Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 16.04.2009, Az.: 2 A 232/07

Auswahl; Ermessen; Haftung; Heilung; juristische Person; Kurbeitrag; Schuldner; Verein; Vorstand

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
16.04.2009
Aktenzeichen
2 A 232/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 50672
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Es bedarf einer umso eingehenderen Begründung und Darlegung der Ermessenserwägungen, je weniger naheliegend die Inanspruchnahme und Auswahl des Haftungsschuldners ist.
2. Keine Heilung eines wegen Ermessensnichtgebrauchs rechtswidrigen Bescheids im Wege einer Ergänzung nach § 114 S.2 VwGO.

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung als Haftungsschuldner zu Kurbeiträgen für die Jahre 2002 bis 2005 durch die Beklagte.

2

Der Wassersportverein A e.V. betrieb von 1997 bis Oktober 2006 bzw. März 2007: einen Jachthafen auf B, in dessen Bereich er Sportbootfahrern Liegeplätze und darüber hinaus u.a. auch Stellplätze für Wohnmobile zur Verfügung stellte. Der Kläger war in dem Zeitraum von 2002 bis 2005 Kassenwart des Vereins.

3

Am 14. September 1999 beschloss der Rat der Beklagten - u.a. in Anwesenheit des Stadtbaumeisters C - die ab 1. Januar 2000 geltende Kurbeitragssatzung (KBS), mit der erstmals die Möglichkeit geschaffen worden ist, Wohnungsgeber und vergleichbare Personen, zu denen nach der Satzung auch Betreiber von Bootsliegeplätzen gehören, als Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen.

4

In einem Vermerk des Stadtbaumeisters C vom 23. August 2000 heißt es u.a.:

5

(…)

6

"2. Die Firma D ist grundsätzlich bereit, für ihren Sportboothafen-Bereich eine Kur-Steuer zu erheben. Über das Wie ist noch zu reden. D denkt an eine Regelung, wie sie auf anderen Inseln bereits praktiziert wird, z. B. ab dem 3. Tag und dann einen bestimmten Betrag je Boot. Hier wäre aber bei den anderen Inseln nachzufragen.“

7

Dieser Vermerk wurde dem am 6. Dezember 2000 zwischen Herrn D (als Käufer) und der Beklagten (als Verkäuferin) - vertreten durch den Stadtbaumeister C - geschlossenen notariellen Vertrag als Anlage 2 beigefügt. Der Vertrag, der im Zusammenhang mit der Windkraftanlage auf der Reede stand, hat neben dem Verkauf von zwei Teilflächen und der Schenkung von zwei weiteren Teilflächen durch die Beklagte an Herrn D folgende Regelungen in § 8 Abs. 6 zum Gegenstand:

8

„ § 8 Pflichten des Käufers

9

(…)

10

(6) Außerdem verpflichtet sich der Käufer zur Erhebung des Kurbeitrages von Besuchern seines Yachthafens etwa in der Form, wie sie auf anderen Inseln üblich ist. Hierzu wird die Verkäuferin Ermittlungen anstellen und eine Regelung für deren Erhebung vorgeben, die für den Käufer verbindlich ist. Dies allerdings nur, wenn mindestens ein entsprechender Kurbeitrag auch in den anderen Häfen auf der Insel B verlangt wird.

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§ 10 Verzicht des Käufers

12

(1) Der Käufer verzichtet (…)

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- sowie auf ihm möglicherweise zustehenden Schadensersatzansprüche wegen des versagten Einvernehmens gegen die Verkäuferin im Zusammenhang mit dem vorgenannten Bauvorbescheidsverfahren.“

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In der Folgezeit ging der damalige Bürgermeister der Beklagten, E, beim Insularen Erfahrungsaustausch auf M am 5./6. November 2004 unter TOP 7 „Kurbeitragsregelungen …“ auf die Problematik der Segler ein. Nach der Niederschrift erklärte er, seiner Meinung gebe es nur zwei Möglichkeiten, entweder sofort den Kurbeitrag zu erheben oder generell zu befreien.

15

Nach einem Vermerk der Beklagten vom 1. Dezember 2005 teilte der damalige erste Vorsitzende des Wassersportvereins A e.V. in einem Telefongespräch mit, dass im Bereich des Hafens bislang lediglich von den Personen ein Kurbeitrag eingezogen worden sei, die mit Wohnmobilen angereist seien. Von Sportbootfahrern seien bislang keine Kurbeiträge eingezogen worden. Er rege an, ähnlich wie in anderen Inselgemeinden eine Befreiungsregelung für die Boote in die Kurbeitragssatzung aufzunehmen, die lediglich über Nacht den Hafen nutzten.

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Mit Schreiben vom 8. Dezember 2005 wies die Beklagte den Verein auf die auch für die Betreiber von Jachthäfen und Bootsliegeplätzen bestehenden Pflichten nach ihrer Kurbeitragssatzung, einschließlich der Möglichkeit der Inhaftungnahme, hin und bat um Stellungnahme, aus welchen Gründen von den Insassen der Boote bislang keine Kurbeiträge eingezogen worden seien. Sie bitte zudem um Vorlage von Verzeichnissen für die Jahre 2001 bis 2005, aus denen die Daten für alle kurbeitragspflichtigen Personen hervorgingen.

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Der damalige erste stellvertretende Vorsitzende des Vereins nahm hierzu mit Schreiben vom 30. Januar 2006 wie folgt Stellung: Das Thema der Erhebung von Kurbeiträgen in Sportboothäfen auf B sei im kommunalpolitischen Raum aufgegriffen worden und werde nunmehr diskutiert. Durch das Schreiben vom 8. Dezember 2005 sei der Verein erstmalig auf eine Kurbeitragspflicht für das Übernachten von Personen auf Booten hingewiesen worden. Die Diskussion sei geeignet, die positive Entwicklung im Hafen um Jahre zurückzuwerfen. Eine rückwirkende Inanspruchnahme des Vereins für die Erhebung von Kurbeiträgen wäre zudem Existenz gefährdend. Die Verpflichtungen der Hafenbetreiber durch Einfügung der drei Worte „Jachthafen und Bootsliegeplatz“ in die Kurbeitragssatzung vom 14. September 1999 sei vollkommen geräuschlos erfolgt und dem Verein deshalb verborgen geblieben. Abgesehen von einer Veröffentlichung der komplizierten Satzung in der B-Zeitung habe die Beklagte nichts getan, um den Verein auf seine Verpflichtungen hinzuweisen und ihm diese zu erläutern. Bei Kurbeitragskontrollen seien lediglich die ordnungsgemäße Abführung der Kurbeiträge für landseitige Übernachtungen in Zelten und Wohnmobilen überprüft worden. Jeder Hinweis auf eine Beitragspflicht von Personen, die auf Booten übernachteten, sei dabei unterblieben. Wäre ein Hinweis erfolgt, hätte der Verein sofort verträgliche Regelungen eingefordert. Bei Erfolglosigkeit wäre der Hafenbetrieb bereits 1999 wegen der dadurch entstehenden Wettbewerbsnachteile mit anderen Sportboothäfen an der Nordseeküste und auf den Inseln nicht mehr verantwortbar gewesen. Der Verein beantrage, die Kurbeitragssatzung rückwirkend so zu ändern, dass die Beitragshöhe für Personen, die auf Booten übernachten, wesentlich herabgesetzt werde, außerdem Personen, die nur ein oder zwei Nächte auf Booten übernachten oder einen Hafen bei widrigen Verhältnissen aufsuchen, von der Erhebung freizustellen. Er fordere zudem zur Existenzsicherung der B Jachthäfen und zur Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit eine Abstimmung der Beklagten mit den anderen Inselgemeinden im Hinblick auf eine Harmonisierung der Erhebung von Kurbeiträgen. Außerdem beantrage er für die Vergangenheit den Erlass der Kurbeiträge. Er habe in dem guten Glauben gehandelt, dass, wie in der Vergangenheit auch, von Personen, die auf Booten in den B Häfen übernachteten, keine Kurbeiträge erhoben werden müssten oder sollten. Auch von Personen, die mit ihren Booten in den Hafenanlagen des Wasser- und Schifffahrtsamtes im Schutzhafen, in den Bootsliegeplätzen der Marinesportkameradschaft und im privaten Jachthafen D übernachtet hätten, seien in der Vergangenheit keine Kurbeiträge erhoben worden. Dem Hafenbetreiber D solle sinngemäß per Vertrag zugesichert worden sein, dass Kurbeiträge vergleichbar auf den Nachbarinseln erst dann erhoben und fällig würden, wenn auf B in allen Häfen von Personen, die auf Booten übernachten, Kurbeiträge erhoben würden. Damit liege ein Beweis dafür vor, dass Kurbeiträge unabhängig von der Satzungsregelung erst dann erhoben werden sollten, wenn weitere Voraussetzungen durch die Beklagte erfüllt seien. Eine derartige Vereinbarung spreche auch dafür, dass die Aufnahme der Anmeldungs- und Einziehungspflicht der Jachthafenbetreiber und der Kurbeitragspflicht für Personen, die auf Booten übernachteten, versehentlich erfolgt, zumindest aber verfrüht gewesen sei. Dies alles habe ihn in seinem Glauben bestärkt, dass für Übernachtungen in Booten keine Kurbeiträge zu entrichten seien.

