Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 31.10.2003, Az.: 6 C 368/03

Bewerbungsfrist; Curricularnormwert; Lehreinheit; Numerus clausus; Psychologie; Schwundausgleich; Studiengang; Studienzulassung; Zulassung zum Studium

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
31.10.2003
Aktenzeichen
6 C 368/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 48282
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Kapazitätsermittlung in Bezug auf den Studiengang der Psychologie im WS 2003/04 an der TU Braunschweig

Tenor:

Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten ihres jeweiligen Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für jedes Verfahren auf 4.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Antragsteller begehren ihre vorläufige Zulassung zum Studium der Psychologie bei der Antragsgegnerin ab dem Wintersemester 2003/04. Die Anträge sind überwiegend auf eine Zulassung zum 1. Fachsemester gerichtet. Die Antragstellerin zu 6) strebt eine Zulassung zum 2. Fachsemester, innerhalb der festgesetzten Zulassungszahl, hilfsweise zum 1. Fachsemester an. Zur Begründung ihrer Anträge tragen die Antragsteller im Wesentlichen vor, die Antragsgegnerin schöpfe ihre Aufnahmekapazität nicht aus und sei in der Lage, über die durch Verordnung festgesetzten Zulassungszahlen hinaus weitere Studienbewerber aufzunehmen. Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf die Antragsbegründungen verwiesen.

2

Die Zahl der im Studiengang Psychologie (Diplom) zu vergebenden Studienplätze ist gemäß § 1 i.V.m. Anlage 1 Abschn. I A der Verordnung über Zulassungszahlen für Studienplätze zum Wintersemester 2003/04 und zum Sommersemester 2004 - ZZ-VO - vom 3. Juli 2003 (Nds. GVBl. 2003, 256) auf 52 festgesetzt worden. Infolge der Einführung des Studienjahrbetriebes werden nur noch jeweils zum Wintersemester Studienanfänger an der Hochschule in diesem Studiengang aufgenommen.

3

Die Antragsgegnerin tritt den Anträgen entgegen. Sie hält an der von ihr ermittelten Höchstzahl von 52 verteilten Studienplätzen für Studienanfänger im Wintersemester fest. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere wegen der Berechnungen der Antragsgegnerin, wird auf die Generalakte "Psychologie/WS 2003/04" Bezug genommen.

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II. Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung haben keinen Erfolg.

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Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um von dem Rechtsuchenden wesentliche Nachteile abzuwenden. Sowohl die Dringlichkeit der begehrten gerichtlichen Entscheidung als auch der Anspruch auf Zulassung zum Studium wegen nicht vollständig ausgeschöpfter Aufnahmekapazität der Antragsgegnerin in diesem Studiengang sind glaubhaft zu machen (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2, 294 ZPO).

