Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 22.04.2009, Az.: 11 A 389/08
Vaterschaftsanerkennung; unzutreffend; unanfechtbar; Aufenthaltserlaubnis; Ausweisung; Sperrwirkung; Befristung; Ausreise
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 22.04.2009
- Aktenzeichen
- 11 A 389/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 44478
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2009:0422.11A389.08.0A
Rechtsgrundlagen
- 6 GG
- 11 AufenthG
- 25 V AufenthG
Fundstelle
- NVwZ-RR 2009, 739-741
Amtlicher Leitsatz
Hat ein Kind auf Grund einer nicht mehr anfechtbaren Vaterschaftsanerkennung gem. § 4 Abs. 3 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben, hat die Mutter einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, auch wenn der Anerkennende nachweislich nicht der biologische Vater des Kindes ist. Eine Aufenthaltserlaubnis nach den Bestimmungen über den Familiennachzug ist im Hinblick auf § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG allerdings ausgeschlossen.
Muss die Sperrwirkung einer Ausweisung ausnahmsweise ohne Ausreise befristet werden (BVerwG, InfAuslR 2008, 71, 78 [BVerwG 04.09.2007 - BVerwG 1 C 43.06]) beginnt die Frist mit der Stellung des diesbezüglichen Antrages. Die Behörde darf bei der Bemessung der Frist berücksichtigen, dass von dem Ausländer eine Ausreise nicht verlangt wird.
Tatbestand
Die Kläger sind vietnamesische Staatsangehörige.
Die Klägerin zu 1) (geb. am 22. September 19...) und der Kläger zu 2) (geb. am 3. Dezember 19...) sind seit dem 2. März 2009 verheiratet. Die Kläger zu 3) bis 6) sind ihre gemeinsamen zwischen 2001 und 2007 geborenen Kinder. Eine weitere Tochter ist am 25. Juni 20... zur Welt gekommen.
Am 13. März 20... wurde die weitere Tochter der Klägerin zu 1), N., geboren. Die Vaterschaft erkannte am 22. April 2003 der vietnamesische Staatsangehörige S. an, der über eine Aufenthaltsberechtigung verfügte.M. ist daher deutsche Staatsangehörige. Herr S. ist allerdings nach einem Gutachten von Dr. med. H. vom 1. Februar 2005 nicht der leibliche Vater.
Die Kläger zu 1) und 2) reisten am 26. Juni 2000 in die Bundesrepublik Deutschland ein und gaben unzutreffend an, verheiratet zu sein. Die Kläger zu 1) und 2) behaupteten zudem, im Jahre 1980 geboren zu sein. Der Kläger zu 2) gab ferner den unzutreffenden Vornamen G. an.
Der Asylantrag der Kläger zu 1) und 2) blieb erfolglos (Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 12. Juli 2000). Die Asylanträge der Kläger zu 4) und 5) sind mit Bescheiden des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. Juli und 8. November 2006 gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden. Die Kläger zu 3) und 6) haben nach den Meldungen des Beklagten gemäß § 14a AsylVfG auf die Durchführung von Asylverfahren verzichtet, so dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheiden vom 5. Februar 2008 ihre Asylverfahren eingestellt hat.
Das Amtsgericht C. verurteilte die Kläger zu 1) und 2) am 2. Januar 2001 wegen gemeinschaftlich begangener gewerbsmäßiger Diebstähle in drei bzw. fünf Fällen und die Klägerin zu 1) wegen weiterer drei Diebstähle geringwertiger Sachen zu Freiheitsstrafen von einem Jahr und drei Monaten (Klägerin zu 1.) bzw. neun Monaten (Kläger zu 2.) deren Vollstreckung auf Bewährung ausgesetzt worden ist. Die Kläger zu 1) und 2) hatten in verschiedenen niedersächsischen Orten Ladendiebstähle begangen, wobei sie zum Teil besonders präparierte Taschen mit sich geführt haben. Der Beklagte wies die Kläger zu 1) und 2) daher mit Bescheiden vom 23. Mai 2001 aus der Bundesrepublik Deutschland aus. Die hiergegen erhobenen Widersprüche sind mit Widerspruchsbescheiden der Bezirksregierung Weser-Ems vom 16. Juli 2001 zurückgewiesen worden.