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In der Sitzungsvorlage (Drucksache Nr. 765 vom 5. April 2006) für die Sitzung des Rates am 27. April 2006, in der die 5. Änderungssatzung zur KBS mit den rückwirkend zum 1. Januar 2002 in Kraft gesetzten neuen Regelungen

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„j) durchreisende Segler und Sportbootfahrer, die sich nur eine Nacht im Hafen aufhalten, sofern sie die Fremdenverkehrseinrichtungen nicht in Anspruch nehmen;

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k) Segler und Sportbootfahrer, die aus Gründen der Gefahrenabwehr (z.B. Havarie, Sturm) einen Hafen im Erhebungsgebiet anlaufen. Diese Befreiung gilt nur für die Dauer der Gefahrenlage. Die Art und Dauer der Gefahrenlage ist detailliert nachzuweisen.“

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beschlossen wurde, heißt es u.a.:

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„Nach § 8 der Kurbeitragssatzung ist, wer Personen beherbergt, (…), verpflichtet, den bei ihm gegen Entgelt oder Kostenerstattung verweilenden beitragspflichtigen Personen innerhalb von 24 Stunden nach deren Ankunft eine Kurkarte auszustellen und den Kurbeitrag gleichzeitig einzuziehen sowie den Kurbeitragspflichtigen innerhalb von 48 Stunden bei der Kurverwaltung anzumelden.

23

Die B Hafenbetreiber befürchten bei Durchsetzung der vorgenannten Regelungen erhebliche Nachteile für ihre Betriebe, dies vor allem vor dem Hintergrund, dass viele „Bootjefahrer“ die Häfen abends anlaufen und am nächsten Morgen wieder verlassen. Dieser Personenkreis hat nach Ansicht der Hafenbetreiber nicht die Möglichkeit, die Fremdenverkehrseinrichtungen zu nutzen. Dies gilt auch für „Bootjefahrer“, die den Hafen nur aus Gefahrenabwehrgründen anlaufen.

24

Aufgrund der Situation in den anderen Häfen an der Nordseeküste sehen sich die Hafenbetreiber außerdem in ihrer Existenz gefährdet, wenn auf B in voller Höhe Kurbeiträge eingezogen werden und in anderen Häfen nicht. (…)

25

Sofern zum Zeitpunkt der Erstellung der Neufassung der Kurbeitragssatzung im Jahr 1999 die besondere Situation der Bootsfahrer z.B. Gefahrentatbestände, die eine Weiterfahrt nicht möglich machen, Aufenthalte, die lediglich der Übernachtung dienen etc., bekannt gewesen wären, hätte die Verwaltung entsprechende Befreiungsregelungen bereits zum 01.01.2000 vorgeschlagen.“

26

Mit Schreiben an die Wirtschaftsbetriebe der Stadt Nordseeheilbad B GmbH vom 24. August 2006 kündigte der Verein den Nutzungsvertrag über den Hafen zum 31. Oktober 2006 und begründete dies u.a. damit, dass die Umstände, wie auf B die Kurbeitragspflicht für den Wassersport umgesetzt worden sei, zu einem drastischen Rückgang der Hafenbesucher im Jahr 2006 geführt und den Konkurrenzdruck zu benachbarten Häfen in der Emsmündung und auf den Ostfriesischen Inseln verschärft habe. Der Verein stellte daraufhin den Betrieb des Hafens ein.

27

Mit Bescheid vom 19. Dezember 2006 nahm die Beklagte den Kläger als Vorstandsmitglied des Wassersportvereins A e.V. für nicht eingezogene Kurbeiträge in den Jahren 2002 bis 2005 In Höhe von 21.441,50 Euro als Haftungsschuldner in Anspruch. Zur Begründung führte sie aus: Der Verein habe in den genannten Jahren den A-Hafen betrieben und ortsfremden Personen Liegeplätze zur Verfügung gestellt. Der Kläger sei als Vorstandsmitglied für den Verein tätig gewesen. Sie ziehe den Vorstand des Vereins als Haftungsschuldner für den Ausfall von Kurbeiträgen heran. Die Vorstandsmitglieder würden für Verpflichtungen des Vereins in steuerrechtlichen Angelegenheiten als Gesamtschuldner haften. Bei der Auswahl der Gesamtschuldner habe sie ein Ermessen. Bei der Entscheidung, ihn heranzuziehen und auf den internen Gesamtschuldnerausgleich zu verweisen, habe sie berücksichtigt, dass nach der Vereinssatzung für die ordnungsgemäße Vereinsführung alle Vorstandmitglieder gleichermaßen verantwortlich seien, er während des gesamten hier in Rede stehenden Zeitraumes Vorstandmitglied gewesen sei und außerdem als Kassierer durch die Führung der Kassengeschäfte eine besondere Verantwortung getragen habe. Alle Erwägungen sprächen daher dafür, ihn als Haftungs- und Gesamtschuldner heranzuziehen.

28

Nach den Regelungen ihrer Kurbeitragssatzung sei der Verein verpflichtet gewesen, den kurbeitragspflichtigen Personen eine Kurkarte auszustellen sowie diese Personen bei der „Wirtschaftsbetriebe der Stadt Nordseeheilbad GmbH“ zu melden und die Kurbeiträge von diesen Personen einzuziehen. Der Vorstand des Vereins habe besondere Sorgfaltspflichten zu beachten und hätte sicherstellen müssen, dass die Regelungen der Satzung vom Verein eingehalten werden. Dem Vorstand sei bekannt gewesen, dass Kurbeiträge erhoben würden und der Verein als Wohnungsgeber für deren Einzug hafte. Entsprechend seien durch den Verein auch die Kurbeiträge bei den Wohnmobil-Übernachtungsgästen auf dem Vereingelände eingezogen und abgeführt worden. Dass auch Bootstouristen kurbeitragspflichtig seien, sei dem Vorstand bekannt gewesen bzw. hätte ihm bekannt sein müssen. Es sei jedem Beherbergungsbetrieb zuzumuten, dass er sich genaue Kenntnis über das Ortsrecht und damit auch die Kurbeitragssatzung verschaffe. Der Vorstand des Vereins habe somit vorsätzlich gehandelt, da die Regelungen der Kurbeitragssatzung nicht beachtet worden seien. Aus diesem Grund hafte der Vorstand als gesetzlicher Vertreter für nicht eingezogene und nicht abgeführte Kurbeiträge. Von den Bootsgästen seien entgegen der Satzung die Kurbeiträge nicht eingezogen und diese auch nicht abgeführt worden.

