Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 04.11.1993, Az.: 8 U 93/92

Auszahlung einer Versicherungssumme von 100.000 DM und dynamischer Zuwachsbeträge aus einer Kapitallebensversicherung; Rücktritt von einem Versicherungsvertrag und dessen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung über eine Alkoholerkrankung; Nichtanzeige einer Alkoholabhängigkeit bei Abschluss einer Kapitallebensversicherung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
04.11.1993
Aktenzeichen
8 U 93/92
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1993, 23063
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1993:1104.8U93.92.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Göttingen - 23.04.1992 - AZ: 2 O 413/91

Fundstellen

  • VersR 1995, 405-406 (Volltext mit red. LS)
  • VersR 1995, 501-505 (Urteilsbesprechung von Rechtsanwalt Dr. Christoph Hülsmann)

[...]
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 8. Oktober 1993
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 23. April 1992 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 114.500 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet. Sicherheit kann auch durch selbstschuldnerische unbefristete Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse geleistet werden.

Beschwer der Beklagten: 115.000 DM.

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Auszahlung der Versicherungssumme von 100.000 DM und dynamischer Zuwachsbeträge aus einer Kapitallebensversicherung in Anspruch, die er im Frühjahr 1988 auf das Leben des ... genommen hatte.

2

... verstarb am 2. März 1989 nach übermäßigem Alkoholgenuß an einer Alkoholvergiftung. Die Beklagte lehnte die vom Kläger begehrte Auszahlung der Versicherungssumme mit der Begründung ab, ... sei bereits seit längerer Zeit in ... als Alkoholiker, bzw. gewohnheitsmäßiger Trinker bekannt gewesen. Der Kläger habe das bei Stellung des Versicherungsantrages gewußt und verschwiegen. Sie erklärte den Rücktritt vom Versicherungsvertrag und dessen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Weiter vertrat sie die Auffassung, die Anzeigepflicht nach §§16, 17 VVG sei verletzt worden, außerdem sei der Vertrag sittenwidrig.

3

Mit Schreiben vom 30. August 1989 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 13. September 1989 erfolglos zur Zahlung auf.

4

Mit der Klage hat der Kläger die Versicherungssumme von 100.000 DM sowie 10,5 % Zinsen seit dem 14. September 1989 verlangt und die Feststellung begehrt, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm die dynamischen Zuwachsbeträge aus dem Lebensversicherungsvertrag zu zahlen.

5

Der Kläger hat die Anfechtung des Vertrages für unwirksam gehalten und dazu geltend gemacht, ... sei bei Abschluß des Versicherungsvertrages nicht alkoholabhängig gewesen. Jedenfalls sei ihm, dem Kläger, von einer Alkoholabhängigkeit nichts bekannt gewesen. Er selbst habe den ... kaum gekannt. Auch der Getränkehändler ... habe ihm nur den Hinweis gegeben, daß er auf das Leben des ... als Vorsorge für die Zukunft eine Versicherung abschließen könne. Über ... Trinkgewohnheiten habe ... nichts gesagt. Er, der Kläger, habe nicht auf einen frühen Tod des ... spekuliert. Das gehe schon daraus hervor, daß er, wie unstreitig ist, vor Abschluß des Versicherungsvertrages auf einer ärztlichen Untersuchung des ... bestanden habe. Auch sittenwidrig sei der Vertrag unter diesen Umständen nicht. Den Rücktritt der Beklagten vom Versicherungsvertrag hat der Kläger für verspätet gehalten.

6

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm 100.000 DM nebst 10,5 % Zinsen seit dem 14. September 1989 zu zahlen und ... festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm die dynamischen Zuwachsbeträge aus dem Lebensversicherungsvertrag Nr. 286628475 vom 22. August 1989 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Sie hat an der Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung festgehalten und ist bei ihrer Behauptung geblieben, der Kläger habe eine ihm bekannte Alkoholabhängigkeit des ... bei Antragstellung verschwiegen, weil er gewußt habe, daß sie sonst den Antrag ablehnen werde. Auch ... habe seine Alkoholabhängigkeit verschwiegen. Dafür, so hat die Beklagte gemeint, habe nach §161 VVG ebenfalls der Kläger einzustehen.

