Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 02.11.2011, Az.: 7 W 53/11
Kriterien zur Bemessung der Vergütung eines berufsmäßigen Nachlasspflegers
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 02.11.2011
- Aktenzeichen
- 7 W 53/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 37020
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2011:1102.7W53.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Achim - 14.03.2011
Rechtsgrundlagen
- § 1836 Abs. 1 BGB
- § 1915 Abs. 1 S. 2 BGB
- § 3 VBVG
Fundstelle
- Rpfleger 2012, 257-258
Amtlicher Leitsatz
Die Höhe der festzusetzenden Vergütung für den berufsmäßigen Nachlasspfleger richtet sich - abweichend von § 3 VBVG - gemäß § 1915 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 1836 Abs. 1 BGB nach den für die Führung der Pflegschaft nutzbaren Fachkenntnissen des Pflegers sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte.
Tenor:
Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 3 und 4 wird der angefochtene Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts - Nachlassgerichts - Achim vom 14.03.2011 unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel geändert und hinsichtlich der Vergütungshöhe wie folgt neu gefasst:
Die dem Nachlasspfleger, Rechtsanwalt J. W., für seine Tätigkeit in der Zeit vom 09.06.2010 bis 22.10.2010 aus dem Nachlass zu erstattende Vergütung wird auf 20.159,65 € festgesetzt.
Der weitergehende Vergütungsantrag vom 26.10.2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beteiligten zu 3 und 4 zu 3/4 und der Beteiligte zu 8 zu 1/4.
Geschäftswert: bis 7.000 €
Gründe
I. Der Beteiligte zu 8 ist durch Beschluss des Nachlassgerichts vom 07.06.2010 zum Nachlasspfleger bestellt worden. Die dagegen gerichteten Beschwerden der Beteiligten zu 3 bis 7 sind durch Senatsbeschluss vom 06.01.2011 zurückgewiesen worden. Auf diesen Beschluss (Az.: 7 W 97/10) wird zur näheren Sachverhaltsdarstellung Bezug genommen (Bd. I, 244 ff. d. A.).
Mit Schriftsatz vom 26.10.2010 hat der Beteiligte zu 8 für die Zeit vom 09.06.2010 bis zum 22.10.2010 unter Beifügung einer Zeitaufstellung mit stichwortartiger Angabe der jeweiligen Tätigkeiten beantragt, seine Vergütung festzusetzen, und zwar für 138,50 Tätigkeitsstunden je 150 € plus 19 % Umsatzsteuer zuzüglich von Aufwendungen über brutto 381,85 € auf insgesamt 25.104,10 € (Bd. II, 161 ff. d. A.). Daraufhin ist die Vergütung - nach Anhörung der Beteiligten - durch die Rechtspflegerin mit dem angefochtenen Beschluss auf insgesamt 21.807,80 € festgesetzt worden. Dabei ist der Stundenansatz von 138,50 Stunden akzeptiert, der Stundensatz jedoch statt auf beantragte 150 € auf lediglich 130 € bestimmt worden (Bd. II, 236 ff. d. A.).
Hiergegen richten sich die Beschwerden der Beteiligten zu 3 und 4, mit denen sie - unter Aufgreifung konkreter Tätigkeiten aus der vorgelegten Zeitaufstellung des Nachlasspflegers - geltend gemacht haben, die den insoweit angesetzten Stunden jeweils zugrunde liegenden Tätigkeiten seien nicht nachvollziehbar und prüfbar dargetan worden, ferner sei auch der Stundensatz von 130 € überhöht.
Der Senat hat daraufhin den Beteiligten zu 8 zur näheren Spezifizierung seines Vergütungsantrags unter Berücksichtigung der konkreten Einwände der Beschwerdeführerinnen aufgefordert (Bd. III, 41 f. d. A.). Dem ist der Beteiligte zu 8 nachgekommen. Er hat mit Schriftsatz vom 05.07.2011 auf die obergerichtliche Rechtsprechung zur Vergütungshöhe hingewiesen und auch zu den Einwänden betreffend die Zeitaufstellung im Einzelnen Stellung genommen (Bd. III, 43 ff. d. A.). Dabei hat er zum Nachweis seiner Tätigkeiten sämtliche diesbezügliche Korrespondenz, Gesprächsvermerke und sonstigen Aufzeichnungen vorgelegt (Anlagenhefter, Bl. 1 - 169).
