Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 28.02.2012, Az.: 7 B 1/12

Zuweisung der Arbeitnehmer der UMG zu einer privatrechtlich organisierten GmbH zur weisungsabhängigen Arbeitsleistung i.R.e. geschlossenen Personalgestellungsvertrages; Verlust des Wahlrechts der zugewiesenen Arbeitnehmer zum Personalrat ihrer Stammdienststelle

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
28.02.2012
Aktenzeichen
7 B 1/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 39760
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2012:0228.7B1.12.0A

Amtlicher Leitsatz

Sind Arbeitnehmer der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) der Georg-August-Universität Göttingen Stiftung Öffentlichen Rechts einer privatrechtlich organisierten GmbH, deren sämtliche Gesellschaftsanteile die UMG hält, im Rahmen eines auf der Grundlage von § 4 Abs. 3 TV-L geschlossenen Personalgestellungsvertrages zur weisungsabhängigen Arbeitsleistung zugewiesen und ist der GmbH hierzu das arbeitgeberseitige Weisungsrecht übertragen, so verlieren die Zugewiesenen nach § 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 NPersVG ihr Wahlrecht zum Personalrat ihrer Stammdienststelle UMG, sobald die Zuweisung länger als drei Monate gedauert hat und wenn nicht feststeht, dass sie binnen weiterer sechs Monate in die bisherige Dienststelle zurückkehren werden.

Gründe

1

Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, über den hier gemäß §§ 83 Abs. 2 NPersVG, 85 Abs. 2 ArbGG, 944 ZPO die Fachkammer durch den Vorsitzenden entscheidet, ist zulässig, jedoch nicht begründet.

2

Für den Erlass einstweiliger Verfügungen gelten im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nach § 83 Abs. 2 NPersVG i.V.m. § 85 Abs. 2 ArbGG mit bestimmten Maßgaben, auf die es im vorliegenden Verfahren nicht ankommt, die Vorschriften der ZPO über die einstweilige Verfügung entsprechend. Nach § 935 ZPO sind einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsverfügung). Nach § 940 ZPO sind einstweilige Verfügungen auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, soweit die Regelung nötig erscheint (Regelungsverfügung). Nach §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO sind der zu sichernde Anspruch (Verfügungsanspruch) und der Grund, weshalb die einstweilige Verfügung ergehen soll (Verfügungsgrund), glaubhaft zu machen. Das Gericht bestimmt sodann, welche Anordnungen erforderlich sind, um den Zweck der einstweiligen Verfügung zu erreichen (§ 938 Abs. 1 ZPO). Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt danach das Vorliegen eines Verfügungsgrundes, also eines hinreichenden Anlasses für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, sowie eines Verfügungsanspruchs, also eines Rechtsanspruchs des Antragstellers voraus, der vorläufig, d. h. bis einer eventuellen rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, geschützt werden soll (vgl. VG Göttingen, Beschluss vom 07.02.1996 - 7 B 7001/96 -, S. 4f., und Beschluss vom 03.07.1998 - 7 B 7002/98 -, S. 2).

3

Zutreffend hat der Antragsteller den Wahlvorstand als Beteiligten des Verfahrens benannt. Zu den Aufgaben des Wahlvorstands gehören gemäß §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 2 WO-PersV die Aufstellung und Berichtigung des Wählerverzeichnisses, worum es dem Antragsteller vorliegend geht. Er kann insbesondere nicht auf ein Wahlanfechtungsverfahren gemäß § 21 NPersVG verwiesen werden, weil er mangels eines eigenen Anfechtungsrechts effektiven Rechtsschutz in Bezug auf seine Teilnahme an der Personalratswahl nur durch eine einstweilige Verfügung erlangen kann (vgl. Dembowski/Ladwig/Sellmann, Personalvertretungsrecht in N., Stand: 11/11, § 11 Rn 30 m.w.N.).

4

Nach den dargelegten Grundsätzen steht dem Antragsteller - wie sich aufgrund des unstreitigen Sachverhalts bereits bei summarischer Prüfung hinreichend verlässlich sagen lässt - kein Verfügungsanspruch zur Seite. Sein sinngemäßes Begehren, ihn im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufig als Wahlberechtigten in das Wählerverzeichnis zur Personalratswahl der I. E. am 06. und 07.03.2012 aufzunehmen, findet in § 11 NPersVG keine rechtliche Grundlage. Denn er ist kein Wahlberechtigter im Sinne von § 11 Abs. 1 NPersVG, weil sein Wahlrecht nach Absatz 4 Nr. 3 dieser Rechtsvorschrift aller Voraussicht nach erloschen ist.

5

Nach seinem unstreitigen Vorbringen wurde der Antragsteller zum 01.05.1977 als Koch durch das Land N., vertreten durch den Kurator der O. E. - Verwaltung der Kliniken -, eingestellt. Infolge der Gründung der Georg-Au-gust-Universität E. Stiftung öffentlichen Rechts wurde der Antragsteller Beschäftigter der I. E. - P. -. Nachdem letztere zum 01.01.2009 die gastronomischen Aufgaben auf ihre hundertprozentige Tochtergesellschaft P. Q. GmbH übertragen hatte, wurde durch eine entsprechende Vereinbarung vom 23.06.2011 festgelegt, dass der Antragsteller - aufgrund seines ausdrücklichen Widerspruchs gegen einen Übergang seines Arbeitsverhältnisses - zu unveränderten Arbeitsbedingungen bei der P. beschäftigt bleibt, seine Arbeitsleistung jedoch auf der Grundlage des § 4 Abs. 3 TV-L bei der P. Q. GmbH erbringt. In einem Personalgestellungsvertrag vom 30.08.2011, dem der Personalrat der P. zugestimmt hat, vereinbarten die P. und die P. Q. GmbH unter Befristung zum 31.10.2015 außerdem, dass die P. der Letztgenannten zur Aufgabenerfüllung namentlich genannte Beschäftigte gemäß § 4 Abs. 3 TV-L unter Abtretung der Ansprüche auf Arbeitsleistung und Übertragung des Direktionsrechts zuweist. Personalersatz bei Krankheit, Urlaub, sonstigem Ausfall oder Ausscheiden hat die GmbH zu stellen. Die Vergütungspflicht verbleibt bei der P., die Kosten sind jedoch von der GmbH zu erstatten. In § 4 des Personalgestellungsvertrages wurde außerdem vereinbart, dass den Beschäftigten durch die Gestellung keine Nachteile entstehen, ihre Rechtsstellung unberührt bleibt und die Rechte aus den Arbeitsverhältnissen im Übrigen unverändert weiter gelten sollen.

6

Auf der Grundlage dieses Sachverhalts spricht alles dafür, dass die Wahlberechtigung des Antragstellers für die Wahl des Personalrats der I. E. nach § 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 NPersVG nicht mehr besteht. Nach dieser Vorschrift erlischt das Wahlrecht in der Dienststelle, wenn eine zuweisungsähnliche Maßnahme nach einer dem § 20 BeamtStG entsprechenden tarifrechtlichen Regelung länger als drei Monate gedauert hat und am Tag des Ablaufs dieser Frist feststeht, dass eine Rückkehr nicht innerhalb weiterer sechs Monate stattfinden wird. Diese Voraussetzungen dürften beim Antragsteller erfüllt sein.

7

Bei dem Rechtsverhältnis zwischen dem Antragsteller, der P. und der P. Q. GmbH handelt es sich um eine Gestellung gemäß § 4 Abs. 3 TV-L, weil die vom Antragsteller erbrachten Aufgaben von der Stiftung auf die GmbH als privatrechtlich organisierter Dritter vollständig und dauerhaft verlagert worden sind (vgl. Sponer/Steinherr, TV-L, Stand: 09/11, § 4 TV-L Rn 127ff). Der Antragsteller wurde durch die Gestellung mit seiner Arbeitsleistung vollumfänglich und weisungsgebunden in die privatrechtliche GmbH eingegliedert (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 16.06.1999 - 17 P 98.2843 -, PersV 2000, 36; OVG NRW, Beschluss vom 15.12.1999 - 1 A 5174/97.PVL -, PersV 2000,416; VG Braunschweig, Beschluss vom 02.12.2004 - 9 A 2/04 -, S. 4). Zwar besitzt die P. sowohl als alleinige Gesellschafterin der GmbH als auch infolge der Eingliederung beider Geschäftsführer der GmbH im Vorstandsressort 3 der P. erhebliche Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftspolitik, Aufgabenerfüllung sowie die Wahrnehmung des Direktionsrechts. Diese mittelbare, gesellschaftsrechtlich und durch personelle Verflechtungen begründete Beherrschung der GmbH durch die P. entfaltet jedoch eine arbeitsrechtliche Bedeutung ebenso wenig wie etwa die Nutzung von gemeinsamer Infrastruktur, ein enges Zusammenwirken von Beschäftigten der P. mit denen der GmbH oder eine gemeinsame Außendarstellung im Internet, weil allen aufgeführten Kriterien kein hinreichendes Gewicht für die Ermittlung der Arbeitgeberstellung haben (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 29.09.2011 - 18 LP 7/09 -, [...], Rn 33 - 35 m.w.N.); diese hat für den Antragsteller allein die P. Q. GmbH.

8

Die Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TV-L ist - wie auch die vorüber gehende Zuweisung nach § 4 Abs. 2 TV-L - eine parallele Regelung zu § 20 BeamtStG (vgl. Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, Personalvertretungsrecht in NRW, Stand: 12/11, § 10 Rn 53f). Denn sie ist ebenso wie die beamtenrechtliche Personalmaßnahme auf eine Flexibilisierung des Arbeitseinsatzes infolge einer Aufgabenverlagerung gerichtet, auf Dauer angelegt, berührt auf Grund des Widerspruchs des Antragstellers gegen einen Betriebsübergang i.S.d. § 613a BGB den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zum ursprünglichen Arbeitgeber nicht und erfordert eine dem bisherigen Aufgabenbereich des Arbeitnehmers mindestens entsprechende Tätigkeit. Soweit der Personalgestellungsvertrag vom 30.08.2011 in § 4 Abs. 1 und 2 festlegt, dass den Beschäftigten durch die Gestellung keine Nachteile entstehen dürfen und die Rechte aus den Arbeitsverhältnissen unverändert weiter gelten, bezieht sich diese Vereinbarung bereits deshalb nicht auf die personalvertretungsrechtliche Stellung der Beschäftigten, weil Mitbestimmungsrechte gemäß § 82 NPersVG nicht durch Verträge über den gesetzlich vorgeschriebenen Umfang hinaus ausgedehnt werden dürfen. Der Antragsteller ist damit keineswegs dem Schutz durch eine Personalvertretung entzogen. Soweit es um das grundlegende Arbeitsverhältnis und daraus resultierende Maßnahmen der P. geht, besteht die Vertretung durch den dort gebildeten Personalrat ohnehin fort. Soweit allerdings Maßnahmen betroffen sind, die zum Direktionsrecht zählen, fallen die der P. Q. GmbH gestellten Beschäftigten nach dem formalen Rechtsträgerprinzip gemäß § 1 Abs. 1 NPersVG und §§ 130, 1 BetrVG in den Geltungsbereich des Betriebsverfassungsrechts und sind durch die dortigen Mitbestimmungsregelungen hinreichend geschützt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 29.09.2011 - 18 LP 7/09 -, [...], Rn 36).

9

Der Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der die Aufnahme in das Wählerverzeichnis erstrebt wird, wäre ohnehin nur zulässig, wenn eine offensichtliche Fehlentscheidung des Wahlvorstandes vorläge und deshalb eine andernfalls mit Sicherheit rechtswidrige und anfechtbare Wahl verhindert werden sollte (vgl. Fischer/Görres, Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder, GKÖD Band V, Teil 2, Stand: 9/11, K § 13 Rn 27 a.E, m.w.N); davon kann vorliegend keine Rede sein.

10

Für eine Kostenentscheidung ist im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren gemäß §§ 83 Abs. 2 NPersVG, 12 a ArbGG kein Raum.