Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Urt. v. 06.09.2021, Az.: AGH 2/21 (II 2/23.3)
Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls; Vermutung des Vermögensverfalls kraft Gesetzes bei Eröffnung eines Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts
Bibliographie
- Gericht
- AGH Niedersachsen
- Datum
- 06.09.2021
- Aktenzeichen
- AGH 2/21 (II 2/23.3)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2021, 71605
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO
- § 112c Abs. 1 BRAO
- § 248 InsO
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
1.
Der Kläger ist seit Mai 1995 als Rechtsanwalt zugelassen. Er betreibt seine Anwaltskanzlei als Einzelanwalt ###. Die Beklagte hatte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft erstmals mit Bescheid vom 12.02.2014 wegen Vermögensverfalls widerrufen. Damals war der Widerruf unter anderem auf Steuerrückstände von rund 16.870,00 €, die Zwangsvollstreckung in das Grundstück des Klägers sowie auf weitere Verbindlichkeiten und eine Strafanzeige wegen nicht ausgezahlten Fremdgeldes gestützt. Gegen diesen Zulassungswiderruf erhob der Kläger bei dem Senat Anfechtungsklage (AGH 10/14). Im Laufe des Verfahrens hatte sich eine bessere Beurteilung der Vermögensverhältnisse des Klägers gezeigt durch die Offenlegung der bereits bestehenden Zusage eines jederzeit abrufbaren Darlehens bis zu 150.000,00 €, das zur Zeit des Widerrufsbescheides mit ca. 30.000,00 € valutierte, danach vom aber auch zunehmend weiter in Anspruch genommen wurde, indessen der Kreditrahmen nicht erschöpft war; ausreichende Liquidität schien danach vorhanden zu sein. Die Rückzahlung des von dem mit dem Kläger befreundeten Geldgeber bzw. dessen Unternehmen (### ### GmbH) gewährten Darlehens erfolgte durch Beratungsleistungen des Klägers für das Unternehmen sowie laufende Ratenzahlung.
Nachdem sich danach zunächst eine Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des Klägers angedeutet hatte, wurde im Einvernehmen der Parteien das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Mit Rücksicht auf weitere Entwicklungen zum Nachteil des Klägers im Laufe der Jahre 2015 und 2016, so unter anderem aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Untreue in zwei Fällen sowie der Verpflichtung auf Zahlung von Schadenersatz von 60.000,00 € durch einen Vergleich vor dem Oberlandesgericht ### vom 25.08.20216 und weiterer Kosten von über 9.900,00 € aus einer Tätigkeit des Klägers als Testamentsvollstrecker in diesem Zusammenhang, hatte die Beklagte Fortsetzung des Verfahrens beantragt.
Der Kläger sorgte in der Folge aus Darlehensmitteln für fristgerechte Regulierung der Zahlungsverpflichtungen aus dem Vergleich. In der mündlichen Verhandlung vom 08.05.2017 hatten sich die Verfahrensbeteiligten mit der Entscheidung des Senats im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 18.03.2019 in der Folgesache AGH 17/18 hatten die Beteiligten übereinstimmend erklärt, dass der Senat von einer Entscheidung in der Sache AGH 10/14 vorläufig absehen könne, solange – nach Anordnung des Ruhens des Folgeverfahrens – dessen Fortsetzung nicht erfolge.
Mit Schriftsatz vom 05.08.2021 im Verfahren AGH 10/14 hat die Beklagte nunmehr mitgeteilt, sie habe den Widerrufsbescheid vom 12.02.2014 mit Bescheid vom 05.08.2021 zurückgenommen, beide Beteiligte haben daraufhin übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und eine Einigung über die Kosten erzielt.
2.
Unter dem 26.03.2018 hatte die Beklagte die Zulassung des Klägers erneut wegen Vermögensverfalls gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO widerrufen. Gestützt war dieser Widerruf auf namhafte Steuerrückstände des Klägers, die sich schon im Verlauf des vorangegangenen Verfahrens angedeutet hatten; nach Mitteilung der ### ### vom 18.01.2018 hatten die Steuerrückstände des Klägers 49.617,73 € betragen zuzüglich 6.632,00 € Säumniszuschläge, insgesamt 56.249,73 €, woraufhin Sicherungshypotheken zu Gunsten des ### ### zu Lasten des Grundeigentums des Klägers eingetragen worden waren und weitere Vollstreckungstitel sich ergeben hatten.
Auch gegen diesen Bescheid hatte der Kläger Anfechtungsklage vor dem Senat erhoben (AGH 17/18). Im Rahmen der Klagebegründung machte der Kläger auch dort geltend, seine finanziellen Verhältnisse seien geordnet. Er habe zwar mit Nachwirkungen des presseträchtigen Strafverfahrens und den Folgen der Verpflichtung zur hohen Schadenersatzleistung zu kämpfen gehabt, habe inzwischen aber die Zahlungsansprüche sowie Kosten beglichen bzw. eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen, die er auch einhalte. Offengeblieben waren allerdings noch Steuerschulden.
Nachdem sich abzeichnete, dass als einziger Gläubiger fälliger Forderungen tatsächlich nur noch das Finanzamt in Betracht kam und weiter die Steuerschulden sich aufgrund von Schätzungen ergeben hatten, weil der Kläger über die Jahre 2015 bis 2017 noch keine Einkommens- und Umsatzsteuererklärungen abgegeben hatte, war in dem Folgeverfahren im Verhandlungstermin vom 18.03.2019 im Einvernehmen mit der Beklagten – zugleich mit der Anordnung des Ruhens des Verfahrens - dem Kläger Gelegenheit gegeben, die Steuererklärungen nachzuholen und eine Regelung der Steuerrückzahlungen mit der Finanzverwaltung zu erzielen. Die Nichtabgabe der Steuererklärungen sei – so der Kläger – nicht absichtlich geschehen, sie sei vielmehr eine Folge der schweren Auseinandersetzungen um das Strafverfahren und die erhebliche Schadenersatzforderung gewesen. Des Weiteren verwies der Kläger immer wieder darauf, dass noch ein gewisses Kreditvolumen aus der Darlehenszusage bestehe.
Die Einkommensteuererklärungen sind vom Kläger schließlich abgegeben worden. Im Verlauf des Verfahrens ergab sich weiter, dass der Kläger eine Reihe von Zahlungen auf die Einkommensteuerbescheide geleistet hatte, so dass im Ergebnis überschaubare Einkommensteuerrückstände für die Jahre 2015 bis 2017 verblieben (nach vorläufiger Einschätzung, weil die Zahlen für 2016 nicht vorlagen). Allerdings blieb noch ein Rückstand auf Einkommensteuer für das Jahr 2011 von mehr als 20.000,00 €. Ob, wie der Kläger in diesem Zusammenhang meinte, eine Verrechnung mit Steuererstattungen darauf möglich sei, hatte sich seinerzeit nicht feststellen lassen.
Allerdings trat auch im weiteren Verlauf des Verfahrens AGH 17/18 offen zutage, dass der Kläger in erheblichem Umfang noch Umsatzsteuer schuldete. Er hatte zwar im Verfahren geltend gemacht, dass infolge der nachteiligen wirtschaftlichen Entwicklung seiner Praxis die bisherigen Umsatzsteuerschätzungen des Finanzamtes nach unten korrigiert werden müssten, konkrete Zahlen dazu allerdings nicht geliefert.
Zu wirksamen Umsatzsteuererklärungen und gegebenenfalls Zahlungsregelungen mit der Finanzverwaltung war es allerdings im Ergebnis nicht gekommen. Nach Angaben des Klägers in einem Telefonat mit dem damaligen Berichterstatter vom 22.07.2020 habe das Finanzamt die in Papierform eingereichten Umsatzsteuererklärungen nicht akzeptiert, sie hätten nur elektronisch eingereicht werden müssen, inzwischen sei die Abgabefrist abgelaufen (vgl. Aktenvermerk Bl. 486 in AGH 17/18). Ebenfalls durch Urteil vom 06.09.2021 hat der Senat die Klage im dortigen Verfahren abgewiesen.
3.
Die vorliegende Klage richtet sich gegen den weiteren Widerrufsbescheid der Beklagten vom 18.02.2021. Neben dem Verweis auf die früheren Widerrufsbescheide stützt die Beklagte den erneuten Widerruf der Zulassung des Klägers nunmehr auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers vom 23.12.2020 durch das Amtsgericht ### (Geschäftsnummer 8 IN 42/20). Das ### ### ### ### hatte die Beklagte mit Schreiben vom 07.01.2021 darüber informiert, dass die Steuerrückstände des Klägers beim Finanzamt ### auf inzwischen 144.273,27 € angewachsen seien. Die namhafte Steuerschuld des Klägers sei Grundlage für die Einleitung des Insolvenzverfahrens. Aus der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergebe sich die Vermutung des Vermögensverfalls nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO. Das im Rahmen des Insolvenzverfahrens eingeholte Gutachten des Sachverständigen habe zu dem Ergebnis geführt, dass der Kläger zahlungsunfähig sei. Im Rahmen der Anhörung vor Erlass des Widerrufsbescheides habe der Kläger zwar die Erstellung eines Insolvenzplans gemäß § 248 InsO angekündigt, namentlich zur Erledigung der Forderung des Finanzamtes ###; die übrigen Gläubiger seien absonderungsberechtigt und deren Forderungen über die Immobilie des Klägers gesichert.
Es ergebe sich eine Gefährdung der Rechtsuchenden. Auch wenn die Kanzlei des Klägers bzw. dessen selbständige Tätigkeit vom Insolvenzverwalter freigegeben worden sei, bestehe ein Risiko für die Rechtsuchenden, zumal der Kläger als Einzelanwalt tätig sei, was keine Vorkehrungen oder Sicherungsmaßnahmen ermögliche, um die Gefährdung der Interessen Rechtsuchender effektiv zu verhindern. Die Annahme des Vermögensverfalls werde außerdem gestützt durch die Verurteilung des Klägers durch das Landgericht ### vom 10.10.2016 wegen Untreue in zwei Fällen mit einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten mit Bewährung. Es habe sich dabei um Taten gehandelt, die der Kläger in Ausübung seiner Anwaltstätigkeit bzw. als Testamentsvollstrecker begangen habe. Wegen dieser strafrechtlichen Verurteilung erfolgte auch eine berufsrechtliche Verurteilung unter dem 14.02.2020 durch das Anwaltsgericht ###, mit der gegen den Kläger unter anderem ein Vertretungsverbot in den Bereichen des Erbrechts und der freiwilligen Gerichtsbarkeit für die Dauer von vier Jahren verhängt wurde; dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Gegen diesen Widerrufsbescheid vom 18.02.2021, dem Kläger zugestellt am 19.02.2021, erhob der Kläger unter dem 19.03.2021 erneut Klage, die am 19.03.2021 einging. Der Kläger macht geltend, er sei sich bewusst, dass er zur endgültigen Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls einen vom Insolvenzgericht bestätigten Insolvenzplan (§ 248 InsO) oder angenommenen Schuldenbereinigungsplan (§ 308 InsO) vorlegen oder die Anstellung in einer Sozietät oder einem anderen Unternehmen nachweisen muss, wobei im Arbeitsvertrag abgesichert sein müsse, dass den Anforderungen an effektive Sicherung für Rechtsuchende genügt wurde.
Der Kläger betont insoweit, er arbeite an diesen Maßnahmen, habe auch Verhandlungen mit einer Notariats- und Anwaltssozietät aufgenommen, wolle auch versuchen, dass ihm von Dritten ein Geldbetrag zur Verfügung gestellt werde, den er den nicht absonderungsberechtigten Gläubigern zur Verfügung stellen könne, um diese besser zu stellen, als im Falle einer zu erwartenden Insolvenzquote. Mit absonderungsberechtigten Insolvenzgläubigern würden Vereinbarungen und Regelungen getroffen, die der Kläger allerdings nicht näher darlegt. Der Insolvenzplan sei in Erstellung. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe sich zunächst eine nachhaltige Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Situation ergeben, weil nicht allgemein bekannt gewesen sei, dass der Insolvenzverwalter die selbständige Tätigkeit des Klägers freigegeben habe; vielmehr habe das Zahlungsverbot im Insolvenzeröffnungsbeschluss für jedermann im Mittelpunkt gestanden. Der Kläger betont weiter, er nehme nach wie vor keine Fremdgelder entgegen.
In einer Ergänzung der Klagebegründung verweist der Kläger auf die angebliche Untätigkeit des Insolvenzgerichts; ein Insolvenzplan ist bisher nicht mitgeteilt. Der Kläger ist weiter der Auffassung, die Beklagte könne sich nicht mehr auf das Strafurteil des Landgerichts ### vom 10.10.2016 berufen, da die ihm zugrunde liegenden Sachverhalte mehr als 10 Jahre zurücklägen. Seine Verluste durch Nichtzahlung von Vergütungen überstiegen bei weitem die Forderungen, die vom Finanzamt und weiteren Gläubigern im Insolvenzverfahren gegen ihn geltend gemacht würden.
Seine Geschäfte als Rechtsanwalt liefen gut, so dass es ihm schwerfalle, seine Einzelkanzlei einfach aufzugeben. Er werde weiter zumindest versuchen, Mandate und Mandanten entweder ordentlich abzuwickeln oder in eine von ihm ausgesuchte Sozietät zu überführen.
Nachdem der Kläger zunächst neben der Anfechtungsklage auch hilfsweise Verpflichtungsklage erhoben hatte, um unter Aufhebung des Widerrufsbescheides die lückenlose Wiederzulassung als Rechtsanwalt zu erlangen, hatte der Kläger in der mündlichen Verhandlung diesen Hilfsantrag nach Hinweis des Senats auf die Rechtslage zurückgenommen.
Er beantragt nunmehr,
den Widerrufsbescheid vom 18.02.2021 aufzuheben,
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie stützt sich auf die Begründung des Widerrufsbescheides. Maßgebend für die rechtliche Beurteilung sei der Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung, die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten. Einen Wiederzulassungsantrag habe der Kläger aber bisher bei der Beklagten nicht gestellt. Vermögensverfall des Klägers stehe aufgrund der gesetzlichen Vermutung fest, nachdem das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet worden sei. Der Kläger habe die gesetzliche Vermutung nicht widerlegen können. Die Begründung der Klage enthalte keine substanziellen Ausführungen dazu.
Die Gefährdung der Interessen Rechtsuchender sei grundsätzlich mit der Feststellung des Vermögensverfalls verbunden, anderes gelte nur in seltenen Ausnahmefällen, wobei den Rechtsanwalt die Feststellungslast treffe. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setze zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch im Anstellungsverhältnis für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern. Dazu habe er Kläger bisher nichts Konkretes vorgetragen, sondern nur seine Planungen und Absichten dargestellt. Die rechtskräftige Verurteilung des Klägers wegen Untreue in zwei Fällen durch das Landgericht ### aus dem Jahr 2016 begründe nach wie vor ein konkretes Risiko für die Vermögensinteressen von Mandanten.
Dem Senat lagen bei der Entscheidung die beigezogenen Verfahrensakten AGH 10/14 nebst Personalakte und AGH 17/18 nebst fortgesetzter Personalakte vor, ferner der Ausdruck aus der inzwischen elektronisch geführten Personalakte des Klägers seit dem 21.06.2018 bis zum 17.05.2021; sie alle waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Widerrufsbescheid der Beklagten vom 18.02.2021 ist rechtmäßig; er verletzt den Kläger damit nicht in seinen Rechten (§§ 112c Abs. 1 BRAO, 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.
Die Klage ist fristgerecht erhoben. Der angefochtene Bescheid ist dem Kläger am 19.02.2021 zugestellt worden (Zustellungsurkunde in der Personalakte des Klägers). Die Klageschrift vom 19.03.2021 ist per Telefax am selben Tag bei dem Niedersächsischen Anwaltsgerichtshof eingegangen. Die Monatsfrist gemäß §§ 112c Abs. 1 BRAO, 74 VwGO ist danach gewahrt.
Ein Vorverfahren findet gemäß § 80 NJG nicht statt.
2.
Der angefochtene Widerrufsbescheid der Beklagte ist materiell rechtmäßig. Das ergibt sich aus § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides befand sich der Kläger in Vermögensverfall.
a.
Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung eines Rechtsanwalts zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann und er außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind etwa die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 25.03.1991 – AnwZ (B) 80/90, NJW 1991, 2083; ebenso Beschluss vom 20.03.2017 – AnwZ (Brfg) 16/17 m.w.N.).
Vermögensverfall wird kraft Gesetzes vermutet, wenn – unter anderem – ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet ist. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs ist nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Anwaltssenates des Bundesgerichtshofs auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens abzustellen; danach eingetretene Entwicklungen bleiben der Beurteilung in einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (BGH, Beschluss vom 29.06.2011 – AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 ff.).
Bezogen auf den hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides am 18.02.2021 war der Vermögensverfall des Klägers zu vermuten. Über das Vermögen des Klägers war durch Beschluss des Amtsgerichts ### vom 23.12.2020 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Eine Ausfertigung des Insolvenzeröffnungsbeschlusses des Amtsgerichts ### im Verfahren 8 IN 42/20 war der Beklagten unter dem 18.01./01.02.2021 durch das Insolvenzgericht mitgeteilt, nachdem Rechtskraft eingetreten war (vgl. Mitteilung des Amtsgerichts ### nebst Ausfertigung des Insolvenzeröffnungsbeschlusses vom 23.12.2020 in der Personalakte).
b.
Die Insolvenzeröffnung erfolgte hier auf Antrag des Finanzamtes vom 05.03.2020 auf der Grundlage der mit dem Antrag mitgeteilten Steuerrückstände des Klägers von damals 113.525,53 €. Die letzte Mitteilung der Steuerrückstände des Klägers durch das ### ### ### ### vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens datiert vom 18.11.2020; darin sind Rückstände von 138.136,27 € genannt. Die unter dem 17.11.2020 erstellte Aufstellung umfasst namhafte Steuerrückstände für Einkommensteuer 2011, 2013, 2014, 2017, 2018 sowie namhafte rückständige Einkommensteuervorauszahlungen für verschiedene Quartale in 2018, 2019 und 2020, dazu rückständige Solidaritätszuschläge und Kirchensteuer, ferner Rückstände auf Umsatzsteuer für 2011 und 2014, auch für einzelne Monate in den Jahren 2015 und 2016, zuletzt zumeist aufgrund einer Schätzung, so etwa für die Jahre 2016 bis 2020. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellung der Steuerrückstände vom 17.11.2020 in der Personalakte des Klägers Bezug genommen.
Der Kläger hatte im Übrigen selbst unter dem 30.11.2020 Insolvenzantrag gestellt zum Aktenzeichen 8 IN 12/20 des Amtsgerichts ###. Auf die Abschrift des Insolvenzantrages des Klägers in der Personalakte wird Bezug genommen.
Im Rahmen des Eigenantrags hat der Kläger geltend gemacht, er habe im Wesentlichen drei Gläubiger. Seine Kreditverpflichtungen gegenüber der Sparkasse ### ### ### und der Gruppe ### ### GmbH in ### sind nach Angaben des Klägers dinglich gesichert. Die Insolvenzeröffnung im Verfahren 8 IN 42/20 erfolgte wegen Zahlungsunfähigkeit des Klägers. Grundlage war laut Eröffnungsbeschluss das Insolvenzgutachten des Sachverständigen ### ### vom 04.12.2020, das zum Aktenzeichen 8 IN 12/20 eingeholt war, wobei allerdings ein solches Gutachten des Sachverständigen ### in der Personalakte auf den 10.11.2020 datiert war.
Der Sachverständige hatte die fälligen Forderungen der Gläubiger mit alles in allem 131.550,00 € beziffert, wovon 130.000,00 € auf Steuern und Abgaben entfallen (Insolvenzgutachten Seite 23). Weiter ist vermerkt, dass die Darlehensforderung der Sparkasse ### ### ### von rund 27.000,00 € sowie die Darlehensforderung der ### ### GmbH von rund 135.000,00 € bisher gegenüber dem Schuldner noch nicht fällig gestellt worden seien, so dass diese im Liquiditätsstatus nur mit Höhe der jeweils fälligen Monatsraten berücksichtigt wurden. Das liquide Vermögen des Schuldners hatte der Sachverständige auf 5.168,35 € beziffert. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte der Insolvenzverwalter gleichzeitig die selbständige Tätigkeit des Klägers gemäß § 35 Abs. 2 InsO freigegeben. Ebenso hatte mit der Insolvenzeröffnung das Insolvenzgericht auch einleitend ausgesprochen, der Kläger als Schuldner werde Restschuldbefreiung erlangen, wenn er den Obliegenheiten nach § 295 InsO nachkomme und die Voraussetzungen für eine Versagung nach den §§ 290, 297-298 InsO nicht vorliegen.
c.
Die Ankündigung der Restschuldbefreiung bereits im Eröffnungsbeschluss führt allerdings nicht dazu, dass die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls durch § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO widerlegt sei. Im Unterschied zur Ankündigung der Restschuldbefreiung nach § 291 InsO a.F. erfolgt der Beschluss gemäß § 287a InsO in der jetzt geltenden Fassung nicht nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens, sondern bereits mit oder unmittelbar nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Gesetzgeber geht ausweislich in der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO bestimmten Vermutung des Vermögensverfalls davon aus, dass die Vermögensverhältnisse des Rechtsanwalts zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung ungeordnet sind. Mit dieser Wertung wäre es nicht vereinbar, wenn die gesetzliche Vermutung bereits durch die Eingangsentscheidung nach § 287a InsO allein bei Zulässigkeit eines Restschuldbefreiungsantrages gleich widerlegt wäre.
Mit dem Beschluss nach § 287a InsO erfolgt auch – insofern anders als bei der Ankündigung der Restschuldbefreiung nach § 291 InsO a.F. – keine Prüfung von Versagungsgründen im Sinne des § 290 InsO. Der Schuldner muss damit rechnen, dass bei Vorliegen solcher Versagungsgründe – auch noch nach dem Schlusstermin (§ 297a InsO) – auf Antrag eines Insolvenzgläubigers die Restschuldbefreiung versagt werden kann. Letztere hat sich daher zum Zeitpunkt der Eingangsentscheidung noch nicht zu einer konkreten Aussicht verdichtet. Die Vermögensverhältnisse des Schuldners sind in diesem frühen Stadium bei oder unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht in vergleichbarer Weise geordnet, wie im Fall eines angenommenen Schuldenbereinigungsplanes, einer außergerichtlichen Tilgungsvereinbarung oder einer am Ende des Insolvenzverfahrens erfolgten Ankündigung der Restschuldbefreiung nach § 291 InsO a.F. (BGH, Beschluss vom 29.12.2016 – AnwZ (Brfg) 53/16, Rn. 7-11).
Der Kläger hat selbst zutreffend schon mit der Klage ausgeführt, dass seine Vermögensverhältnisse erst dann wieder als geordnet gelten können, wenn etwa ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan nach § 248 InsO oder ein angenommener Schuldenbereinigungsplan nach § 308 InsO vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubigern befreit ist (BGH aaO, Rn. 6 m.w.N., ständige Rechtsprechung).
Aus dem eigenen Vorbringen des Klägers sowohl in der Klageschrift als auch in der ergänzenden Begründung der Klage vom 23.06.2021 folgt indes, dass bislang ein Insolvenzplan nicht vorliegt, dementsprechend auch ein solcher weder vom Insolvenzgericht noch von Gläubigern bestätigt wurde. Der Kläger hat zum Inhalt des Insolvenzplans vorgetragen, es sei vorgesehen, dass er seine Einzelkanzlei aufgebe; diese Aufgabe der Tätigkeit als Einzelanwalt solle lediglich geordnet erfolgen. Er werde versuchen, seine Mandate und Mandanten entweder ordentlich abzuwickeln oder in eine von ihm ausgesuchte Sozietät zu überführen. Zu der Entwicklung des Insolvenzplans sei es wegen der Untätigkeit des Insolvenzgerichts bisher nicht gekommen (Klägerschriftsatz vom 23.06.2021, Bl. 42-43 d.A.).
Weitere Gesichtspunkte, durch die die Vermutung des Vermögensverfalls widerlegt werden könne, hat der Kläger nicht geltend gemacht. Generell muss zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des Vermögensverfalls der betroffene Rechtsanwalt ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und – gegebenenfalls unter Vorlage eines nachvollziehbaren bzw. realistischen Tilgungsplanes – dartun, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse, bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheides, nachhaltig geordnet sind (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 04.04.2012 – AnwZ (Brfg) 1/12, Beschluss vom 29.07.2016 – AnwZ (Brfg) 9/16). Angesichts der Ergebnisse des Insolvenzgutachtens ist dem Kläger der Nachweis geordneter Vermögensverhältnisse nicht gelungen.
d.
Nach alledem ist die Vermutung des Vermögensverfalls durch den Kläger jedenfalls nicht widerlegt. Die Vermutung führt hier auch zum Widerruf der Zulassung des Klägers. Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich auch eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Im vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden kann diese nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt jedoch zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine selbständige Tätigkeit aufgibt und seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. BGH, Beschluss vom 17.03.2016 – AnwZ (Brfg) 6/16). An einer solchen Ausnahmesituation fehlt es hier. Der Kläger ist nach wie vor als Einzelanwalt tätig. Soweit der Kläger geltend macht, Fremdgeld nicht entgegen zu nehmen, kann er damit nicht gehört werden. Dieser Gesichtspunkt ist vor dem Hintergrund der Anforderung der Rechtsprechung nicht ausreichend. Der Kläger kann sich jederzeit auch anderweitig entscheiden, die Entschließung hierzu kann von Tag zu Tag geändert werden; sein Verhalten ist insoweit nicht prüfbar. Die gegebene Gesamtsituation des Klägers ist daher nicht geeignet, die Gefährdung von Mandanteninteressen effektiv zu verhindern.
Es ist von Rechts wegen auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die strafrechtliche Verurteilung des Klägers wegen Untreue im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit als weiteren Gesichtspunkt für die mindestens abstrakte Gefährdung der Interessen Rechtsuchender berücksichtigt hat. Die zugrunde liegenden Tathandlungen lagen in einem Fall im Jahr 2010, der einbehaltene Betrag immerhin 90.000,00 €, die letzte Zahlung an die Geschädigte erst in 2016, im anderen Fall im Jahr 2013, der einbehaltene Betrag 4.500,00 €, die Zahlung an den Geschädigten im Jahr 2014, ca. fünf Monate nach der Tat. Die Tathandlungen liegen damit noch nicht so lange zurück, dass sie für die Frage der Gefährdung der Rechtsuchenden unbeachtlich wären. Im Rahmen der Beurteilung nach § 7 Nr. 5 BRAO im Fall eines Antrages auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft hält der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs bei Taten dieser Art in der Regel einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren zwischen Tathandlung und Wiederzulassung für erforderlich (BGH, Beschluss vom 12.07.2010 – AnwZ (B) 116/09; Senat, Urteil vom 12.08.2019, AGH 30/18 (II 25/22)). Dieser Zeitrahmen gibt auch für die Beurteilung im vorliegenden Fall zumindest eine Orientierung.
Allein auch die Freigabe der Kanzlei bzw. der selbständigen Tätigkeit durch den Insolvenzverwalter nach § 35 Abs. 2 InsO führt nicht dazu, dass die Gefährdung der Rechtsuchenden entfällt. Zwar kann der betroffene Rechtsanwalt dann auch wieder frei seine Kanzlei betreiben; die Lage der Rechtsuchenden wird dadurch indes nicht verbessert. Der Rechtsanwalt kann wieder Fremdgelder entgegennehmen und über sie verfügen. Seine Gläubiger können auf das Kanzleivermögen zugreifen wie auf andere freie Vermögenswerte des Rechtsanwalts auch. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs bleiben deshalb die Interessen der Rechtsuchenden auch und gerade nach einer Freigabe der Kanzlei mangels Ertrags unverändert gefährdet (BGH, Beschluss vom 07.01.2010 – AnwZ (B) 79/09, BRAK-Mitteilungen 2010, Seite 77, Rn. 8). Das beruht auch auf der Obliegenheit des selbständig tätigen Schuldners, angemessene Zahlungen aus seiner Tätigkeit zur Insolvenzmasse abzuführen (§§ 35 Abs. 2 Satz 2, 295a Abs. 1 InsO). Allerdings ist der Rechtsanwalt als Insolvenzschuldner während der Dauer des Insolvenzverfahrens gegen Zwangsvollstreckungen durch einzelne Insolvenzgläubiger in sein sonstiges (insolvenzfreies) Vermögen geschützt (vgl. § 89 Abs. 1 InsO). Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden kann sich allerdings auch ergeben durch Leistungen von Mandanten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Erfüllung einer Verbindlichkeit an den Schuldner, obwohl diese zur Insolvenzmasse zu erfüllen war; hier besteht nach § 82 InsO das Risiko, dass der Leistende von der Schuld nicht befreit wird.
Alles in allem ist danach Vermögensverfall des Klägers anzunehmen. Die Vermutung kann nicht als widerlegt gelten. Eine Gefährdung der Rechtsuchenden war und ist durch die fortdauernde Tätigkeit des Klägers als Einzelanwalt anzunehmen.
Damit ist der Widerruf der Zulassung durch den Bescheid der Beklagten vom 18.02.2021 rechtmäßig erfolgt. Der Kläger ist nicht in seinen Rechten verletzt, die Klage war danach abzuweisen.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 112c Abs. 1 BRAO, 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 112c Abs. 1 BRAO, 167 Abs. 1 und 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe, nach §§ 112 c Abs. 1, 112e BRAO i.V.m. §§ 124 Abs. 2, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO die Berufung zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.