Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 26.11.1993, Az.: 10 U 19/90
Haftung eines Gutachters aus einem Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter gegenüber einem Unfallopfer für ein fehlerhaftes ärztliches Gutachten
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 26.11.1993
- Aktenzeichen
- 10 U 19/90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1993, 23244
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1993:1126.10U19.90.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 10.05.1990 - AZ: 19 O 450/89
Fundstelle
- MDR 1994, 996 (red. u. amtl. Leitsatz)
Verfahrensgegenstand
Schadensersatz
In dem Rechtsstreit
...
hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 21. Oktober 1993
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
- I.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 10. Mai 1990 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird auf Kosten der Klägerin, die auch die durch den Beitritt des Streithelfers entstandenen Kosten trägt, zurückgewiesen.
- II.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 16.000,00 DM und die des Streithelfers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 DM abwenden, wenn diese nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in der entsprechenden Höhe leisten.
Die Sicherheit darf von den Parteien und dem Streithelfer durch eine unbefristete, unbedingte, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oderöffentlichen Sparkasse erbracht werden.
- III.
Beschwer für die Klägerin: über 60.000,00 DM.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten, dem sie zur Last legt, ein fehlerhaftes ärztliches Gutachten erstellt zu haben, auf Schadensersatz in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Bei einem Verkehrsunfall erlitt die Klägerin am 24. Februar 1970 als Beifahrerin in dem von ihrem Ehemann gesteuerten Pkw mutiple Verletzungen. Neben Schnitt- und Schürfwunden sowie Frakturen von Rippen und des linken Sprunggelenkes zog sie sich insbesondere eine Skalpierungsverletzung "quer von der rechten Stirn über die Nasenwurzel und linke Augenbraue bis zur linken Schläfe verlaufend" zu. Während die Frakturen und die sichtbaren Verletzungen ausheilten, klagte die Klägerin auch nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus über Schwindelanfälle, hartnäckige Schlafstörungen, Nervosität und Konzentrationsschwäche, die trotz wiederholter fachärztlicher Untersuchungen weder aus neurologischer Sicht (Gutachten der Neurologen ... vom 17. Oktober 1970 - Bl. 10 und 11 d.A. - und ... vom 17. August 1971 - Bl. 12 bis 21 d.A.; nervenärztliches Gutachten des ... vom 29. Februar 1972 - Anlagenkonvolut zu 4 C 531/81 AG Hannover -) noch aus hals-nasen-ohrenärztlicher Sicht (Zusatzuntersuchung des ... im Juni 1970) auf objektivierbare Befunde zurückzuführen waren.
Zwischen der ...versicherungs-Gesellschaft (im folgenden nur: Versicherung), die als Haftpflichtversicherung des Unfallgegners uneingeschränkt für die Unfallfolgen Schadensersatz zu leisten hatte, und der Klägerin kam es deshalb zu Streit und zu gerichtlichen Auseinandersetzungen darüber, ob zwischen dem Unfallgeschehen und den von der Klägerin vorgebrachten Beschwerden überhaupt ein Zusammenhang bestand. Mit Schreiben vom 27. März 1985 wandte sich die Versicherung schließlich an den Beklagten, der als Direktor der HNO-Klinik der ... auf seinem Fachgebiet unstreitig als Kapazität angesehen wird. In dem Schreiben hieß es:
"Sehr geehrter Herr Professor,
in Verbindung mit einer Schadenangelegenheit vom 24.02.1970 sind wir als Kraftfahrthaftpflichtversicherer befaßt mit der Bearbeitung von Schadensersatzansprüchen, so insbesondere nicht unerheblichen Schmerzensgeldforderungen der Unfallbeteiligten, Frau ....
Wir fügen die Vorgutachten bei und bitten Sie, aus Ihrer Fachrichtung heraus Frau ... zu einer Begutachtung einzustellen und uns gegenüber ein entsprechendes fachärztliches Gutachten aufzusetzen.
Den bisher mit der orthopädischen Klinik der ... im ... geführten Schriftwechsel fügen wir bei.
Nach Absprache mit Herrn Dr. ... als Anwalt der Verletzten soll nun nicht von der Orthopädischen Klinik, sondern seitens Ihrer Fachrichtung ein möglichst abschließendes ärztliches Gutachten erstellt werden.
Wir bitten Sie daher sehr, zum Zwecke einer Begutachtung Frau ... einzubestellen.
...
Herr Rechtsanwalt ... ist von unserer heutigen Maßnahme informiert.
..."
Diesem Schreiben war noch ein an den zu dem Zeitpunkt bei der ... ausgeschiedenen Oberarzt ... gerichtetes Schreiben vom 13.02.1985 beigefügt, in dem es hieß:
" ... Frau ... behauptet, unfallbedingt sei bei ihr eine schwerwiegende Behinderung in ihrer Haushaltstätigkeit eingetreten. Sie will an Schwindelanfällen leiden, ihr Gleichgewichtsorgan soll unfallbedingt gestört sein. Wir bitten Sie, abgesehen vom derzeitigen Befund, insbesondere zu der Frage der Unfallbedingtheit Stellung zu nehmen und weiterhin festzustellen, in welchem Ausmaße tatsächlich eine Behinderung in der Haushaltsführung, die nicht auf andere Ursachen zurückgeführt werden muß, gegeben ist.
..."
