Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 30.05.2008, Az.: 1 B 725/08

Rechtmäßigkeit einer unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ergangenen Vorladung zur Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung; Erhebung erkennungsdienstlicher Unterlagen nach § 81b Alt. 2 Strafprozessordnung (StPO) für Zwecke eines gegen den Betroffenen gerichteten oder irgendeines anderes konkreten Strafverfahrens

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
30.05.2008
Aktenzeichen
1 B 725/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 16453
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2008:0530.1B725.08.0A

Verfahrensgegenstand

Anordnung erkennungsdienstlicher Behandlung
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

Redaktioneller Leitsatz

Die Erhebung erkennungsdienstlicher Unterlagen nach § 81b 2. Alt. StPO erfordert keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Beschuldigteneigenschaft des Betroffenen und den gesetzlichen Zielen der erkennungsdienstlichen Behandlung.
Sie darf nur nicht an beliebige Tatsachen anknüpfen und zu einem beliebigen Zeitpunkt ergehen, sondern muss aus einem konkret gegen den Betroffenen als Beschuldigten geführten Strafverfahren hervorgehen und sich aus den Ergebnissen dieses Verfahrens notwendig herleiten.
Der spätere Wegfall der Beschuldigteneigenschaft in Folge der Beendigung des Strafverfahrens durch Einstellung, Verurteilung oder Freispruch lässt die Rechtmäßigkeit der angeordneten Maßnahme unberührt.

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Stade - 1. Kammer -
am 30. Mai 2008
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren wird abgelehnt.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen eine Vorladung zur Durchführung erkennungsdienstlicher Behandlung, die unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ergangen ist. Die insoweit erhobene Klage (1 A 724/08) ging am 25. Mai 2008 bei dem Verwaltungsgericht ein.

2

Gegen den Antragsteller wurde aufgrund einer Strafanzeige vom 18. April 2008 wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung ermittelt. Dabei ging es um einen Vorfall vom 17. April 2008, bei dem der Antragsteller zivilrechtliche Ansprüche gegen einen Vermieter durchsetzen wollte, in dessen Haus er ein Eingangstürschloss eingebaut hatte. Dazu hatte er nach dem Polizeibericht bei den Mietern des Hauses geklingelt, war in die Wohnung einer Mieterin nach Öffnung durch diese eingedrungen, hat deren Haustürschlüssel spontan an sich genommen, um das eingebaute Türschloss wieder auszubauen. Nachdem der Vermieter und die Mieterin die Polizei gerufen hatten, kam es zu erheblichen Auseinanderzungen, weil die Polizeibeamten den Ausbau des Schlosses und die Selbstjustiz durch den Antragsteller verhindern wollten. Während der Handgreiflichkeiten, die durch einen Angriff des Antragstellers begonnen hatten, mussten die Polizeibeamten körperliche Gewalt anwenden, um den Antragsteller zu beruhigen und um einen Angriff auf einen Polizeibeamten abzuwenden. Nachdem der Antragsteller wieder von dem Polizeigriff befreit wurde, wandte er sich an diesen mit den Worten "Ihr seid doch miese Bullen". Im weiteren Verlauf blieb er nach den Polizeiberichten ruhig. Die Mieterin hat den Antragsteller wegen Hausfriedensbruches, die Polizeibeamten haben ihn wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt und wegen Beleidigung angezeigt. Der Antragsteller hatte seinen Auftritt damit begründet, dass der Vermieter eine Rechnung für das Türschloss nicht bezahlt hatte. Der Vermieter machte hingegen geltend, dass die Rechnung mit 250,00 EUR weit überhöht sei.

3

Die Antragsgegnerin stellte sodann im weiteren Verlauf des Verfahrens fest, dass der Antragsteller im Jahre 2000 bereits wegen einer gefährlichen Körperverletzung rechtskräftig verurteilt worden war und dass gegen diesen wegen eines Gelddiebstahles und Bedrohung Mitte 2000 ein Ermittlungsverfahren geführt worden war. Ferner hatte es am 30. November 2002 ein Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung, üblicher Nachrede und Verleumdung sowie Mitte 2007 ein Ermittlungsverfahren wegen Leistungskreditbetruges gegeben. Die Verfahren wurden gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