29

Der vom Wassersportverein A e.V. gestellte Antrag, ihm - dem Verein - für die Jahre 2002 bis 2005 die nicht eingezogenen Kurbeiträge zu erlassen, sei von Ihrem Rat abgelehnt worden. Im Rahmen der Prüfung des Erlassantrages habe sich gezeigt, dass die Zahlungsfähigkeit des Vereins für die Nachveranlagung der Kurbeiträge nicht gewährleistet sei, da in den letzten Jahren nur negative Ergebnisse erwirtschaftet worden seien. Wie ausgeführt hafte der Vorstand für die vollständige Ablieferung des Kurbeitrages für die kurbeitragspflichtigen Personen, denen im A-Hafen ein Liegeplatz zur Verfügung gestellt worden sei. Der Berechnung der Haftungssumme lege sie die vom Verein an Hand seiner Unterlagen geschätzten Übernachtungen zu Grunde. Daraus ergebe sich unter Einbeziehung der 2006 erfolgten und rückwirkend zum 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Befreiungsregelung für das Jahr 2002 ein Gesamtbetrag von 5.200,10 Euro, für 2003 von 6.075,50 Euro, für 2004 von 5.711,10 Euro und für 2005 von 4.454,80 Euro.

30

Mit einem weiteren Bescheid vom 19. Dezember 2006 nahm die Beklagte auch den Wassersportverein A e.V. für nicht eingezogene Kurbeiträge in den Jahren 2002 bis 2005 in Höhe von insgesamt 21.441,50 Euro in Anspruch (Klageverfahren 2 A 24/07). Den an den Kläger gerichteten Bescheid übersandte sie mit Schreiben vom 21. Dezember 2006 an alle weiteren Vorstandmitglieder und verwies darin hinsichtlich deren Beteiligung auf den internen Gesamtschuldnerausgleich.

31

Der Kläger hat am 18. Januar 2007 Klage erhoben (und die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt).

32

Er trägt vor: Seine Inanspruchnahme scheitere bereits daran, dass seine Vorstandsmitgliedschaft nicht wirksam sei, weil er auf B nicht seinen ersten Wohnsitz habe, was nach der Satzung des Vereins aber Voraussetzung für eine Vorstandsmitgliedschaft sei. Zu seiner Wahl sei es auch nur gekommen, weil im Jahr 2001 der damalige erste Vorsitzende, Herr F, nicht mehr den Vorsitz habe führen wollen, und sich dann der bisherige Kassenwart, Herr G, hierfür zur Verfügung gestellt habe. Es habe dann niemanden gegeben, der bereit gewesen sei, die Kasse zu führen. Herr G habe vorgeschlagen, dass er - der Kläger - als Kassenwart einspringe, während die Arbeiten im Bereich der Kasse im Wesentlichen aber weiter von Herrn G geführt werden sollten. Dabei habe es sich um eine Notlösung gehandelt, weil er eigentlich gar nicht in den Vorstand hätte gewählt werden können. Die eigentlichen Kassengeschäfte habe dann auch Herr G bis zu seinem Tode im Jahr 2006 ausgeführt. Danach sei gleich Herr H als stellvertretender Kassenwart berufen worden. Er habe die Tätigkeit als Kassenwart auch wegen seiner Behinderung nicht voll ausüben können. Die Kassenberichte seien nie von ihm angefertigt worden. Diese Umstände seien der Beklagten auch bekannt gewesen. In einem Vermerk ihrer Kämmereiverwaltung vom 7. März 2006 - vorgelegt mit Schriftsatz des Klägers vom 17. Juni 2008 - werde hierzu ausgeführt, dass die Herren F und I mit Vertreterinnen der Beklagten in einem Gespräch an diesem Tag deutlich gemacht hätten, dass die bisherigen Kassengeschäfte ausschließlich durch den jahrzehntelangen Kassenwart, Herrn G, geführt worden seien. Hinsichtlich der Kurbeiträge sei bereits fraglich, ob sie im sog. „Neuen Hafen“ überhaupt erhoben werden könnten, der sich ca. 7 km vom Strand und von jeglicher Einrichtung des Kurbades entfernt befinde. Zudem sei den Insulanern und auch sämtlichen Vorstehern der entsprechenden zuständigen Behörden bekannt gewesen, dass von Bootfahrern keine Kurbeiträge erhoben worden seien. Im Jahr 1998 habe sich der damalige Vorstand des Vereins mit dem damaligen Kurdirektor J im „Inselkrug“ unter anderem über die Frage unterhalten, ob Kurbeiträge erhoben werden müssten. Dieser habe erklärt, man wolle keine Kurbeiträge einziehen. Im Übrigen gebe es einen zweiten privatwirtschaftlich betriebenen Jachthafen, von dem ebenfalls nie Kurbeiträge eingezogen worden seien. Nach dieser Versammlung sei nie mehr über Kurbeiträge gesprochen worden. Seit 2001 seien mit Herrn E und Herrn I auch hochrangige städtische Vertreter im Vorstand tätig gewesen, die genau gewusst hätten, dass Kurbeiträge nicht erhoben würden. Dies habe dem entsprochen, was gewollt gewesen sei. Die Kurbeitragserhebung sei zudem keine Angelegenheit des provisorischen Kassenwartes gewesen. Auf Grund seiner Behinderung hätte er nicht auf dem weitläufigen Gelände die Beiträge einziehen oder kontrollieren und auch nicht auf den diversen Booten herumturnen können. Seine Aufgabe habe allein im Mitgliedsbereich gelegen. Erst nachdem sich im Rat der Beklagten der politische Wind gedreht und eine Gruppierung „pro B“ sich lautstark geäußert habe, sei herausgefunden worden, dass Kurbeiträge von den Seglern nicht erhoben worden seien. Nach entsprechenden Veröffentlichungen in der Zeitung sei dann plötzlich vom Verein gefordert worden, Kurbeiträge nach zu entrichten. Der Verein habe sich dagegen gewehrt und insbesondere darauf hingewiesen, dass auf den anderen Inseln praktisch in dieser Form keine Kurbeiträge von Seglern erhoben würden. Weiter sei darauf hingewiesen worden, dass es sich beim A-Hafen um einen Schutzhafen handele, in den gerade auch dann Boote einliefen, wenn sie auf Grund der Witterungsverhältnisse ihre Fahrt abbrechen müssten. Die Satzung sei für die Situation in einem derartigen Schutzhafen nicht anwendbar, weil praktisch kein nachvollziehbares Kriterium vorhanden sei, ob und wann in derartigen Fällen ein Kurbeitrag zu entrichten sei. Außerdem werde der Sachvortrag des Klägers im Verfahren 2 A 24/07 auch in diesem Verfahren zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. In diesem Verfahren wird vom Wassersportverein A e.V. vorgetragen:

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Gleich nach Aufnahme des Hafenbetriebes durch den Verein in der Saison 1997 hätten sich Probleme mit der Wellenunruhe (Schwell) im Hafenbereich abgezeichnet. Durch hohe Investitionen habe er den Betrieb provisorisch ermöglichen können. Auch die Beklagte habe sich nach Erwerb des Hafens vom Bundesvermögensamt im Jahr 2000 des Problems angenommen. In diesem Zusammenhang sei eine gemeinsame Besprechung des Vereins mit Vertretern von Rat und Verwaltung sowie des Wasser- und Schifffahrtsamtes K am 14. November 2002 beim Franzius-Institut der TU Hannover erfolgt. Nach eingehender Untersuchung habe das Institut am 24. Oktober 2003 ein Gutachten mit Lösungsvorschlägen vorgelegt. Das Provisorium des Hafens sei von der Freizeitschifffahrt angenommen worden, nicht akzeptiert worden sei aber das Schwellproblem. Die Besucher seien vertröstet worden, dass an der Lösung gearbeitet werde. Unter diesen Umständen sei niemand auch nur entfernt auf die Idee gekommen, Kurbeiträge von Bootsgästen zu erheben. Am 13. September 2004 habe die Beklagte bei der Investitions- und Förderbank Niedersachsen den endgültigen Antrag auf Bezuschussung des Projektes „Attraktivierung Sport- und Freizeithafen A Hafen“ gestellt. Der Zuschuss sei am 6. Dezember 2005 bewilligt worden. Die Beklagte und ihre Wirtschaftsbetriebe hätten jedoch nichts unternommen, um den Hafen attraktiver zu gestalten, so dass dieser zunehmend dem Verfall ausgesetzt sei. Der zunehmende Verfall, die immer mehr ausfallende Unterstützung für ihn als Pächter, Ablehnungen von Nutzungen wie Zelten und Wohnmobilcamping sowie die Ende 2005 auf Initiative eines Ratsherrn aufkommende Kurbeitragsproblematik hätten ihn veranlasst, das Pachtverhältnis so schnell wie möglich zu beenden. Die Beendigung sei zum 1. April 2007 wirksam geworden. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen gegebenenfalls Kurbeiträge von Sportbooten durch die Kurorte erhoben werden sollten, sei an der Küste bereits seit längerer Zeit kontrovers diskutiert worden. Dies unter anderem auch deshalb, weil die Zahl der Besucherboote, unter Ausnahme von Helgoland, von Jahr zu Jahr zurückgegangen sei. Die anderen Ostfriesischen Inseln hätten keine Kurbeiträge oder aber, wie L, einen Kurbeitrag erst ab der dritten Übernachtung erhoben. Hinzu komme, dass Bootfahrer den Hafen zur Gefahrenabwehr bei Havarien oder Sturm anliefen. Diese Besuchergruppe könne grundsätzlich nicht mit den normalen Touristen verglichen werden, welche sich auf B zum Zwecke des Erholungsurlaubs aufhielten. Der ehemalige Vorsitzende des Vereins habe die Beklagte bereits in einem Schreiben vom 14. Juni 1998, betreffend die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrags, auf diese besondere Situation hingewiesen. Darin sei auch herausgestellt worden, dass es diesen Gästen um das Segeln und das Motorbootfahrern und nicht um die Erholung auf der Insel gehe. Die Beklagte habe dieser Auffassung nach der bekannten Aktenlage nicht widersprochen. Dies erkläre auch, dass sie auf die Erhebung von Kurbeiträgen nicht bestanden habe. Dies habe deshalb nicht geschehen sollen, weil völlig unklar gewesen sei, ab wann von Bootfahrern Beiträge erhoben werden könnten, und man für B eine negative Wettbewerbssituation befürchtet habe. Die bis 2006 geltende Kurbeitragssatzung sei insofern nicht praxistauglich gewesen. Die Beklagte habe erst im Sommer 2006 die Satzung rückwirkend geändert und dabei zumindest teilweise die Besonderheiten im Zusammenhang mit der Sportschifffahrt berücksichtigt. Hätte die Beklagte bereits in früheren Jahren auf die Erhebung von Kurbeiträgen bestanden, sei davon auszugehen, dass er den Betrieb des Hafens sofort danach eingestellt hätte. Die nunmehr erfolgte Inanspruchnahme habe zur Folge, dass er Insolvenz anmelden müsse, da ein Vereinsvermögen in dieser Höhe nicht vorhanden sei. Die Inanspruchnahme sei aber rechtswidrig, weil die Beklagte in den zurückliegenden Jahren zu keiner Zeit einen Kurbeitrag von den Bootfahrern gefordert habe. Kurbeitragskontrolleure hätten zwar die auf seinem Gelände stehenden Wohnmobile daraufhin überprüft, ob ein Kurbeitrag gezahlt worden sei, die Schiffe seien jedoch zu keiner Zeit geprüft worden. Die Verantwortlichen des Vereins seien zu keiner Zeit darauf aufmerksam gemacht worden, dass die Bootfahrer Kurbeiträge zu zahlen hätten. Dieser Umstand ergebe sich auch aus der Regelung in dem von der Beklagten mit Herrn D im Jahr 2000 geschlossenen Vertrag. Die Praxis der Beklagten sei erst geändert worden, nachdem durch einen Ratsherrn die Nichterhebung von Kurbeiträgen von Sportbootfahrern problematisiert worden sei und er Strafanträge wegen Untreue gegen Verantwortliche der Beklagten gestellt habe. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens seien nach Zeugenbefragungen durch die Staatsanwaltschaft Inhalte aus einem Vermerk der Beklagten vom 31. Mai 2005 bekannt geworden, wonach indirekte Einnahmen aus Kurbeiträgen in der aktualisierten Zielprognose des Förderantrages „Attraktivierung A-Hafen“ nicht angegeben seien. Um die Freizeitschifffahrt anzukurbeln, werde von den Besuchern beider Sportboothäfen derzeit noch keine Kurabgabe erhoben. In diese Richtung wiesen auch die Einlassungen des ehemaligen Bürgermeisters der Beklagten bei Zusammenkünften der Inselbürgermeister. So habe er bei der Zusammenkunft am 5./6. November 2004 auf M vorgetragen, dass es seiner Meinung nach nur die beiden Möglichkeiten gebe, entweder sofort Kurbeiträge zu erheben oder generell zu befreien.

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Der Kläger beantragt,

35

den Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2006 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