Die Beschwerdeführerinnen haben sodann Einsicht in diese Unterlagen beantragt, da andernfalls eine substantiierte Stellungnahme nicht möglich sei. Die Akten sind daraufhin mit dem Anlagenhefter an die Verfahrensbevollmächtigten zur Einsichtnahme übersandt und am 22.08. bzw. 26.08.2011 zurückgesandt worden (Bd. III, 58, 65 d. A.).
Bereits mit Schriftsatz vom 05.08.2011 hatte der Verfahrensbevollmächtigte zu 3 und 4 darauf hingewiesen, in einem Parallelverfahren habe das OLG Celle die Vergütung eines Nachlasspflegers auf 110 € je Stunde festgesetzt. Dies erscheine auch im vorliegenden Fall als angemessen, sodass sich der Vergütungsanspruch des Beteiligten zu 8 für 138 Stunden (richtig: 138,50 Std.) auf 15.235 € reduziere (Bd. III, 56 d. A.).
II. Die nach §§ 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 FamFG zulässigen Beschwerden der Beteiligten zu 3 und 4 wegen der von der Rechtspflegerin des Nachlassgerichts festgesetzten Nachlasspflegervergütung haben nur zum kleinen Teil Erfolg. Sie führen unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel zur Herabsetzung der Vergütung von 21.807,80 € auf 20.159,65 €.
Der Beteiligte zu 8 als Rechtsanwalt übt die Nachlasspflegschaft berufsmäßig aus, wie sich auch aus dem Beschluss des Nachlassgerichts betreffend die Anordnung der Nachlasspflegschaft und Bestellung des Beteiligten zu 8 als Nachlasspfleger vom 07.06.2010 ergibt (Bd. I, 10 d. A.). Zwischen den Beteiligten steht ferner nicht im Streit, dass der Nachlass vermögend ist. In dem vom Beteiligten zu 8 nach seiner Bestellung vorgelegten Nachlassverzeichnis wird die vor allem durch den Hof mit dem dazugehörigen Grundeigentum als Aktivvermögen definierte Nachlassmasse mit insgesamt 1.673.640,34 € bewertet (Bd. I, 83 d. A.). Damit richtet sich die Höhe der festzusetzenden Vergütung - abweichend von § 3 VBVG - gemäß § 1915 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 1836 Abs. BGB nach den für die Führung der Pflegschaft nutzbaren Fachkenntnissen des Pflegers sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte (vgl. auch OLGR Zweibrücken 2007, 472; LG München, Besch. v. 08.02.2008 - 6 T 186/06 - veröffentl. in juris; OLG Brandenburg FamRZ 2011, 926; OLG Hamm MDR 2011, 609 [OLG Hamm 13.01.2011 - I-15 W 632/10]).