Unter dem 17. April 1986 erstellte der Oberarzt ... (Streithelfer), den der Beklagte mit der Durchführung des Gutachterauftrages betraut hatte, ein hals-nasen-ohrenärztliches Gutachten, das sich auf eine ambulante Untersuchung in der Hals-Nasen-Ohren-Klinik der ... sowie auf das Studium der mitgereichten Akten stützte. Zusammenfassend heißt es darin (Seite 9 des Gutachtens am Ende):
" ... Insgesamt ist das Beschwerdebild der zu Begutachtenden uncharakteristisch und erscheint auch insbesondere wegen des unkontrollierten, sofort einsetzenden demonstrativen Unsicherheitsgefühls im Romberg-Versuch psychogen überlagert. Eine ursächliche Beziehung zwischen dem inzwischen 15 Jahre zurückliegenden Autounfall und den jetzigen Beschwerden ist von hals-nasen-ohrenärztlicher Seite nicht gegeben."
Wegen der weiteren Einzelheiten insbesondere zur beigezogenen Aktenlage und zu den Untersuchungsbefunden wird auf das mit der Klageschrift eingereichte Gutachten vom 17. April 1986 (Bl. 23 bis 31 d.A.) verwiesen. Neben dem Streithelfer unterzeichnete der Beklagte dieses Gutachten mit dem Zusatz:
"Vorstehendem Gutachten stimme ich aufgrund eigener Urteilsbildung zu."
Am 12. Oktober 1986 unterzeichnete die Klägerin für die ... Versicherung gemeinsam mit ihrem Ehemann eine Vergleichs- und Abfindungserklärung (Bl. 136 d.A.). Darin erklärten die Eheleute sich für alle Ersatzansprüche aus dem Unfallgeschehen vom 24. Februar 1970 gegen Zahlung eines Abfindungsbetrages in Höhe von 30.000,00 DM, den die Versicherung vereinbarungsgemäß zahlte, für vollständig abgefunden. In der Abfindungserklärung hieß es ausdrücklich:
"Diese Abfindungserklärung erstreckt sich nicht nur auf die uns bekannten, sondern auch auf etwaige spätere Folgen, und zwar auch auf solche, die heute noch nicht erkennbar oder vorauszusehen sind. ..."
Wegen ihrer fortbestehenden Schwindelbeschweren nahm die Klägerin in der Folgezeit weiter fachärztliche Hilfe eines Neurologen und Psychiaters in Anspruch. Auf dessen Veranlassung führte der Arzt für Radiologie ... bei der Klägerin eine computertomographische Untersuchung durch. In der Beurteilung des Befundes vom 5. Mai 1988 (Bl. 32 d.A.) äußerte der Radiologe sich dazu folgendermaßen:
- 1.
kein Nachweis einer intracraniellen Raumforderung.
- 2.
Substanzdefekt hoch parieto occipital linksseitig.
- 3.
leichte Verplumpung der Seitenventrikel. Von einer Aufweitung kann nicht gesprochen werden.
Gestützt auf dieses Befundergebnis nimmt die Klägerin den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Sie hat vorgebracht, der Beklagte hafte ihr auf Schadensersatz wegen positiver Verletzung des Gutachtervertrages. Zwar sei Auftraggeber hierfür die Versicherung gewesen. Doch handele es sich um die Verletzung eines Vertrages mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter. Die auch sie betreffende Pflichtverletzung des Beklagten liege darin, daß er vor dem Hintergrund der - nach Aktenlage - für ihn 14 Jahre zurückliegenden neurologischen Untersuchungen nicht auf anderweitige Möglichkeiten der medizinischen Diagnostik hingewiesen, sondern sich in seiner Beurteilung auf die Diagnose einer "psychogene Überlagerung" beschränkt habe. Mit Hilfe des zu der Zeit der zurückliegenden Begutachtungen alleine verfügbaren EEG-Geräten habe man die von der Klägerin unfallbedingt erlittene Gehirnverletzung nicht hinreichend diagnostizieren können. Erst der Einsatz der neuen Computertomographie hätte - im Zeitpunkt der Begutachtung durch den Beklagten - zur Aufklärung einer Hirnsubstanzverletzung bei der Klägerin führen können. Das Wissen um die diagnostische Überlegenheit der Computertomographie bei der Aufklärung solcher Verletzungen sei Bestandteil der Sachkunde, die von dem Beklagten wie von jedem Mediziner zu erwarten sei. Aufgrund des ihm bekannten Gutachtens ... vom 17. August 1971, in dem der Verdacht einer contusionellen Hirnschädigung geäußert worden sei, hätte sich dem Beklagten bei dem weiterhin bestehenden Beschwerdebild aufdrängen müssen, die Untersuchung auf den Einsatz der Computertomographie zu erstrecken oder zumindest darauf hinzuweisen. Ein solches Vorgehen hätte bei dem geschilderten Beschwerdebild zum Nachweis einer unfallbedingt substanziellen Gehirnschädigung (contusio cerebri) geführt. In diesem Fall hätte sie - die Klägerin - sich nicht ihrer weiteren Schadensersatzansprüche durch Abschluß des Abfindungsvergleichs begeben.
Die Klägerin hat weiter vorgetragen, der Beklagte habe auch dadurch gutachterliche Pflichten ihr gegenüber verletzt, daß er eine Beurteilung vorgenommen habe, ohne die Gutachten ... vom 23. November 1973 (Bl. 195 bis 203 d.A.) und ... vom 23. Oktober 1975 (Bl. 204 bis 214 d.A.) sowie den Arztbericht ... vom 10. August 1977 (Bl. 55/56 d.A.) herangezogen zu haben. Schließlich sei das Gutachten vom 17. April 1986 auch deshalb fehlerhaft, weil der untersuchende Oberarzt sich nicht selbst davon überzeugt habe, daß der "Romberg-Versuch" wegen Schwindels und Standunsicherheit der Klägerin nicht möglich gewesen sei.