Der Kläger zu 2) wurde zudem am 11. Dezember 2002 vom Amtsgericht C. wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen verurteilt. Am 7. Februar 2006 erhielt die Klägerin zu 1) vom Amtsgericht C. wegen Vergehens gegen das Ausländergesetz in Tateinheit mit mittelbarer Falschbeurkundung eine Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen. Das Gericht hat angenommen, dass die Klägerin zu 1) und Herr S. bewusst wahrheitswidrig dessen Vaterschaft für das Kind M. anerkannt haben, um damit den Klägern ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen.
Am 22. August 2007 beantragten die Kläger bei dem Beklagten die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aus humanitären Gründen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, dass im Hinblick auf die deutsche Staatsangehörigkeit des im Jahre 2003 geborenen Kindes M. ein Ausreisehindernis bestehe. Ob die Vaterschaftsanerkennung zutreffend sei, sei ohne Belang. Am 15. Januar 2008 beantragten die Kläger zu 1) und 2) zudem die sofortige Befristung der Wirkungen ihrer Ausweisungen. Sie wiesen darauf hin, dass ihnen eine Ausreise wegen ihrer Kinder nicht möglich sei.
Mit Bescheid vom 31. Januar 2008 lehnte der Beklagte die Anträge der Kläger auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen und auf Befristung der Wirkungen der Ausweisungen der Kläger zu 1) und 2) ab. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden: Einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG stehe entgegen, dass die Ausreise der Kläger nicht dauerhaft unmöglich sei. Zwar habe die Tochter m. die deutsche Staatsangehörigkeit. Tatsächlich sei Herr S. aber nicht der Vater des Kindes, so dass von dem in Kürze in Kraft tretenden behördlichen Anfechtungsrecht Gebrauch gemacht werden würde. Das Ausreisehindernis werde deshalb bald entfallen. Außerdem könne die Klägerin zu 1) dieses auch durch eine eigene Anfechtung der Vaterschaft beseitigen. Es bestehe zudem keine Notwendigkeit für eine Befristung der Wirkungen der Ausweisungen, da eine Ausreise der Kläger zu 1) und 2) nicht absehbar sei. Außerdem sei insbesondere die Klägerin zu 1) erneut straffällig geworden. Sie fordere nunmehr im Hinblick auf Straftaten sogar noch ein Aufenthaltsrecht und Sozialleistungen. Der Ausweisungszweck sei daher nicht erreicht. Es liege mithin ein atypischer Fall vor, in dem von einer Befristung abzusehen sei.
Am 11. Februar 2008 haben die Kläger Klage erhoben.
Der gleichzeitig gestellte Antrag des Klägers zu 2) auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist mit Beschluss der Kammer vom 21. Februar 2008 - 11 B 390/08 - abgelehnt worden. Die hiergegen erhobene Beschwerde blieb ebenso erfolglos wie ein Abänderungsantrag des Klägers zu 2. ( Nds. OVG, Beschluss vom 22. Februar 2008 - 9 ME 164/08 -; Beschluss der Kammer vom 5. November 2008 - 11 B 2796/08 -). Der Kläger zu 2) ist seit der für den 25. Februar 2008 vorgesehenen Abschiebung unbekannten Aufenthalts.
Die Kläger tragen im Wesentlichen vor: Sie hätten einen Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Die Klägerin zu 1) sei Mutter eines deutschen Kindes. Herr S., der die Vaterschaft anerkannt habe, kümmere sich um das Kind, so dass es sich nicht um eine missbräuchliche Erklärung handele. Es bestehe eine sozial-familiäre Verbindung. Er bemühe sich um die Versorgung des Kindes und zahle Unterhalt. Zur Glaubhaftmachung ist auf eidesstattlichen Versicherungen der Klägerin zu 1) und von Herrn S. vom 30. April und 19. Mai 2008 hingewiesen worden. Zudem bestehe nach Ablauf der Anfechtungsfristen ein dauerhaftes Ausreisehindernis. Nach der Heirat der Kläger zu 1) und 2) sei diese Beziehung ebenfalls durch Art. 6 GG geschützt. Die Wirkungen der Ausweisungen seien auch zu befristen, wenn der Zeitpunkt der Ausreise noch nicht feststehe. In Ausnahmefällen könne sogar eine Befristung ohne Ausreise erfolgen. Es bestehe auch ein Rechtsschutzinteresse des Klägers zu 2). Er habe vergeblich versucht, sich beim Einwohnermeldeamt anzumelden. Eine Vorsprache bei dem Beklagten sei ihm nicht zuzumuten, solange ihm nicht die Zusicherung erteilt werde, nicht abgeschoben zu werden.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 31. Januar 2008 aufzuheben und
- 1.)
