Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 19.12.2006, Az.: 6 A 3284/05
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 19.12.2006
- Aktenzeichen
- 6 A 3284/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 44747
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2006:1219.6A3284.05.0A
Fundstellen
- SchuR 2010, 16
- SchuR 2010, 116
Amtlicher Leitsatz
Die Beschränkung des Ersatzes von Sachschäden des Beamten bei sog. Wegeunfällen auf den Betrag einer Selbstbeteiligung an einer Vollkaskoversicherung i. H. v. 332,34 Euro in Nr. 7.1 der Verwaltungsvorschrift zu § 96 NBG ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu ? und die Beklagte zu ?; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin wurde mit Wirkung vom 1. Mai 2004 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zur Anwärterin des Lehramts an Grund-, Haupt- und Realschulen ernannt und für den Vorbereitungsdienst an das Studienseminar ... zugewiesen.
Am 14. Februar 2005 erlitt die Klägerin auf eisglatter Fahrbahn auf dem Weg zu einer dienstlichen Besprechung beim Studienseminar ... über die begehrte Elternzeit im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Adoption eines neugeborenen Kindes einen Unfall mit ihrem eigenen Kfz. Den dabei entstandenen Sachschaden in Höhe von 1.375,-- Euro zahlte sie direkt an die Reparaturwerkstatt, zumal die Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung nach ihren Angaben neben einer Selbstbeteiligung in Höhe von 500,-- Euro zu einem Gesamt-Rückstufungsschaden in Höhe von 1.380,-- Euro - mithin zu einer Belastung von 1.880,-- Euro - geführt hätte.
Den Antrag der Klägerin auf Ersatz ihres Sachschadens lehnte die Beklagte zunächst durch Bescheid vom 15. Juli 2005 mit der Begründung ab, die Klägerin hätte sich in Elternzeit und nicht im Dienst befunden.
Nachdem die Klägerin am 9. August 2005 dagegen Klage erhoben hat, hat die Beklagte ihr mit Bescheid vom 12. August 2005 Schadensersatz gemäß § 96 NBG in Höhe von 332,34 Euro bewilligt. Zugleich hat sie anerkannt, dass die Benutzung des eigenen Kfz am Schadenstag aus schwerwiegenden Gründen (keine oder ungenügende Verkehrsverbindungen) erforderlich gewesen ist. Zur Begründung hat sie ausgeführt, eine Erstattung auch des durch den Verlust des Schadensfreiheitsrabatts entstandenen Schadens sei nur bei Dienstreisen möglich, nicht aber bei Fahrten auf dem Weg zur Dienststelle, bei denen die Erstattung gemäß Nr 7.1 der Verwaltungsvorschriften - VV - zu § 96 NBG auf die übliche Höhe der Selbstbeteiligung einer Kfz-Vollkaskoversicherung (332,34 Euro) begrenzt sei.
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Sie könne auch die Erstattung der übrigen Reparaturkosten in Höhe von 1.042,66 Euro verlangen. Die in Nr. 7.1 der VV zu § 96 NBG vorgesehene Höchstgrenze der Erstattung von 332,34 Euro sei willkürlich, zumal mittlerweile Selbstbeteiligungen zur Kfz-Vollkaskoversicherung in Höhe von 500,- Euro üblich seien. Jedenfalls sei die Anwendung der Höchstgrenze in ihrem Fall ermessensfehlerhaft. Zu berücksichtigen seien ihre schwachen wirtschaftlichen Verhältnisse als Anwärterin, die reale Schadenshöhe von 1.375,-- Euro sowie die hypothetische Belastung bei Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung durch eine Eigenbeteiligung in Höhe von 500,-- Euro zuzüglich eines Gesamt-Rückstufungsschadens in Höhe von 1.380,-- Euro. Angesichts der Dringlichkeit der kurzfristig für Montagmorgen, den 14. Februar 2005 vorgesehenen Dienstbesprechung habe sie keine Möglichkeit gehabt, rechtzeitig zuvor eine schriftliche Genehmigung für die Benutzung des eigenen Fahrzeugs einzuholen. Die Fürsorgepflicht ihres Dienstherrn gebiete einen höheren Schadensersatz.
