Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 28.06.2001, Az.: 13 U 233/00
Unterlassungsanspruch; Sittenwidrige Rufausbeutung ; Herkunftstäuschung; Wettbewerbswidrigkeit ; Krawattenverkauf; Füllfederhalter
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 28.06.2001
- Aktenzeichen
- 13 U 233/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 21650
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2001:0628.13U233.00.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1 UWG
- § 3 UWG
Fundstelle
- OLGReport Gerichtsort 2001, 244-246
Amtlicher Leitsatz
Zur Wettbewerbswidrigkeit des Verkaufs von Krawatten mit der grafischen Abbildung eines hochwertigen Füllfederhalters unter den Gesichtspunkten der sittenwidrigen Rufausbeutung und der Herkunftstäuschung.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin zu 1 gegen das Urteil des Landgerichts ..... vom 15. August 2000 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin zu 1 hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin zu 1 darf die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 12. 000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Sicherheitsleistung darf auch die unbedingte, unbefristete und unwiderrufliche Bürgschaft einer Deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse, Volksbank oder Spar- und Darlehenskasse sein.
Streitwert und Beschwer der Klägerin zu 1: 100. 000 DM.
Tatbestand:
Die Klägerin zu 1 (im folgenden: Klägerin) ist Hersteller von Schreibgeräten der Marke '.......'. Sie nimmt die Beklagte, die im Sommer 1999 Krawatten mit der grafischen Darstellung eines Füllfederhalters verkaufte, auf Unterlassung, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Auskunftserteilung in Anspruch.
Die Klägerin hat vorgetragen: Der auf der Krawatte abgebildete Füllfederhalter stelle ein '.......'-Modell der Serie '.......' dar. '.......'- Schreibgeräte wiesen die im Klageantrag genannte Kombination von Gestaltungsmerkmalen auf, an denen sie der Verkehr erkenne. Ihr Bekanntheitsgrad liege bei mindestens 50 % der am Schreiben interessierten Bevölkerung und mindestens 80 % der Nachfrager teurer Schreibgeräte. Die Beklagte handele mit dem Verkauf der Krawatten sittenwidrig im Sinn des § 1 UWG, denn sie missbrauche den hohen Bekanntheitsgrad, das Prestige und den Exklusivitätsanspruch der '.......'-Schreibgeräte. Außerdem liege eine unzulässige Täuschung über die betriebliche Herkunft vor. Die angesprochenen Verkehrskreise könnten annehmen, die Klägerin habe der Beklagten oder dem Lieferanten der Beklagten eine Lizenz für die Abbildung des Füllfederhalters erteilt. Eine Herkunftstäuschung könne auch darin bestehen, dass der Verkehr, der darüber informiert sei, dass die Klägerin ihr Angebot auf Lederartikel und Uhren ausgedehnt habe, den Eindruck gewinne, die Klägerin biete auch Krawatten an.
Die Beklagte hat erwidert: Die im Klageantrag genannten Gestaltungsmerkmale seien seit vielen Jahren auf dem Markt für Schreibgeräte gebräuchlich. Auch Füllfederhalter anderer Hersteller wiesen sie auf. Außerdem unterscheide sich der auf der Krawatte abgebildete Füllfederhalter gravierend von dem '.......'-Füllfederhalter der Klägerin.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Wer ein bekanntes Produkt lediglich zur Dekoration und ohne erkennbaren Bezug zur Qualität der eigenen Ware verwende, sei ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht dem Vorwurf einer sittenwidrigen Rufausbeutung ausgesetzt. Dies gelte bei den von der Beklagten vertriebenen Krawatten umso mehr, als ein direkter Bezug auf Schreibgeräte der Klägerin nicht zu erkennen sei. Außerdem unterscheide sich der abgebildete Füllfederhalter in wesentlichen Merkmalen von den '.......'-Schreibgeräten der Klägerin. Auch die zigarrenartige Form lasse angesichts der unterschiedlichen Merkmale in einer Gesamtschau nicht den Schluss zu, mit dem abgebildeten Füllfederhalter werde der gute Ruf des '.......-Meisterstücks' ausgenutzt oder über die betriebliche Herkunft getäuscht. Der Name '.......' sei auf der Krawatte an keiner Stelle abgebildet.