den Beklagten zu verpflichten, ihnen Aufenthaltserlaubnisse aus humanitären Gründen zu erteilen,
- 2.)
den Beklagten zu verpflichten, die Wirkungen der Ausweisungen der Kläger zu 1) und 2) ab sofort zu befristen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er erwidert im Wesentlichen: Es bestehe kein Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Mittels eines DNA-Gutachtens sei festgestellt worden, dass M. nicht von Herrn S. abstamme. In erster Linie kümmere sich auch der Kläger zu 2) um die Kinder. Der Kontakt zu S. sei allenfalls nebensächlich. Allerdings sei eine behördliche Anfechtung der Vaterschaft wegen des Verstreichens der absoluten Ausschlussfrist von fünf Jahren nicht mehr möglich. Dennoch sei die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes kein Ausreisehindernis. Außerdem sei der Lebensunterhalt nicht gesichert und es lägen Ausweisungsgründe sowie ein Visumsverstoß vor. Ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht der Kläger zu 2) bis 6) bestehe im Hinblick auf § 29 Abs. 3 Satz 3 AufenthG nicht.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens sowie der Rechtsstreitigkeiten 11 B 390/08 und 11 B 2796/08 und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, während sie im Übrigen erfolglos bleibt.
1.
Die Klage des Klägers zu 2) ist bereits mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, weil er seit Februar 2008 unbekannten Aufenthalts ist. Zur näheren Begründung wird insoweit auf den Beschluss der Kammer vom 5. November 2008 - 11 B 2796/08 - verwiesen. Gesichtspunkte, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, sind seither nicht vorgetragen worden.
2. a.
Die Klägerin zu 1) hat einen Anspruch darauf, dass ihr der Beklagte eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt.
Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Eine freiwillige Ausreise im Sinne des § 25 Abs. 5 AufenthG aus rechtlichen Gründen ist unmöglich, wenn ihr rechtliche Hindernisse entgegenstehen, die die Ausreise ausschließen oder als unzumutbar erscheinen lassen. Derartige Hindernisse können sich auch aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben, zu denen u.a. auch diejenigen Verbote zählen, die aus Verfassungsrecht (etwa mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa aus Art. 8 EMRK) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2006 - 1 C 14.05 - InfAuslR 2007, 4 [BVerwG 27.06.2006 - BVerwG 1 C 14.05]<6>; OVG Lüneburg, Urteil vom 10. Dezember 2008 - 13 LB 13/07 - <juris>). Dabei weist das Gericht darauf hin, dass insoweit die Bestimmungen über den Familiennachzug (§§ 27 ff. AufenthG) nicht abschließend sind, sondern § 25 Abs. 5 AufenthG eine Auffangfunktion hat (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 8. Dezember 2008 - 8 LA 72/08 - InfAuslR 2009, 104 [OVG Niedersachsen 08.12.2008 - 8 LA 782/08]<105>; VGH München, Beschluss vom 22. Juli 2008 - 19 CE 08 781 - InfAuslR 2009, 158 <161>) .
Ein aus Art. 6 GG folgendes Ausreisehindernis ergibt sich hier deshalb, weil die im Jahre 2003 geborene Tochter der Klägerin zu 1) Mai Xuan - wie der Beklagte nicht in Zweifel zieht - im Hinblick auf § 4 Abs. 3 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Zwar gewährt der grundrechtliche Schutz der Familie unmittelbar keinen Anspruch auf einen Aufenthalt im Bundesgebiet. Die Ausländerbehörde hat jedoch bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen die familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über den Aufenthalt seine Bindungen an im Bundesgebiet berechtigterweise lebende Familienangehörige angemessen berücksichtigen (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 9. Januar 2009 - 2 BvR 1064/08 - InfAuslR 2009, 150 [BVerfG 09.01.2009 - 2 BvR 1064/08]<151>) . Hier kann die Klägerin zu 1) die familiäre Lebensgemeinschaft mit Mai Xuan nur im Bundesgebiet führen. Denn einem minderjährigen deutschen Kind ist es nicht zuzumuten, das Bundesgebiet zu verlassen und seinen Aufenthalt im Ausland zu nehmen, um mit seinen Eltern zusammenleben zu können (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 8. Dezember 2008 a.a.O.m.w.N.).