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich des durch Änderungsbescheid gewährten Teilbetrages in Höhe von 332,34 Euro in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, beantragt die Klägerin sinngemäß,
die Beklagte zu verpflichten, ihr den weiteren aus dem Verkehrsunfall vom 14. Februar 2005 entstandenen Schaden in Höhe von 1.042,66 Euro zu ersetzen und den Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 2005 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 12. August 2005 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihren Änderungsbescheid vom 12. August 2005 und erwidert ergänzend: Die Höchstgrenze für Schadensersatz nach § 96 NBG bei sogenannten Wegeunfällen in Höhe von 332,34 Euro sei generell und auch hier sachgemäß. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Dienstherr bei Fahrten zur Dienststelle überhaupt Kosten für Sachschäden übernehme, sei sie im Sinne einer gerechten Risikoverteilung zwischen dem Beamten und der Dienststelle billig und geboten, da der Dienst bei Antritt der Fahrt von zu Hause aus - außer bei Dienstreisen - noch nicht begonnen habe. Wenn die Klägerin eine Vollkaskoversicherung mit höherer Selbstbeteiligung abschließe, habe sie das daraus erhöhte Kostenrisiko selbst zu tragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Rechtsstreit war in Höhe eines Teilbetrages des geforderten Schadensersatzes in Höhe von 332,34 Euro einzustellen, nachdem der Klägerin durch Änderungsbescheid vom 12. August 2005 Schadensersatz in dieser Höhe geleistet wurde und die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache insoweit für erledigt erklärt haben (§ 92 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).
Im Übrigen ist die Klage, über die im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden durfte (§ 101 Abs. 2 VwGO), zulässig, aber unbegründet.
Die Versagung eines weitergehenden Ersatzes der Reparaturschäden des Verkehrsunfalls vom 14. Februar 2005 in den angefochtenen Bescheiden ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Die Klägerin kann weder einen weitergehenden Ersatz des Sachschadens an ihrem Kfz noch eine Neubescheidung ihres Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verlangen.
Die hier streitige Höchstgrenze für den Ersatz von Sachschaden an Kraftfahrzeugen - Kfz - bei sogenannten Wegeunfällen nach Nr. 7.1 a.E. der zu § 96 NBG erlassenen ermessenslenkenden und die Anspruchsvoraussetzungen für eine Ersatzleistung nach § 96 NBG näher konkretisierenden Verwaltungsvorschriften - VV - vom 25. November 1992 (Nds. MBl. 1993, Seite 93) ist weder generell noch bei der Anwendung im Fall der Klägerin zu beanstanden. Diese Vorgabe der obersten Landesbehörden sind nicht wie Rechtssätze anzuwenden und auszulegen, sondern als Willenserklärung der obersten Landesbehörden unter vorrangiger Berücksichtigung des Wortlautes der Bestimmungen, des wirklichen Willens der erklärenden und ihrer tatsächlichen Handhabung, d.h. der vom Urheber gebilligten oder geduldeten tatsächlichen Verwaltungspraxis zu behandeln (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 22. März 2006 - 2 LC 906/04 - juris). Nach dem somit vorrangig maßgeblichen Wortlaut von Nr. 7.1 der VV zu § 96 NBG gilt als ermessenslenkende Vorgabe beim Ersatz von Sachschäden an Kfz auf dem Weg von oder nach der Dienststelle, dass die Erstattung auf höchstens 650,-- DM (332,34 Euro) begrenzt ist. Danach steht der Klägerin lediglich der Schadensbetrag in Höhe von 332,34 Euro zu, der ihr auch durch den Änderungsbescheid vom 12. August 2005 gewährt worden ist. Diese Begrenzung ist keineswegs willkürlich. Sie berücksichtigt die in der Systematik des § 96 Abs. 1 Satz 2 NBG angelegte Grundentscheidung des Gesetzgebers, bei sogenannten Wegeunfällen nur ausnahmsweise und nur nach Ermessen Sachschaden zu ersetzen. Bezweckt ist eine angemessene Risikoverteilung zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten, der seinen Dienst entweder noch nicht begonnen oder bereits beendet hat. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Einsatz des Kfz in diesen Fällen - mehr oder weniger stark - zugleich im persönlichen Interesse des Beamten liegt. Die Verteilung des Haftungsrisikos in Anknüpfung an den bei Vollkaskoversicherungen weit verbreiteten Wert des Selbstbehalts von 650,-- DM (332,34 Euro) ist sachgemäß und nicht zu beanstanden (vgl. auch VG Lüneburg, Urteil vom 31. August 2005 - 1 A 272/04 - juris). Durch die Übernahme des Selbstbehalts im Schadensfall ermöglicht der Dienstherr dem Beamten günstigere Versicherungsbeiträge als bei einer Kfz-Vollkaskoversicherung ohne Selbstbehalt und versetzt ihn in die Lage, sich gegen die Belastung durch Kfz-Schäden am eigenen Fahrzeug (im Zusammenhang mit dienstlichen und privaten Angelegenheit) angemessen zu versichern. Im Schadensfalle stellen ihn die Leistungen des Versicherers und die Erstattung des Selbstbehalts durch den Dienstherrn umfassend von einer Tragung der Schäden frei; freilich bedarf es hierfür einer Zahlung der laufenden - und ggf. nach Schadenseintritt durch Rückstufung erhöhten - Versicherungsbeiträge. Der Umstand, dass die Versicherungswirtschaft mittlerweile höhere Selbstbeteiligungen bei Vollkaskoversicherungen anbietet - die regelmäßig zu günstigeren Tarifen für die Versicherten führen - lässt die nach wie vor geltende Höchstgrenze in den VV nicht sachwidrig werden. Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass die streitige Ermessensvorgabe verwaltungspraktikabel eine einheitliche Vorgabe für alle Beamten macht und nicht nach Dienst- oder Besoldungsgruppen bzw. Lebenszeitbeamten und etwa Anwärtern unterscheidet.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf eine vom Wortlaut der Höchstgrenze nach Nr. 7.1 VV zu § 96 NBG abweichende Verwaltungspraxis der Beklagten berufen. Eine Abweichung wird weder von ihr behauptet noch ist sie sonst ersichtlich.
Die Beklagte war auch nicht gehalten, wegen Besonderheiten des Einzelfalles weitergehende Ermessenserwägungen zu stellen, um ein unbilliges und der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 87 NBG) widersprechendes Ergebnis zu vermeiden. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass bereits § 96 Abs. 1 Satz 2 NBG und die hierzu erlassenen Verwaltungsvorschriften die Fürsorgepflicht des Dienstherrn für diesen Bereich konkretisieren. Gleichwohl ist in jedem Einzelfall (vgl. etwa Nr. 8.2 der VV zu § 96 NBG) zu prüfen, ob die getroffene Entscheidung mit den normativen - einschließlich der verfassungsrechtlichen - Vorgaben übereinstimmt. Auch diesbezüglich sind keine rechtlichen Fehler ersichtlich. Es ist keineswegs unbillig oder unverhältnismäßig, der Klägerin als Lehramtsanwärterin weiteren Ersatz von Sachschaden zu versagen. Der in der Entscheidung des VG Lüneburg vom 31. August 2005 (1 A 272/04) betonte Umstand, ob es ihr möglich und zumutbar war, vor Antritt der Dienstfahrt am 14. Februar 2005 die Anerkennung der Benutzung des Privat-Kfz durch den Dienstherrn zu erlangen, spielt hier keine Rolle, zumal die Beklagte im Änderungsbescheid vom 12. August 2005 die Benutzung des eigenen Kfz am Unfalltag als erforderlich anerkannt hat. Die Höchstgrenze gilt auch für Lebenszeitbeamte niedriger Besoldungsgruppen sowie Anwärter. Die Belastung mit Sachschäden in Höhe von 1.042,66 Euro hätte die Klägerin durch Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung vermeiden können, wäre allerdings dann durch rückstufungsbedingte Beitragserhöhungen belastet gewesen. Soweit sie diesbezüglich auf einen Gesamt-Rückstufungsschaden in Höhe von 1.380,-- Euro (vgl. Schreiben ihres Versicherers vom 24. Februar 2005) verweist, handelt es sich aber nicht um eine kurzfristige Belastung, sondern um Beitragserhöhungen, die sich in künftigen Jahren ergeben werden. Es ist nicht ersichtlich, dass diese sie wirtschaftlich wesentlich beeinträchtigt oder gar in der Existenz gefährdet. Der Umstand, dass sie eine Selbstbeteiligung von 500,-- Euro mit ihrem Kfz-Versicherer vereinbart hat, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Die Höhe des Selbstbehalts geht auf ihre eigene Willensentscheidung zurück, bei der sie eigenverantwortlich haftungsrechtliche Risiken mit Vorteilen bei der Tarifgestaltung abwägen konnte. Im Übrigen durfte die Beklagte bei Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles wohl auch darauf abstellen, dass bei der geplanten dienstlichen Besprechung im Studienseminar ... am 14. Februar 2005 im besonderen Maß private Interessen der Klägerin (kurzfristige Gewährung von Elternzeit im Zusammenhang mit einer Adoptionsmöglichkeit) im Vordergrund standen.
Im Rahmen einer einheitlichen Kostenentscheidung waren die Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO der Klägerin zu ? und der Beklagte zu ? aufzuerlegen. Hinsichtlich des erledigten Teils war zu berücksichtigen, dass die Beklagte dem Begehren der Klägerin in Höhe von etwa ? der begehrten Schadenssumme entsprochen hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.