9

Ihren Rücktritt vom Vertrag wegen Verletzung der Anzeigepflicht hat die Beklagte nicht für verspätet gehalten, weil sie erst Anfang August 1989 in einem Gespräch mit der Kriminalpolizei ... Aufklärung zur Frage des Verschuldens des Klägers bei der Nichtanzeige von ... Alkoholabhängigkeit erhalten habe.

10

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Wegen der Erwägungen, von denen es sich hat leiten lassen sowie zur näheren Sachdarstellung wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils einschließlich der Verweisungen Bezug genommen.

11

Gegen das ihr am 30. April 1992 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 25. Mai 1992 Berufung eingelegt und diese am 25. Juni 1992 begründet.

12

Die Beklagte verfolgt ihren Klageabweisungsantrag weiter.

13

Sie hält ihre Rücktrittserklärung entgegen der Auffassung des Landgerichts für rechtzeitig, weil von ihr nicht verlangt werden könne, daß sie bereits bei Verdachtsmomenten eine Rücktrittserklärung abgebe.

14

Weiter hält sie daran fest, daß die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung wirksam sei. Sie bleibt bei der Behauptung, der Kläger und ... selbst hätten zum Gesundheitszustand ... falsche Angaben gemacht. Sie hätten verschwiegen, daß ... jedenfalls seit 1983 in einem derartigen Übermaß regelmäßig Alkohol zu sich genommen habe, daß er als alkoholkrank anzusehen gewesen sei. Darüber hätten beide sie aufklären müssen. Dem stehe nicht entgegen, daß in dem von ihr verwendeten Antragsformular nicht nach Alkoholmißbrauch gefragt worden sei. Angesichts des in diesem Formular enthaltenen Fragenkataloges habe sich ein Versicherungsnehmer verpflichtet fühlen müssen, einen langjährigen Alkoholmißbrauch anzugeben. Erst recht habe für ... an dieser Verpflichtung kein Zweifel bestehen können. Denn mit dem als Anlage zur Klage in Ablichtung vorgelegten Fragenkatalog, den ... anläßlich der ärztlichen Untersuchung habe beantworten müssen, sei unter Ziffer 3. o die Angabe sonstiger Krankheiten, Gebrechen, körperlicher Fehler oder Beschwerden, nach denen nicht ausdrücklich gefragt war, verlangt worden. Weiter sei unter Ziffer 4. a nach der regelmäßigen oder gewohnheitsmäßigen Einnahme von Drogen oder Medikamenten gefragt worden.

15

Zum Beweise dafür, daß bereits bei der ärztlichen Untersuchung anläßlich des Vertragabschlusses ein langjähriger chronischer Alkoholmißbrauch vorgelegen haben müsse, weil nach dem Untersuchungsbefund Leber und Milz größer als normal gewesen seien und bei der späteren Obduktion die Verdachtsdiagnose einer Fettleber-Hepatitis und einer Pankreaslipomatose gestellt worden sei, beruft sich die Beklagte auf Einholung eines Sachverständigengutachtens. Weiter benennt sie die geschiedene Ehefrau des ..., Frau ..., als Zeugin dafür, daß ... nach deren Einschätzung ... seit 1983 als alkoholabhängig anzusehen gewesen sei und daß der Alkoholmißbrauch zum Verlust seines Arbeitsplatzes und zum Scheitern seiner Ehe geführt habe. Drei weitere Zeugen benennt sie dafür, daß diese ... ebenfalls als Alkoholiker eingeschätzt hätten. Sie zieht daraus den Schluß, ... sei bewußt gewesen, daß er alkoholabhängig gewesen sei.

16

Die Alkoholkrankheit des ... sei auch dem Getränkehändler ... bekannt gewesen. Zumindest über diesen habe auch der Kläger davon Kenntnis gehabt. Denn er sei von ... auf die Idee gebracht worden, dadurch, daß er einen Lebensversicherungsvertrag mit einem unheilbar Alkoholkranken als versicherte Person abschloß, kurzfristig auf Kosten der Lebensversicherung ein gutes Geschäft zu machen.