Dass die deutsche Staatsangehörigkeit von Mai Xuan auf einer nachweislich unzutreffenden Vaterschaftsanerkennung beruht, rechtfertigt eine abweichende Beurteilung nicht. Denn nach der Rechtsprechung der Kammer (vgl. Urteil der Kammer vom 16. April 2008 - 11 A 3178/06 - juris m.w.N.; Beschluss vom 2. März 2009 - 11 B 708/09 -) ist für deren Wirksamkeit unerheblich, ob sie inhaltlich richtig, d.h. der Anerkennende auch der biologische Vater des Kindes ist (vgl. auch: OVG Magdeburg, Beschluss vom 1. Oktober 2004 - 2 M 441/04 - InfAuslR 2006, 56 [OVG Sachsen-Anhalt 01.10.2004 - 2 M 441/04]; VGH Kassel, Beschluss vom 5. Juli 2005 - 9 UZ 364/05 - <juris>; OVG Koblenz, Urteil vom 6. März 2008 - 7 A 11276/07 - juris <Rn. 27>, OVG Hamburg, Beschluss vom 24. Oktober 2008 - 5 Bs 196/08 - InfAuslR 2009, 19 f. [OVG Hamburg 24.10.2008 - 5 Bs 196/08])
In der zivilgerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass die Vaterschaftsanerkennungserklärung "nur" (vgl. § 1598 Abs. 1 BGB) aus den in den §§ 1592 ff. BGB ausdrücklich genannten Gründen unwirksam sein kann. Die Einheit der Rechtsordnung spricht dafür, dies im Rahmen öffentlich-rechtlicher Vorschriften nicht abweichend zu beurteilen. Dem Gesetzgeber waren zudem die Missbrauchsmöglichkeiten bei Einbeziehung nichtehelicher Kinder in den § 4 RuStAG durch das Gesetz vom 30. Juni 1993 (BGBl. I S. 1262) bekannt. Dennoch hat der Gesetzgeber es damals als nicht vertretbar angesehen, im Staatsangehörigkeitsrecht andere Maßstäbe als im Familienrecht anzulegen (vgl. BT-Drs. 12/4450 S. 36). Die gegenteilige Auffassung (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 3. März 2005 - 13 S 3035/04 - InfAuslR 2005, 258 [VGH Baden-Württemberg 03.03.2005 - 13 S 3035/04]) überzeugt die Kammer nicht. Die insbesondere herangezogene Parallele zur sog. Scheinehe greift nicht, weil im Aufenthaltsrecht gerade nicht die Ehe und Familie als solche, sondern die eheliche bzw. familiäre Lebensgemeinschaft (§ 27 Abs. 1 AufenthG) geschützt ist. Der Staatsangehörigkeitserwerb nach § 4 StAG ist dagegen lediglich von der Geburt und der Vaterschaftsanerkennung durch einen bestimmten Personenkreis abhängig. Keine Voraussetzung ist, dass eine Lebensgemeinschaft zwischen dem Vater und dem Kind besteht. Der Gesetzgeber hat in § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG im Falle eines lediglich aus aufenthaltsrechtlichen Gründen begründeten Verwandtschaftsverhältnisses nur das Aufenthaltsrecht der Mutter nach § 28 AufenthG ausgeschlossen (vgl. OVG Koblenz a.a.O. <Rn. 39 ff.>). Durch das Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13. März 2008 (BGBl. I S. 313) wird die Auffassung des Gerichts bestätigt. Danach ist zum 1. Juni 2008 durch die Einfügung eines § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB ein Anfechtungsrecht einer von der Landesregierung durch Rechtsverordnung zu bestimmenden anfechtungsberechtigten Behörde begründet worden. Dieses behördlichen Anfechtungsrechts hätte es nicht bedurft, wenn inhaltlich unzutreffende Vaterschaftsanerkennungen ohnehin aufenthaltsrechtlich unbeachtlich wären. Der maßgeblichen Gesetzesbegründung lässt sich dementsprechend entnehmen, dass die behördliche Anfechtungsbefugnis gerade deshalb geschaffen wurde, weil auch bewusst wahrheitswidrige Vaterschaftsanerkennungen als wirksam gelten und daher staatsangehörigkeits- und aufenthaltsrechtliche Folgen haben (vgl. BT-Drs. 16/3291, S. 9 ff.).
