Abschnitt 5 VV-ROG/NROG-Untersagung - Adressat, Wirkung und Umsetzung der befristeten und der unbefristeten Untersagung
Bibliographie
- Titel
- Verwaltungsvorschriften zum ROG und zum NROG für die Untersagung raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen (VV-ROG/NROG-Untersagung)
- Amtliche Abkürzung
- VV-ROG/NROG-Untersagung
- Normtyp
- Verwaltungsvorschrift
- Normgeber
- Niedersachsen
- Gliederungs-Nr.
- 23100
5.1 Adressat
Eine von der Landesplanungsbehörde ausgesprochene Untersagung kann sich immer nur an eine andere Behörde richten, nicht an eine Person des Privatrechts.
Stehen ausnahmsweise mehrere Adressaten zur Auswahl, ist unter Berücksichtigung von Verursacher- und Effektivitätsgründen zu entscheiden, an welchen Adressaten die Untersagung gerichtet werden soll.
Widerspricht beispielsweise eine öffentliche Planung einem bestehenden oder in Aufstellung befindlichen Ziel der Raumordnung, ist es rechtlich prinzipiell sowohl möglich, dem Planungsträger die Weiterverfolgung seiner Planung zu untersagen als auch - sofern ein Genehmigungserfordernis besteht - der Genehmigungsbehörde die Erteilung der Genehmigung dieser Planung. Dabei ist bei Verstößen gegen geltende Raumordnungsziele zu berücksichtigen, dass eine Genehmigungsbehörde bei einem festgestellten Rechtsverstoß die Genehmigung ohnehin nicht erteilen dürfte und eine Untersagung gegenüber der Genehmigungsbehörde daher in aller Regel nicht erforderlich ist. Bei befristeten Untersagungen ist zudem zu berücksichtigen, dass diese nicht zur Versagung der Genehmigung, sondern lediglich zu einer zeitlichen Aufschiebung führen (näher dazu in Nummer 5.2) und bei Untersagung allein gegenüber der Genehmigungsbehörde die Möglichkeit einer gesetzlich vorgesehenen Genehmigungsfiktion durch Zeitablauf nicht verhindert werden kann. Aus Effektivitätsgründen sind Untersagungen von Planungen daher vorrangig gegenüber dem öffentlichen Planungsträger auszusprechen und die Genehmigungsbehörde in Kenntnis zu setzen.
Soll eine raumbedeutsame Maßnahme untersagt werden, richtet sich die Untersagung in aller Regel an die Behörde, die über die Zulassung des Vorhabens zu entscheiden hat.
5.2 Wirkung und Umsetzung
Ist ein Planungsträger im eigenen Wirkungskreis Adressat der Untersagung (z. B. Gemeinde als Träger einer Bauleitplanung), kommt der Untersagung Außenwirkung zu und sie hat Verwaltungsaktqualität i. S. des § 35 VwVfG. Sie begründet eine direkt wirkende Verpflichtung, die untersagte Planung - je nach Art der Untersagung - befristet oder dauerhaft zu unterlassen.
Eine Untersagung, die an eine im übertragenen Wirkungskreis tätige Behörde gerichtet ist, hat nur verwaltungsinterne Wirkung. Bezieht sich eine Untersagung beispielsweise auf Maßnahmen anderer öffentlicher Stellen in deren übertragenem Wirkungskreis (wie etwa die Erteilung einer Genehmigung oder eine Planfeststellung), fehlt es an einer Außenwirkung, da sie nur von einer im staatlichen Auftrag tätigen Landesplanungsbehörde an eine andere im staatlichen Auftrag tätige Behörde gerichtet ist, die nicht in eigenen Rechtspositionen berührt ist. Die Untersagung stellt in diesem Fall keinen Verwaltungsakt i. S. des § 35 VwVfG dar. Gleiches gilt für Untersagungen innerhalb des gleichen Verwaltungsträgers, z. B. innerhalb einer Kreisverwaltung von der unteren Landesplanungsbehörde gegenüber einem anderen Fachamt. Auch diese Untersagungen sind mangels Außenwirkung keine Verwaltungsakte. Die Untersagung bindet in solchen Fällen zwar die betroffene Behörde oder die behördeninterne Organisationseinheit, hat aber keine unmittelbare Außenwirkung etwa gegenüber einem privaten Vorhabenträger, der dort die Zulassung oder Genehmigung einer raumbedeutsamen Maßnahme beantragt hat. Es obliegt dann der für die Zulassung des Vorhabens zuständigen Behörde, die Untersagung im Außenverhältnis zum Vorhabenträger umzusetzen.