17

Weiter hält die Beklagte an der Auffassung fest, der Vertrag sei wegen Sittenverstoßes und wegen seines aleatorischen Charakters nach §138 BGB i.V.m. §§762, 764 BGB nichtig. Denn dem Kläger sei ... kaum bekannt und völlig gleichgültig gewesen. Insbesondere habe der Kläger kein vermögensrechtliches Interesse am Nichteintritt des Versicherungsfalles gehabt. Vielmehr sei er daran interessiert gewesen, daß ... so bald wie möglich verstarb, um kurzfristig an dessen Tod zu verdienen.

18

Schließlich bestreitet die Beklagte, daß der Kläger Bankkredit in Höhe der Klageforderung in Anspruch nehme und dafür die verlangten 10,5 % Zinsen zahlen müsse.

19

Die Beklagte beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

20

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und im Falle einer Maßnahme nach §711 ZPO ihm nachzulassen, prozessuale Sicherheit auch in Form der selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse leisten zu dürfen.

21

Er verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens das landgerichtliche Urteil. Er bestreitet insbesondere weiterhin, daß ... bei Abschluß des Versicherungsvertrages alkoholkrank oder alkoholabhängig gewesen sei. Er legt im einzelnen dar, daß entsprechende Einschätzungen durch die von der Klägerin benannten Zeugen nicht geeignet seien, eine derartige Feststellung zu treffen. Auch das Obduktionsergebnis lasse einen solchen Schluß nicht zu. Gleiches gelte für den Untersuchungsbefund bei der ärztlichen Untersuchung anläßlich des Versicherungsvertrages. Die dort festgehaltene Vergrößerung der Leber und der Milz habe der untersuchende Arzt nicht als krankhaft angesehen. Im übrigen sei dieser Befund der Beklagten vor Abschluß des Versicherungsvertrages zur Kenntnis gebracht worden.

22

Selbst für den Fall, daß ... alkoholkrank gewesen wäre, bestreitet der Kläger, daß ... selbst oder er, der Kläger, davon etwas gewußt hätten. ... angeblicher Alkoholgenuß habe, soweit ersichtlich, noch keine Folgen gehabt, die ihm irgendwelche Beschwerden verursacht hätten. Der Kläger tritt der Behauptung entgegen, er habe mit ... zusammengearbeitet, um auf Kosten der Lebensversicherung kurzfristig ein gutes Geschäft zu machen. Er habe nur nach seinem Herzinfarkt als selbständiger Unternehmer einen Teil des Geldes aus seinem Betrieb zurücklegen wollen. Den sinnvolleren Weg, sein eigenes Leben zu versichern, habe er jedoch nicht gehen können, weil dies wegen seines Gesundheitszustandes nicht oder nur zu sehr ungünstigen Bedingungen möglich gewesen sei. Deshalb sei er auf ... Vorschlag eingegangen, ... Leben zu versichern, obwohl er diese rechtliche Konstruktion selbst nicht ganz begriffen habe. Er bestreitet auch, daß ... eine Alkoholkrankheit des ... gekannt und gewußt habe, daß dieser deswegen nicht mehr lange zu leben habe. Er weist darauf hin, daß ..., wie unstreitig ist, nicht an den Folgen eines chronischen Alkoholmißbrauchs, sondern an einer akuten Alkoholvergiftung gestorben ist.

23

Der Rechtsauffassung der Beklagten zur grundsätzlichen Unwirksamkeit von Lebensversicherungen auf das Leben eines Dritten, zu dem der Versicherungsnehmer keine engere Beziehung hat, tritt der Kläger entgegen. Er meint, in solchen Fällen habe der Gesetzgeber die geforderte Zustimmung des Dritten als ausreichend angesehen, um Spekulationen mit dessen Leben zu unterbinden. Im übrigen stehe bei der hier abgeschlossenen Kapitallebensversicherung der Sparcharakter im Vordergrund.

24

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluß vom 17. Juni 1993 (Bl. 131 f d.A.) durch Vernehmung der Zeugen ... und .... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 8. Oktober 1993 (Bl. 152-160 d.A.) Bezug genommen.

25

Die Akten 21 Js 4628/89 und 25 Js 12528/89 der Staatsanwaltschaft Göttingen haben zu Informationszwecken vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

26

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

27

Der Kläger hat Anspruch auf die Versicherungssumme und die noch nicht bezifferten dynamischen Zuwachsbeträge, nachdem mit dem Tod des ... der Versicherungsfall eingetreten ist.