Das Ausreisehindernis besteht auch dauerhaft. Wie der Beklagte einräumt, ist eine behördliche Anfechtung der Vaterschaft nicht mehr möglich, da die absolute Ausschlussfrist nach § 1600b Abs. 1a Satz 3 BGB abgelaufen ist. Diese wird auch durch die Übergangsregelung in Art. 229 § 16 EGBGB nicht berührt (vgl. BT-Drs a.a.O., S. 18).
Auch die Klägerin zu 1) kann die Vaterschaft des Herrn S. nicht mehr anfechten (§ 1600b Abs. 1 BGB), so dass sie das Ausreisehindernis nicht (mehr) zu vertreten hat (§ 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG).
Die sich aus § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ergebende Sperrwirkung der Ausweisung der Klägerin zu 1) steht der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen. § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG sieht ausdrücklich vor, dass die Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift "abweichend von § 11 AufenthG" erteilt werden kann. Dies bedeutet zwar nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer (vgl. Beschluss vom 26. Oktober 2005 - 11 B 3935/05 -; Beschluss vom 16. April 2007 - 11 B 716/07 - <juris>; Urteil vom 11. Juli 2007 - 11 A 3062/05 -; Beschluss vom 17. Januar 2008 - 11 B 3595/07 -; Beschluss vom 21. Februar 2008 - 11 B 390/08 -; dieser bestätigt durch OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. Februar 2008 - 9 ME 164/08 -; Beschluss vom 6. Juni 2008 - 11 B 1370/08 -) nicht, dass die Sperrwirkung in diesen Fällen regelmäßig außer Betracht bleiben müsste. Anderenfalls würde § 25 Abs. 5 AufenthG in einen Wertungswiderspruch zu § 11 AufenthG geraten, der in zahlreichen Fällen zur Umgehung deren Regelungen führte (vgl. Dienelt in: GK-AuslG, Stand: Juli 2001, Rdnr. 135.1 zu § 30). Hier ist jedoch ein Ausnahmefall gegeben. Die Klägerin zu 1) kann nämlich wegen der Betreuung ihrer deutschen Tochter auch nicht vorübergehend aus der Bundesrepublik Deutschland ausreisen; eine Betreuung insbesondere durch den Kläger zu 2) erscheint nicht möglich, da dieser ebenfalls ausgewiesen und vollziehbar ausreisepflichtig ist und sich an einem unbekannten Ort vor einer zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung verbirgt. Die Ausweisung der Klägerin zu 1) erfolgte zudem bereits im Jahre 2001; die zu Grunde liegenden Straftaten wurden im Jahre 2000 begangen. Die seither feststellbaren Rechtsverstöße stehen im Zusammenhang mit der Sicherung des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland.
Die allgemeinen (Regel-)Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG stehen nicht entgegen. Zwar ist der Lebensunterhalt der Kläger nicht durch eigene Erwerbstätigkeit gesichert (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Insoweit liegt im Hinblick auf Art. 6 GG jedoch ein atypischer Sonderfall vor, der das an sich ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regel beseitigt, weil - wie bereits ausgeführt - die Lebensgemeinschaft der Klägerin zu 1) mit ihrer deutschen Tochter nur im Bundesgebiet geführt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. August 2008 - 1 C 32.07 - InfAuslR 2009, 8 [BVerwG 26.08.2008 - BVerwG 1 C 32.07]<12> m.w.N.). Deshalb besteht auch in Bezug auf die vorliegenden Ausweisungsgründe (§ 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG) ein Ausnahmefall von der Regel des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Die Passpflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG) hat die Klägerin zu 1) inzwischen erfüllt, so dass auch ihre Identität geklärt ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG). Die Nachholung des an sich gem. § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erforderlichen Visumsverfahrens ist aus den genannten Gründen unzumutbar (§ 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG).
Zur Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten weist das Gericht darauf hin, dass die Klägerin zu 1) dauerhaft keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG haben wird. Zwar ist sie - wie ausgeführt - die sorgeberechtigte Mutter eines Kindes, welches die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug ist jedoch nach § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG ausgeschlossen, weil das Verwandtschaftsverhältnis von M. zu Herrn S. ausschließlich zu dem Zweck begründet wurde, der Klägerin zu 1) den Familiennachzug zu ermöglichen. Seine Vaterschaftsanerkennung vom 22. April 2003 war nämlich wahrheitswidrig, da er nach dem Abstammungsgutachten vom 1. Februar 2005 nicht der biologische Vater des Kindes ist. Nach den insoweit überzeugenden Ausführungen im Urteil des Amtsgerichts Cloppenburg vom 7. Februar 2006 war der Klägerin zu 1) und Herrn S. dies auch bewusst. Dass sich Herr S. - wie vorgetragen wird und hier als richtig unterstellt wird - in gewisser Weise um M. kümmert, vermag insoweit eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen.
b.