4

Mit Bescheid vom 19. Mai 2008 ordnete das Polizeikommissariat Bremervörde gemäß § 81b 2. Alternative StPO an, dass der Antragsteller sich erkennungsdienstlichen Maßnahmen zu unterziehen habe und lud diesen für Donnerstag, den 28. Mai um 9.00 Uhr vor. Dabei seien Finger- und Handflächenabdrücke abzunehmen sowie Lichtbilder aufzunehmen und andere äußere körperliche Merkmale festzustellen. Zur Begründung wurde angegeben, dass gegen den Antragsteller in der Vergangenheit des Öfteren polizeiliche Ermittlungsverfahren erforderlich gewesen seien. Dabei wurden genannt aus dem Jahre 2000 ein Diebstahl, aus dem Jahre 2002 eine Beleidigung und eine üble Nachrede, aus dem Jahre 2003 eine Verleumdung, aus dem 2007 sowie aus dem Jahre 2008 jeweils ein Betrug. Die Verfahren seien zwar, soweit bekannt, eingestellt worden, es bestehe jedoch die Befürchtung, dass auch künftig Ermittlungsverfahren erforderlich würden.

5

Der Bescheid wurde für sofort vollziehbar erklärt, weil aufgrund der häufigen Vorfälle die Annahme bestehe, dass auch künftig Straftaten begangen würden. Das private Interesse am Aufschub der Maßnahme sei gegenüber der Notwendigkeit der Durchsetzung der polizeilichen Maßnahme nicht erheblich. Die Antragsgegnerin drohte zugleich Zwangsmittel durch unmittelbaren Zwang an.

6

Am 22. Mai 2008 hat der Antragsteller Klage erhoben und zugleich vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Im Laufe des Verfahrens änderte das Polizeikommissariat Bremervörde seinen Bescheid dahingehend, dass die Ladung nunmehr zum 2. Juni 2008 erfolgt. Dies hat seine Ursache darin, dass im ersten Bescheid versehentlich der Wochentag und das Datum nicht übereinstimmten.

7

Der Antragsteller macht im Wesentlichen geltend, die Anordnung sei nicht gerechtfertigt. Das aktuelle Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Stade sei nicht geeignet, als Begründung für die Anordnung erkennungsdienstliche Maßnahmen herangezogen zu werden, weil es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren handelt, dessen Ausgang völlig offen ist. Der geschilderte Sachverhalt werde insgesamt bestritten und zurückgewiesen. Dem Antragsteller sei keinerlei Akteneinsicht bewilligt worden, so dass die Grundrechte des Antragstellers bei Aufrechterhaltung der sofortigen Anordnung verletzt würden. Der Antragsteller würde sich durch die Feststellungen, die an seinem Körper getroffen werden sollen, als bloßes Objekt herabgewürdigt fühlen. Die Feststellungen von Tätowierungen am ganzen Körper würden eine Demütigung darstellen, die durch die spätere Vernichtung der Daten nicht wieder gutgemacht werden könne. Eine Wiederholungsgefahr bestehe darüber hinaus nicht und es sei ausgeschlossen, den acht Jahre zurückliegenden Vorfall, dem einzigen, bei dem der Antragsteller verurteilt worden sei, zur Begründung noch heranzuziehen. Vielmehr könne aus einem Vorfall, der so lange zurückliege, keinerlei Rückschluss auf die Aktivität des Antragstellers geschlossen werden. Darüber hinaus sei die Verurteilung in dem Bescheid auch gar nicht erwähnt worden, so dass sie nunmehr nicht zur Rechtfertigung herangezogen werden könne. Die übrigen Verfahren seien alle eingestellt worden. Die Antragsgegnerin stelle die Verfahren hingegen so dar, als ob der Antragsteller während des Insolvenzverfahrens tatsächlich einen Betrug begangen habe. Der Antragsteller sei jedoch verpflichtet, einer selbständigen Tätigkeit mit seinem Hausmeisterservice und Schlüsseldienst nachzugehen. Dabei sei er in Abstimmung mit dem Insolvenzverwalter berechtigt, schuldrechtliche Verpflichtungen einzugehen. Die seinerzeitige Anzeige des Telefonbuchverlages sei rechtsmissbräuchlich und als Druckmittel eingesetzt worden. Sämtliche Verfahren ließen keineswegs die Notwendigkeit erkennen, dass erkennungsdienstliche Maßnahmen durchgeführt werden. Vielmehr sei eine Wiederholungsgefahr keinesfalls ersichtlich. Die allgemein bestehende Gefahr von Straftaten reiche für eine Begründung derartiger Maßnahmen nicht aus.

8

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Kriminalkommissariats Bremervörde vom 19. Mai 2008 in der geänderten Fassung vom 28. Mai 2008 wiederherzustellen.