28

Die von der Beklagten erklärte Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung führt nicht zum Verlust des Anspruchs, weil die Voraussetzungen einer wirksamen Anfechtung nicht festzustellen sind. Ob ... zu der Zeit, als der Versicherungsvertrag abgeschlossen wurde, als alkoholabhängig oder alkoholkrank anzusehen war, steht nicht fest. Es kann auch dahingestellt bleiben. Denn eine arglistige Täuschung i.S. von §123 BGB könnte in der Nichtangabe dieses Umstandes nur dann liegen, wenn der Kläger davon etwas gewußt hätte. Dies steht jedoch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht fest. Nach den Angaben der Zeugen ... und ... haben beide mit dem Kläger über ... Alkoholkonsum nicht gesprochen. Zwar mögen an der Richtigkeit der Angaben des Zeugen ... insoweit Zweifel bestehen, als er seine eigenen Wahrnehmungen über ... Trinkgewohnheiten geschildert hat. Auch wenn der Zeuge insoweit möglicherweise etwas beschönigt hat, läßt das jedoch nicht den Schluß zu, er habe entgegen seiner Darstellung den Kläger über mißbräuchlichen Alkoholkonsum des ... unterrichtet.

29

Denkbar ist vielmehr auch, daß der Zeuge ... davon gerade deshalb nicht gesprochen hat, weil er den Abschluß des Vertrages und damit die Provision des Versicherungsvertreters ... und seine eigene Beteiligung daran nicht gefährden wollte. Denn der Kläger war nicht ohne weiteres bereit, die von ... vorgeschlagene Versicherung abzuschließen. Vielmehr hatte er ... Skrupel, weil er Schwierigkeiten befürchtete, falls dem ... etwas zustieße, und bestand deshalb darauf, daß ... vor Abschluß des Vertrages ärztlich untersucht würde.

30

Die Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung lassen sich auch dann nicht feststellen, wenn man gemäß §161 VVG dem Kläger die Kenntnisse und das Verhalten des ... zurechnet. Zwar wird diesem sein eigener Alkoholgenuß bewußt gewesen sein. Jedoch kann nicht angenommen werden, ... habe schon bloßen Alkoholgenuß für anzeigepflichtig gehalten und geglaubt, es komme der Beklagten für ihre Entscheidung darauf an. Denn nach Alkoholgenuß hatte die Beklagte weder in dem vom Kläger auszufüllenden Antragsformular noch in dem Vordruck gefragt, dessen Fragenkatalog ... anläßlich seiner ärztlichen Untersuchung zu beantworten hatte. Zwar enthält der Katalog der anläßlich der ärztlichen Untersuchung zu beantwortenden Fragen auch diejenige, ob der zu Versichernde unter Krankheiten, Gebrechen, körperlichen Fehlern oder Beschwerden leidet, nach denen nicht ausdrücklich gefragt worden ist. Dazu ist jedoch bloßer Alkoholgenuß nicht zu rechnen. Er fällt auch nicht unter die weitere Frage nach der Einnahme von Drogen oder Medikamenten. Etwas anderes mag gelten, wenn der Alkoholkonsum bereits zu organischen Erkrankungen und gesundheitlichen Beschwerden geführt hat oder wenn eine dem zu Versichernden bekannte Alkoholkrankheit oder Alkoholabhängigkeit vorliegt. Dergleichen läßt sich jedoch hier nicht feststellen. Dafür, daß ... unter alkoholbedingten gesundheitlichen Beschwerden gelitten hätte, gibt es keine Anhaltspunkte. Ebensowenig kann angenommen werden, daß ihm eine organische Erkrankung, etwa der Leber, bekannt gewesen sei. Dagegen spricht vielmehr, daß auch der Hausarzt im Bericht über die ärztliche Untersuchung anläßlich des Versicherungsantrages eine solche Erkrankung nicht erwähnt hat. Schließlich läßt sich auch nicht feststellen, daß ... sich selbst als alkoholkrank oder alkoholabhängig empfunden oder seinen Alkoholkonsum als langjährigen Alkoholmißbrauch angesehen und dies der Beklagten arglistig verschwiegen habe. Von seinem Hausarzt war eine solche Diagnose jedenfalls nicht gestellt worden. Die von der Beklagten benannten Zeugen mögen ... zwar so eingeschätzt haben. Darüber, wie schwer er selbst seinen Alkoholkonsum bewertet hat, besagt das jedoch nichts.