Die Klägerin zu 1) hat auch einen Anspruch darauf, dass über ihren Antrag auf Befristung der Wirkungen ihrer Ausweisung erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts entschieden wird (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Sie kann allerdings nicht verlangen, dass eine Befristung mit sofortiger Wirkung erfolgt.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG werden die sich aus den Sätzen 1 und 2 der Bestimmung ergebenden Sperrwirkungen einer Ausweisung auf Antrag in der Regel befristet. Der Beklagte geht unzutreffend davon aus, dass die Klägerin zu 1) eine solche schon im Grundsatz nicht verlangen könnte.
Zunächst fehlt es nicht an einem Bescheidungsinteresse, weil die Klägerin zu 1) noch nicht aus der Bundesrepublik Deutschland ausgereist ist. Zwar beginnt die Frist grundsätzlich erst mit der Ausreise der Klägerin zu 1) zu laufen (§ 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG). Eine Einschränkung hinsichtlich des Entscheidungszeitpunktes lässt sich der Bestimmung indes nicht entnehmen. Der ausgewiesene Ausländer kann zudem schon vor der Ausreise die berechtigte Erwartung haben zu erfahren, wie lange er vom Bundesgebiet fernbleiben muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Mai 1980 - 1 C 82.76 - BVerwGE 60, 133 [BVerwG 20.05.1980 - BVerwG 1 C 82.76]<138 f.>; VGH Mannheim, Beschluss vom 10. Januar 2007 - 11 S 2616/06 - InfAuslR 2007, 153 [VGH Baden-Württemberg 10.01.2007 - 11 S 2616/06]<154>; OVG Hamburg, Urteil vom 6. Mai 1993 - OVG Bf VII 10/93 - InfAuslR 1994, 229 [OVG Hamburg 06.05.1993 - Bf VII 10/93]<232>) .
Entgegen der Annahme des Beklagten liegt auch kein atypischer Fall vor, in dem ausnahmsweise abweichend von der gesetzlichen Regel eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung nicht erfolgen muss. Dies ist nur der Fall, wenn eine Prognose ergibt, dass der Ausweisungszweck auch nach Ablauf einer längeren Befristung nicht erreicht werden wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. August 2000 - 1 C 5.00 - BVerwGE 111, 369 [BVerwG 11.08.2000 - 1 C 5/00]<372 f.>). So liegt es hier nicht. Die Klägerin zu 1) ist nach Ermessen und damit der schwächsten der in den §§ 53 ff. AufenthG (früher: §§ 45 ff. AuslG) vorgesehenen Formen ausgewiesen worden. Die Diebstähle, die im Jahre 2001 zur Ausweisung geführt haben, verübte die Klägerin zu 1) bereits im Jahre 2000. Weitere seither feststellbare Rechtsverstöße hatten lediglich aufenthaltsrechtliche Hintergründe, so dass nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (siehe dazu oben a.) weitere rechtswidrige Handlungen zwar nicht ausgeschlossen aber nicht in besonderer Weise wahrscheinlich sind.
Das danach bestehende Ermessen des Beklagten ist allerdings nicht dahingehend reduziert, eine Befristung mit sofortiger Wirkung zu verfügen. Trotz der Sperrwirkung der Auswirkung wird die Klägerin zu 1) - wie zu a. ausgeführt - nämlich eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erhalten, so dass damit ihren familiären Belangen bereits weitgehend Rechnung getragen ist. Mit deren Erteilung entfällt zudem die Sperrwirkung für alle im Kapitel 2 Abschnitt 5 des AufenthG aufgeführten Aufenthaltstitel (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2007 - 1 C 43.06 - InfAuslR 2008, 71 [BVerwG 04.09.2007 - BVerwG 1 C 43.06]<76>) . Es ist auch nicht zu verkennen, dass die Klägerin zu 1) wegen einer erheblichen Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten ausgewiesen worden ist, die noch bis zum Jahr 2016 im Bundeszentralregister enthalten ist (§ 46 Abs. 1 Nr. 2b, Nr. 4 BZRG). Hinzu kommen einige aufenthaltsrechtliche Verstöße, etwa unzutreffende Angaben über ihren Familienstand und ihr Geburtsdatum, sowie eine zumindest im Hinblick auf § 27 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG rechtlich missbilligte Mitwirkung an einer unzutreffenden Vaterschaftsanerkennung. Außerdem ist die Klägerin zu 1) am 3. August 2006 unentschuldigt zu einer angeordneten Botschaftsvorführung nicht erschienen.