Der Beteiligte zu 8 hat bei Antragstellung geltend gemacht, die Nachlasspflegschaft sei nach Aufwand und Schwierigkeit besonders anspruchsvoll, sodass der beantragte Stundensatz von 150 € gerechtfertigt sei (Bd. II, 161 f. d. A.). Insoweit hat er auf den Umfang der Nachlassakten (800 Blatt) sowie den Wert und die Größe des landwirtschaftlichen Betriebs, auf zu beachtende Fragen des Landwirtschaftsrechts einschließlich des Rechts der Zahlungsansprüche, auf ein jährliches strukturelles Defizit von rund 30.000 €, welches die Tagesgeschäfte, da einige Lieferanten die Kreditwürdigkeit des Betriebs bezweifelten, schwierig mache, auf zum Nachlass gehörende Mietobjekte mit insgesamt drei Parteien, sowie auf die besonderen Umstände bei seiner Amtsübernahme nach Abtritt des Testamentsvollstreckers W. (vgl. dazu Senatsbeschluss 7 W 97/10, Bd. I, 244 ff. d. A.) verwiesen. Da bei einem mittleren Schwierigkeitsgrad, so die weitere Argumentation im Beschwerdeverfahren, entsprechend einer aktuellen Entscheidung des OLG Hamm (aaO.) vom Stundensatz eines berufsmäßigen Pflegers von 110 € auszugehen sei, hier jedoch ein erhöhter Schwierigkeitsgrad zugrunde gelegt werden müsse, sei jedenfalls ein Stundensatz von 125 €, wie vom Amtsgericht festgesetzt (richtig jedoch: 130 €) angemessen (Bd. III, 43 f.). Demgegenüber wird mit den Beschwerden, wie oben unter Ziffer I. bereits dargestellt, geltend gemacht, ein Stundensatz von 110 € sei angemessen.
Der Senat hält unter Abwägung der jeweiligen Standpunkte und gegensätzlichen Argumente und bei Berücksichtigung der von der Rechtsprechung für Berufspfleger herausgebildeten Grundsätze in rechnerischer Mittelung der hier in Rede stehenden Werte von 110 € und 130 € einen Stundensatz von 120 € für angemessen. Dabei geht der Senat davon aus, dass der übliche Satz für anwaltliche Pfleger bei mittlerer Schwierigkeit bei 100 € (so OLG Brandenburg aaO.) bis 110 € (so OLG Hamm aaO.) liegt (vgl. auch LG München und aaO.). Dem Beteiligten zu 8 ist weiterhin zuzugeben, dass hier im Hinblick auf die von ihm angeführten Gesichtspunkte, die zum Teil auch im Senatsbeschluss 7 W 97/10 Erwähnung finden, von einem erhöhten Schwierigkeitsgrad auszugehen ist, so dass die Erhöhung des "Mittelsatzes" geboten ist. Eine Erhöhung von 110 € auf 130 € erscheint indes übersetzt, zum einen, weil der Betrag von 110 € als Ausgangspunkt bereits die Obergrenze des allgemein für angemessen angesehenen Mittelwerts (100 € bis 110 €) darstellt, zum anderen, weil die Tätigkeit des Beteiligten zu 8 nach erfolgter Einarbeitung mit zunehmenden Zeitablauf immer leichter wird und im Übrigen auch viele Tätigkeiten untergeordneter Art, wie etwa Fahrzeiten oder Bürotätigkeiten beinhaltet, weshalb eine Mischkalkulation erforderlich ist. Hierauf hatte der Senat bereits mit Verfügung vom 28.06.2011 hingewiesen (Bd. III, 41 f. d. A.). Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte hält der Senat nach pflichtgemäßem Ermessen eine Erhöhung des Mittelwerts auf "nur" 120 € je Stunde für angemessen.
Die Vergütung berechnet sich mithin wie folgt:
138,50 Stunden je 120 € | 16.620,00 € |
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zuzüglich 19 % USt. | 3.157,80 € |
zuzüglich Aufwendungen brutto | 381,85 € |
20.159,65 € |
Der Ansatz von 138,50 Stunden ist dabei gerechtfertigt, nachdem der Beteiligte zu 8 zu den erhobenen Einwänden substantiiert Stellung genommen und sämtliche schriftlichen Unterlagen aus seiner Tätigkeit als Nachweis vorgelegt hat. Auch die Beschwerdeführerinnen haben danach keine Einwendungen mehr erhoben. Ferner stehen die die Auslagen in Höhe von 381,85 € zwischen den Beteiligten nicht im Streit.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 81, 84 FamFG. Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 30 Abs. 1 KostO und richtet sich nach dem geschätzten wirtschaftlichen Interesse der Beschwerdeführerinnen an der Herabsetzung der Vergütung.
Die Entscheidung ist mangels Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht anfechtbar (§ 70 FamFG).