38

Sie entgegnet: Der Wassersportverein A e.V. hafte als Wohnungsgeber für die Einziehung und vollständige Ablieferung des Kurbeitrages. Bei der Abwägung, gegen welches Vorstandsmitglied der Haftungsbescheid zu richten sei, habe sie sich von den jeweiligen Tätigkeiten bzw. Funktionen der einzelnen Vorstandsmitglieder innerhalb des Vereins leiten lassen. Das Vorbringen des Klägers, er sei nicht auf B gemeldet und deshalb als Vorstandsmitglied nicht wählbar gewesen, entspreche nicht den Tatsachen. Nach einer Melderegisterauskunft vom 16. Oktober 2007 sei der Kläger seit dem 1. Mai 1997 mit seinem ersten und einzigen Wohnsitz auf B gemeldet. Die Formulierung in der Satzung des Vereins („erster Wohnsitz“) deute auf die Übernahme der „alten“ melderechtlichen Lage hin, wonach der erste Wohnsitz durch Erklärung begründet worden sei und nicht, wie nach heutigem Recht, der „Hauptwohnsitz“ den Lebensmittelpunkt darstellen müsse. Diese satzungsrechtliche Voraussetzung für die Übernahme eines Vorstandsamtes habe der Kläger in dem fraglichen Zeitraum zweifelsfrei erfüllt. Als Kassenwart sei der Kläger nach der Satzung des Vereins für die umfassende Erledigung der finanziellen Angelegenheiten des Vereins zuständig gewesen. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers, wonach er zur Übernahme der Tätigkeit als Kassierer gedrängt worden sei und seine Aufgaben zusammen mit dem Vorsitzenden erledigt habe, sei ihres Erachtens entscheidend, dass er die Position innegehabt und die Pflichten, die ein solcher Posten mit sich bringe, auch zu erfüllen gehabt habe. Sie hätte zwar auch die Möglichkeit gehabt, ein anderes Vorstandsmitglied als Haftungsschuldner heranzuziehen. Es sei aber rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Kläger als ehemaliger „Finanzvorstand“ herangezogen worden sei. Sollte der Umfang seiner Vertretungsmacht in Bezug auf finanzielle Angelegenheiten tatsächlich beschränkt gewesen sein, hätte dies mit Wirkung gegenüber Dritten nur Bedeutung gehabt, wenn sich der Umfang der Beschränkung aus der Satzung des Vereins ergeben hätte. Eine derartige Beschränkung ergebe sich jedoch aus dieser Satzung nicht. Zudem könne sie heute nicht mehr aufklären, ob der Kläger lediglich „Strohmann des Vorsitzenden“ gewesen sei. Es handele sich dabei, falls zutreffend, um einen Sachverhalt, der allein in der Sphäre des Vereins angesiedelt sei und sich einer außen stehenden Bewertung entziehe. Umstände, die nicht nach außen getreten seien, könne sie bei der Betätigung ihres Auswahlermessens nicht berücksichtigen. Auch das weitere Vorbringen des Klägers, wonach ihm die Regelungen der Kurbeitragssatzung nicht bekannt gewesen seien, könne ihn nicht entlasten. Selbst wenn dies zuträfe, hätte er sich grob fahrlässig über die Verpflichtung hinweggesetzt, sich über Gesetz und Satzungsrecht der Gemeinde zu informieren. Im Übrigen sei dem Vorstand des Vereins bekannt gewesen, dass Kurbeiträge von kurbeitragspflichtigen Personen eingezogen werden müssten. Dies werde dadurch untermauert, dass die Kurbeiträge von Wohnmobil-Übernachtungsgästen durch den Verein eingezogen und abgeführt worden seien. Hinsichtlich der behaupteten Äußerungen des damaligen Kurdirektors J sei zu berücksichtigen, dass die Regelungen der Kurbeitragssatzung nicht durch ein derartiges Gespräch außer Kraft gesetzt werden könnten. Selbst wenn dieses Gespräch stattgefunden hätte, würde es keine rechtlichen Wirkungen entfalten können, da der damalige Geschäftsführer der Kurverwaltung keine öffentlich-rechtlichen Abgaben habe erlassen können. Ebenso fehl gehe der Einwand, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen die Kurbeiträge nicht habe einziehen können, da nachweislich im Jahr 2006 Kurbeiträge von Bootsgästen eingezogen worden seien. Dies wäre auch in den Vorjahren möglich gewesen. Aus dem Umstand, dass bei einer Kontrolle das Fehlen der Heranziehung der Bootsfahrer unentdeckt geblieben sei, ergebe sich keine andere Bewertung. In einer eidesstattlichen Versicherung ihrer zuständigen Sachbearbeiterin vom 27. Juli 2007 werde dargelegt, dass die Kontrolle sich lediglich auf einen Einzelfall bezogen habe. Es sei lediglich die Erhebung des Kurbeitrages von den Camping-Übernachtungs-Gästen kontrolliert worden, nicht, ob der Verein umfassend seiner Verpflichtung zur Ablieferung im Sinne des Kurbeitragsrechts nachgekommen sei. Auch auf Grund der ihr mitgeteilten Zahlen habe sie nicht erkennen können, dass hier eine größere Gruppe von Gästen „bevorzugt“ werde. Selbst dann, wenn sich aus der Kontrolle im März 2005 ein Vertrauenstatbestand hätte bilden können, wäre er lediglich darauf gerichtet gewesen, dass sie gegenüber den Wohnungsgebern die Abführung des Kurbeitrages für Bootfahrer nicht einfordere. Dieser Vertrauenstatbestand wäre also lediglich auf eine letztlich rechtswidrige Verwaltungspraxis gerichtet gewesen. Dieses Vertrauen sei jedoch unter keinen Umständen schutzwürdig. Sei im Abgabenschuldverhältnis der Einwand unerheblich, dass man darauf vertraut habe, der Staat werde eine Abgabe nicht einfordern, so gelte dies auch gegenüber dem Organ als Haftungsschuldner. Hinzu komme, dass der Kläger dann, wenn er sich in eine Strohmannrolle hätte unterordnen lassen, damit seinerseits die sich aus der Satzung ergebenden Pflichten verletzt hätte. Diese Pflichtverletzung wirke auch im Außenverhältnis. Im Übrigen gehöre der Streit über die Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder auf eine andere Ebene, nämlich derjenigen des internen Gesamtschuldnerausgleichs. Die Vorstandsmitglieder verfügten möglicherweise über Informationen, welche eine „differenzierte Betrachtung“ nahe legten. Sie müsse hingegen berechtigt bleiben, sich auf den äußeren Rahmen, der durch die Satzung gesetzt werde, zurückzuziehen. Zu der Behauptung, es sei „politisch gewollt“ gewesen, die Bootsfahrer nicht mit Kurbeiträgen zu belegen, werde weder „Anlass“, „Ross“ noch „Reiter“ genannt. Jedenfalls die zur Abgabe einer Verzichtserklärung befugten Personen (früher Stadtdirektor, jetzt Bürgermeisterin) hätten eine solche Erklärung nicht abgegeben, auch nicht deren nachgeordnete Mitarbeiter. Es möge möglich sein, dass sich, gerade in einer kleineren Gemeinde oder Stadt wie B, ein „common sense“ bilde, der auch außerhalb förmlicher Erklärungen zu einer bestimmten Übung „reifen“ könne. Hierüber sei ihr jedoch nichts bekannt. Es möge auch sein, dass für einen begrenzten Zeitraum die Heranziehung der Bootfahrer seitens der Abgabenverwaltung übersehen worden sei, jedoch ließen sich aus diesem Umstand, zumindest innerhalb der Festsetzungsverjährungsfrist, Vertrauenstatbestände zugunsten des Abgabepflichtigen nicht herleiten.

39

In dem Parallelverfahren 2 A 5412/06 trägt die Beklagte ergänzend vor: Die von der Liegenschaftsverwaltung der Beklagten in dem Vertrag mit Herrn D vereinbarte Formulierung sei vor dem Hintergrund verständlich, dass dem Liegenschaftsmitarbeiter nähere Regelungen zur Kurbeitragspflicht überhaupt nicht bekannt gewesen seien. Die Regelung enthalte vor diesem Hintergrund lediglich unverbindliche Annahmen, nämlich einen Hinweis auf eine allgemein gültige Regelung und die Unterstellung, dass alle Bootfahrer in den Häfen der ostfriesischen Inseln „gleichbehandelt würden“. Ihre Steuerverwaltung habe während des Erhebungszeitraums zu keinem Zeitpunkt Kenntnis von dieser Regelung gehabt.

40

Die Kammer hat mit Beschluss vom 9. Februar 2007 (2 B 233/07) die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den angefochtenen Bescheid der Beklagten angeordnet. Die hiergegen von der Beklagten erhobene Beschwerde hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 26. September 2007 (9 ME 173/07) zurückgewiesen.

41

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge in diesem sowie den Parallelverfahren 2 A 5412/06 und 2 A 24/07 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet.

43

Der Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

44

Schon in formeller Hinsicht bestehen Zweifel, ob der Bescheid wegen einer nicht gemäß §§ 11 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) NKAG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Februar 1992 (Nds. GVBl. S. 29) mit letzter zu berücksichtigender Änderung durch Artikel 5 des Gesetzes vom 15. November 2005 (Nds. GVBl. S. 342) i.V.m. § 91 Abs. 1 AO in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3866, 2003 I S. 61) mit letzter zu berücksichtigender Änderung durch Artikel 10 des Jahressteuergesetzes 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl. I. S. 2878) durchgeführten Anhörung des Klägers rechtswidrig ist oder ob dieser (bestehende) Mangel nach §§ 11 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) NKAG i.V.m. § 126 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 AO dadurch geheilt worden ist, dass sich der Kläger im gerichtlichen Verfahren zum angefochtenen Bescheid äußern konnte. Letztendlich braucht diese Frage aber nicht entschieden zu werden, weil der Bescheid auch in materieller Hinsicht zu beanstanden ist.

45

Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers als Haftungsschuldner sind die §§ 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) und d) sowie Nr. 4 lit. b) NKAG, 34 Abs. 1, 69 Satz 1, 191 Abs. 1 AO i.V.m. den §§ 10 Abs. 3 Satz 2, Halbs. 2 NKAG, 10 Nr. 3, 8 Nr. 1 lit. a) der Kurbeitragssatzung der Beklagten vom 14. September 1999 in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 21. Dezember 2000, der 2. Änderungssatzung vom 31. Juli 2001, der 3. Änderungssatzung vom 20. Dezember 2001 und der 5. Änderungssatzung vom 27. April 2006 (KBS), deren Regelungen insbesondere auf § 10 NKAG in der im Hinblick auf die jeweiligen Satzungen geltenden Fassungen beruhen.

46

Wer kraft Gesetzes für eine kommunale Abgabe haftet, kann nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) NKAG i.V.m. § 191 Abs. 1 Satz 1 AO durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Haftungsschuldner kraft Gesetzes sind nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) und d) NKAG i.V.m. § 69 Satz 1 AO u.a. die in § 34 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, zu denen auch Haftungsansprüche gehören (siehe § 37 AO), infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden.

47

Die Frage, ob der Kläger wirksam zum Vorstandsmitglied des Wassersportvereins A e.V. bestellt worden war und (ggf.) ob die Haftung auch bei einer unwirksamen Bestellung greift, braucht hier nicht entschieden zu werden, weil die Klage selbst dann Erfolg hat, wenn der Kläger im hier streitigen Zeitraum wirksam ein Vorstandsmitglied und damit Mitglied des gesetzlichen Vertreters des Vereins gewesen sein sollte.