Mit der Berufung macht die Klägerin geltend: Das Landgericht habe verkannt, dass der Gesamteindruck von dem auf der Krawatte abgebildeten Füllfederhalter aus Sicht eines Durchschnittbetrachters, der regelmäßig das Original und die beanstandete Krawatte nicht nebeneinander sehe, derartig mit dem Füllfederhalter '.......' übereinstimme, dass Abweichungen im Detail unerheblich seien. Es handele sich um eine nahezu vollständige Nachbildung. In einem solchen Fall seien regelmäßig nur noch geringe Anforderungen an die besonderen, über den Nachahmungstatbestand hinausgehenden wettbewerblichen Umstände zu stellen. Im Übrigen vertieft die Klägerin ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie trägt insbesondere vor, dass sie seit 1982 den Füllfederhalter '.......' vertreibe, der praktisch all die Merkmale aufweise, die das Landgericht zur Unterscheidung der angegriffenen Darstellung auf der Krawatte von den Produkten der Klägerin angeführt habe. Auch weitere Schreibgeräte der Klägerin wiesen die vom Landgericht zu Unrecht als Unterscheidungsmerkmale genannten Kriterien auf.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel zu unterlassen
ohne Einwilligung der Klägerin zu 1 hergestellte und/oder erstmals in den Verkehr gebrachte Textilien, insbesondere Krawatten, mit Abbildung eines Schreibgeräts, insbesondere eines Füllfederhalters mit folgenden Merkmalen:
a) es handelt sich um ein Schreibgerät mit besonders stromlinienförmiger Zigarrenform,
b) die breiter gestaltete Kappe endet in einer oberen Abrundung, die gedrungener ausgeführt ist als der abgerundete Hauptkörper, welcher schmaler zuläuft,
c) das Schreibgerät ist mit hochglanzähnlicher Oberfläche ausgestaltet,
d) am unteren Ende der Kappe befinden sich drei reliefartige goldene Ringe, von denen der mittlere breiter und nach außen gewölbt ist,
dies gemäß den Abbildungen Bl. 145 d. A. anzukündigen, feilzuhalten und/oder in den Verkehr zu bringen,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 1 allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus der Handlung der Beklagten, wie sie im Berufungsantrag zu Ziff. 1 beschrieben sind, bereits entstanden ist oder noch entstehen wird,
3. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin zu 1 Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über ihre, der Beklagten, Handlungen gemäß Berufungsantrag zu Ziff. 1 und zwar über:
a) Namen und Anschriften von Herstellern, Lieferanten und sonstigen Vorbesitzern,
b) Namen und Anschriften von etwaigen gewerblichen Abnehmern,
c) Menge der hergestellten, bestellten, erhaltenen und/oder ausgelieferten Stücke,
d) Einkaufs- und Verkaufspreise,
e) Einkaufs- und Verkaufszeiten,
f) sonstige über den Einkaufspreis hinausgehende Gestehungskosten,
g) Umsatz und Gewinn,
dies alles (Ziffern a bis g) unter Vorlage gut leserlicher Kopien der Bestell- und Einkaufsunterlagen der Beklagten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen auf die Sitzungsprotokolle und auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet.
I. Unterlassungsanspruch
1. Rufausbeutung
a) Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Für die Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses im Sinne des § 1 UWG genügt es, dass sich der Verletzer durch seine Verletzungshandlung im konkreten Fall in irgendeiner Weise in Wettbewerb zu dem Betroffenen stellt, was auch dadurch geschehen kann, dass der Verletzer den Ruf der fremden Ware für den Absatz seiner (nicht konkurrierenden) Waren auszunutzen versucht (BGH GRUR 1983, 247, 248 'Rolls Royce'). Das ist hier nach dem Klagevorbringen der Fall.
b) Bei dem '.......'-Füllfederhalter Modell '.......' handelt es sich unstreitig um ein teures Schreibgerät, das vom Verkehr wegen seiner Qualität und seiner Exklusivität besonders geschätzt wird, und das maßgeblich dazu beiträgt, den guten Ruf der Klägerin zu begründen. Ferner ist mit dem Klagevortrag davon auszugehen, dass die '.......'-Füllfederhalter eine schutzwürdige wettbewerbliche Eigenart besitzen.
c) Indes kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte durch den Verkauf der Krawatten den guten Ruf der Klägerin ausbeutete. Die bestehende Ähnlichkeit zwischen dem auf der Krawatte abgebildeten Füllfederhalter und den '.......'-Produkten der Klägerin, insbesondere der Serie 144, reicht für die Annahme, es sei der Beklagten darum gegangen, durch ein 'Anhängen' an den guten Ruf der Klägerin den eigenen Absatz zu fördern oder den Ruf der Klägerin zu schädigen, nicht aus. Hinreichende weitere Umstände, die diesen Schluss zuließen, liegen nicht vor.
