Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 26.05.2004, Az.: 6 a 4336/02

Eignung; Eignungsvoraussetzungen; Probezeit; Soldat auf Zeit; Wiedereinstellung; Zeitablauf des Dienstverhältnisses

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
26.05.2004
Aktenzeichen
6 a 4336/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50615
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Bundeswehr hat bei der Bestimmung der Eignungsprofile und der Zuordnung der einzelnen Soldaten in den jeweiligen Verwendungsreihen einen weiten, gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum.

Tenor:

Streitgegenstand: Beendigung des Dienstverhältnisses einer Soldatin auf Zeit

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages gegenüber dem jeweiligen Vollstreckungsgläubiger abwenden, wenn dieser nicht vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

1

I. Die Klägerin wendet sich dagegen, dass ihre Dienstzeit als Soldatin auf Zeit nicht verlängert wurde.

2

Die im ... 19.. geborene Klägerin trat nach dem Schulbesuch, den sie am 26. Juni 2001 mit dem Abschlusszeugnis für die Sekundarstufe I abschloss, am 2. Januar 2002 in den Dienst der Beklagten ein, nachdem sie sich als Freiwillige beworben hatte.

3

Mit Schreiben der Beklagten vom 21. November 2001 wurde sie zum Dienstantritt am 2. Januar 2002 aufgefordert und sich beim Stab der Minensuchflottille in ... zu melden. Zuvor hatte sie in ihrer Verpflichtungserklärung bei der Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit am 6. Dezember 2001 durch Unterschrift sich verpflichtet, für vier Jahre Wehrdienst zu leisten und erklärt, „dass sie zunächst für eine Dienstzeit von sechs Monaten in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen werde“ (Beiakte B Teil A II Seite 3). Sie wurde unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit am 3. Januar 2002 von der Beklagten zum Matrosen ernannt. Zuvor war mit Schreiben der Stammdienststelle der Marine vom 12. Dezember 2001 ihr eine Mitteilung über die Dauer des Dienstverhältnisses zugegangen, aus der sich ergab, dass die Dienstzeit mit Ablauf des 30. Juni 2002 endet.

4

Die Klägerin nahm daraufhin ihren Dienst auf. Sie wurde in der Verwendungsreihe 24 eingesetzt. In der Zeit vom 1. Februar bis zum 30. März 2002 war die Klägerin erkrankt. Ebenso war sie vom 16. bis zum 27. Juni 2002 erkrankt. Mit Wirkung vom 1. April 2002 wurde sie zur Gefreiten befördert und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 3 mit Zulage BBesO eingewiesen.

5

Am 11. Juni 2002 eröffnete der Leiter der Marinewaffenschule A der Klägerin, dass nicht beabsichtigt sei, ihre Dienstzeit zu verlängern. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass trotz verstärkten Einwirkens auf erzieherischer Ebene es nicht gelungen sei, die Lern- und Leistungsbereitschaft der Klägerin deutlich zu steigern. Deswegen habe sie den Lehrgangsabschluss nicht bestanden. Auch sei aufgrund der Haltung der  Klägerin eine Leistungssteigerung nicht zu erwarten, da es ihr an der notwendigen Leistungsmotivation und der Einsicht für ihren Dienst in der Bundeswehr fehle. Der Leiter hielt sie deswegen für geistig nicht befähigt, den Soldatenberuf auszuüben. Dazu gab die Klägerin unter dem 12. Juni 2002 die Erklärung ab, dass ihr eine Wiederholung des Lehrgangs zugestanden werden solle, da sie das Nichtbestehen des ersten Lehrgangs allein auf ihre längere Erkrankung zurückführe. Dass sie nun den Lehrgang nicht bestanden habe, beruhe u.a. darauf, dass sie keinen Bezug zu der betreffenden Verwendungsreihe habe. Statt des Ortungswesens würde sie vielmehr der Stabsdienst oder das Versorgungswesen interessieren, die beide zudem besser zu ihrer späteren Berufsausbildung als Bürokauffrau passen würden. Dieses hätte man auch schon bei der Prüfung in der Freiwilligen-Annahmestelle und der Verwendungsentscheidung bedenken können.

