Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Urt. v. 06.09.2021, Az.: AGH 17/18 (II 15/23a)

Bibliographie

Gericht
AGH Niedersachsen
Datum
06.09.2021
Aktenzeichen
AGH 17/18 (II 15/23a)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 71604
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1.

Der Kläger ist seit Mai 1995 als Rechtsanwalt zugelassen. Er betreibt seine Anwaltskanzlei als Einzelanwalt in ###. Die Beklagte hatte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft erstmals mit Bescheid vom 12.02.2014 wegen Vermögensverfalls widerrufen. Damals war der Widerruf unter anderem auf Steuerrückstände von rund 16.870,00 €, die Zwangsvollstreckung in das Grundstück des Klägers sowie auf weitere Verbindlichkeiten und eine Strafanzeige wegen nicht ausgezahlten Fremdgeldes gestützt. Gegen diesen Zulassungswiderruf erhob der Kläger bei dem Senat Anfechtungsklage (AGH 10/14). Im Laufe des Verfahrens hatte sich eine bessere Beurteilung der Vermögensverhältnisse des Klägers gezeigt durch die Offenlegung der bereits bestehenden Zusage eines jederzeit abrufbaren Darlehens bis zu 150.000,00 €, das zur Zeit des Widerrufsbescheides mit ca. 30.000,00 € valutierte, danach vom Kläger aber auch zunehmend weiter in Anspruch genommen wurde, indessen der Kreditrahmen nicht erschöpft war; ausreichende Liquidität schien danach vorhanden zu sein. Die Rückzahlung des von dem mit dem Kläger befreundeten Geldgeber bzw. dessen Unternehmen (### ### GmbH) gewährten Darlehens erfolgte durch Beratungsleistungen des Klägers für das Unternehmen sowie laufende Ratenzahlung.

Nachdem sich danach zunächst eine Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des Klägers angedeutet hatte, wurde im Einvernehmen der Parteien das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Mit Rücksicht auf weitere Entwicklungen zum Nachteil des Klägers im Laufe der Jahre 2015 und 2016, so unter anderem aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Untreue in zwei Fällen sowie der Verpflichtung auf Zahlung von Schadenersatz von 60.000,00 € durch einen Vergleich vor dem Oberlandesgericht ### vom 25.08.2016 und weiterer Kosten von über 9.900,00 € aus einer Tätigkeit des Klägers als Testamentsvollstrecker in diesem Zusammenhang, hatte die Beklagte Fortsetzung des Verfahrens beantragt.

Der Kläger sorgte in der Folge aus Darlehensmitteln für fristgerechte Regulierung der Zahlungsverpflichtungen aus dem Vergleich. In der mündlichen Verhandlung vom 08.05.2017 hatten sich die Verfahrensbeteiligten mit der Entscheidung des Senats im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 18.03.2019 in dem vorliegenden Verfahren AGH 17/18 hatten die Beteiligten übereinstimmend erklärt, dass der Senat von einer Entscheidung in der Sache AGH 10/14 vorläufig absehen könne, solange – nach Anordnung des Ruhens des vorliegenden Verfahrens – dessen Fortsetzung nicht erfolge.

Mit Schriftsatz vom 05.08.2021 im Verfahren AGH 10/14 hat die Beklagte nunmehr mitgeteilt, sie habe den Widerrufsbescheid vom 12.02.2014 mit Bescheid vom 05.08.2021 zurückgenommen; beide Beteiligte haben daraufhin übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und eine Einigung über die Kosten erzielt.

2.

Mit Bescheid vom 26.03.2018 widerrief die Beklagte erneut die Zulassung des Klägers wegen Vermögensverfalls gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO. Gestützt wurde dieser Widerruf auf die Tatsache, dass nach Mitteilung einer Gerichtsvollzieherin Vollstreckungsaufträge gegen den Kläger vorlägen über Forderungen von 9.919,76 € und weitere 1.229,46 €. Der Beklagten war darüber hinaus über einen weiteren Vollstreckungsauftrag über eine Forderung von 2.978,08 € gegen den Kläger informiert worden, des Weiteren über erhebliche Steuerrückstände des Klägers von 41.727,73 € (Stand Ende September 2017). Unter dem 18.01.2018 war die Beklagte darüber informiert worden, dass Steuerrückstände des Klägers von 49.617,73 € zuzüglich 6.632,00 € Säumniszuschläge, insgesamt 56.249,73 € bestünden. Zwischenzeitlich hatte die Finanzverwaltung zwei Zwangssicherungshypotheken über insgesamt mehr als 55.000,00 € für das ### ### auf dem Grundeigentums des Klägers, Grundbuch von ### Blatt 4557, eingetragen. In der Gesamtschau hätten sich die Vermögensverhältnisses des Klägers gegenüber den Verhältnissen zum Zeitpunkt des ursprünglichen Widerrufs der Zulassung vom 12.02.2014 nicht verbessert, sondern erheblich verschlechtert; das gelte insbesondere im Hinblick auf die Steuerrückstände; der Kläger habe sich überdies seit mehreren Monaten trotz Aufforderung zur Stellungnahme zu den bestehenden Verbindlichkeiten und zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht weiter geäußert. Dies alles sei Anlass für den erneuten Zulassungswiderruf.

Gegen diesen Bescheid der Beklagten, dem Kläger zugestellt am 29.03.2018, erhob der Kläger Anfechtungsklage, die am 30.04.2018 bei dem Niedersächsischen Anwaltsgerichtshof einging. Im Rahmen der Klagebegründung machte der Kläger geltend, seine finanziellen Verhältnisse seien geordnet. Er habe zwar mit Nachwirkungen des presseträchtigen Strafverfahrens und den Folgen der Verpflichtung zur hohen Schadenersatzleistung zu kämpfen gehabt, die Gegenstand des bisherigen Verfahrens AGH 10/14 seien, habe inzwischen aber die Zahlungsansprüche sowie Kosten beglichen bzw. eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen, die er auch einhalte. Sowohl die Kosten des Strafverfahrens mit 11.000,00 € seien bezahlt, ebenso zahle er die Bewährungsauflage von 5.000,00 € an eine gemeinnützige Vereinigung in monatlichen Raten von 250,00 € laufend ab. Die Forderung der Gläubigerin aus dem Vergleich vor dem Oberlandesgericht ### (s. Verfahren AGH 10/14) sei vollständig erfüllt. Die Forderungen aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen über 1.229,46 € und 2.978,08 € betreffend das Schadenersatzverfahren der Gläubigerin aus der Testamentsvollstreckertätigkeit (Landgericht ### 4 O 83/12) seien von ihm bereits bezahlt gewesen. Dazu legte der Kläger Mitteilungen der Obergerichtsvollzieherin ### vom 23.08.2017 und 01.11.2017 vor zu DR II 249/17 und 430/17, wonach der vollständige Ausgleich der Forderung bestätigt werde und die entwerteten Vollstreckungstitel dem Kläger ausgehändigt wurden (Bl. 15. u. 16 d.A.). Im Hinblick auf eine Forderung des ### ### (### ###, Zentrale Vollstreckungsstelle) legte der Kläger eine Mitteilung der Obergerichtsvollzieherin ### vom 09.05.2017 über den vereinbarten Zahlungsplan vor (Bl. 17 d.A.). Dabei soll es sich nach Angaben des Klägers um die Regelung der Zahlung der Gerichtskosten von 9.919,76 € aus dem vorgenannten Verfahren handeln. Die Zahlung der monatlichen Raten von 1.000,00 € sei eingehalten worden.

Nachdem der Kläger zunächst neben der Anfechtungsklage auch hilfsweise Verpflichtungsklage erhoben hatte, um unter Aufhebung des Widerrufsbescheides die lückenlose Wiederzulassung als Rechtsanwalt zu erlangen, hatte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 18.03.2019 diesen Hilfsantrag nach Hinweis des Senats auf die Rechtslage zurückgenommen. Er beantragt nunmehr,

den Widerrufsbescheid vom 26.03.2018 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

In der Begründung ihres Antrages stützt sich die Beklagte auf den angefochtenen Widerrufsbescheid. Die Beklagte zieht insoweit nicht in Zweifel, dass der Kläger einige ältere Verbindlichkeiten durch Zahlung erledigt habe. Die Erledigung von Vollstreckungsmaßnahmen durch die Obergerichtsvollzieherin ###, die schon im Laufe des Jahres 2017 erfolgt seien, habe der Kläger nicht einmal im Rahmen der Anhörung vor Erlass des Widerrufsbescheides mitgeteilt, obgleich er dazu aufgefordert worden war, Belege einzureichen. Die Beklagte verweist aber insbesondere auf die weiterhin bestehenden erheblichen Steuerverbindlichkeiten, die sich (zum Zeitpunkt der Klageerwiderung) auf inzwischen insgesamt 58.094,08 € erhöht hätten. Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung habe der Kläger jedenfalls keine Nachweise über die wiedererlangte Ordnung seiner finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgebracht.

Im Rahmen der Klageerwiderung legte die Beklagte auch dar, dass die Vermögensinteressen Rechtsuchender konkret gefährdet seien. Die Beklagte bezog sich dabei auf eine Gesamtwürdigung der Person des Klägers, der Umstände des Eintritts des Vermögensverfalls und möglicher Sicherungsmaßnahmen. Insofern sei zu überprüfen – so die Beklagte -, ob Mandanteninteressen künftig konkret gefährdet werden können oder bereits im Rahmen des eingetretenen Vermögensverfalls gefährdet
oder geschädigt worden sind. Hierbei sei zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen, dass er in einem strafgerichtlichen Verfahren in 1. Instanz vor dem Amtsgericht ### und in 2. Instanz durch das Landgericht ### rechtskräftig wegen Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten zur Bewährung verurteilt worden sei. In beiden Fällen habe der Kläger aufgrund der Feststellungen im Urteil Mandantengelder zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten verwendet; die Beklagte bezieht sich dabei zu Beweiszwecken auf das Urteil des Landgerichts ### vom 10.10.2016 – 3 Ns 49/15 (Kopie der Urteilsausfertigung Bl. 73-88 d.A). Vor diesem Hintergrund bestehe bei dem Kläger weiterhin ein konkretes Risiko, dass Mandantengelder nicht oder nur verspätet weitergeleitet werden. Sicherungsmaßnahmen im Sinne der Rechtsprechung des Anwaltssenats seien dem Kläger nicht möglich, da er in einer Einzelkanzlei tätig sei, dementsprechend er allein Zugriff auf Mandantengelder habe.

Nachdem sich im Laufe des Verfahrens abzeichnete, dass als einziger Gläubiger fälliger Forderungen tatsächlich nur noch das Finanzamt in Betracht kam, und weiter die Steuerschulden sich aufgrund von Schätzungen ergeben hatten, weil der Kläger für die Jahre 2015 bis 2017 noch keine Einkommens- und Umsatzsteuererklärungen abgegeben hatte, war im Verhandlungstermin vom 18.03.2019 im Einvernehmen mit der Beklagten dem Kläger Gelegenheit gegeben, die Steuererklärungen nachzuholen und eine Regelung der Steuerrückzahlung mit der Finanzverwaltung zu erzielen. Die Nichtabgabe der Steuererklärungen – so der Kläger – sei nicht absichtlich geschehen, sie sei vielmehr eine Folge der schweren Auseinandersetzungen um das Strafverfahren und die erhebliche Schadenersatzforderung gewesen. Des Weiteren verwies der Kläger immer wieder darauf, dass noch ein gewisses Kreditvolumen aus der Darlehenszusage bestehe, die schon im vorangegangenen Verfahren AGH 10/14 eine erhebliche Rolle gespielt hatte (s.o. Ziffer 1.). Kurz vor der mündlichen Verhandlung am 18.03.2019 wurden weitere Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger bekannt in einer Größenordnung von insgesamt über 12.500,00 € (Mitteilungen der Obergerichtsvollzieherin ### vom 11.03.2019, Bl. 290-292). Die Vollstreckung erfolgte für das ### ### ### ### ### ###. Den in der Mitteilung der Obergerichtsvollzieherin nicht enthaltenen jeweiligen Schuldgrund erläuterte der Kläger in der Senatsverhandlung am 18.03.2019 damit, es handle sich jeweils um Beitragsforderungen der ### ### (###). Er habe seine Rentenbeiträge nicht in voller Höhe gezahlt aus wirtschaftlichen Gründen. Wegen zwischenzeitlich verschlechterter Ertragslage sei ihm hier gegen Einkommensnachweis eine erhebliche Reduzierung des Monatsbeitrages zugestanden. Nachdem er für die Folgezeit dann aber keine neueren Einkommensnachweise beigebracht habe, sei wieder der Regelbeitrag von ihm erhoben worden; er hoffe, nachträglich durch Einkommensnachweise eine Reduzierung seines Monatsbeitrages zu erreichen, so dass ein Großteil dieser Forderungen entfalle. Ob eine solche nachträgliche Reduzierung möglich sei, wisse er aber nicht. Im weiteren Verlauf des Verfahrens haben sich hierzu keine neueren Erkenntnisse ergeben.

Aus den vom Kläger in der Senatsverhandlung vorgelegten Kontosalden der inzwischen beiden Darlehen der ### ### GmbH ergaben sich Valutenstände von 100.145,03 € für das eine, weitere 52.768,15 € für das weitere Darlehen (Bl. 312-313 d.A.).

Mit Schriftsatz vom 20.01.2020 legte der Kläger Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2015 bis 2017 vor. Danach entfielen auf den Einkommensteuerbescheid für 2015 nur Säumniszuschläge von 2.607,00 € (Bl. 440 d.A.), für 2016 Säumniszuschläge von insgesamt 436,50 € (Bl. 437 d.A.). Einkommensteuer war hiernach nicht zu entrichten. Dies beruhte auf erheblichen Verlusten des Klägers bei den Einkünften in 2016, die als Verlustrücktrag auch noch für 2015 berücksichtigt wurden, wie sich aus den vorgelegten Einkommensteuerbescheiden im Einzelnen ergibt. Hintergrund war nach Angaben des Klägers, dass er etliche Rechnungen über höhere Beträge aus vorangegangener Testamentsvollstreckertätigkeit habe stornieren müssen im Zusammenhang mit dem Schadenersatzfall.

Für das Jahr 2017 waren als Einkommensteuer, Zinsen, Verspätungs- und Solidaritätszuschlag alles in allem 8.731,52 € festgesetzt (Bl. 432 d.A.). Die Steuerbescheide datierten allesamt vom 01.11.2019. Umsatzsteuerbescheide hatte der Kläger nicht vorgelegt. Inwieweit der Kläger auf die festgesetzte Einkommensteuer Zahlungen geleistet hat, ist nicht deutlich geworden. Die Mitteilung des ### ### ### über die Steuerrückstände des Klägers vom 11.02.2020 weist insgesamt nur die offenen Steuerverbindlichkeiten auf (die sich zu diesem Zeitpunkt auf alles in allem 107.241,95 € belaufen, darin enthalten 19.829,00 € Säumniszuschläge, Bl. 445-448 d.A.). Der Kläger hat selbst mitgeteilt, die Einkommensteuerbescheide seien bestandskräftig geworden. Zu den Umsatzsteuerrückständen, die sich in hohem Maße aus der Auflistung der Steuerverbindlichkeiten ergaben, erklärte der Kläger, er habe sie in Papierform in den Briefkasten des Finanzamtes ### eingeworfen, das Finanzamt habe die Abgabe der Steuererklärungen in Papierform aber moniert. Die Umsatzsteuererklärungen seien danach noch einmal online eingereicht worden. Aus dem Schreiben des Klägers vom 17.02.2020 an die Beklagte (Bl. 449-451 d.A.) und dem inzwischen auch zu den Personalakten gelangten Urteil des Anwaltsgerichts ### vom 14.02.2020 ergab sich, dass gegen den Kläger ein Vertretungsverbot für die Tätigkeit als Testamentsvollstrecker und weitere Tätigkeiten nach dem FGG sowie ein Vertretungsverbot für das gesamte Erbrecht für die Dauer von vier Jahren verhängt wurde. Vor diesem Hintergrund – so der Kläger – könne er keine weitere Kreditverbindlichkeit eingehen, weil er diese Verurteilung offenbaren müsse, ansonsten könne der Abschluss von Kreditverträgen, die dann nicht mehr bedient werden könnten (wegen geringer Ertragslage) als Betrug angesehen werden. Das Urteil des Anwaltsgerichts ist nicht rechtskräftig; der Kläger hat dagegen Berufung eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.

Weiter hat der Kläger mitgeteilt, er schulde auf die Einkommensteuerbescheide von 2015 bis 2017 insgesamt maximal 12.000,00 €. Aufgrund einer Nacherhebung der Einkommensteuer für 2013 müsse er weitere 8.000,00 € nachzahlen, im Übrigen sei noch die Einkommensteuer in Höhe von rund 20.000,00 € für 2011 offen, alles in allem etwa 40.000,00 €. Im Hinblick auf die Umsatzsteuer habe das Finanzamt lediglich für die Jahre 2016 bis 2017 die bisher quartalsweise geschätzten Umsatzsteuerbeträge in zwei Jahresschätzbeträge umgeschrieben (vgl. Schriftsatz vom 23.03.2020, Seite 2, Bl. 460 d.A.).

Abschließende Bescheide zu den Umsatzsteuererklärungen 2015 bis 2017 hat der Kläger im Laufe des Verfahrens nicht vorgelegt. Seine einzige Stellungnahme dazu ergab sich aus den Erklärungen in einem Telefonat mit dem damaligen Berichterstatter des Senats, wonach die Finanzverwaltung wegen der formfehlerhaften Abgabe der Umsatzsteuererklärungen sich inzwischen auf Verfristung berufe (vgl. Vermerk Bl. 485-486 d.A.).

In einem weiteren Telefonat mit dem damaligen Berichterstatter vom 29.09.2020 verwies der Kläger auf den bereits gestellten Insolvenzantrag des Finanzamtes. Er selbst strebe einen eigenen Insolvenzantrag an, verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung, ferner solle ein Schuldenbereinigungsplan erstellt werden. Unter dem 30.11.2020 reichte der Kläger den Insolvenzantrag des Finanzamtes ### vom 05.03.2020 sowie Kopie seines eigenen Insolvenzantrages zu den Akten (Bl. 504-512 d.A.), des Weiteren mit Schriftsatz vom 04.02.2021 den Insolvenzeröffnungsbeschluss des Amtsgerichts ### vom 23.12.2020 (8 IN 42/20), verbunden mit der Erklärung des Insolvenzverwalters, wonach die selbständige Tätigkeit des Klägers als Rechtsanwalt aus der Insolvenzmasse gemäß § 35 Abs. 2 InsO freigegeben worden sei.

In der Folge hatte die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 18.02.2021 eben wegen der Insolvenzeröffnung und der Vermutung des Vermögensverfalls nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wiederum erneut die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft widerrufen. Die vom Kläger dagegen erhobene Anfechtungsklage wird bei dem Senat unter dem Aktenzeichen AGH 2/21 geführt. Durch ebenfalls am 06.09.2021 verkündetes Urteil hat der Senat die Klage im dortigen Verfahren abgewiesen.

Dem Senat lagen bei der Entscheidung die beigezogene Verfahrensakte AGH 10/14 nebst Personalakte vor, ferner die fortgesetzte Personalakte zu dem vorliegenden Verfahren AGH 17/18, ebenso die weitere beigezogene Verfahrensakte AGH 2/21 mit Ausdruck aus der inzwischen elektronisch geführten Personalakte des Klägers seit 21.06.2018 bis zum 17.05.2021; sie alle waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Widerrufsbescheid der Beklagten vom 26.03.2018 ist rechtmäßig; er verletzt den Kläger damit nicht in seinen Rechten (§§ 112c Abs. 1 BRAO, 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1.

Die Klage ist fristgerecht erhoben. Der angefochtene Bescheid ist dem Kläger am 29.03.2018 zugestellt worden (Zustellungsurkunde in der Personalakte des Klägers). Die Klageschrift ist am Montag, dem 30.04.2018, bei dem Niedersächsischen Anwaltsgerichtshof eingegangen. Die Monatsfrist gemäß §§ 112c Abs. 1 BRAO, 74 VwGO ist danach gewahrt.

Ein Vorverfahren findet gemäß § 80 NJG nicht statt.

2.

Der angefochtene Widerrufsbescheid der Beklagten ist materiell rechtmäßig. Das ergibt sich aus § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides befand sich der Kläger in Vermögensverfall.

a.

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung eines Rechtsanwalts zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann und er außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind etwa die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 25.03.1991 – AnwZ (B) 80/90, NJW 1991, 2083; ebenso Beschluss vom 20.03.2017 – AnwZ (Brfg) 16/17 m.w.N.).

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs ist nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Anwaltssenates des Bundesgerichtshofs auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens abzustellen; danach eingetretene Entwicklungen bleiben der Beurteilung in einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (BGH, Beschluss vom 29.06.2011 – AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 ff.).

b.

Bezogen auf den hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides am 26.03.2018 war letztlich Vermögensverfall des Klägers festzustellen. Zwar hatte der Kläger nachgewiesen, dass eine Reihe von Vollstreckungsmaßnahmen, die dem Widerrufsbescheid zugrunde lagen, zum Zeitpunkt seines Erlasses bereits erledigt waren. Gleichwohl bestanden erhebliche Steuerrückstände, allein aus dem Jahr 2011 aus Umsatzsteuer, Einkommensteuer, jeweils Zinsen und Säumniszuschläge darauf, ferner Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer, alles in allem 19.675,18 €, die in der Aufstellung vom 17.01.2018 enthalten sind. Für 2014 ergaben sich ebenfalls rückständige Steuerrückstände für Umsatzsteuer, Einkommensteuer sowie Zinsen und Säumniszuschläge hierauf von weiteren 4.097,61 €, insoweit zusammen also auf diesen Zeitpunkt feststehende Beträge von 23.772,79 €.

Da die Mitteilung offener Steuerverbindlichkeiten aus (auch vollstreckbaren) Steuerfestsetzungen Tatbestandswirkung hat, d.h. im Rahmen des vorliegenden Verfahrens vom Senat nicht auf Richtigkeit zu prüfen sind (BGH, Beschluss vom 29.05.2018 - AnwZ (Brfg) 71/17, Rn. 5), müssen auch die seinerzeit bestehenden Einkommensteuerrückstände für 2015 und 2016 berücksichtigt werden, auch wenn diese später infolge der angezeigten Verluste erheblich korrigiert wurden. Unter Einbeziehung auch von Verspätungszuschlägen ergaben sich ursprünglich für 2015 9.690,89 €. Hinzu kamen sämtliche Umsatzsteuerzahlungen nach den Voranmeldungen seit November 2015 bis einschließlich Juli 2016 zuzüglich Säumniszuschlägen, für die Zeit ab August 2016 dann monatliche Schätzbeträge von 750,00 € zuzüglich Verspätungszuschläge und Säumniszuschläge, ebenso für 2017. Von den seinerzeit im Gesamtbetrag von 56.249,73€ mitgeteilten Steuerrückständen sind nachträglich lediglich alles in allem 9.690,89 € für 2015 weggefallen bzw. reduziert worden auf Säumniszuschläge von 2.607,00 € auf die ursprünglich festgesetzte Einkommensteuer. Die Umsatzsteuerrückstände für 2015 bis 2017 sind nach den eigenen Angaben des Klägers bestehen geblieben, weil die korrigierten Steuererklärungen nicht formgerecht beim Finanzamt eingereicht wurden und das Finanzamt sich insoweit zwischenzeitlich auf Fristablauf berufen hatte; da der Kläger insoweit selbst nicht irgendwelche Rechtsmittel mitgeteilt hat, sieht sich der Senat gehalten, von der Endgültigkeit der Umsatzsteuerforderungen des Finanzamtes seit November 2015 auszugehen, so dass alles in allem auch bei Berücksichtigung der späteren Korrektur der Einkommensteuer für 2015, bezogen auf den Zeitpunkt des Widerrufsbescheides, nicht erfüllte Steuerschulden von über 45.000,00 € bestanden.

c.

Die im Laufe des Verfahrens gehegten Erwartungen an eine hinreichende Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des Klägers durch Regelung der Steuerverbindlichkeiten hatten sich allerdings im Ergebnis nicht erfüllt. Trotz erheblicher Korrektur der Steuerlasten für 2015 und 2016 blieben, wie aufgezeigt, Steuerschulden von alles in allem rund 40.000,00 € zurück nur im Bereich der Einkommensteuer. Im Laufe des Verfahrens sind die Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Klägers noch weiter angewachsen, was dann schließlich im März 2020 bei einer Gesamtsteuerschuld von über 113.000,00 € zu dem Insolvenzantrag der Finanzverwaltung geführt hatte.

Hinzu kommt ergänzend als Indiz für den Vermögensverfall die Tatsache, dass die Finanzverwaltung Zwangshypotheken in das Grundeigentum des Klägers von insgesamt über 55.000,00 € hat eintragen lassen. Der Kläger hat selbst im Laufe des Verfahrens eingeräumt, zur Zahlung der Steuerschulden nicht mehr in der Lage zu sein. Die Gründe, weshalb er dann schließlich auch von dem Versuch einer weiteren Darlehensaufnahme abgesehen hat, sind nachvollziehbar.

d.

Soweit die Beklagte geltend gemacht hatte, allein die vom Kläger aufgenommenen Darlehen bei der ### ### GmbH sprächen gegen geordnete Vermögensverhältnisse, weil lediglich der Gläubiger ausgewechselt werde, die Schulden aber blieben, vermag der Senat diese Auffassung im Ergebnis nicht zu teilen. Wenn fällige Forderungen von einem Schuldner aus eigenen Mitteln nicht sofort erfüllt werden können, der Schuldner dann aber im Rahmen einer Umschuldung mittels Darlehensaufnahme durch regelmäßige Ratenzahlungen bzw. vorliegend auch Verrechnungen mit Beratungsleistungen für den Darlehensgeber das oder die Darlehen verzinst und tilgt, so können gerade darin geordnete Vermögensverhältnisse liegen, wie sie bei jeder anderen Ratenzahlung etwa auf Vollstreckungstitel einem Schuldner zugebilligt werden. Entscheidend ist insoweit nicht die Höhe der Verbindlichkeit, sondern allein die Frage, ob und inwieweit aus den dem Schuldner zur Verfügung stehenden Mitteln eine geordnete Abzahlung erfolgt, so dass – bezogen auf den vorliegenden Fall - Vollstreckungsmaßnahmen in das Vermögen des Rechtsanwalts vermieden werden (können), die letztlich zu einer konkreten Gefährdung von Mandanteninteressen führen können.

e.

Es bleibt also bei der Feststellung, dass trotz Nachweises der Erledigung einiger vollstreckbarer Forderungen zum Zeitpunkt des erneuten Widerrufs der Zulassung mit dem Bescheid vom 26.03.2018 jedenfalls so hohe Steuerschulden des Klägers bestanden, dass dieser nicht in der Lage war, sie zu tilgen. Damit sind letztlich ungeordnete Vermögensverhältnisse festzustellen, die Vermögensverfall im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO begründen.

3.

Durch diesen Vermögensverfall waren auch die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet. Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich auch eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Im vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden kann diese nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt jedoch zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine selbständige Tätigkeit aufgibt und seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. BGH, Beschluss vom 17.03.2016 – AnwZ (Brfg) 6/16). An einer solchen Ausnahmesituation fehlt es hier. Der Kläger ist nach wie vor als Einzelanwalt tätig. Soweit der Kläger geltend macht, Fremdgeld nicht entgegen zu nehmen, kann er damit nicht gehört werden. Dieser Gesichtspunkt ist vor dem Hintergrund der Anforderung der Rechtsprechung nicht ausreichend. Der Kläger kann sich jederzeit auch anderweitig entscheiden, die Entschließung hierzu kann von Tag zu Tag geändert werden; sein Verhalten ist insoweit nicht prüfbar. Die gegebene Gesamtsituation des Klägers ist daher nicht geeignet, die Gefährdung von Mandanteninteressen effektiv zu verhindern.

Zu Recht hat die Beklagte auch die strafrechtliche Verurteilung des Klägers wegen Untreue im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit als weiteren Gesichtspunkt für die mindestens abstrakte Gefährdung der Interessen Rechtsuchender berücksichtigt. Die Verurteilung erfolgte durch das Amtsgericht Herzberg am 08.06.2015 und durch das Landgericht ### im Urteil vom 10.10.2016. Die Verurteilung wegen Untreue in zwei Fällen beruht auf Tathandlungen im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers. In der einen Sache lag die Tathandlung im Jahr 2010, in der anderen im Jahr 2013. Die jeweils einbehaltenen Beträge waren erheblich, 90.000,00 € in einem Fall, 4.500,00 € im anderen Fall. Wenn auch der Kläger inzwischen hat zu erkennen gegeben, dass er infolge der strafrechtlichen Verurteilung vorsichtig agiert, lagen die Tathandlungen doch noch nicht so lange zurück, dass sie zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung unbeachtlich gewesen wären. Gerade im Hinblick auf derartige Taten hat der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs für die Anträge auf Wiederzulassung im Hinblick auf § 7 Nr. 5 BRAO Zeiträume von 15 bis 20 Jahren für erforderlich gehalten, nach denen derartige Taten unbeachtlich bleiben könnten (BGH, Beschluss vom 12.07.2010 – AnwZ (B) 116/09; Senat, Urteil vom 12.08.2019, AGH 30/18 (II 25/22)). Dieser Zeitrahmen gibt auch für den vorliegenden Fall zumindest eine Orientierung.

Der angefochtene Bescheid ist auch nicht um deswillen rechtswidrig, als in ihm eine Begründung für die Gefährdung der Mandanteninteressen fehlte. Dies war zwar verfahrensrechtswidrig, weil nach § 39 VwVfG ein Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen ist, in der die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Der insoweit vorliegende Verfahrensfehler war hier jedoch nach § 45 Abs. 1 und Abs. 2 VwVfG geheilt. Da die Verletzung der Verfahrensvorschrift den Widerrufsbescheid nicht nichtig gemacht hatte, ist sie unbeachtlich gewesen, weil die Beklagte im Rahmen ihrer Klageerwiderung die erforderliche Begründung zur Frage der Gefährdung der Interessen Rechtsuchender nachträglich gegeben hat und solche Handlungen bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden können; das war hier geschehen.

Alles in allem ist danach Vermögensverfall des Klägers anzunehmen, eine Gefährdung der Rechtsuchenden war und ist durch die fortdauernde Tätigkeit des Klägers als Einzelanwalt anzunehmen.

Damit ist der Widerruf der Zulassung durch den Bescheid der Beklagten vom 26.03.2018 rechtmäßig erfolgt. Der Kläger ist nicht in seinen Rechten verletzt, die Klage war danach abzuweisen.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 112c Abs. 1 BRAO, 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 112c Abs. 1 BRAO, 167 Abs. 1 und 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe, nach §§ 112c Abs. 1, 112e BRAO i.V.m. §§ 124 Abs. 2, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO die Berufung zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.