9

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

10

Sie verteidigt den ergangenen Bescheid und verweist auf die kriminalpolizeilichen Akten. Insbesondere die Art und Weise, in der der Antragsteller gegenüber den Polizeibeamten im aktuellen Ermittlungsverfahren vorgegangen sei, lasse ein erhebliches kriminelles und gewalttätiges Potential erkennen. Die letzten beiden Taten lägen nicht einmal sechs Monate auseinander und stünden beide im Zusammenhang mit Geldschwierigkeiten. Die bisherigen Ermittlungen würden aus Sicht der Polizei Anlass zur Sorge bieten, dass der Antragsteller auch künftig ähnlicher Taten verdächtigt werden könnte. Die Anordnung sei auch geeignet, erforderlich und verhältnismäßig.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte Bezug genommen.

12

II.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg, weil der besonders begründete Sofortvollzug (§ 80 Abs. 3 VwGO) rechtmäßigerweise angeordnet wurde.

13

Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen einen belasteten Verwaltungsakt wiederherstellen. Bei dieser Entscheidung sind das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung einerseits und das private Interesse an der Aussetzung des angefochtenen Verwaltungsaktes bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit andererseits abzuwägen. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten eines im Hauptsacheverfahren eingelegten Rechtsbehelfes zu berücksichtigen, soweit sie bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung bereits überschaubar sind. Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze gebührt im vorliegenden Fall dem Interesse der Antragsgegnerin der Vorzug, weil ihr Interesse am Sofortvollzug gewichtiger erscheint, als das Interesse des Antragstellers an der vorübergehenden oder vorläufigen Verschonung von den beabsichtigten Maßnahmen.

14

Zwar steht im vorliegenden Fall noch nicht abschließend fest, wie das Hauptverfahren ausgehen wird, gleichwohl sind keine offensichtlichen Fehler erkennbar, die bereits in diesem summarischen Verfahren die Verfügung der Antragsgegnerin als rechtswidrig erscheinen lassen. Nach § 81b 2. Alternative StPO dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke eines Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit es für Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. Nach dieser Rechtsnorm erscheint es jedenfalls nicht von vornherein als unverhältnismäßig, im Falle des Antragstellers die Durchführung der im Bescheid im Einzelnen genannten erkennungsdienstlichen Maßnahmen anzuordnen. Die Anordnung ist geeignet, künftige polizeiliche Ermittlungen - belastend oder entlastend - gegen die Antragsteller zu erleichtern. Die Einschätzung der Polizeibehörde, es lägen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller erneut in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren verwickelt würde, und dass die bei der erkennungsdienstlichen Behandlung gewonnenen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen fördern könnten, ist jedenfalls nicht offensichtlich fehlerhaft.

15

Der Antragsteller ist zwar bislang erst einmal durch ein Strafgericht verurteilt worden und diese Verurteilung liegt bereits annähernd acht Jahre zurück. Insoweit ist dem Antragsteller zuzugestehen, dass eine derartige Verurteilung allein keinen Grund für die hier angefochtene Verfügung bieten könnte. Tatsächlich kann diese Verurteilung jedoch nicht isoliert betrachtet werden, weil der Antragsteller im Anschluss daran mehrfach Anlass zu strafrechtlichen Ermittlungen geboten hat. Diese haben zwar nicht zu einer weiteren Verurteilung des Antragstellers geführt, sie hatten jedoch gleichwohl stets ähnliche Ursachen, die in dem wirtschaftlichen Verhalten des Antragstellers liegen. Insbesondere die letzten beiden Ermittlungsverfahren werden vermutlich die angefochtene Verfügung als rechtmäßig erscheinen lassen. Die Geschehensabläufe des letzten Vorfalls werden zwar von dem Antragsteller bestritten, gleichwohl ist die Antragsgegnerin im Rahmen der präventiv-polizeilichen Maßnahme zunächst berechtigt, davon auszugehen, die konkreten Aussagen mehrerer Polizeibeamter und der Nachbarin seiner Wertung zugrunde zu legen. Das insoweit geschilderte Verhalten des Antragstellers erscheint als typisches Verhalten eines in Geldnot befindlichen Mannes mit einem gewissen Aggressionspotential.