Infolge der substanziellen Hirnverletzung und der im Zusammenhang damit auftretenden Gleichgewichtsstörungen, Schwindelanfällen und Kopfschmerzen sei sie, wie die Klägerin zur Höhe des ihr entstandenen Schadens ausgeführt hat, zu 80 % erwerbsunfähig und selbst im Haushalt auf eine Ersatzkraft angewiesen, wodurch allein monatliche Kosten in Höhe von 1.300,00 DM anfielen. Ein angemessenes Schmerzensgeld belaufe sich unter Einbeziehung dieser Unfallfolgen sowie der bereits erfolgten Zahlungen (30.000,00 DM) auf zumindest weitere 20.000,00 DM. Zu den weiteren Einzelheiten der Schadensberechnung wird im übrigen auf die Klageschrift vom 5. Dezember 1989 verwiesen.
Die Klägerin hat beantragt,
- 1.
den Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 20.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Zustellung der Klageschrift zu zahlen,
- 2.
den Beklagten zu verurteilen, an sie 46.800,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Zustellung der Klageschrift zu zahlen,
- 3.
den Beklagten zu verurteilen, an sie monatlich 1.300,00 DM, zahlbar im voraus jeweils bis zum 3. eines jeden Monats, beginnend mit dem Monat November 1989, zu zahlen,
- 4.
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche durch den Abschluß des Vergleichs mit der ... Versicherung vom 12. Oktober 1986 bezüglich der Folgen des Verkehrsunfalles vom 24. Februar 1970 noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, eine Haftung nach Vertragsgrundsätzen gegenüber der Klägerin bestehe nicht, da allein die Versicherung den Gutachterauftrag erteilt habe. Daneben seien die Voraussetzungen für eine Haftung gegenüber der Klägerin nach Vertragsgrundsätzen nicht erfüllt. Er sei lediglich beauftragt worden, ein Gutachten aus hals-nasen-ohrenärztlicher Sicht zu erstatten. Dem genüge das Gutachten vom 17. April 1986, für dessen Richtigkeit er zudem nicht hafte, weil der Streithelfer dies erstattet habe. Wegen der Beschränkung des Auftrages auf ein hals-nasen-ohrenärztliches Gutachten habe er davon ausgehen können, daß der Auftraggeber sich selbst, sofern er eine neurologische Abklärung für erforderlich hielte, um eine entsprechende Begutachtung kümmere. Unter diesen Umständen habe für ihn, selbst wenn er - was er bestreite - darum gewußt hätte, daß von dem Inhalt des Gutachtens der Abschluß eines Abfindungsvergleichs abhängig gemacht werden sollte, keine Verpflichtung zur Aufklärung über fachübergreifende Diagnostik bestanden.
Zum weiteren Vorbringen der Parteien in erster Instanz wird im übrigen auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Mit einem am 10. Mai 1990 verkündeten Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen und ausgeführt, es sei bereits zweifelhaft, ob der Beklagte der Klägerin gegenüber aus Vertragsgrundsätzen auf Schadensersatz hafte. Jedenfalls sei eine Verletzung des Gutachterauftrages, der sich darin erschöpft habe, ein Gutachten aus hals-nasen-ohrenärztlicher Sicht zu erstellen, nicht erkennbar. Eine Hinweispflicht auf Untersuchungsmethoden in anderen Fachbereichen habe nicht bestanden. Wegen der weiteren Einzelheiten zur Begründung wird im übrigen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 60 bis 71 d.A.) verwiesen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihr Schadensersatzbegehren uneingeschränkt weiter. Sie hält an ihrer Rechtsansicht fest, daß bei fehlerhafter Begutachtung auch einer dritten außerhalb des Vertragsverhältnisses stehenden Person Ersatzansprüche nach vertraglichen Grundsätzen zuständen, sofern das Gutachten erkennbare Bedeutung für den darauf Vertrauenden besitze und der Gutachter hierum wisse. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall erfüllt. Aufgrund des Auftragsschreibens der Versicherung vom 27. März 1985 sei dem Beklagten klar gewesen, daß es der Versicherung auf die Erstellung eines "möglichst abschließenden ärztlichen Gutachtens" angekommen sei. Die Klägerin behauptet, unabhängig davon als langjährige Patientin dem Beklagten dies persönlich gesagt und auch dem unmittelbar begutachtenden Streithelfer sowie dem ärztlichen Hilfspersonal entsprechende Mitteilungen gemacht zu haben. Vor diesem Hintergrund habe der Beklagte ein unzureichendes Gutachten erstattet, wobei ungeachtet einer Unterrichtung durch den Streithelfer der Beklagten durch seine Unterschrift die Verantwortung für das Gutachten mit übernommen habe und dementsprechend hafte. Da die auftraggebende Versicherung erkennbar bestrebt gewesen sei, eine Stellungnahme zu bis dahin neurologisch nicht erklärbaren Schwindelbeschwerden der Klägerin zu erhalten, die zudem möglichst abschließend sein sollte, hätte der Beklagte anstatt voreilig eine psychogene Überlagerung für die behaupteten Schwindelerscheinungen zu diagnostizieren, sie - die Klägerin - bzw. die Versicherung auf mögliche Ursachenforschung im neurologischen Bereich durch den Einsatz der Computertomographie hinweisen müssen. Dies hätte sich dem Beklagten schon deshalb aufdrängen müssen, weil nach seinen eigenen gutachtlichen Ausführungen den mit herangezogenen neurologischen Begutachtungen allein hirnelektrische Untersuchungen zugrunde gelegen hätten und der Einsatz der bis dahin noch nicht verfügbaren Computertomographie zu einer weitergehenden Zuordnung der Schwindelbeschwerden zum Unfallgeschehen geführt hätten. Demgemäß habe sie, wie die Klägerin weiter geltend macht, auf unzureichender tatsächlicher Grundlage eine Abfindungsvereinbarung getroffen. Dazu sei es nur gekommen, weil der Beklagte sich ohne ausreichende fachliche Grundlage gutachtlich abschließend geäußert habe.