Bei der danach von dem Beklagten zu treffenden Ermessensentscheidung wird Folgendes zu beachten sein:
Die Klägerin zu 1) kann verlangen, dass die Befristung abweichend von § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ohne Ausreise erfolgt. Dies ist in begründeten Ausnahmefällen geboten, wenn höherrangiges Recht hierzu zwingt (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2007 a.a.O., S. 75; Urteil vom 7. Dezember 1999 - 1 C 13.99 - BVerwGE 110, 140 [BVerwG 07.12.1999 - 1 C 13/99]<150 f.>). Die Klägerin zu 1) muss sich - wie ausgeführt - um ihre deutsche Tochter kümmern, so dass ihr eine Ausreise mit Rücksicht auf den grundrechtlichen Familienschutz nicht zuzumuten ist.
Die festzusetzende Frist beginnt danach mit der Stellung des diesbezüglichen Antrages der Klägerin zu 1) am 15. Januar 2008. Bei deren Bemessung ist es nach der Rechtsprechung der Kammer und des Nds. Oberverwaltungsgerichts (Urteil vom 24. April 2008 - 11 LB 15/08 - <juris>; Beschluss vom 14. März 2001 - 11 LA 565/01 - InfAuslR 2001, 280) grundsätzlich nicht zu beanstanden, sich an den Vorgaben der Nr. 11.1.5.1 der Vorl. Nds.VV zum AufenthG (Stand: 31. Juli 2008) zu orientieren. Danach ist bei der Ermessensausweisung grundsätzlich eine Frist von drei Jahren angemessen. Eine Verkürzung um bis zu zwei Jahre ist allerdings unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles möglich. Dabei muss der Beklagte trotz der familiären Bindungen der Klägerin zu 1) zu ihrer deutschen Tochter, die (nunmehr) einen besonderen Ausweisungsschutz begründen (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG), diese Möglichkeit hier nicht bzw. nicht vollständig ausschöpfen, sondern darf berücksichtigen, dass sie nach den obigen Ausführungen (ausnahmsweise) eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung ohne Ausreise verlangen kann.
3.
Die Kläger zu 3) und 6) haben bei Anwendung der unter 2 a. aufgeführten Grundsätze ebenfalls einen Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Ihre Ausreise ist im Hinblick auf Art. 6 GG dauerhaft unmöglich, weil ihre Mutter, die Klägerin zu 1), wegen der deutschen Tochter Mai Xuan nicht ausreisen kann. Bezüglich der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen wird ebenfalls auf die Ausführungen zu 2. a verwiesen. § 29 Abs. 3 Satz 3 AufenthG steht nicht entgegen, weil die Bestimmung nur den Familiennachzug nach den §§ 27 ff. AufenthG ausschließt.
4.
Keinen Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 5 AufenthG haben dagegen die Kläger zu 4) und 5). Nach § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG darf nämlich vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden, wenn der Asylantrag - wie bei ihnen - nach § 30 Abs. 3 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist. Gem. § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG gilt dies zwar nicht bei gesetzlichen Ansprüchen auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis oder bei einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG. Eine Ermessensreduzierung auf Null im Einzelfall ist aber nicht ausreichend. (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - 1 C 37.07<juris Rn. 21>). Ein Anspruch aus § 25 Abs. 5 AufenthG ist auch mit Rücksicht auf Satz 2 der Bestimmung schon dann nur ein solcher nach Ermessen, wenn - wie hier - nicht alle allgemeinen Regelerteilungsvoraussetzungen erfüllt sind (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 24). Darüber hinaus entspricht es ständiger Rechtsprechung der Kammer und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 8. Dezember 2008 - 13 PA 145/08 - <juris>; Beschluss vom 13. Februar 2009 - 9 ME 368/08 - jeweils zu § 104a AufenthG), dass - wie der Gegenschluss aus dem 2. Halbsatz des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ergibt - § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG auch bei Soll-Ansprüchen zur Anwendung kommt.