzungen liegen in der Norderstraße vor. Von der ... bis zur Einmündung der Straße "..." befindet sich nach den Feststellungen bei der Ortsbesichtigung ganz überwiegend Wohnbebauung. Auf der Ostseite der Straße sind in einem auch bauplanerisch festgesetzten Wohngebiet Mehrfamilienhäuser. Westlich der Straße sind Einfamilienhäuser errichtet worden. Nach den obigen Grundsätzen ist daher insoweit rechtlich unerheblich, dass die Straße in diesem Bereich relativ breit ausgebaut ist und die Randbebauung weitläufig erscheint.
Von der Einmündung der Straße "..." bis zum Beginn des verkehrsberuhigt ausgebauten Teils der ...straße befindet sich zwar ein Mischgebiet mit zum Teil starkem Gewerbeanteil. Die Ortsbesichtigung hat aber ergeben, dass in diesem Bereich Gründe der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StVO) eine Geschwindigkeitsreduzierung auf Tempo 30 erforderlich machen. Die Straße verläuft dort durch den alten Stadtkern. Die Bebauung befindet sich nahe der Fahrbahn. Dies hat zum einen zur Folge, dass die Straße unübersichtlich ist. Zum anderen sind die Bürgersteige derartig schmal, dass an vielen Stellen ein Fußgängerbegegnungsverkehr nicht ohne Ausweichen auf die Fahrbahn möglich ist.
Bei dieser Sachlage bedarf keiner gerichtlichen Beurteilung, ob die ...straße auch eine hohe Fußgänger- und Fahrradverkehrsdichte sowie hohen Querungsbedarf aufweist.
2.
Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers findet § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO keine Anwendung. Danach sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend geboten ist. Nach Satz 2 der Bestimmung dürfen insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt.
§ 45 Abs. 9 Satz 2 StVO nimmt jedoch die Anordnung von Tempo-30-Zonen nach § 45 Abs. 1 c StVO gerade ausdrücklich von seinem Anwendungsbereich aus. Der Satz 2 des § 45 Abs. 9 StVO ist eine abschließende Sonderregelung für Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs. Ein Rückgriff auf die allgemeine Regelung des Satzes 1 der Bestimmung scheidet mithin aus. Wie bereits zu 1. ausgeführt, hatte der Verordnungsgeber das Ziel, die Möglichkeit, Tempo-30-Zonen anzuordnen, zu erweitern. Folgerichtig wollte er die Straßenverkehrsbehörden auch von der Prüfung entlasten, ob die Anordnung der Tempo-30-Zone im Einzelfall "zwingend geboten" ist (vgl. BR-Drs. 599/00, S. 22, 28).
3.
Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 14. Dezember 1994 - 11 C 25.93 - BVerwGE 90, 214 <217 ff.>[BVerwG 04.06.1992 - 5 C 22/87]) berufen. Danach widerspricht die Anordnung einer geschwindigkeitsbeschränkten Zone der Verkehrssicherheit, wenn innerhalb dieser kein sog. "Zonenbewusstsein" vermittelt wird. Es soll hierdurch ausgeglichen werden, dass innerhalb eines Tempo-30-Bereichs die Geschwindigkeitsbeschränkung nach Kreuzungen nicht nochmals ausdrücklich durch Verkehrszeichen anordnet werden muss. Nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist erforderlich, dass das Gebiet, für welches Tempo 30 angeordnet wird, keine zu große Ausdehnung besitzt, die Straßen gleichartige Merkmale aufweisen und der betroffene Bereich eine erkennbare städtebauliche Einheit darstellt.
Die Kammer ist indes zu der Auffassung gelangt, dass es der gesonderten Feststellung eines "Zonenbewusstseins" nach der Einführung des § 45 Abs. 1c StVO nicht mehr bedarf (vgl. auch Kramer a.a.O. <S. 103 f.>; a.A. Hentschel, a.a.O.). Der Verordnungsgeber ist davon ausgegangen (BR-Drs. 599/00, S. 13), dass die Kraftfahrzeugführer durch die detaillierten Regelungen des § 45 Abs. 1 c StVO Tempo-30-Zonen deutlich von Straßen, welche außerhalb dieser Bereiche liegen, unterscheiden können. Die in der Vorschrift aufgeführten Abgrenzungskriterien sollen dem Interesse des Verkehrsablaufs und der Rechtsklarheit für den kraftfahrenden Verkehrsteilnehmer dienen (a.a.O., S. 27). Hinzu kommt, dass durch den ebenfalls mit der 33. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften eingeführten § 39 Abs. 1 a StVO bestimmt worden ist, dass innerhalb geschlossener Ortschaften abseits der Vorfahrtstraßen mit der Anordnung von Tempo-30-Zonen gerechnet werden muss.
Es kann hier mithin offen bleiben, ob wegen der unterschiedlichen Baugebiete entlang der Norderstraße, auf Grund der Größe des von der Tempo-30-Zone erfassten Gebiets oder im Hinblick auf die unterschiedlichen Funktionen der Wohnstraßen einerseits und der Straßen mit Sammelcharakter andererseits, ein Zonenbewusstsein im Sinne der erwähnten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermittelt wird.
4.