Erstmalig in der Berufungsinstanz macht die Klägerin ferner geltend, im Zeitpunkt der Begutachtung durch den Beklagten und den Streithelfer (1985/86) hätte aus neurologischer Sicht eine bei den Vorgutachten (1970 bis 1972) noch nicht verfügbare magnetresonanztomographische Untersuchung den Nachweis über einen Zusammenhang zwischen den Schwindelbeschwerden und den bei dem Verkehrsunfall erlittenen Kopfverletzungen ergeben. Auch insoweit habe sich der Beklagte, da er auf die zu dem Zeitpunkt in der Medizin schon allgemein bekannte und anerkannte Möglichkeit magnetresonanztomographischer Diagnostik nicht hingewiesen habe, schadensersatzpflichtig gemacht.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des am 10. Mai 1990 verkündeten Urteils des Landgerichts Hannover,
- 1.
den Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen ab Klagezustellung zu zahlen,
- 2.
den Beklagten zu verurteilen, an sie 46.800,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen,
- 3.
den Beklagten zu verurteilen, an sie monatlich im voraus, zahlbar jeweils bis zum 3. eines jeden Monats 1.300,00 DM beginnend mit dem Monat November 1989 zu zahlen,
- 4.
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche nicht übergegangenen materiellen sowie die bisher nichtübersehbaren immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 24. Februar 1970 zu ersetzen, soweit diese Schäden infolge des Gutachtens des Beklagten vom 17. April 1986 unentdeckt blieben und deshalb durch den Vergleich vom 12. Oktober 1986 nicht abgedeckt sind,
- 5.
hilfsweise, für den Fall der Gewährung von Vollstreckungsnachlaß zu gestatten, daß Sicherheit in Form der Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse, Volksbank oder Spar- und Darlehnskasse geleistet wird.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise
für den Fall einer Maßnahme nach§711 ZPO anzuordnen, daß Sicherheit auch eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse sein darf.
In erster Linie hält der Beklagte an seinem erstinstanzlichen Vorbringen fest, hierbei insbesondere an seiner Meinung, der Klägerin weder nach Vertragsgrundsätzen noch deliktsrechtlich zum Schadensersatz verpflichtet zu sein. Aufgrund der Beauftragung durch die Versicherung habe er lediglich ein Gutachten aus hals-nasen-ohren-fachärztlicher Sicht erstellen müssen. Für ihn habe keine Veranlassung bestanden, auf Untersuchungsmethoden der Computertomographie oder Magnetresonanztomographie fachübergreifend hinzuweisen. Die Gutachten ... vom 23. November 1973 und ... vom 23. Oktober 1985 sowie der Arztbericht des ... seien ihm bei der Erstellung des Gutachtens nicht bekannt gewesen. Hiervon habe er erst nachträglich erfahren.
Der Beklagte bestreitet überdies einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Verkehrsunfall vom 24. Februar 1970 und den durch den Radiologen ... am 5. Mai 1988 festgestellten CT-Befund. Ursächlich hierfür könne ebensogut ein unerkannt gebliebenes Infarktgeschehen gewesen sei. Zudem bestehe auch kein Zusammenhang zwischen dem Befundergebnis und den durch die Klägerin vorgebrachten Beschwerden, die sich aus dem verbalen CT-Befund nicht erklären ließen. Imübrigen erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung.
Der Streithelfer beantragt,
Die Berufung zurückzuweisen.
Der Streithelfer teilt im wesentlichen die Ansicht des Beklagten, daß wegen der Erteilung des Gutachterauftrages durch die Versicherung Ersatzansprüche der Klägerin gegen den Gutachter von vornherein aus Rechtsgründen nicht gegeben seien. Auch im übrigen macht er sich das Vorbringen des Beklagten zu eigen. Dieser hätte sich zu den Beschwerden der Klägerin lediglich aus hals-nasen-ohrenärztlicher Sicht äußern sollen. Da die Computertomographie nicht zu den diagnostischen Mitteln auf diesem Fachgebiet zähle, habe weder für den Beklagten noch für ihn selbst Veranlassung bestanden, eine computertomographische Untersuchung zu empfehlen. Dazu hätten auch die verwerteten Vorgutachten keinen Anlaß geboten. Mit Nichtwissen bestreitet der Streithelfer, daß bei der Klägerin eine Hirnsubstanzverletzung vorliege, die auf den Verkehrsunfall vom 24. Februar 1970 zurückgehe. Ein entsprechender Nachweis lasse sich allenfalls durch eine sorgfältige neurologische Abklärung führen. Dem genüge das Befundergebnis des ... vom 5. Mai 1988 nicht. Der Streithelfer bestreitet weiter mit Nichtwissen, daß der CT-Befund aus dem Jahre 1988 bereits bei Erstellung des Gutachtens im Jahre 1986 feststellbar gewesen wäre. Im übrigen fehle es aber auch an einem Ursachenzusammenhang zwischen dem Gutachten und der Abfindungsvereinbarung, da dieses zu einem der Klägerin ungünstigen Ergebnis gekommen sei. Dessen ungeachtet sei das im Vergleich zur Computertomographie wesentlich aufwendigere magnetresonanztomographische Verfahren im Jahre 1986 noch nicht indiziert gewesen. Es habe sich um ein zu dem Zeitpunkt technisch noch nicht ausgereiftes Verfahren gehandelt. Einen aussagekräftigen Befund hätte ein solches Verfahren nicht ergeben.
Wegen des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien und des Streithelfers wird im übrigen auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gemäß den Beweisbeschlüssen vom 16. Mai 1991 (Bl. 240 bis 242 d.A.) und 20. Oktober 1992 (Bl. 397 bis 399 d.A.) hat der Senat Beweis erhoben.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlich erstatteten Gutachten des Dr. med. ... vom 6. April 1992 (Bl. 308 bis 315 d.A.) i.V.m. dem Ergänzungsgutachten vom 24. Juni 1992 (Bl. 342/343 d.A.) und des Dr. med. ... vom 24. Mai 1993 (Bl. 422 bis 428 d.A.) verwiesen, die die Sachverständigen im Termin vom 2. Juni 1992 (Bl. 346 bis 348 d.A.) bzw. 21. Oktober 1993 (Bl. 476/477 d.A.) mündlich erläutert haben.
Die informationshalber beigezogenen Akten 14 O 202/89 LG Hannover, 15 O 325/70 LG Hannover und 4 C 532/81 AG Hannover haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin hat auch nach Durchführung der Beweisaufnahme durch den Senat keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die auf Schadensersatz gerichtete Klage abgewiesen. Die Klägerin hat nicht bewiesen, aufgrund einer Pflichtverletzung des Beklagten eine für sie nachteilige Abfindungsvereinbarung im Oktober 1986 mit der Versicherung getroffen zu haben. Im einzelnen gilt folgendes:
1.
Allerdings liegen, obwohl die Klägerin den Beklagten nicht mit der Erstellung des Gutachtens vom 17. April 1986 beauftragt hat, insoweit die Voraussetzungen für die Annahme eines Vertrages mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter vor.
a)
Nach den in Rechtsprechung und Schriftum (vgl. die Nachweise bei Palandt/Heinrichs BGB, 52. Aufl., §328, Randziffer 16) näher konkretisierten Anspruchskriterien muß in erster Linie zwischen dem geschädigten Dritten und der vertraglich geschuldeten Leistung dergestalt eine gewisse Leistungsnähe bestehen, daß die Leistung zumindest auch als "drittbezogen" erscheint. Dies ist vorliegend der Fall. Nach dem Inhalt des an den Beklagten gerichteten Auftragsschreibens vom 27. März 1985 stand die Begutachtung vor dem Hintergrund einer Auseinandersetzung zwischen der Klägerin und der Versicherung über einen Zusammenhang zwischen den klägerseits geltend gemachten Schwindelbeschwerden und dem Unfallgeschehen vom 24. Februar 1970. Das möglichst abschließende Gutachten des Beklagten sollte für die Regelung von Schadensersatzansprüchen, insbesondere für "nicht unerhebliche Schmerzensgeldforderungen der Klägerin" dienen. Zudem war dem Auftragsschreiben erklärtermaßen eine Absprache mit dem Anwalt der Klägerin über Art und Umfang des zu erstellenden Gutachtens sowie die Auswahl des Gutachters vorangegangen, so daß die weitere Verwendung des Gutachtens auch für die Interessen der Klägerin von vornherein mit Grundlage des Gutachterauftrages war. Zudem unterstreicht auch der weitere Hinweis der Versicherung in ihrem Auftragsschreiben, den Anwalt der Klägerin über die Auftragserteilung unterrichtet zu haben, daß die Begutachtung im Interesse beider Regulierungsbeteiligter lag, die sich auf das Ergebnis der Begutachtung sollten verlassen können, ohne daß es noch weiter darauf ankam, wer formal "im engeren Sinne" Auftraggeber war.
b)
Nach dem zwischen ihm und der Versicherung begründeten Vertragsverhältnis hatte der Beklagte bei der Erstellung des Gutachtens Schutzpflichten auch gegenüber der Klägerin zu beachten. Dies ergibt sich aus einem entsprechenden Parteiwillen (BGH NJW 1984, 355, 356 [BGH 02.11.1983 - IVa ZR 20/82]), wie er nach den gesamten Umständen in der Auftragserteilung Niederschlag gefunden hat. Auftraggeber insbesondere in der Versicherungsbranche machen häufig davon Gebrauch, bei Schadensregulierungen die Autorität, die hinter dem Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen steht, zu nutzen, um Regulierungsentscheidungen zu treffen. Sie nehmen dabei grundsätzlich ausschließlich eigene Vermögensinteressen wahr. Indessen kann dies dann nicht gelten, wenn das Gutachten für Verhandlungen mit einem Dritten und auch für dessen wichtige Vermögensdispositionen dienen soll. In einem solchen Fall bestehen auch gegenüber dem Dritten Schutzpflichten, die bei Verletzung zur Haftung gegenüber dem Dritten führen können (vgl. BGH a.a.O.). So liegen die Dinge auch im vorliegenden Fall. Dabei macht es keinen Unterschied, daß der Beklagte nicht als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger in Erscheinung getreten ist. Denn ein auf die Einhaltung von Schutzpflichten gegenüber einem Dritten gerichteter Parteiwille besteht auch dann, wenn der Sachverständige sonst in seiner Eigenschaft als Fachmann oder "Kapazität auf seinem Fachgebiet" um sachverständigen Rat gebeten wird (Palandt/Heinrichs BGB, 52. Aufl.,§328, Randziffer 17 und 32 mit weiteren Nachweisen). Als solcher war der Beklagte hier in seiner Eigenschaft als Chefarzt der HNO-Klinik der ..., konfrontiert mit einem seit mehr als 14 Jahren beklagten Beschwerdebild der Klägerin, angesprochen. Das mit der entsprechenden Autorität durch ihn zu erstellende Gutachten sollte nicht allein die Verhandlungsposition der Versicherung vorbereiten. Diese war sich vielmehr mit der Klägerin darüber einig, daß weitere Regulierungsverhandlungen auf ein durch den Beklagten möglichst abschließend zu erstattendes Gutachten und dessen Ergebnis als "Argumentationshilfe" gestützt werden sollten. Diese Zielrichtung hat in dem Auftragschreiben vom 27. März 1985 und damit in dem Gutachterauftrag einen entsprechenden Niederschlag gefunden. Eine solche Auslegung verkennt nicht, daß in diesem Zusammenhang auch die Interessen eines Sachverständigen, nicht in unzumutbarer Weise mit Schadensersatzpflichten gegenüber Dritten belastet zu werden, Berücksichtigung finden müssen (BGH a.a.O.). Bei Würdigung der besonderen Umstände im vorliegenden Fall müssen diese jedoch zurücktreten. Zum einen kommen Schutzpflichten des Beklagten von vornherein lediglich gegenüber der Versicherung und der Klägerin in Betracht. Der Kreis schutzbedürftiger Personen ist danach von vonhereinüberschaubar. Zum anderen liegt die Besonderheit vorliegend darin, daß Klägerin und Versicherung sich auf den Beklagten als Sachverständigen praktisch verständigt hatten und es unter diesen Umständen für den Umfang der Schutzpflichten des Sachverständigen nicht darauf ankommen kann, wer von beiden - mehr oder weniger zufällig - den Gutachterauftrag erteilt hat.
c)
Soweit es für die Haftung auf Schadensersatz aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter darauf ankommt, daß dem Schuldner der Drittbezug der Leistungen (a) sowie die Schutzpflicht für den Dritten (b) erkennbar sein müssen (BGH NJW 1985, 489, 2411 [BGH 07.11.1984 - VIII ZR 182/83]), sind auch diese Voraussetzungen erfüllt, weil sich dies für den Beklagten - wie vorstehend ausgeführt - bei Auftragserteilung aus dem ihm zugegangenen Schreiben vom 27. März 1985 und den beigefügten Unterlagen ergab.
d)
Eine Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter greift allerdings nur dann ein, wenn der Dritte schutzwürdig ist. Auch dies ist hier der Fall, weil der Klägerin keine anderweitigen Ansprüche gleichen Inhalts zustehen. Vorliegend in Betracht kämen allein weitergehende Ersatzansprüche gegen den Verursacher des Unfalls vom 24. Februar 1970, den Kfz-Halter, etwaige Erben und die betroffene Versicherung. Etwaigen Nachforderungen steht jedoch die im Oktober 1986 geschlossene Abfindungsvereinbarung entgegen, die, obwohl nur zwischen der Klägerin und der Versicherung geschlossen, als "pactum de non petendo" (Palandt/Heinrichs BGB, 52. Aufl., §328, Randziffer 8 mit weiteren Nachweisen) weitergehende Ansprüche gegen sämtliche ersatzpflichtigen Personen ausschließt.
aa)
Die Abfindungsvereinbarung ist nicht etwa nach §779 Abs. 1 BGB unwirksam. Dies wäre nur dann der Fall, wenn ein nach dem Inhalt des Vertrages als feststehend zugrundegelegter Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entsprochen hätte und der Streit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden wäre. Bereits an der ersten Voraussetzung fehlt es. Anlaß für die Begutachtung und den späteren Abfindungsvergleich waren Schwindelanfälle sowie Störungen des Gleichgewichtsorgans bei der Klägerin und ein möglicher Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall vom 24. Februar 1970. Die Frage nach der Kausalität war weder bei Begutachtung noch bei Vergleichsabschluß zwischen den Beteiligten "als feststehend" außer Streit.
bb)
Weitergehende Ersatzansprüche der Klägerin gegenüber der Versicherung erscheinen auch nach den Grundsätzen bei einem Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht gerechtfertigt. Wer, wie hier die Klägerin, eine Kapitalabfindung wählt, nimmt das Risiko bewußt in Kauf, daß die für die Bemessung maßgebenden Faktoren auf unsicherer Prognose beruhen (BGH NJW 1984, 115 [BGH 12.07.1983 - VI ZR 176/81]). Der Wortlaut der Abfindungsvereinbarung vom 12. Oktober 1986 ergibt im übrigen keine Anhaltspunkte für eine nur eingeschränkte Tragweite der Abfindungserklärung. Er umfaßt erklärtermaßen bekannte sowie zu dem Zeitpunkt noch unbekannte spätere Unfallfolgen und damit die durch die Klägerin vorgebrachten Beschwerden selbst für den Fall, daß eine spätere Zuordnung zum Unfallgeschehen möglich sein sollte.
e)
Einer Haftung des Beklagten steht auch nicht entgegen, daß er den Gutachterauftrag an den Streithelfer weitergegeben und dieser die erforderlichen Untersuchungen durchgeführt bzw. veranlaßt hat. Denn der Beklagte hat das schriftliche Gutachten mitunterzeichnet. Er hat zudem mit dem Zusatz "vorstehenden Gutachten stimme ich aufgrund eigener Urteilsbildung zu" zu erkennen gegeben, daß er sich den Inhalt des Gutachtens zu eigen machen und mit der Autorität seiner Fachkompetenz dem Gutachterauftrag entsprechend dafür einstehen wolle.
2.