6

Die auf eine einstweilige Zulassung zum Studium der im 1. Fachsemester an der Antragsgegnerin gerichteten Anträge der Antragsteller zu 19), 20), 22), 29) und 32) können ungeachtet der Frage unausgeschöpfter Aufnahmekapazitäten bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil diese Antragsteller bei der Antragsgegnerin keinen ordnungsgemäßen Zulassungsantrag gestellt haben. Nach § 2 Abs. 4 Satz 1 der Nds. Verordnung über die Vergabe von Studienplätzen durch die Hochschulen - HochschulvergabeVO - i.d.F. vom 29. August 2002 (Nds. GVBl 2002, 374) muss der Studienbewerber, wenn er die Zulassung zum Studium innerhalb oder außerhalb der festgesetzten Zulassungszahl beantragt, die Hochschulzugangsberechtigung für den gewählten Studiengang spätestens bis zum Ablauf der jeweiligen Bewerbungsfrist nachweisen. Der Antragsteller zu 32) hat einen solchen Antrag bei der Hochschule nicht gestellt. Die Antragsteller zu 19), 20), 22), 29) und 32) haben ihre Hochschulzugangsberechtigung bis zum 15. Oktober 2003, dem Ende der für sie geltenden Bewerbungsfrist (§ 2 Abs. 2 Nr. 2b Hochschul-VergabeVO), nicht bei der Antragsgegnerin vorgelegt. Die Bewerbungsfrist ist eine Ausschlussfrist (§ 2 Abs. 1 Hochschul-VergabeVO). Eine Nachfrist konnte die Antragsgegnerin nicht setzen, da eine § 2 Abs. 1 Satz 3 Hochschul-VergabeVO entsprechende Regelung für das Zulassungsverfahren außerhalb der festgesetzten Zulassungszahl fehlt. Ebenso scheidet eine entsprechende Anwendung dieser Regelung aus, da der im Interesse der Studienbewerber vorgesehene späte Ablauf der Bewerbungsfrist es nicht zulässt, den Beginn des Vergabeverfahrens außerhalb der festgesetzten Zulassungszahl weiter hinauszuschieben. Ob dies auch in Bezug auf die Antragstellerin zu 6) anzunehmen ist, die zwar ihrem Antrag auf die Zulassung zu einem Studienplatz außerhalb der ausgewiesenen Zulassungszahl ein Reifezeugnis nicht beigefügt hat, aber bereits in einem eine solche Hochschulzugangsberechtigung voraussetzenden anderen Studiengang an der Antragsgegnerin studiert, kann dahingestellt bleiben, weil der Antrag aus den nachfolgenden Gründen keinen Erfolg haben kann. Nicht ausreichend ist, wenn die Antragsteller die Hochschulzugangsberechtigung dem bei Gericht gestellten Antrag auf Zulassung zum Studium beigefügt haben. Der gerichtliche Zulassungsantrag unterscheidet sich von dem an die Hochschule gerichteten Antrag nach Form und Inhalt und ist deshalb nicht geeignet, diesen auch nur teilweise zu ersetzen oder ihn zu ergänzen (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. vom 23.04.1992 - 10 N 5675/91 u.a. -).

7

Maßstab für die Überprüfung der von der Antragsgegnerin ermittelten Zulassungszahl ist die Verordnung über die Kapazitätsermittlung zur Vergabe von Studienplätzen vom 23. Juni 2003 (Nds. GVBl. 2003, 222) - KapVO -. Die Berechnung aufgrund der KapVO, die bis zu vier Stellen hinter dem Komma und zunächst ohne Rundung durchgeführt wird, ergibt für den von den Antragstellern gewählten Studiengang Psychologie (Diplom) zum Wintersemester 2003/04 eine Aufnahmekapazität von 52 Studienplätzen für Studienanfänger.

8

In die Berechnung gehen gem. § 8 Abs. 1 und 3 KapVO alle haushaltsrechtlich besetzbaren Stellen des wissenschaftlichen Lehrpersonals ein, die der Lehreinheit Psychologie zugeordnet sind. Maßgeblich sind insoweit grundsätzlich die am Berechnungsstichtag heranzuziehenden Ansätze des Stellenplans der Antragsgegnerin für das Jahr 2003.

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Danach stehen der Antragsgegnerin für den Studiengang Psychologie – wie in den zurückliegenden Vergabezeiträumen - insgesamt 14 Stellen zur Verfügung, die sich zusammensetzen aus:

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6 C 3/4 Stellen(Professor)
2 C 1-Stellen(Wiss. Assistent)
1 A 15 Stelle(Akad. Direktor)
5 BAT II a-Stellen(Wiss. Mitarbeiter befr.)
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Grundlage der für die einzelnen Stellengruppen unterschiedlich bemessenen Regellehrverpflichtungen ist die Verordnung über die Lehrverpflichtung an Hochschulen vom 11. Februar 2000 - LVVO - (Nds. GVBl. 2000, 18). Gegen die Höhe der darin festgesetzten Regellehrverpflichtungen sind - soweit diese hier maßgeblich sind - verfassungsrechtliche Bedenken nicht zu erheben.