31

Mit Recht ist das Landgericht auch zu dem Ergebnis gelangt, daß die Beklagte von ihrer Leistungspflicht nicht durch Rücktritt vom Versicherungsvertrag frei geworden ist. Auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zur Verspätung der Rücktrittserklärung wird Bezug genommen.

32

Eine Nichtigkeit des Versicherungsvertrages wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach §138 BGB hat das Landgericht ebenfalls mit Recht verneint. Wird das Leben eines Dritten versichert, so erhält zwar der Versicherungsnehmer die Chance, bei dessen frühzeitigem Tod eine seine Beitragsleistungen weit übersteigende Versicherungssumme zu erhalten. Gleichwohl können solche Verträge nicht ohne weiteres als sittenwidrig angesehen oder Spiel und Wette gemäß §§762, 764 BGB gleichgestellt werden. Denn es handelt sich um einen vom Gesetz vorgesehenen und zugelassenen Vertragstyp (§159 VVG). Diese Erwägung gilt auch dann, wenn das Leben des Dritten dem Versicherungsnehmer - wie hier - gleichgültig ist, er also an dessen Fortleben kein persönliches oder wirtschaftliches Interesse hat. Der Gesetzgeber hat auch diese Möglichkeit und die daraus folgenden Gefahren gesehen und deshalb die Wirksamkeit des Vertrages von der Einwilligung dessen abhängig gemacht, dessen Leben versichert werden soll. Weitere Gültigkeitserfordernisse stellt das Gesetz für einen solchen Vertrag nicht auf. Insbesondere verlangt es nicht ein besonderes Interesse des Versicherungsnehmers am Fortleben des Dritten. Der Senat teilt deshalb nicht die bei Bruck-Möller-Winter (VVG, 8. Aufl., §159 Anm. H 5 bis 7) geäußerte Meinung, solche Verträge seien trotz Einwilligung des Dritten wegen Fehlens eines solchen Interesses unwirksam.

33

Abgesehen davon erscheint der hier vorliegende Versicherungsvertrag auch deshalb nicht als reines Spekulationsgeschäft, weil es sich um eine Kapitalversicherung handelt, die üblicherweise auch Sparzwecken dient. Daß es dem Kläger in erster Linie um den nach Ablauf der Versicherungszeit fällig werdenden Kapitalbetrag ging, ist nicht auszuschließen. Denn er mußte damit rechnen, daß ... so lange leben würde, wenn nach dem Ergebnis der ärztlichen Untersuchung keine Bedenken bestanden, sein Leben zu versichern.

34

Besondere Umstände, die den Versicherungsvertrag als sittenwidrig erscheinen lassen, sind nicht erkennbar. Es läßt sich nicht feststellen, daß der Kläger mit dem Abschluß des Vertrages einen gegen die guten Sitten verstoßenden Zweck verfolgt hat, indem er etwa bewußt das Leben eines Alkoholikers versichert hat, von dem er annahm, daß er bald sterben werde. Wie bereits dargelegt, steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht einmal fest, daß der Kläger von ... Alkoholgenuß etwas gewußt hat. Die Tatsache, daß der Kläger vor Abschluß des Versicherungsvertrages auf einer von der Beklagten nicht einmal für nötig gehaltenen ärztlichen Untersuchung ... bestand, spricht auch in diesem Zusammenhang dafür, daß der Kläger keine unlauteren Absichten verfolgte, sondern sich korrekt verhalten wollte.

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Außer der Hauptforderung stehen dem Kläger auch die begehrten Verzugszinsen zu, deren Höhe er mit einer Bankbescheinigung vom 26. Mai 1993 (Bl. 125 d.A.) belegt hat.

36

Die Kosten ihrer nach alledem erfolglosen Berufung hat nach §97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Beschwer ist gemäß §546 Abs. 2 ZPO festgesetzt worden.