Im Fall der unbefristeten Untersagung einer Zulassungsentscheidung über ein raumbedeutsames Vorhaben muss die Zulassungsbehörde gegenüber dem Vorhabenträger die beantragte Genehmigung, Planfeststellung usw. ablehnen. In der Begründung ist auszuführen, dass ein oder mehrere Ziele der Raumordnung, deren Einhaltung nach den jeweiligen fachgesetzlichen Vorschriften Voraussetzung der Zulassungsentscheidung ist, durch das Vorhaben verletzt werden.
Die befristete Untersagung einer Zulassungsentscheidung bewirkt und rechtfertigt lediglich, dass die Zulassungsbehörde noch nicht "jetzt" über den Antrag zu entscheiden hat, sondern erst nach Inkrafttreten der maßgeblichen Ziele eines Raumordnungsplans oder nach Ablauf der Dauer der befristeten Untersagung. Sie schafft insofern einen sachlichen Grund für eine vorübergehende "Untätigkeit" der Verwaltung. Die im jeweiligen Fachrecht normierten materiellen Genehmigungserfordernisse werden durch die Untersagung nicht verändert.
Im Fall einer befristeten Untersagung muss die Zulassungsbehörde gegenüber dem Vorhabenträger eine Aussetzungsentscheidung erlassen. In der Begründung hat die Zulassungsbehörde gegenüber dem Vorhabenträger auszuführen, dass und warum durch die Zulassung des Vorhabens zum jetzigen Zeitpunkt die Verwirklichung von einem oder mehreren in Aufstellung befindlichen Zielen der Raumordnung unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert würde. Hierfür liefert die befristete Untersagung der Landesplanungsbehörde gegenüber der Zulassungsbehörde die nötigen Argumente. Einer besonderen landesgesetzlichen Ermächtigung der fachlich zuständigen Behörde zum Erlass einer solchen Aussetzungsentscheidung bedarf es nicht. Mit § 12 ROG hat der Bundesgesetzgeber eine unmittelbar geltende Rechtsgrundlage zum Schutz in Aufstellung befindlicher Ziele der Raumordnung geschaffen; dabei steht § 12 ROG im normenhierarchisch gleichen Rang wie bundesrechtliche Genehmigungsvorschriften (z. B. BImSchG). Der Zweck der befristeten Untersagung als Sicherungsmittel für künftige Planinhalte würde verfehlt, wenn die Genehmigungsbehörde verpflichtet wäre, das Vorhaben trotz Vorliegens einer Untersagung zu genehmigen. Im Übrigen schiebt die raumordnerische Untersagung die Entscheidung über die Zulassung eines Vorhabens nur auf, bewirkt aber keine Änderung der Rechtslage. Die infolge einer Untersagung erfolgende Entscheidung über die vorübergehende Aussetzung eines Zulassungsverfahrens ist insofern nur ein verfahrensrechtlicher Akt, der mangels eigener Anfechtbarkeit keiner besonderen Ermächtigungsgrundlage bedarf (vgl. beispielsweise OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 06.08.2012 - 2 L 6/10).
Tritt der Raumordnungsplan, auf dessen in Aufstellung befindliches Ziel die befristete Untersagung bezogen war, vor Ablauf der Geltungsdauer der Untersagung in Kraft, hat die Landesplanungsbehörde die betroffene öffentliche Stelle über das aufgestellte Ziel zu unterrichten und auf die Bindungswirkung nach § 4 ROG hinzuweisen. Ferner ist die befristete Untersagung einer Zulassungsentscheidung zunächst aufzuheben, bevor die Zulassungsbehörde über den Antrag (entsprechend der dann geltenden Rechtslage) entscheiden kann. Die Aufhebung der befristeten Untersagung erübrigt sich, wenn die Landesplanungsbehörde sie für diesen Fall von vornherein mit einer auflösenden Bedingung versehen hat (siehe Nummer 6).
Eine Planung oder Maßnahme, für die die maximale Untersagungsdauer einer befristeten Untersagung ausgeschöpft wurde, kann nicht erneut untersagt werden. Die Begrenzung der Untersagungsmöglichkeit auf maximal drei Jahre wirkt jedoch nur in Bezug auf das von der Untersagungsverfügung konkret betroffene Vorhaben. Bei einer Änderung der Sach- oder Rechtslage einschließlich einem in veränderter Form erneut beantragten Vorhaben ist eine erneute Untersagung möglich. In der Untersagungsverfügung sollte daher der Verfahrensgegenstand möglichst präzise benannt werden.
Die Untersagung ähnlich gelagerter raumbedeutsamer Vorhaben im Hinblick auf den gleichen Zielkonflikt bleibt möglich und ist - i. S. des Prinzips der Selbstbindung der Verwaltung - bei gleichen Tatbeständen/vergleichbaren Fallkonstellationen auch geboten.
Außer Kraft am 1. Januar 2030 durch Nummer 9 Satz 1 des RdErl. vom 25. Juni 2024 (Nds. MBl. 2024 Nr. 283)