48

Es ist nicht ersichtlich, dass ein hier allein in Betracht kommender Haftungsanspruch gegen den Wassersportverein A e.V. - dieser war nicht Schuldner des Kurbeitrages (siehe § 10 Abs. 3 Satz 2, Halbs. 2 NKAG; vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. September 1990 - 14 M 60/90 -, juris, Rn. 4) - infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der dem Kläger auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt wurde.

49

Zwar ist die Haftung für Abgabenschulden grundsätzlich akzessorisch und setzt nicht voraus, dass die Abgabenschuld („Erstschuld“) zuvor festgesetzt worden ist. Ausreichend ist vielmehr, dass die Abgabenschuld materiell entstanden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. September 1997 - 8 B 143/97 -, juris, Rn. 6 ff. mit Veröffentlichungshinweis u.a. auf BVerwGE 105, 223 ff. = NVwZ 1999, 300 f.; Intemann in Pahlke/Koenig, AO, 1. Aufl. 2004, Kommentar, § 191 Rn. 27, 31). Wenn aber die Beantwortung der Frage, ob eine Abgabenschuld als „Erstschuld“ entstanden ist, eine Ermessensentscheidung voraussetzt, bedarf es für die Festsetzung der Haftungsschuld als „Zweitschuld“ zumindest gleichzeitig einer entsprechenden ausdrücklichen Feststellung.

50

Hiervon ausgehend fehlt es bereits an einer rechtmäßigen Feststellung durch die Beklagte, dass sie (als „Erstschuld“) einen Haftungsanspruch gegen den Wassersportverein A e.V. besaß.

51

§ 10 Abs. 3 Satz 2, Halbs. 2 NKAG lässt sich zwar entnehmen, dass derjenige, der - durch Satzung - verpflichtet worden ist, den Kurbeitrag einzuziehen und an die Gemeinde abzuliefern, insoweit für die rechtzeitige Einziehung und vollständige Ablieferung des Kurbeitrages haftet (siehe auch § 10 Nr. 3 KBS). Gemäß § 8 Nr. 1 lit. a) KBS (in der hier anzuwendenden, bis zum 31. Dezember 2005 geltenden Fassung) ist derjenige, der im Erhebungsgebiet einen Bootsliegeplatz betreibt, verpflichtet, den bei ihm gegen Entgelt oder Kostenerstattung verweilenden beitragspflichtigen Personen innerhalb von 24 Stunden nach deren Ankunft eine Kurkarte auszustellen und den Kurbeitrag gleichzeitig einzuziehen sowie den Kurbeitragspflichtigen innerhalb von 48 Stunden bei der Kurverwaltung B GmbH anzumelden. Der Kurbeitrag ist innerhalb von 8 Tagen nach Zahlungsaufforderung durch die Kurverwaltung B GmbH bzw. durch die Beklagte zu entrichten. Damit entspricht diese Regelung im Wesentlichen derjenigen in § 10 Abs. 3 Sätze 1 und 2, Halbs. 1 NKAG. Danach kann derjenige, der einen Bootsliegeplatz betreibt, durch die Satzung verpflichtet werden, der Gemeinde die bei ihm gegen Entgelt oder Kostenerstattung verweilenden beitragspflichtigen Personen zu melden. Er kann ferner verpflichtet werden, den Kurbeitrag einzuziehen und an die Gemeinde abzuliefern. Durch diese Vorschrift wird der den Kurbeitrag erhebenden Gemeinde die Möglichkeit eröffnet, den Vollzug ihrer Kurbeitragssatzung durch die Heranziehung Dritter zu erleichtern. Es handelt sich dabei um die rechtlich zulässige unentgeltliche Indienstnahme Privater für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben (vgl. zur KBS der Beklagten vom 14. September 1999: Nds. OVG, Urteil vom 13. Juni 2001 - 9 K 1975/00 -, juris, Rn. 13, mit Veröffentlichungshinweis u.a. auf NVwZ-RR 2002, 456).

52

Unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen ist der Tatbestand eines Haftungsanspruchs gegen den Wassersportverein A e.V. dem Grunde nach zu bejahen. Der Verein betrieb im genannten Zeitraum einen Jachthafen und somit Bootsliegeplätze. Die sich daran anknüpfenden Verpflichtungen zur Einziehung und Ablieferung von Kurbeiträgen der Bootfahrer hat er - unstreitig - nicht erfüllt; des Weiteren ist der Beklagten durch den Ausfall der entsprechenden Kurbeiträge ein Schaden entstanden. Rechtlich unerheblich ist es in diesem Zusammenhang, ob der Wassersportverein A e.V. schuldhaft handelte.

53

Der Haftungsanspruch gemäß den §§ 10 Abs. 3 Satz 2, Halbs. 2 NKAG, 10 Nr. 3 KBS steht jedoch nach den §§ 11 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) NKAG, 191 Abs. 1 AO im pflichtgemäßen Ermessen des Kurbeitragsgläubigers; lediglich die Geltendmachung der Abführungsverpflichtung ist zwingend (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. September 1990, a.a.O., und OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 25. August 1999 - 2 L 223/96 -, juris, Rn. 22, mit Veröffentlichungshinweis u.a. auf NVwZ-RR 2000, 635 f., allerdings jeweils ohne Hinweis auf § 191 AO). In diesem Zusammenhang sind - je nach den Umständen des Einzelfalls - übergeordnete Rechtsgrundsätze, etwa der Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit, des Vertrauensschutzes sowie von Treu und Glauben zu berücksichtigen. Es bedarf einer umso eingehenderen Begründung und Darlegung der Ermessenserwägungen, je weniger naheliegend die Inanspruchnahme und Auswahl des Haftungsschuldners sowie das Ausmaß der Haftung sind (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. September 2007 - 9 ME 173/07 -, V.n.b.), auch wenn die Durchsetzung eines Haftungsanspruchs gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2, Halbs. 2 NKAG in der Regel keine besonderen Ermessenserwägungen voraussetzt.

54

Die Beklagte hat indes im angegriffenen Bescheid überhaupt keine Ermessenserwägungen zu der Frage getroffen, ob der Wassersportverein A e.V. für den Zeitraum von Januar 2002 bis Dezember 2005 hätte in Anspruch genommen werden können. Die Voraussetzungen, wonach in der Rechtsprechung eine Begründung für entbehrlich erachtet wird (vgl Intemann, a.a.O., Rn. 104; Loose in Tipke/Kruse, AO, Kommentar, Stand: November 2008, § 191 Rn. 104 ff., jeweils m.w.N.), sind hier bereits deshalb nicht gegeben, weil dann jedenfalls Anhaltspunkte dafür vorliegen müssten, dass der Beklagten überhaupt bewusst war, eine Ermessensentscheidung zu treffen. Dies ist hier jedoch ersichtlich nicht der Fall. Indizielle Bedeutung hat insofern, dass die Beklagte den § 191 AO im gesamten Bescheid nicht nennt.

55

Selbst wenn man aber davon ausginge, dass der Tatbestand des § 69 AO im Hinblick auf den geltend gemachten Haftungsanspruch gegen den Kläger erfüllt wäre, hätte die Klage insoweit deshalb Erfolg, weil die Beklagte im angegriffenen Bescheid auch in diesem Umfang keine Ermessenserwägungen entsprechend § 191 Abs. 1 AO angestellt hat. Vielmehr ist sie offensichtlich von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen. Im angegriffenen Bescheid zitierte sie zunächst den § 69 AO und führte anschließend aus, dass sie Kurbeiträge erhebe. Im Folgenden heißt es „Hiermit ziehe ich den Vorstand gem. § 69 AO für den Ausfall … heran.“ Anschließend gibt der Bescheid im Wesentlichen den Inhalt der §§ 2, 7 Nrn. 1 und 7, 8 und 10 Nr. 3 KBS wieder, bevor insbesondere die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 69 Satz 1 AO geprüft werden. Die weiteren Ausführungen betreffen vornehmlich die Höhe der (angeblichen) Ansprüche der Beklagten. Abschließend heißt es, sie verweise auf § 10 Abs. 3 KBS, wonach der „Wohnungsgeber“ für den Kurbeitrag hafte, sowie auf § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. d) NKAG in Verbindung mit § 69 AO, nach dem der Vorstand für den Wassersportverein A e.V. als Haftender in Anspruch genommen werde. Er - als Vorstandmitglied - werde aufgefordert, den Betrag in Höhe von 21.441,50 Euro innerhalb von 8 Tagen an die Stadtkasse zu überweisen.