Auch wenn hiernach die Anknüpfungsvoraussetzungen für eine Inanspruchnahme des Beklagten aus Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter durch die Klägerin gegeben sind, ist das Klagebegehren gleichwohl unbegründet. Ein Teil der Pflichtverletzungen, die die Klägerin dem Beklagten nunmehr anlastet, waren ihr schon nach dem Klagevortrag bei Abschluß des Abfindungsvergleichs bekannt. Im übrigen hat die Klägerin nicht bewiesen, daß Hinweispflichten des Beklagten indiziert waren, die zu einem für sie günstigeren Abschluß der Abfindungsvereinbarung geführt hätten.
a)
Soweit die Klägerin dem Beklagten anlastet, diese habe schuldhaft ein unzureichendes Gutachten erstattet, weil weder er selbst noch der unmittelbar untersuchende Streithelfer die Feststellungen zum Romberg-Versuch getroffen hätten, ist zunächst nicht dargetan, inwieweit dieser Umstand zu einer im Ergebnis unzutreffenden Beurteilung aus hals-nasen-ohrenärztlicher Sicht geführt hätte. Überdies ist nach dem Klagevortrag auch nicht ersichtlich, daß der Gutachter die Feststellungen zu diesem Versuch notwendig hätte persönlich treffen müssen und nicht - wie insbesondere der Streithelfer betont - auf die Mithilfe einer erfahrenen Arzthelferin hätte zurückgreifen dürfen. Im Ergebnis kommt es hierauf aber nicht weiter entscheidend an. Denn auf eine vermeintlich unzureichende Begutachtung durch den Beklagten kann die Klägerin sich insoweit schon deshalb nicht berufen, weil ihr Wissen um diese Umstände auf eigener Wahrnehmung beruht und ihr diese nach Vorlage des Gutachtens im Zeitpunkt des Abschlusses der Abfindungsvereinbarung bekannt waren. Sie kann hieraus mangels Vorbehalt keine Ersatzansprüche gegen den Beklagten mit dem Hinweis herleiten (§640 Abs. 2 BGB), dieser habe ein mangelhaftes Gutachten erstellt. Ebenso gilt dies für den weiteren Vorwurf der Klägerin, der Beklagte habe deshalb ein unzureichendes Gutachten erstattet, weil er die Vorgutachten ... vom 23. November 1973 und ... vom 23. Oktober 1985 sowie den Arztbericht ... vom 10. August 1977 nicht mit für die Begutachtung herangezogen habe. Auch dieser Sachverhalt war ihr nach Vorlage des schriftlichen Gutachtens bekannt, in dem der Beklagte und sein Streithelfer die für ihre gutachtliche Äußerung herangezogenen Vorgutachten aufgeführt und ausgewertet hatten. Wenn die Klägerin gleichwohl in Kenntnis dieses Sachverhalts ein aus ihrer Sicht unzureichendes Gutachten zum Anlaß genommen hat, eine Abfindungsvereinbarung zu schließen, bleibt sie gehindert, hieraus Schadensersatzansprüche und damit praktisch Befreiung von dem für sie ungünstigen Auswirkungen der Vereinbarung zu verlangen.
b)
Soweit die Klägerin dem Beklagten anlastet, ihr gegenüber Hinweispflichten auf Untersuchungsverfahen (Computertomographie und Magnetresonanztomographie) außerhalb seines Fachgebietes verletzt, damit eine objektive Ursachenermittlung ihrer Schwindelbeschwerden verhindert und sie zu einem für sie ungünstigen Abfindungsvergleich bestimmt zu haben, ist eine Schadensersatzpflicht des Beklagten zu verneinen, weil die Klägerin nicht bewiesen hat, daß bei der Computertomographie eine entsprechende Unterrichtung zum Nachweis eines Ursachenzusammenhangs geführt hätte und daß bei der Magnetresonanztomographie ein solches Untersuchungsverfahren überhaupt indiziert war.
Zwar war der Beklagte nach dem Gutachterauftrag gundsätzlich nur gehalten, aus seiner hals-nasen-ohrenärztlichen Sicht den gestellten Fragen nach einem möglichen Zusammenhang zwischen den subjektiven Schwindelbeschwerden der Klägerin und dem Unfallgeschehen gutachterlich nachzugehen. Gleichwohl mußte er den Umständen der Auftragserteilung entnehmen, daß von dem Ergebnis seiner möglichst abschließenden Begutachtung eine wesentliche Entscheidungshilfe erwartet wurde. Dies gilt umso mehr, als aus neurologischer Sicht eine Objektivierung der Schwindelsymptomatik bis dahin nicht gelungen war. Auffallen mußte ihm zudem, daß nach der Aktenlage, wie sie in das von ihm mitzuverantwortende Gutachten Eingang gefunden hatte, die neurologischen Beurteilungen teilweise bis zu 15 Jahren zurücklagen. Der Auftraggeber sowie der nach dem Parteiwillen interessengeschützte Dritte durften unter diesen Umständen bei dem Ausbleiben eines Befundes aus hals-nasen-ohren-ärztlicher Sicht auch disziplinübergreifende Hinweise auf weitergehende Untersuchungsmethoden erwarten, sofern diese eine zusätzliche Aufklärung erwarten ließen und sich zumindest aus allgemeinmedizinischer Sicht aufdrängten.
aa)
Ob unter diesen Voraussetzungen zur weitergehenden neurologischen Abklärung im Sinne der Klage ein Hinweis auf die zwischenzeitlich durch den Einsatz der Computerthomographie verbesserte Diagnostik angezeigt war, braucht der Senat indessen nicht abschließend zu entscheiden. Denn eine haftungsbegründende Pflichtverletzung scheidet schon deshalb aus, weil die Klägerin nicht bewiesen hat, daß bei entsprechender Unterrichtung der Einsatz der Computertomographie zum Nachweis eines Ursachenzusammenhangs zwischen dem zu erwartenden Befund und dem subjektiven Beschwerdebild der Klägerin geführt hätte. Dabei geht der Senat zugunsten der Klägerin davon aus, daß bei einem Einsatz der Computertomographie schon im Zeitpunkt der Begutachtung durch den Beklagten und seinen Streithelfer der CT-Befund, wie ihn der Radiologe ... am 5. Mai 1988 erhoben hat, feststellbar war. Gleichwohl ist der Befund "Substanzdefekt hoch parieto-ocipital linksseitig" und "leichte Verplumpung der Seitenventrikel" nicht geeignet, das subjektive Beschwerdebild zu erklären, so daß selbst ein solcher Befund die Ausgangsposition der Klägerin bei Abschluß der Abfindungsvereinbarung nicht entscheidend verbessert hätte. Der Senat stützt sich bei dieser Einschätzung auf die Ausführungen des Sachverständigen ... in seinem schriftlich erstatteten Gutachten vom 4. Juni 1992. Unter Einbeziehung eines auf seine Veranlassung erhobenen weiteren CT-Befundes von Schädel und Gehirn der Klägerin kommt der Sachverständige, der hierbei seine Erfahrungen als Leiter einer Spezialklinik für schwerst schädelhirnverletzte Patienten der Akut- und Subakutphase mit hat einfließen lassen, zu der Beurteilung, daß der von ihm beschriebene Zustand nicht mit dem Befund einer traumatischen Hirnschädigung als Folge einer unfallbedingten Gewalteinwirkung in Einklang zu bringen sei. Es handle sich nach seinen Beobachtungen vielmehr generell um ein diffuses Bild, das weitgehend symmetrisch über das gesamte Hirn sowohl auf der Hirnbasis als auch auf den Oberflächen verteilt sei. Dieser Befund sei nicht mit sogenannten fokalen oder örtlich begrenzten Gewalteinwirkungen auf das Gehirn in Einklang zu bringen. Dieser Befund sei nicht geeignet, das geschilderte Beschwerdebild der Klägerin zu erklären. Selbst unter der Annahme, daß der pathologische Herd paritel links nicht den allgemeinen Veränderungen zuzuordnen wäre, käme ihm ein so geringer Krankheitswert zu, daß er ebenfalls die seitens der Klägerin geschilderte Beschwerdeproblematik nicht erklären könnte. Nach diesen schlüssigen und überzeugend dargelegten Ausführungen, an denen der Sachverständige auch auf Vorhalt im Rahmen der mündlichen Erörterung seines Gutachtens vor dem Senat festgehalten hat und die sich der Senat für seine Beurteilung zu eigen macht, bestehen keine beweiskräftigen Anhaltspunkte dafür, daß seinerzeit ein Hinweis auf computertomographische Untersuchungen zu einer Aufklärung und Objektivierung der Schwindelbeschwerden bei der Klägerin und deren Zuordnung zum Unfallgeschehen vom 24. Februar 1970 entscheidend gefördert hätte. Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht weiter darauf an, ob nach der Krankheitsgeschichte der Klägerin vieles, wie etwa der Umstand, daß sie erst seit dem Unfall über Schwindelbeschwerden mit Gangunsicherheiten etc. geklagt hat, auf einen Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall hindeutet. Dieses war der Klägerin nämlich bei Abschluß der Abfindungsvereinbarung bekannt. Demgegenüber kommt es für eine Haftung des Beklagten auf Schadensersatz allein darauf an, ob der unterbliebene Einsatz der Computertomographie zu einem bis dahin nicht möglichen hinreichend objektivierten Nachweis der Ursachen der Schwindelbeschwerden geführt hätte. Dies kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht angenommen werden.
bb)
Der Beklagte ist der Klägerin auch nicht deshalb zum Schadensersatz verpflichtet, weil er es unterlassen hat, auf die Möglichkeit einer durch den Einsatz einer magnetresonanztomographischen Untersuchung verbesserten Diagnostik hinzuweisen. Insoweit scheidet eine Verletzung von Hinweispflichten schon deshalb aus, weil die Durchführung einer solchen Untersuchung nicht indiziert war. Der Sachverständige ... hat hierzu ausgeführt, ein akutes Schädelhirntrauma mit neurologischer Symptomatik, insbesondere mit Bewußtseinsstörung oder Bewußtseinsverlust, sei erst etwa 1975 bis 1980 eine absolute Indikation zur sofortigen Computertomographie gewesen. Eine solche akute Symptomatik habe bei der Klägerin zum Zeitpunkt der hier fraglichen Untersuchung durch den Beklagten jedoch nicht vorgelegen. Demgegenüber sei die Magnetresonanztomographie auch heute bei klinisch nicht objektivierbaren Befunden, wie sie für den Beklagten und den Streithelfer im Jahre 1986 vorlagen, nicht indiziert. Demgemäß kann auch dahinstehen, ob nunmehr mit Hilfe eines magnetresonanztomographischen Untersuchungsverfahrens ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Beschwerdebild und den Laesionen bei der Klägerin festgestellt werden kann. Zwar hat sich der Sachverständige ... zu dieser Frage nur aus der Sicht des Radiologen geäußert. Gleichwohl braucht der Senat das durch die Klägerin hilfsweise beantragte neurologische Gutachten zur Frage des kausalen Zusammenhangs zwischen dem Beschwerdebild bei der Klägerin und den festgestellten Substanzdefekten in ihrem Gehirn nicht einzuholen, weil es für eine Haftung des Beklagten auf die Sicht der Verhältnisse im Zeitpunkt seiner Begutachtung ankommt. Zu diesem Zeitpunkt war aber, wie der Sachverständige ... überzeugend ausgeführt hat, bei den bei der Klägerin vorliegenden klinisch nicht objektivierbaren Befunden und im Hinblick auf die jahrelange Dauer der von ihr genannten konstant bestehenden Beschwerden der Einsatz des magnetresonanztomographischen Untersuchungsverfahrens nicht angezeigt.
3.
Da das Landgericht hiernach die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat, ist die Berufung zurückzuweisen. Als insgesamt unterliegender Teil trägt die Klägerin auch die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die insoweit angefallenen außergerichtlichen Kosten des Streithelfers (§§97 Abs. 1, 101 ZPO).
Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf den §§708 Nr. 10, 711 und 546 Abs. 2 ZPO.