16

Soweit der Antragsteller geltend macht, die Anordnung der Antragsgegnerin sei bereits deshalb offenkundig rechtswidrig, weil der Antragsteller nicht verurteilt sei, die zwischenzeitlich eingetretenen Vorfälle zu Einstellungen geführt hätten und der letzte Vorfall noch nicht endgültig aufgeklärt ist, kann dem nicht gefolgt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 23. November 2005 - 6 C 2.05 -, NJW 2006, 1225 [BVerwG 23.11.2005 - 6 C 2/05]) werden erkennungsdienstliche Unterlagen nach § 81b 2. Alternative StPO nicht für Zwecke eines gegen den Betroffenen gerichteten oder irgendeines anderes konkreten Strafverfahrens erhoben. Ihre Anfertigung, Aufbewahrung und systematische Zusammenstellung in kriminalpolizeilichen Sammlungen dienen vielmehr der vorsorgenden Bereitstellung von ersichtlichen Hilfsmitteln für die sachgerechte Wahrnehmung von Aufgaben, die der Polizei hinsichtlich der Erforschung und Aufklärung von Straftaten zugewiesen sind. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Beschuldigteneigenschaft des Betroffenen und den gesetzlichen Zielen der erkennungsdienstlichen Behandlung muss danach nicht bestehen. Dass eine erkennungsdienstliche Behandlung nach dieser Vorschrift nur gegen einen Beschuldigten angeordnet werden darf, besagt lediglich, dass die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht an beliebigen Tatsachen anknüpfen und zu einem beliebigen Zeitpunkt ergehen kann, sondern dass sie aus einem konkret gegen den Betroffenen als Beschuldigten geführten Strafverfahren hervorgehen und sich jedenfalls auch aus den Ergebnissen dieses Verfahrens die gesetzlich geforderte Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung herleiten muss. Der spätere Wegfall der Beschuldigteneigenschaft in Folge der Beendigung des Strafverfahrens durch Einstellung, Verurteilung oder Freispruch lässt daher die Rechtmäßigkeit der angeordneten Maßnahme unberührt (vgl. BVerwG, a.a.O.). Die von dem Antragsteller gegen die Anordnung gerichteten Ausführungen, wonach es in dem letzten Vorfall ebenfalls nicht zu einer Verurteilung kommen werde, vermag daher an der Rechtmäßigkeit der Anordnung der erkennungsdienstlichen Maßnahme nichts zu ändern. Dies würde allenfalls bei der Frage berücksichtigt werden müssen, ob die erkennungsdienstlichen Unterlagen nach Abschluss des Verfahrens noch aufbewahrt und verwertet werden dürfen. Zum Zeitpunkt der Anordnung stellte sich der Antragsgegnerin die Frage, ob sich aus dem anhängigen Ermittlungsverfahren hinreichende Umstände ergeben, die angesichts der Art, Schwere und Begehensweise der zur Last gelegten möglichen Straftat Anhaltspunkte für die Annahme bieten, dass er auch künftig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer strafbaren Handlung einbezogen werden kann und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen fördern könnten, in dem sie den Betroffenen überführen und/oder entlasten können. Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG), der verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der präventive Charakter der erkennungsdienstlichen Maßnahme verlangen hierbei eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und einer effektiven Verhinderung oder Aufklärung von Straftaten und dem Interesse des Betroffenen, entsprechend dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht bereits deshalb als potentieller Rechtsbrecher behandelt zu werden, weil er sich irgendwie verdächtig gemacht hat oder angezeigt worden ist (vgl. VG Köln, Beschluss vom 26. Juli 2007 - 20 L 278/07 -, m.w.Nw.).

17

Angesichts dieser Voraussetzungen überwiegt insgesamt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der erkennungsdienstlichen Behandlung des Antragstellers, sein Interesse, vorerst davon verschont zu bleiben. Im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Antragsgegnerin im Hauptverfahren erweisen wird, muss zusätzlich festgestellt werden, dass der von dem Antragsteller verlangte Eingriff, nämlich Finger- und Handabdrücke zu nehmen, sowie fotografische Aufnahmen zu fertigen und besondere Körpermerkmale festzuhalten, als relativ gering zu bewerten ist. Diese Maßnahme kann auch ohne Weiteres mit einfachen Möglichkeiten durch Vernichtung rückgängig gemacht werden, soweit sich im Hauptverfahren herausstellen sollte, dass die Maßnahme rechtswidrigerweise angeordnet wurde. Dem gegenüber könnte der für die Allgemeinheit oder für andere Opfer möglicherweise eintretende Schaden nur schwer oder gar nicht rückgängig gemacht werden. Schon von daher ist das Interesse des Antragstellers von den angeordneten Maßnahmen verschont zu bleiben, geringer zu bewerten als das Interesse der Antragsgegnerin.

18

Danach war der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 19. Mai 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28. Mai 2008 abzulehnen.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

20

Die beantragte Prozesskostenhilfe war nicht zu bewilligen, weil es nach den vorstehenden Ausführungen an der erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung für dieses Eilverfahren fehlt (§ 166 VwGO in Verbindung mit § 114 ZPO). Die Streitwertfestsetzung folgt gemäß §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 2 GKG.

Schmidt
Plog
Fahs