Landgericht Stade
Beschl. v. 17.12.2003, Az.: 9 T 53/02
Bibliographie
- Gericht
- LG Stade
- Datum
- 17.12.2003
- Aktenzeichen
- 9 T 53/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 39676
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGSTADE:2003:1217.9T53.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Buxtehude - 27.02.2002 - AZ: 9 VI 12/01
Fundstelle
- Rpfleger 2004, 568-569 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
In der Nachlasssache
...
hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Stade durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Bartels, den Richter am Landgericht Bahre und den Richter Rühle am 17.12.2003 beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Buxtehude vom 27.02.2002 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht - Nachlassgericht - Buxtehude zurückverwiesen, dass nach Maßgabe der nachfolgenden Gründe erneut zu entscheiden hat.
Gründe
Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den ebenso wie auf den übrigen Akteninhalt zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht (erneut) den Antrag auf Feststellung des Erbrechts des Fiskus zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Bezirksregierung in Lüneburg mit ihrer Beschwerde. Die Beschwerde ist gemäß §§ 19, 20 FGG zulässig. Der Fiskus ist auch beschwerdeberechtigt (vgl. insoweit Keidel-Kahl, FGG, 15. Aufl. § 20 Rn. 72 m.w.N.).
Die Beschwerde ist auch in soweit begründet, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur gleichzeitigen Anweisung an das Amtsgericht führt, über den Antrag gemäß § 1964 BGB nach Maßgabe der nachfolgenden Gründe erneut zu entscheiden.
Die Amtsermittlungspflicht des Nachlassgerichts im Verfahren gemäß § 1964 BGB auf Feststellung des Erbrechts des Fiskus besteht unabhängig davon, ob der Nachlass überschuldet oder keine Masse vorhanden ist (vgl. Soergel/Stein BGB, § 1964 Rn. 2; Palandt/Edenhofer, BGB, 63. Aufl., § 1964 Rn 1; LG Düsseldorf, Rechtspfl. 1981 S. 358). Zwar wird in Rechtsprechung und Schrifttum teilweise die Ansicht vertreten, dass die Amtsermittlungspflicht dann entfällt, wenn feststeht, dass kein Nachlass vorhanden oder dass der Nachlass überschuldet ist. In diesem Fall hätte das Nachlassgericht ein Ermessen, die Feststellungen gemäß § 1964 BGB durchzuführen (vgl. RGRK-Kregel, BGB, § 1936 Rn. 1; BayObLG NJW 58 S. 260, 261). Ob letzterer Ansicht zu folgen ist, hat die Kammer derzeit nicht zu entscheiden. Denn es steht zu derzeitigen Zeitpunkt eben nicht fest, dass der Nachlass überschuldet ist. Das Nachlassgericht geht offensichtlich deshalb von einer Überschuldung aus, weil zwei Kinder der Erblasserin, ..., bei der Ausschlagung am 22.12.1999 vor dem Nachlassgericht erklärt haben: "Der Nachlass ist nach unseren Feststellungen überschuldet".
Das Nachlassgericht kann aufgrund dieser sehr pauschalen Erklärung nicht einfach von einer Überschuldung des Nachlasses ausgehen; es hat vielmehr durch Befragung der gesetzlichen Erben zu ermitteln, welche Vermögenswerte beim Erbfall vorhanden waren (Guthaben, Forderungen und sonstige Vermögenswerte) und welche Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Erbfalls bestanden. Erst dann kann festgestellt werden, ob der Nachlass zum Zeitpunkt des Erbfalls überschuldet war. Erst dann kann möglicherweise von einem Feststellungsverfahren gemäß § 1964 BGB abgesehen werden. Zwar ist das Verfahren gemäß § 1964 BGB dann ausgeschlossen, wenn feststeht, dass ein nicht vom Erbrecht ausgeschlossener Verwandter vorhanden ist (RGRK-Kregel, BGB, a.a.O. § 1964 Rn. 2). Aber auch dies steht nicht fest. Das Nachlassgericht geht offensichtlich davon aus, dass ein nicht ausgeschlossener Erbe, nämlich der Bruder ... vorhanden ist. Damit steht jedoch noch nicht fest, dass dieser gesetzlicher Erbe geworden ist. Möglicherweise ist der Bruder Rolf verstorben. Möglicherweise hatte er aber auch keine Kenntnis von dem Erbfall, weil die Kontakte offensichtlich abgebrochen sind. Hatte der Bruder ... keine Kenntnis von dem Erbfall, so hat er gleichwohl ebenso wie auch ... das Recht, die Erbschaft auszuschlagen und wäre dann ebenfalls als gesetzlicher Erbe ausgeschlossen mit der Folge, dass der Fiskus Erbe wäre. Das Nachlassgericht wird daher durch Befragung von ... festzustellen haben, unter welcher bekannten Anschrift ... zuletzt gelebt hat und sodann durch weitere Ermittlungen (EMA-Anfrage) festzustellen haben, wo ... sich nunmehr aufhält oder ob er nunmehr verstorben ist. Erst nach Durchführung dieser Ermittlungen kann festgestellt werden, ob der Fiskus als Erbe in Betracht kommt.