56

Der wegen Ermessensnichtgebrauchs rechtswidrige Bescheid kann nicht im Wege einer Ergänzung nach § 114 Satz 2 VwGO geheilt werden. Eine Heilung ist nach dem Wortlaut dieser Vorschrift nur in der Weise vorgesehen, dass die Behörde „ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes“ im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzt. Die Vorschrift setzt mithin voraus, dass bereits vorher, bei der behördlichen Entscheidung, schon „Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes“ angestellt worden sind, das Ermessen also in irgendeiner Weise betätigt worden ist. § 114 Satz 2 VwGO schafft die prozessualen Voraussetzungen lediglich dafür, dass defizitäre Ermessenserwägungen ergänzt werden, nicht hingegen, dass das Ermessen erstmals ausgeübt oder die Gründe einer Ermessensausübung (komplett oder doch in ihrem Wesensgehalt) ausgewechselt werden (BVerwG, Urteil vom 5. September 2006 - 1 C 20/05 - juris, Rn. 22, mit Veröffentlichungshinweis u.a. auf NVwZ 2007, 470 f [BVerwG 05.09.2006 - BVerwG 1 C-(3) 20/05]; Beschluss vom 14. Januar 1999 - 6 B 133/98 - juris, Rn.10 mit Veröffentlichungshinweis u.a. auf NJW 1999, 2912 ff).

57

Selbst wenn die Beklagte aber ihr Ermessen im gerichtlichen Verfahren nachholen könnte, hätte sie von dieser Möglichkeit keinen ausreichenden Gebrauch gemacht. Denn es gibt mehrere, von der Beklagten bisher allerdings insgesamt nicht ausreichend gewürdigte Gesichtspunkte, die im Rahmen einer Ermessensentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind. Die Kammer weist hierauf hin, um weiteren möglichen Streitigkeiten vorzubeugen.

58

Zunächst ist bei einer rückwirkenden Heranziehung unter Ausschöpfung der Regelungen über die Festsetzungsverjährung für vier Jahre von Bedeutung, dass die Beklagte unter Berücksichtigung ihrer ersten Bemühungen im Dezember 2005, die Betreiber von Bootsliegeplätzen als Haftungsschuldner heranzuziehen, offenbar mindestens 19 Jahre lang diese Personen in keiner Weise in Anspruch genommen hat, obwohl Bootfahrer auch schon nach § 2 Abs. 1 der Kurbeitragssatzung vom 23. Juni 1986 (KBS 1986) kurbeitragspflichtig waren, sich die in § 8 Nr. 1 geregelte Meldepflicht ebenfalls an Betreiber von Bootsliegeplätzen richtete (siehe § 8 Nr. 3 KBS 1986) und ein Verstoß gegen diese Meldepflicht eine Ordnungswidrigkeit darstellte (siehe § 12 KBS 1986). Des Weiteren wurde schon mit dem Inkrafttreten der Kurbeitragssatzung vom 14. September 1999 zum 1. Januar 2000 die Möglichkeit geschaffen, die Betreiber von Bootsliegeplätzen als Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen. Aber auch insoweit blieb die Beklagte fast 6 Jahre untätig.

59

Außerdem bestehen erhebliche Zweifel an dem Vorbringen der Beklagten, wonach es ihr bis Ende 2005 nicht bekannt gewesen sei, dass für Bootsgäste keine Kurbeiträge eingezogen worden seien. Diese Aussage lässt sich mit der Äußerung des damaligen Bürgermeisters der Beklagten, E, beim Insularen Erfahrungsaustausch auf M am 5./6. November 2004, wonach es im Hinblick auf „die Problematik der Segler“ nur die beiden Möglichkeiten gebe, „entweder sofort Kurbeitrag erheben, oder generell befreien“, nicht vereinbaren. Vielmehr lässt diese Erklärung nur den Schluss zu, dass zumindest dem damaligen Bürgermeister Anfang November 2004 bekannt war, dass bisher keine Kurbeiträge von Bootfahrern erhoben worden waren. Dieses Wissen ist jedenfalls im Rahmen einer Ermessensentscheidung der Beklagten zuzurechnen. Es widerspricht im Übrigen jeglicher Lebenswahrscheinlichkeit, dass der damalige Bürgermeister zu dem TOP 7 „Kurbeitragsregelungen für Schwerbehinderte(,) für Firmenarbeitskräfte(,) für Familienangehörige von Insulanern(,) …“ eine derartige Erklärung abgegeben haben soll, ohne dass diese Problematik nicht zuvor mit den zuständigen Mitarbeitern der Beklagten besprochen wurde. Anhaltspunkte dafür, dass die Tagesordnung vor dem 5./6. November 2004 nicht bekannt war, sind nicht ersichtlich.

60

Darüber hinaus erweist sich die Stellungnahme der Beklagten zu dem Vertrag mit Herrn D nicht als ermessensgerecht. Sie trägt schriftlich vor, die Regelung in § 8 Abs. 6 des Vertrages vom 6. Dezember 2000 ziehe die Annahme, dass Herrn D die rechtlichen Bestimmungen von Anfang bekannt gewesen seien, nicht in Zweifel, sondern bestärke diese Annahme. Diese vertragliche Regelung setze voraus, dass Herrn D bekannt gewesen sei, dass auch die Übernachtungsgäste in Häfen zum Kurbeitrag herangezogen werden würden. Die Frage, ob Herrn D die maßgeblichen Regelungen in den §§ 8 und 10 KBS seit dem Jahr 2000 bekannt waren, ist aber insbesondere angesichts des Inhalts des § 8 Abs. 6 des Vertrages für die anzustellenden Ermessenserwägungen nicht von wesentlicher Bedeutung. Vielmehr ergibt sich nach Einschätzung der Kammer aus dem Vermerk des Stadtbaumeisters C vom 23. August 2000 und dem § 8 Abs. 6 des Vertrages vom 6. Dezember 2000, dass trotz der im September 1999 beschlossenen maßgeblichen Satzungsregelungen im Hinblick auf eine Heranziehung der Bootfahrer zu Kurbeiträgen sowie der sehr geringen Anzahl an Betreibern von Bootsliegeplätzen als Haftungsschuldner und der damit von diesen befürchteten Schwierigkeiten, die sich eindrucksvoll aus der Sitzungsvorlage (Drucksache Nr. 765 vom 5. April 2006) für die Sitzung des Rates am 27. April 2006 ergeben, eine erhebliche Unsicherheit auf der Seite der Beklagten bestand. Von Relevanz ist insofern auch, dass von der Beklagten nicht irgendein „Liegenschaftsmitarbeiter“ beim Vertragsschluss beteiligt war, dem nähere Regelungen zur Kurbeitragspflicht überhaupt nicht bekannt gewesen seien, sondern deren C, der nach dem von der Beklagten unbestrittenen Vorbringen des Klägers im Verfahren 2 A 5412/06 in der mündlichen Verhandlung auch hauptsächlich die Verhandlungen führte sowie zudem an der Ratssitzung am 14. September 1999 teilgenommen hatte und somit Zeuge der Beschlussfassung über die damals neue Kurbeitragssatzung war. Auch angesichts der Bedeutung des notariellen Vertrages, der offenbar den Schlusspunkt einer längeren - zeitweise gerichtlichen - Auseinandersetzung wegen der Windkraftanlage auf der Reede markierte, ist es unwahrscheinlich, dass den verschiedenen Organen der Beklagten der Inhalt des Vertrages unbekannt war. Hiervon ausgehend ist es ebenso unwahrscheinlich, dass die Regelung in § 8 Abs. 6 des Vertrages - im Gegensatz zur oben zitierten Regelung in § 10 Abs. 1 des Vertrages zum Verzicht von Herrn D auf ihm möglicherweise zustehende Schadensersatzansprüche - lediglich unverbindliche Annahmen enthielt. Die Kammer hält des Weiteren den Inhalt der erstmals in der mündlichen Verhandlung gemachten (sinngemäß wiedergegebenen) Äußerung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten für unwahrscheinlich, die genannte Passage in dem Kaufvertrag sei so zu interpretieren, dass insofern die Situation hinsichtlich der Frage, ob die Hafenflächen überhaupt zum Erhebungsgebiet gehörten, lediglich habe klargestellt werden sollen, weil es sich bei diesen Flächen um ehemalige Anlandungsflächen handele, die sich an der Kante zum Wattenmeer befänden und sich durch Anspülungen gebildet hätten. Wäre allein dies tatsächlich zutreffend, hätte es der genannten Regelung in § 8 Abs. 6 des Vertrages nicht bedurft. Vielmehr hätte die Beklagte Herrn D schriftlich nur auf die maßgeblichen Vorschriften in der damals geltenden Kurbeitragssatzung hinzuweisen brauchen und sich nicht auf den für ihn günstigen Teil der Regelung einlassen müssen. Zum anderen ist anzunehmen, dass die genannte Frage in § 8 Abs. 6 des Vertrages auch deutlich dargestellt worden wäre. Außerdem wird diese Äußerung nicht durch das Vorbringen von Herrn D in der mündlichen Verhandlung gestützt, der ausgeführt hat, die Stadt habe auf der Regelung bestanden, dass er sich bereit erkläre, „Kurtaxe“ zu bezahlen. Er habe dem nur unter der Bedingung zugestimmt, dass dies erst dann gelte, wenn auch von den anderen Nutzern der Häfen Kurbeiträge erhoben würden. So sei es dann zu der vertraglichen Regelung gekommen.

