Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 16.07.2007, Az.: 2 B 193/07

Voraussetzungen an die Abgabe von Saatgut von gentechnisch verändertem Mais; Zuständigkeit für Genehmigungen zum Inverkehrbringen von genetisch veränderten Organismen; Zuständigkeit der Landesbehörden für nach einem Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen eventuell notwendigen Maßnahmen

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
16.07.2007
Aktenzeichen
2 B 193/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 36715
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2007:0716.2B193.07.0A

Verfahrensgegenstand

Recht der Gentechnik
hier: Umbruch des Maisanbaus -
hier: Antrag nach § 123 VwGO -

Redaktioneller Leitsatz

Für nach dem Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen ggf. notwendigen Maßnahmen ist die Zuständigkeit der jeweiligen Landesbehörden gegeben.

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 2. Kammer -
am 16. Juli 2007
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die für erstattungsfähig erklärt werden.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Der nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO zu beurteilende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bleibt sowohl mit Haupt- als auch mit Hilfsantrag ohne Erfolg.

2

Nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes treffen, um wesentliche Nachteile für den Antragssteller abzuwenden. Voraussetzung dafür ist, dass der Antragssteller einen Anordnungsanspruch, d.h. die materielle Berechtigung seines Begehrens, und einen Anordnungsgrund, d.h. die Eilbedürftigkeit der Sache, glaubhaft macht. Dies ist den Antragsstellern nicht gelungen. Es fehlt an einem Anordnungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin.

3

Soweit die Antragssteller ihren Antrag kurzfristig dahingehend umgestellt haben, dass nunmehr die Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt wird, die Inverkehrbringensgenehmigung von gentechnisch verändertem Mais der Linie MON 810 nachträglich zum Schutz von Honigbienen mit Auflagen zu versehen, beispielsweise einem Monitoring wie die Beigeladene es mit Bescheid vom 27.04.2007 verfügt hat, bereits für das Jahr 2007 anzuordnen, geht der Antrag ins Leere.

4

Mit Bescheid vom 27.04.2007 hat die Antragsgegnerin gegenüber der Beigeladenen verfügt, dass die Abgabe von Saatgut von gentechnisch verändertem Mais der Linie MON 810 erst erfolgen darf, nachdem der Genehmigungsinhaber einen Plan zur Beobachtung der Umweltauswirkungen im Sinne des Anhangs VII der Richtlinie 2001/18/EG sowie der Entscheidung 2002/811/EG vorgelegt hat. Da für diese Verfügung die sofortige Vollziehung angeordnet wurde, gelten die Auflagen auch für das Inverkehrbringen von gentechnisch verändertem Mais ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides, mithin auch schon im Jahr 2007. Soweit die Antragsteller allerdings begehren, die Antragsgegnerin zu Auflagen "für die laufende Anbausaison 2007" zu verpflichten, verkennen sie, dass die auflagenbewehrte Ruhensanordnung, für die allein die Antragsgegnerin zuständig ist, ausschließlich zukunftsbezogen wirkt, da sie den Vorgang des Inverkehrbringens, nach § 3 Nr. 6 GenTG also die Abgabe von Produkten an Dritte, einschließlich der Bereitstellung für Dritte, und das Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes betrifft. Da dieser Vorgang mit der Abgabe des Saatgutes an die Landwirte abgeschlossen ist, können Auflagen zur Inverkehrbringensgenehmigung für bereits abgegebenes Saatgut keine Wirkung mehr entfalten.

5

Auch der auf Umbrechen bzw. Abernten des Maises als Hilfsantrag aufrechterhaltene Antrag bleibt ohne Erfolg. Der Antragsgegnerin fehlt insoweit die Befugnis, die begehrten Maßnahmen hinsichtlich des aufgrund einer Genehmigung der französischen Behörden in Verkehr gebrachten Maises anzuordnen. Die Antragsgegnerin ist zwar nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GenTG für Inverkehrbringensgenehmigungen zuständig ist, sie kann gem. § 19 S. 1, 3 GenTG auch ihre Entscheidung mit Nebenbestimmungen versehen oder nachträgliche Auflagen anordnen. Zuständig ist insoweit jedoch die Behörde, die die ursprüngliche Genehmigung erteilt hat (Eberbach/Lange/Ronellenfitsch, GenTR/BioMedR, Stand 29.06.2007, GenTG, § 19 Rn 36). Dies ist vorliegend gerade nicht die Antragsgegnerin, denn die der Beigeladenen im Jahre 1998 erteilte Inverkehrbringensgenehmigung ist von der zuständigen französischen Behörde, nicht von der Antragsgegnerin erteilt worden. Für diesen Fall - Genehmigungen von Behörden anderer Mitgliedstaaten, die Genehmigungen der zuständigen deutschen Bundesoberbehörde gleichstehen (vgl. § 14 Abs. 5 GenTG), sieht § 20 Abs. 2 GenTG vor, dass die zuständige Bundesoberbehörde (vgl. § 31 S. 2 GenTG) bis zur Entscheidung der Kommission oder des Rates der Europäischen Gemeinschaften das Ruhen der Genehmigung anordnen kann. Dies hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 27.04.2007 getan. Für darüber hinausgehende, insbesondere nach Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen ggf. notwendige Maßnahmen ist die Zuständigkeit der Landesbehörden gegeben (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 27.06.2007 - OVG 11 S 54.07 -). Als Ermächtigungsgrundlage kommt insoweit § 26 Abs. 1 GenTG in Betracht. Danach kann die zuständige Landesbehörde im Einzelfall die Anordnungen treffen, die zur Beseitigung von Verstößen gegen u.a. das Gentechnikgesetz notwendig sind. Dies kann in Zusammenhang mit § 16 b GenTG gegenüber dem "Anbauer" (vgl. VGH München, Beschl. v. 21.06.2007 - 22 CE 07.1294 -) des gentechnisch veränderten Saatgutes in Betracht kommen. Die Kammer vermag darin keinen Widerspruch zu den der zuständigen Bundesoberbehörde eingeräumten Kompetenzen zu sehen. § 26 GenTG räumt den Landesbehörden lediglich die Befugnis zum Einschreiten im Einzelfall ein. Ein "Konterkarieren" der von der Antragsgegnerin getroffenen Entscheidung zum Inverkehrbringen ist also nicht zu befürchten.

6

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Die übliche Halbierung in Anlehnung an Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs 2004 wird im Hinblick auf die hier notwendigerweise implizierte Vorwegnahme der Hauptsache nicht vorgenommen.

Schwarz
Dr. Struß
Meyer