12

Die Summe der Lehrveranstaltungsstunden beträgt unter Berücksichtigung einer Lehrverpflichtungsverminderung um 4 LVS bei einer C4-Stelle wegen der Wahrnehmung der Aufgaben einer Dekanin (Prof. Dr. Sonnentag) hiernach 80,0 LVS. Zu den Lehrdeputaten der Stelleninhaber von insgesamt 80,0 LVS kommen Lehrauftragsstunden (§ 10 KapVO) im Umfang von 13,0 LVS hinzu, die der Lehreinheit für den Ausbildungsaufwand nach § 13 Abs. 1 KapVO in dem hier maßgeblichen Bemessungszeitraum durchschnittlich je Semester zur Verfügung gestanden haben.

13

Von dem Lehrangebot sind schließlich wegen des Dienstleistungsbedarfs des Studiengangs Medienwissenschaften (Magister) 1,4626 LVS abzuziehen. An der Ausbildung in dem an der Hochschule für Bildende Künste geführten Studiengang, der auf eine Kooperationsvereinbarung der beiden Hochschulen vom 18. Februar 1997 zurückzuführen ist (§ 2 Abs. 7 Satz 2 NHG), ist die Lehreinheit Psychologie in den Pflichtfachbereichen Wahrnehmungslehre und Medienpsychologie (Grundstudium) beteiligt. Der darauf entfallende Curricularnormwertanteil beläuft sich auf 0,1723 und ergibt unter Berücksichtigung der für diesen Studiengang um einen etwaigen Schwund bereinigten Zulassungszahl einen Dienstleistungsbedarf von 1,4626 LVS je Semester (0,1723 x 16,9779 : 2 = 1,4626).

14

Danach ergibt sich ein bereinigtes Lehrangebot von insgesamt 91,5374 LVS.

15

Aus der Gegenüberstellung von bereinigtem Lehrangebot und bereinigter Lehrnachfrage des Studienganges nach Lehrveranstaltungsstunden wird die personalbezogene Ausbildungskapazität abgeleitet. Die Lehrnachfrage, die dem Betreuungsaufwand aller an der Ausbildung eines Studenten beteiligten Lehreinheiten während des gesamten Studiums entspricht, wird mit dem in der Kapazitätsverordnung festgesetzten Curricularnormwert (CNW) zum Ausdruck gebracht. Dieser CNW beläuft sich für den Studiengang Psychologie (Diplom) auf insgesamt 4,0 (§ 13 Abs. 1 i.V.m. Anl. 2 Abschn. A I KapVO). Den auf die Ausbildung in der Lehreinheit Psychologie (Diplom) entfallenden CNW-Eigenanteil hat die Antragsgegnerin unter Berücksichtigung der Anteile, die auf die ebenfalls am Lehrangebot für den Studiengang Psychologie beteiligten Lehreinheiten Biowissenschaften (0,1999), Pädagogik (0,1333) und Mathematik (0,2666) entfallen, zutreffend mit 3,4002 ermittelt (vgl. hierzu: VG Braunschweig, Beschl. vom 03.05.1991 - 6 C 6055/91 u.a.-; OVG Lüneburg, Beschl. vom 24.09.1991 - 10 N 5449/91 -; Beschl. vom 22.12.1993 - 10 N 5838/93 u.a. -).

16

Sind - wie es hier ab dem Wintersemester 1996 der Fall ist - einer Lehreinheit mehrere Studiengänge zugeordnet, so sind für jeden Studiengang Anteilsquoten zu bilden, die in ihrer Summe die jährliche Gesamt-Aufnahmekapazität der Lehreinheit wiedergeben (§ 12 Abs. 1 KapVO). Die Anteilsquoten werden aus dem Verhältnis der jährlichen Aufnahmekapazität der einzelnen Studiengänge zur Summe der jährlichen Aufnahmekapazität aller Studiengänge dieser Lehreinheit gebildet. Durch Multiplikation der Anteilsquoten mit den Curricularanteilwerten der der Lehreinheit zugeordneten Studiengänge wird ein gewichteter Curricularanteil ermittelt (Formel 4 der Anlage 1 § 6 KapVO), der sich insgesamt auf 3,4167 beläuft und dem bereinigten Lehrangebot gegenüberzustellen ist:

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StudiengangCApzpCAp x zp
Psychologie (Diplom)3,40020,94793,2230
Psychologie (Magister)3,73340,05190,1937
3,4167
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Dieser Rechengang führt bei Anwendung der Formel 5 zu einer jährlichen Aufnahmekapazität (Ap) von 52,3498 Plätzen für Studienanfänger im Studiengang Psychologie (Diplom) zum Wintersemester 2003/04:

19

Ap = 2 x 91,5374 : 3,4167

20

Ap = 53,5823 x 0,9479

21

Ap = 50,7906

22

Dieses Ergebnis ist gemäß § 14 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 16 KapVO um einen Schwundausgleich zu erhöhen, wenn zu erwarten ist, dass die Zahl der Abgänge von Studenten in höheren Fachsemestern wegen des Studienabbruches, des Fach- oder eines Hochschulwechsels in höheren Fachsemestern größer ist als die Zahl der Zugänge. Für ein derartiges Schwundverhalten ist nach den Berechnungen der Antragsgegnerin in Bezug auf die Studiendauer von neun Semestern im Studiengang Psychologie (Diplom) ein Wert von 1,0307 anzusetzen. Gegen die Berechnung des Schwundausgleichsfaktors sind rechtliche Bedenken nicht zu erheben (vgl. hierzu: OVG Lüneburg, Beschl. vom 13.07.1995 - 10 N 3455/95 - u.a.).

23

Hinsichtlich der Schwundberechnung ist nicht zu beanstanden, dass dort in zwei Fällen Übergangskoeffizienten von höher als 1,0 einbezogen worden sind. Ein Anspruch darauf, dass eine im Verhältnis zur Kohorte oder Zulassungszahl eines Vorsemesters höhere Zahl von Studenten im Folgesemester nicht vollständig berücksichtigt wird, besteht nicht (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. vom 30.07.1996, Nds. Rpfl 1996, 297 m.w.N.). Ob diese Erhöhung ihren Grund in einer „Überbuchung“ hatte und sich die Erwartung, die Zuweisung einer höheren Zahl von Studienplätzen an Studienbewerber werde sich um die voraussichtlichen Nichtannahmen von Studienplätzen ausgleichen, in Einzelfällen nicht erfüllt hatte, kann hier dahingestellt bleiben. Rechtliche Bedenken gegen eine solche Verfahrensweise bestünden nicht.

24

Danach beträgt die jährliche Aufnahmekapazität an der Antragsgegnerin insgesamt 52,3498 (50,7906 x 1,0307; gerundet: 52) Studienplätze im Studiengang Psychologie (Diplom). Diese Studienplätze hat die Antragsgegnerin in das Vergabeverfahren für das 1. Fachsemester einbezogen.

25

Soweit einige Antragsteller hilfsweise eine Zulassung zum 1. Fachsemester innerhalb der festgesetzten Zulassungszahl begehrten, ist das gegen die Antragsgegnerin gerichtete Begehren unzulässig, weil ein solcher Antrag grundsätzlich gegen die zur Verteilung dieser Plätze zuständige ZVS in Dortmund hätte gerichtet werden müssen. Darüber hinaus ist nicht zu erwarten, dass ein Teil dieser Plätze auch nach der Durchführung der Nachrückverfahren unbesetzt bleibt.

26

Der primär auf die Zulassung im 2. Fachsemester gerichtete Antrag der Antragstellerin zu 6) bleibt auch insoweit erfolglos, weil infolge der Aufteilung des Studienbetriebes in Studienjahre, die jeweils im Wintersemester beginnen, zum Wintersemester Studenten des 2. Fachsemesters in diesem Studiengang nicht aufgenommen werden.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.