Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 13.12.2006, Az.: 11 B 5005/06

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
13.12.2006
Aktenzeichen
11 B 5005/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 44738
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2006:1213.11B5005.06.0A

Amtlicher Leitsatz

Es ist regelmäßig rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Ausländerbehörde eine Duldungsbescheinigung nur im Rahmen einer persönlichen Vorsprache an den Ausländer aushändigt.

Aus dem Entscheidungstext

1

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet, weil das einstweilige Rechtsschutzbegehren des Antragstellers aus den nachfolgenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 166 VwGO, 114 Satz 1 ZPO).

2

Der Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO) zu verpflichten, die ihm früher erteilte Duldung zu verlängern, ist bereits unzulässig. Es mangelt diesbezüglich an einem Rechtsschutzbedürfnis, da der Antragsgegner bereit ist, dem Antragsteller eine entsprechende Bescheinigung zu erteilen.

3

Der Antrag des Antragstellers den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO) zu verpflichten, die Duldungsbescheinigung (§ 60 a Abs. 4 AufenthG) an seinen Verfahrensbevollmächtigten zu übersenden, ist unbegründet. Es fehlt an einem Anordnungsanspruch, d. h. bei der im einstweilige Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung an einem entsprechenden materiellen Anspruch des Antragstellers.

4

Die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes wie der Aussetzung der Abschiebung hat nach §§ 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, 1 Abs. 1 Nds. VwVfG an denjenigen zu erfolgen, für den er bestimmt ist. Die Art und Weise der Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes, die sich, wie hier, nicht nach besonderen Regelungen (wie etwa dem VwZG) beurteilt, steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. 2005, Rn. 11 zu § 41; Henneke in: Knack, VwVfG, 8. Aufl. 2003, Rn. 20 zu § 41). §§ 41 Abs. 2 VwVfG, 1 Abs. 1 Nds. VwVfG, die sich mit der Übermittlung eines schriftlichen Verwaltungsaktes durch die Post befassen, regeln ersichtlich lediglich einen Beispielsfall der Bekanntgabe.

5

Dass der Antragsgegner die Duldungsbescheinigung im Rahmen einer persönlichen Vorsprache durch Übergabe bekannt zu geben beabsichtigt, lässt Ermessensfehler (§ 114 VwGO) nicht erkennen. Dem Gericht ist bekannt, dass die in seinem Zuständigkeitsbereich tätigen Ausländerbehörden, die Aussetzung der Abschiebung regelmäßig im Rahmen eines solchen Gesprächs erteilen. Diese Praxis rechtfertigt sich aus der Funktion der Duldung. Da diese vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern zu erteilen ist, ist in aller Regel ein persönlicher Hinweis auf die Obliegenheit, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, förderlich. Außerdem bedarf es in diesem Zusammenhang der Feststellung, ob sich der Betroffene überhaupt noch im Bundesgebiet aufhält. Darüber hinaus fungiert die Duldungsbescheinigung vielfach als Ausweisersatz (§ 48 Abs. 2 AufenthG) und ist vom Ausländer zu unterschreiben und wird mit seinem Passbild versehen. Abgesehen davon trifft den Ausländer nach §§ 82 Abs. 4 AufenthG, 15 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG auch allgemein die Pflicht zur persönlichen Vorsprache bei der Behörde.

6

Im Falle des Antragstellers kommt hinzu, dass er trotz wiederholter Aufforderung seiner ebenfalls aus § 82 Abs. 4 AufenthG folgenden Verpflichtung, sich amtsärztlich auf seine Reisefähigkeit untersuchen zu lassen, nicht entsprochen hat, so dass er insoweit sogar in besonderem Maße behördlicher Beratung bedarf. Die in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung, ein Amtsarzt ohne eine besondere Qualifikation für psychiatrische Fragestellungen sei von vornherein nicht in der Lage, die Reisefähigkeit des möglicherweise psychisch erkrankten Antragstellers zu beurteilen, vermag die Kammer nicht zu teilen. Denn die Gesundheitsämter werden erfahrungsgemäß häufig zur Beurteilung dieses Gesichtspunktes herangezogen und besitzen deshalb die erforderliche Sachkunde. Der Amtsarzt des Antragsgegners Beklagten beabsichtigt zudem, im Zweifelsfall zur Beurteilung einen Facharzt für Psychiatrie hinzuziehen (vgl. Vermerk vom 13. November 2006, Bl. 266 der VV).

7

Darüber hinaus verstößt der Antragsteller gegen die gem. § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG verfügten räumlichen Beschränkungen. Er hält sich nach eigenen Angaben derzeit bei seinem Bruder in Bremen auf. Nach der Duldungsbescheinigung vom 4. April 2005 ist sein Aufenthalt aber auf das Land Niedersachsen beschränkt und hat der Antragsteller seinen Wohnsitz in der Gemeinde Dinklage zu nehmen (vgl. vor Bl. 255 des Verwaltungsvorgangs). Diese Beschränkungen können - bei Vorliegen vorrangiger Gründe - nur bei der Erteilung einer zweiten Duldung durch die Freie Hansestadt Bremen entfallen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. Oktober 2002 - 8 ME 142/02 - NVwZ-Beil. 2003, 22 f.).

8

Durchgreifende Gründe, die ausnahmsweise gegen eine persönliche Vorsprache des Antragstellers zwecks Entgegennahme der Duldungsbescheinigung sprechen könnten, liegen nicht vor. Auf die Reisefähigkeit des Antragstellers im Falle einer Abschiebung kommt es vorliegend nicht an, sondern allein darauf, ob er gesundheitlich in der Lage ist, den Weg von seinem Aufenthaltsort B bis nach V zu bewältigen. Die von ihm vorgelegten nervenärztlichen Bescheinigungen (vgl. Stellungnahme des Klinikums Bremen-Ost vom 16. Oktober 2006 - Bl. 5 der Gerichtsakte -; Stellungnahmen der Gemeinschaftspraxis vom 27. Oktober 2006 und der Gemeinschaftspraxis vom 23. November 2006 - Bl. 29 und 30 der Gerichtsakte) bieten keine Anhaltspunkte dafür, dass ihm dieses nach der bereits Mitte Oktober d.J. erfolgten Entlassung aus stationärer Behandlung nicht möglich sein sollte.

9

Soweit der Antragsteller eine Übergabe der Duldungsbescheinigung an seinen Bevollmächtigten begehrt, kann er sich nicht mit Erfolg auf die Regelungen der §§ 14 Abs. 3 Satz 1 VwVfG, 1 Abs. 1 Nds. VwVfG berufen, die vorsehen, dass sich die Behörde an den Vertreter wenden soll. Im Falle des Erlasses eines Verwaltungsaktes sind nämlich §§ 41 Abs. 1 Satz 2 VwVfG, 1 Abs. 1 Nds. VwVfG als spezielle Bestimmungen vorrangig, wonach die Bekanntgabe an den Bevollmächtigten im Ermessen steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1997 - 3 C 35.96 - BVerwGE 105, 288293 f.). Dieses Ermessen hat der Antragsgegner hier aus den oben genannten Gründen rechtfehlerfrei dahingehend ausgeübt, die Duldungsbescheinigung dem Antragsteller persönlich auszuhändigen.