6

Mit Schreiben der Stammdienststelle der Marine vom 17. Juni 2002 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass mit Ablauf des 30. Juni 2002 nicht beabsichtigt sei, ihr Dienstverhältnis als Soldatin auf Zeit über die sechsmonatige Probezeit hinaus zu verlängern. Zur Begründung wurde auf die Ausführungen des Disziplinarvorgesetzten vom 11. Juni 2002 verwiesen.

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Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 21. Juni 2002 Beschwerde ein und wiederholte zur Begründung, dass sie auch aufgrund ihrer Vorbildung für die Verwendungsreihe 24 nicht geeignet erscheine. Dies hätte schon beim Zentrum für Nachwuchsgewinnung der Marine auffallen müssen, so dass sie für das Nichtbestehen des Lehrgangs ihrerseits keine Schuld sehe.

8

Mit Beschwerdebescheid vom 25. Juli 2002 – zugestellt am 30. Juli 2002 – wies die Beklagte die Beschwerde als unzulässig zurück. Dazu führte sie aus, dass das Begehren der Klägerin auf eine unmögliche Leistung gerichtet sei, da sie ab dem 1. Juli 2002 nicht mehr im Dienstverhältnis einer Soldatin auf Zeit stehe, da sie mit Ablauf der Probezeit aus dem Dienst ausgeschieden sei. Ergänzend wurde im Wege einer dienstaufsichtlichen Feststellung ausgeführt, dass es bei ihr an der geistigen Eignung einer Soldatin auf Zeit fehle, wie die von ihr im Rahmen der Grundausbildung aufgefallene fehlende Lern- und Leistungsbereitschaft gezeigt habe.

9

Am 30. August 2002 hat die Klägerin Klage erhoben. Entsprechend der Rechtsmittelbelehrung war diese zunächst zum Verwaltungsgericht Chemnitz erhoben worden, das die Sache mit Beschluss vom 9. Oktober 2002 an das Verwaltungsgericht Oldenburg verwies. Der zugleich von der Klägerin gestellte Antrag zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wurde mit Beschluss des Einzelrichters der seinerzeit für Soldatensachen zuständigen 7. Kammer des erkennenden Gerichts durch Beschluss vom 8. November 2002 abgelehnt (Az.: 7 B 4338/02). Im Klageverfahren wiederholt und vertieft die Klägerin die Begründung ihrer Beschwerde und macht geltend, dass sonst auch anderen Soldaten eine zweite Chance zum Bestehen des Grundlehrganges eingeräumt würde. Bei ihr sei das bislang nicht der Fall gewesen, denn den ersten Grundausbildungslehrgang hätte sie wegen längerer Krankheit nicht zu Ende führen können. Auch zeige ihre Beförderung zur Gefreiten, dass sie sich im Dienst bewährt habe. Zudem habe es die Beklagte verabsäumt, sie rechtzeitig über andere – für sie sinnvollere – Verwendungen zu beraten.

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Die Klägerin beantragt,

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die Beklagte zu verpflichten, sie weiterhin als Soldatin auf Zeit im Dienst zu führen bzw. ein neues Soldatenverhältnis auf Zeit mit ihr zu begründen und

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den Bescheid der Beklagten vom 14. Juni 2002 und deren Beschwerdebescheid vom 25. Juli 2002 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

15

Sie wiederholt und vertieft die Begründung der angefochtenen Bescheide.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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II. Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind im Ergebnis rechtmäßig und begegnen keinen Bedenken. Zu Recht hat es die Beklagte abgelehnt, die Klägerin über die eingeräumte Probezeit hinaus als Soldatin auf Zeit zu beschäftigen. Dazu im einzelnen:

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Zutreffend wird in den angefochtenen Bescheiden darauf hingewiesen, dass das Dienstverhältnis der Klägerin gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SG mit dem 30. Juni 2002 geendet hat, so dass sie aus dem Dienstverhältnis ausgeschieden ist. Die Klägerin hat in ihrem Vorbringen wohl übersehen, dass schon von Anfang an ihre Dienstzeit zunächst nur bis zu diesem Datum festgesetzt worden war. Das wird üblicherweise von der Beklagten stets dann gemacht, wenn längere Dienstzeiten bzw. Verpflichtungszeiten in Rede stehen und eine Grundausbildung noch nicht durchlaufen wurde. Häufig wird auf die Festsetzung einer Probezeit nur dann verzichtet, wenn die betreffenden Soldaten vorher Grundwehrdienst geleistet haben und die Bundeswehr sich ein Bild über die persönlichen Qualitäten der Soldaten machen konnte. Zu Recht wird daher im angefochtenen Bescheid ausgeführt, dass eine Dienstzeitverlängerung dann nicht mehr in Betracht kommt, wenn das Dienstverhältnis durch Zeitablauf geendet hat.

19

Allerdings wird dadurch das Begehren der Klägerin nicht unzulässig, sondern allenfalls unbegründet. Denn mit der Verpflichtung der Klägerin als Soldatin auf Zeit und ihrem ausdrücklich erhobenem Begehren, weiterhin Soldatin zu bleiben, ist in hinreichender Weise ein Antrag von ihr gestellt worden, weiter als Zeitsoldatin im Dienst der Beklagten stehen zu dürfen. Indessen hat die Beklagte zutreffend die Übernahme bzw. Wiedereinstellung der Klägerin als Zeitsoldatin abgelehnt. Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Dazu gehören auch die Dienstverhältnisse eines Soldaten auf Zeit. Nach § 37 Abs. 1 Nr. 3 SG kann in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit nur derjenige berufen werden, der unter anderem die erforderliche geistige Eignung besitzt, die zur Erfüllung seiner Aufgabe als Soldat erforderlich ist. Bei der Bestimmung dessen, was Inhalt der erforderlichen Eignungsvoraussetzungen für die Übernahme als Soldat auf Zeit ist, steht der Beklagten ein sehr weites, vom Gericht nur sehr eingeschränkt überprüfbares Ermessen zu. Denn bei den vielfältigen Aufgabenfeldern, die für Soldaten auf Zeit bestehen, und den höchst unterschiedlichen Bewerberverhältnissen (auch in zeitlicher Hinsicht) ist es Sache der Beklagten, in abgestufter Form Eignungsprofile zu entwickeln und die Geeignetheit der einzelnen Bewerber daraufhin zu überprüfen (Lehre vom Beurteilungsspielraum). Im vorliegenden Falle hat der Leiter der Marinewaffenschule A in ... auf der Grundlage seiner breiten dienstlichen Erfahrung festgestellt, dass es der  Klägerin an der erforderlichen Lern- und Leistungsbereitschaft sowie der Einsicht für ihren Dienst in der Bundeswehr fehle. Wenn die Klägerin demgegenüber zur Begründung ihrer schwachen Leistungen und ihrer Haltung ausführt, sie würde in einer anderen Verwendungsreihe wohl bessere Leistungen erbringen, so ändert dies an der Beurteilung nichts. Denn es ist allein Sache der Beklagten für die jeweiligen Verwendungsreihen Anforderungsprofile zu erstellen und bei den anderen Verwendungsreihen Bewerber vorzuziehen, die ihr geeigneter erscheinen. Auch ist es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits unerheblich, ob der Stammdienststelle der Marine vorher bei der Zuweisungsentscheidung schon hätte auffallen können anhand der schulischen Vorbildung und Noten der Klägerin, dass diese vielleicht für die Verwendungsreihe 24 (Unterwasseroperationsdienst) nicht so geeignet ist. Vielmehr wird durch das Vorbringen der Klägerin, in anderen Verwendungsreihen wäre sie besser gerüstet für ihren späteren Wunsch, als Bürokauffrau eine Ausbildung zu finden, deutlich, warum sie nicht so motiviert war, erfolgreich die Grundausbildung bei der Marinewaffenschule zu absolvieren. Es ist aber nicht Aufgabe der Bundeswehr, junge Menschen für eine Berufsausbildung im Zivilleben vorzubereiten, sondern möglichst in ihren jeweiligen Verwendungsreihen gut einsetzbare Soldaten zu haben.

20

Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO abzuweisen.

21

Gründe, die Berufung zuzulassen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.