Die in § 45 Abs. 1 c StVO geregelten Voraussetzungen für die Anordnung einer Tempo-30-Zone liegen auch im Übrigen vor.
Insbesondere ist in den Nr. 1 und 2 der Nebenbestimmungen der Verfügung vom 22. August 2002 vorgesehen, dass alle bisherigen Vorfahrtstraßenregelungen aufgehoben werden. Es ist daher insoweit rechtlich ohne Bedeutung, dass die ...straße zuvor eine Vorfahrtstraße gewesen ist.
Auch Radwegbeschilderungen sollen nach den erwähnten Nebenbestimmungen zur Anordnung des Beklagten vom 22. August 2002 entfernt werden. Dass bei der Ortsbesichtigung vor der Kreuzung mit der ... noch ein gemeinsamer Rad- und Fußweg vorhanden war, berührt die Rechtmäßigkeit des hier streitigen Bescheides des Beklagten nicht. Denn dieser ist von der Beigeladenen lediglich unzureichend umgesetzt worden.
5.
Es liegen auch keine Ermessensfehler vor, auf die sich der Kläger berufen kann.
Insoweit ist die Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichts begrenzt. Die eigenen Rechte des Klägers (§§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) beschränken sich in Bezug auf die Ermessensentscheidung über den Erlass einer Verkehrs regelnden Anordnung darauf, dass seine über die an der bloßen Benutzung hinausgehenden Interessen ohne Rechtsfehler mit denen der Allgemeinheit und anderer Betroffener, die für die Verkehrsbeschränkung sprechen, abgewogen worden sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. April 1996 - 11 C 3/96 und B 11/96 - <juris>; Urteil vom 27. Januar 1993 - 11 C 35.92 - BVerwGE 92, 32 <35>[BVerwG 27.01.1993 - 11 C 35/92]; Urteil vom 3. April 1982 - 7 C 9.80 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 12, S. 6 <8>).
Der Kläger kann sich daher nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Voraussetzungen der Nr. XI. 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu § 45 StVO nicht erfüllt seien, insbesondere in der Norderstraße mehr als nur geringer Durchgangsverkehr festzustellen sei. Es handelt sich insoweit um Ermessensrichtlinien, mithin um verwaltungsinterne Anweisungen und keine das Verwaltungsgericht bindenden Rechtsnormen.
Das wirtschaftliche Interesse des Klägers an einer zügigen Erreichbarkeit seines Grundstücks ist in rechtlich nicht zu beanstandender Weise in die Abwägung eingestellt worden. Ob dies schon bei Erlass der Anordnung des Beklagten vom 22. August 2002 der Fall gewesen ist, bedarf keiner Beurteilung. Im nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO maßgeblichen Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 14. Februar 2003 ist jedenfalls zutreffend angenommen worden, dass der Zeitverlust für die Kunden bei Tempo 30 gering sei. Die gemäß § 114 Satz 2 VwGO zu berücksichtigenden ergänzenden Ausführungen des Beklagten im gerichtlichen Verfahren sind ebenfalls nachvollziehbar. Der Beklagte hat im Schriftsatz vom 23. Januar 2004 zutreffend ausgeführt, dass die längere Fahrtzeit zum Grundstück des Klägers nur 20 Sekunden beträgt. Im Schriftsatz vom 8. April 2004 ist nachvollziehbar hervorgehoben worden, dass die Erhöhung der Verkehrssicherheit demgegenüber als vorrangig angesehen werde. Es ist insbesondere auf die durch Radarmessungen belegte erfolgreiche Reduzierung der gefahrenen Geschwindigkeiten und die dadurch bedingte erhebliche Verkürzung des Anhalteweges hingewiesen worden.
Eine ähnliche Abwägung ist nach den Erörterungen im Ortstermin auch gerade für den Bereich der ...straße von der... bis zur Einmündung der Straße "..." getroffen worden. Es ist zutreffend berücksichtigt worden, dass dort nahezu ausschließlich Wohnbebauung vorhanden ist. Bei einer Aufhebung der Tempo-30-Zone nur in dem diesem Bereich würde sich der Zeitvorteil zudem auf nur 10 Sekunden reduzieren.
Die Bezirksregierung Weser-Ems und der Beklagte haben aus den geringen Zeitunterschieden auch in rechtlich nicht zu beanstandender Weise geschlossen, dass die Anordnung von Tempo 30 nicht zu nachweisbaren Einkommenseinbußen des Klägers führt. Soweit der Kläger für das Jahr 2003 von einem Umsatzrückgang von 13 bis 14 % berichtet hat, hat sie in nachvollziehbar darauf verwiesen, dass dies in erster Linie andere Ursachen, wie die derzeit schlechte konjunkturelle Situation und die schon im Ansatz günstigere Lage eines Konkurrenten auf einer am Stadtrand belegenen Fläche, haben wird.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124 a Abs. 1 Satz 1, 154 Abs. 1, 162 Abs. 3, 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO. Die Frage, welche rechtliche Voraussetzungen bei der die Anordnung einer Tempo-30-Zone nach § 45 Abs. 1 c StVO zu beachten sind, ist noch nicht Gegenstand veröffentlichter gerichtlicher Entscheidungen gewesen und hat daher grundsätzliche Bedeutung.