61

Abgesehen davon übersieht die Beklagte, dass die Ursache für die genannten Unstimmigkeiten auch nach ihrem Vorbringen allein in ihrer Sphäre lag, was ebenfalls im Rahmen der Ermessensentscheidung hätte Berücksichtigung finden müssen.

62

Es fehlt darüber hinaus jegliche Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass erst mit der Satzungsänderung vom 27. April 2006 die in § 4 Abs. 1 lit. j und k enthaltenen Befreiungstatbestände - rückwirkend zum 1. Januar 2002 - in die KBS aufgenommen worden sind. Dieser Umstand ist nicht nur im Hinblick auf die von der Beklagten insofern allein erwogene Frage der Zulässigkeit der Rückwirkung von Relevanz, sondern auch im Rahmen des Entschließungsermessens bezüglich des Haftungsbescheides. Insofern fällt zunächst auf, dass sowohl die Vereinbarung mit Herrn D als auch die Äußerung von Bürgermeister E bei dem Insularen Erfahrungsaustausch unter Berücksichtung der Ausführungen in der Ratsvorlage zu der Satzungsänderung eine gewisse Kongruenz zu dem Vorbringen des Klägers, vorher sei eine Erhebung des Kurbeitrages nicht gewollt gewesen, aufweisen. So wird in der Vorlage (Drucksache Nr. 765 vom 5. April 2006) für die Sitzung des Rates am 27. April 2006 insbesondere ausgeführt, sofern zum Zeitpunkt der Erstellung der Neufassung der Kurbeitragssatzung im Jahr 1999 die besondere Situation der Bootsfahrer - „z.B. Gefahrentatbestände, die eine Weiterfahrt nicht möglich machen, Aufenthalte, die lediglich der Übernachtung dienen etc.“ - bekannt gewesen wäre, hätte die Verwaltung entsprechende Befreiungsregelungen vorgeschlagen. Es ist nicht fernliegend, dass diese nachvollziehbaren und schließlich zur Regelung der Befreiungstatbestände führenden Gründe auch bereits vorher zu dem von der Beklagten für möglich erachteten „common sense“ in dem Sinne geführt haben, dass zum einen auf die Praxis der Erhebung von Kurbeiträgen für Bootfahrer kein besonderes Augenmerk gelegt worden ist und zum anderen bei konkreten Anlässen (Vertrag mit Herrn D, Äußerung von Bürgermeister E) eindeutige Aussagen zur Durchsetzung der Kurbeitragspflicht nicht erfolgten.

63

Die bei der Beklagten offenbar bestehende erhebliche Unsicherheit im Umgang mit den Betreibern von Bootsliegeplätzen ist außerdem in rechtlicher Hinsicht nicht unbegründet gewesen. Zwar hat das Nds. OVG in seinem Urteil vom 13. Juni 2001 (a.a.O.) § 8 KBS für rechtmäßig angesehen. Im Hinblick auf die in § 4 Abs. 1 lit. j) und k) KBS enthaltenen Befreiungstatbestände dürfte die Kurbeitragssatzung bis zum Erlass der 5. Änderungssatzung vom 27. April 2006 wegen der bis dahin bestehenden - vom Nds. OVG nicht überprüften - Befreiungstatbestände aber gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoßen haben. Die Beklagte nimmt zwar einerseits, jedenfalls in der Ratsvorlage zur genannten Satzungsänderung, zu Recht an, dass ihr insofern ein weites Satzungsermessen zustehe. Gleichwohl können die Gemeinden bei Anwendung der hierfür in § 10 Abs. 2 Satz 4 NKAG vorgesehenen gesetzlichen Ermächtigung nicht quasi beliebig von der Kurbeitragspflicht befreien, weil ansonsten gegen den Grundsatz der gleichmäßigen Beitragserhebung und damit gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gebot, wesentlich Gleiches auch gleich zu behandeln, verstoßen würde (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 6. März 2009 - 9 LA 181/08 -, V.n.b.). Insofern ist zu berücksichtigen, dass in der bis zum Erlass der 5. Änderungssatzung vom 27. April 2006 geltenden Satzung der Beklagten bereits Befreiungstatbestände vorgesehen waren für Personen, die zur Teilnahme an besonderen Familienfeiern Einwohner im Erhebungsgebiet besuchen, die dort ihren Hauptwohnsitz haben, für den ersten Tag des Aufenthaltes, sowie für Teilnehmer an den von der Kurverwaltung (ab 1. Januar 2006: Wirtschaftsbetriebe der B GmbH) anerkannten Kongressen, Tagungen, Lehrgängen und vergleichbaren Veranstaltungen für die Dauer der Teilnahme an der Veranstaltung. Es ist nicht zu erkennen, dass bei den Bootfahrern, die erst von der Erweiterung der Befreiungstatbestände im April 2006 umfasst worden sind, vorher eine größere Bereitschaft zur Benutzung von Fremdenverkehrseinrichtungen und zum Besuch von Veranstaltungen bestanden hat als bei den bereits vorher von den dargestellten Befreiungsregelungen erfassten Personenkreisen. Auch dieser Umstand wird jedoch in die nachträglichen Erwägungen der Beklagten nicht eingestellt.

64

Nach alledem dürfte sogar viel dafür sprechen, dass eine Gesamtschau der dargelegten Umstände auch im Ergebnis nur dazu führen kann, von einer Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner Abstand zu nehmen.

65

Ob sich darüber hinaus - unter der Annahme, dass der Kläger überhaupt als Haftungsschuldner in Betracht kommen könnte - auch die Entscheidung der Beklagten hinsichtlich der Auswahl des Klägers aus dem Kreis der Vorstandmitglieder als ermessensfehlerhaft erweisen würde, braucht vor diesem Hintergrund nicht mehr gesondert geprüft zu werden. Nur ergänzend ist insofern aber darauf hinzuweisen, dass die nach dem zwar nicht in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten enthaltenen, sondern erst vom Kläger mit Schriftsatz vom 17. Juni 2008 vorgelegten Vermerk in einem Gespräch zwischen Vertreterinnen der Beklagten und Vorstandmitgliedern des Vereins am 7. März 2006 angesprochenen Umstände zur tatsächlichen Führung der Kassengeschäfte des Vereins keinen Eingang in die Erwägungen der Beklagten zum Auswahlermessen gefunden haben.

66

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 709 Sätze 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO).