Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Urt. v. 31.05.2021, Az.: AGH 2/20 (II 2/29)

Bibliographie

Gericht
AGH Niedersachsen
Datum
31.05.2021
Aktenzeichen
AGH 2/20 (II 2/29)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 71602
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Der Streitwert wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

(abgekürzt gem. §§ 112c Abs. 1 BRAO, 84 Abs. 4 VwGO)

I.

Der am ##. ### #### geborene Kläger ist als Rechtsanwalt zugelassen. Er betreibt in ### als Einzelanwalt eine Anwaltskanzlei. Die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft hat die Beklagte durch Bescheid vom 07.01.2020 wegen Vermögensverfalls nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO widerrufen, da der Kläger wegen verschiedener Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das Schuldnerverzeichnis gemäß § 882b ZPO eingetragen war. Die dagegen erhobene Klage hatte der Senat nach vorangegangener Anhörung der Verfahrensbeteiligten gemäß §§ 112c Abs. 1 BRAO, 84 Abs. 1 VwGO durch Gerichtsbescheid vom 17.11.2020 abgewiesen. Dieser wurde dem Kläger am 09.12.2020 zugestellt (Blatt 161 d.A.).

Mit einem am Montag, dem 11.01.2021 per Telefax eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage hat der Kläger Antrag auf Zulassung der Berufung und mündliche Verhandlung gestellt. Im Rahmen der unter dem 9. Februar 2021 angebrachten Begründung des Antrages auf Zulassung der Berufung macht der Kläger geltend, er habe der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung widersprochen. Vermögensverfall liege nicht vor, ein vorübergehender Vermögensengpass sei inzwischen überwunden. Sein Geschäftskonto sei ausgeglichen und weise per 09.02.2021 ein Guthaben von ca. 13.000,00 € aus. Die Höhe etwaig noch ausstehender Forderungen sei streitig, könne aber mit dem vorhandenen Guthaben ausgeglichen werden. Zum Beleg seiner vorgenannten Behauptung hat der Kläger einen online erzeugten, auf seinen Namen lautenden "Finanzstatus – Druckansicht" der Sparkasse ### vom 12.02.2021 vorgelegt (Anlage K2), der einen Gesamt-Haben-Saldo von 14.194,22 € ausweist und darüber hinaus mit der Bemerkung versehen ist "Dieser Ausdruck ist nicht rechtsverbindlich" (Blatt 190 d.A.).

Zwischenzeitlich hat der Obergerichtsvollzieher ### unter dem 09.04.2021 mitgeteilt, wegen vollstreckbarer Forderungen der ### ### in Höhe von 4.772,67 €, der ### ### GmbH über 317,04 € und der ### ### a.G. über 858,91 € seien die Ratenzahlungen gescheitert, so dass die Verhaftungsaufträge fortgesetzt würden; weiter sei ein neuer Verhaftungsauftrag der ### ### a.G. erteilt wegen einer Forderung von 3.035,92 €, ferner ein neuer Vollstreckungsauftrag der ### ### über 3.145,00 €.

Die Forderungen der ### in Höhe von 4.772,67 € betreffen bereits bekannte Eintragungen in der Forderungsliste der Beklagten im Widerrufsbescheid unter Nr. 15, die Forderung der ### ### a.G. über 3.035,92 € die bereits bekannte Eintragung unter Nr. 9, die übrigen Forderungen sind vom Widerrufsbescheid nicht erfasst.

Das ### ### ### ### hat unter dem 30.04.2021 mitgeteilt, es bestünden allein Umsatz- und Lohnsteuerrückstände des Klägers von 70.375,84 €, wobei die Besteuerungsgrundlagen allerdings im Wege der Schätzung ermittelt worden seien, weil Umsatzsteuervoranmeldungen für den Zeitraum Juni 2020 bis Februar 2021 nicht abgegeben worden seien.

Im Übrigen wird wegen der weiteren Darstellung des Tatbestandes auf die Gründe des Gerichtsbescheides vom 17.11.2020 Bezug genommen (§ 84 Abs. 4 VwGO).

Der Senat hat am 31.05.2021 mündlich verhandelt.

Der Kläger hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung erklärt, seine Vermögensverhältnisse zum Zeitpunkt des Widerrufsbescheides seien im Gerichtsbescheid zutreffend dargestellt. Er sei einige Zeit krank gewesen und habe während dieser Zeit fast keine Umsätze gehabt. Inzwischen seien die Umsatz- und Einkommenssteuererklärungen an die Finanzämter nachgereicht. Er erwarte im Ergebnis die Festsetzung einer erheblich geringeren Steuerschuld. Hinsichtlich des Einkommenssteuerbescheides für 2019 habe das Finanzamt kürzlich die dortige Schätzung geändert. Nach Vorlage dieses Bescheides bei der ### habe er sich mit dieser auf die Zahlung der Mindestbeiträge verständigt bzw. von der ### einen entsprechenden Leistungsbescheid erhalten. Infolge der in der Vergangenheit erfolgten Pfändungen seiner Geschäfts- und Privatkonten durch das Finanzamt ###-### sowie auch die Eintragung einer Zwangshypothek betreffend sein Privathaus habe er auch andere Forderungen nicht bedienen können. Derzeit würden sich auf seinem Geschäftskonto ca. 20.000,00 € befinden. Fremdgeld befinde sich darunter nicht, dies sei auch schon seit einem Jahr nicht mehr der Fall gewesen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 07.01.2020 (Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft) aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage vom 10.02.2020 zurückzuweisen.

Dem Senat lagen bei der Verhandlung die von der Beklagten geführte Personalakte des Klägers ###als Ausdruck der elektronischen Akten (paginiert als Blatt 1-191) sowie auch das als „MiStra/MiZi“ gekennzeichnete Sonderheft hierzu (in gleicher Form, paginiert als Blatt 1-73 mit vorangestellter Forderungsliste, Blatt 1-8) vor. Beides war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Nachdem der Kläger fristgerecht innerhalb der Monatsfrist sowohl Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, als auch gleichzeitig mündliche Verhandlung beantragt hatte, war gemäß §§ 112c Abs. 1 BRAO, 84 Abs. 2 Nr. 2, 2. Hs. VwGO über die Klage mündlich zu verhandeln.

1.

Die Klage ist unbegründet. Der Senat folgt auch nach mündlicher Verhandlung der Begründung des Gerichtsbescheides; insoweit wird auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheides vom 17.11.2020 Bezug genommen (§ 84 Abs. 4 VwGO). Die mündliche Verhandlung hat keine Umstände ergeben, die ein Abweichen von dem Ergebnis und den Gründen des Gerichtsbescheides rechtfertigen könnten.

Dass der Kläger der Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung widersprochen hat, ist unerheblich. Die Verfahrensbeteiligten waren zu der beabsichtigten Verfahrensweise angehört worden; dass der Kläger einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht zugestimmt hatte, ist – wie auch bereits im Gerichtsbescheid ausgeführt – nicht Verfahrensvoraussetzung. Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass eines Gerichtsbescheides hatten nach Überzeugung des Senats vorgelegen.

Soweit der Kläger sich auf eine – angebliche – Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse beruft, kann dies seinem Rechtsbehelf nicht zum Erfolg verhelfen. Eine nach Erlass der Widerrufsentscheidung eingetretene Verbesserung/Wiederherstellung der Liquidität des Klägers könnte – selbst wenn sie zutreffend wäre – im Anfechtungsverfahren keine Berücksichtigung finden. Vielmehr ist – worauf der Senat in dem Gerichtsbescheid (ebenfalls) bereits hingewiesen hat – für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, vorliegend mithin auf den Erlass des Widerrufsbescheids der Beklagten vom 07.01.2020, abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (st. Rspr. des BGH, vgl. nur Beschluss vom 31. Dezember 2018 – AnwZ (Brfg) 45/17, Rn. 15, juris, m.w.N.). Zu diesem Zeitpunkt bestand zu Lasten des Klägers die Vermutung des Vermögensverfalls gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO. Tilgungsreife derjenigen Forderungen, die den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis zugrunde lagen, hatte der Kläger zwar behauptet, indes für den Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung – bis heute – nicht nachgewiesen. Der Auszug aus dem Schuldnerverzeichnis vom 10.05.2021 zeigt im Übrigen auch, dass die seinerzeit vorhandenen Eintragungen nach wie vor bestehen und weitere hinzugekommen sind.

Eine Konsolidierung der Vermögensverhältnisse ist im Übrigen auch für den gegenwärtigen Zeitpunkt nicht durch den vorgelegten "Finanzstatus" nachgewiesen; als Beweismittel – etwa Urkunde – ist er nach dem Text nicht tauglich. Außerdem zeigen die neueren Mitteilungen des Gerichtsvollziehers, dass der Kläger Forderungen auch im Wege der Ratenzahlungen nicht erfüllt, ganz abgesehen von namhaften Umsatzsteuer- und Lohnsteuerverbindlichkeiten, auch wenn diese auf Schätzungen beruhen. Die Nichtabgabe von Steuererklärungen über einen längeren Zeitraum bestätigt, dass die Vermögensverhältnisse des Klägers nach wie vor ungeordnet sind, auch über den maßgeblichen Zeitpunkt der Widerrufsverfügung hinaus.

Die Klage konnte hiernach keinen Erfolg haben.

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 112c Abs. 1 BRAO, 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 112c Abs. 1 BRAO, 167 Abs. 1 und 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

3.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

4.

Ein Anlass, die Berufung nach §§ 112c Abs. 1 BRAO, 124, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, besteht nicht.

Weder weist die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§§ 124a Abs.1 S.1, 124 Abs. 2 Nr.2 u. 3 VwGO); die entscheidungserheblichen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt. Ein Fall der Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist ebenfalls nicht gegeben, weil das Urteil des Senats in den tragenden Gründen nicht von der Rechtsprechung anderer Anwaltsgerichtshöfe, des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts abweicht.