Der auf der Krawatte abgebildete Füllfederhalter ist mit keinem der Produkte der Klägerin identisch. Zwar macht die Klägerin im Ausgangspunkt zutreffend geltend, dass im Hinblick auf den Tatbestand der Rufausbeutung nicht alle Gestaltungsmerkmale des Originals übernommen sein müssen. Entscheidend ist vielmehr, dass die übernommenen Gestaltungsmerkmale geeignet sind, im Verkehr auf die betriebliche Herkunft des abgebildeten Produkts hinzuweisen. Das ist hier jedenfalls nicht bei einem rechtlich beachtlichen Teil des Verkehrs der Fall:
Interessierende Verkehrskreise erkennen den Füllfederhalter '.......', Serie '.......' vor allem an dem typischen weißen Stern auf der Verschlusskappe, daneben an der Gesamtheit der von der Klägerin angeführten Gestaltungsmerkmale. Dem Stern, den die Klägerin in ihrer Werbung besonders herausstellt und bei dem Firmennamen '.......' wiedergibt (Anlagen K 20 bis K 25), kommt für die Wiedererkennung der .......-Produkte eine herausragende Bedeutung zu. Die von der Klägerin aufgeführten Merkmale einer stromlinienförmigen Zigarrenform, einer breiter gestalteten und in Verhältnis zum Hauptkörper gedrungener ausgeführten Verschlusskappe, und einer hochglanzähnlichen Oberfläche weisen indes auch die Füllfederhalter vieler anderer Hersteller auf. Wie sich aus den Anlagen 5/6 bis 5/14 ergibt, kommt bei einigen Herstellern auch eine Kombination dieser Gestaltungsmerkmale mit den weiteren Merkmalen des typischen '.......'-Füllfederhalters, nämlich drei Streifen am unteren Ende der Verschlusskappe sowie eine abgerundete Form an beiden Enden des Füllfederhalters, vor.
Der auf der Krawatte abgebildete Füllfederhalter besitzt den typischen weißen Stern nicht. Er unterscheidet sich zudem insoweit deutlich von den Produkten der Klägerin, als er ein leuchtend blaues Tintenfenster hat, das der interessierte Verbraucher von den Produkten der Klägerin her nicht kennt; soweit bei den in der Werbung abgebildeten Füllfederhaltern der Klägerin überhaupt Tintenfenster sichtbar sind, sind diese in Längsrichtung mehrfach unterteilt und meist farblos. Weitere für den Gesamteindruck bedeutsame Abweichungen des auf der Krawatte abgebildeten Füllfederhalters zu den '.......'-Füllfederhaltern der Klägerin liegen darin, dass der auf der Krawatte abgebildete Füllfederhalter anstatt einer geraden eine geschwungene Klammer besitzt, ferner eine Goldumrandung unmittelbar oberhalb der Feder, die es in einer so breiten auffälligen Ausführung bei den Füllfederhaltern der Klägerin '.......' nicht gibt.
Der Senat teilt aus diesen Gründen die Feststellung des Landgerichts, dass die große Mehrheit der angesprochenen Verkehrskreise bei der Ansicht der Krawatte nicht an ein Schreibgerät '.......' denkt. Soweit es, selten, auch Kunden geben mag, die in dem auf der Krawatte abgebildeten Schreibgerät einen '.......' erkennen, reicht das für die Annahme einer sittenwidrigen Rufausbeutung im Sinn des § 1 UWG nicht aus.
Denn hinzu kommen müssten Umstände, die den Schluss zulassen, dass es der Beklagten um eine unlautere Beeinträchtigung des in Frage guten Rufes der Klägerin oder um dessen anstößige missbräuchliche Ausnutzung für den eigenen Warenabsatz geht (vgl. BGH, GRUR 1996, 508, 509 [BGH 28.03.1996 - I ZR 11/94] 'Uhren-Applikation'). Für die erste Alternative liegen keine Anhaltspunkte vor. Der Klagevortrag gibt dafür nichts her. Auch eine missbräuchliche Ausnutzung des Rufs der Klägerin bzw. ihres Produkts zur Förderung des Verkaufs der Krawatte kann nicht festgestellt werden. Dagegen spricht, dass der auf der Krawatte abgebildete Füllfederhalter den Produkten der Klägerin nicht wesentlich ähnlicher ist, als Produkte anderer, wenn auch weniger bekannter Hersteller. Der Name '.......' oder die Bezeichnung '.......' wird auf der Krawatte nicht erwähnt. Schließlich fehlt dem Verkehr, wie das Landgericht ausgeführt hat, ein erkennbarer Bezug des exklusiven '.......'-Schreibgeräts zur Qualität der aus einfachem Material produzierten und preiswerten Krawatte.
2. Herkunftstäuschung
Unter diesen Umständen kann auch nicht angenommen werden, dass der Verkehr dahin getäuscht wird, es handele sich bei der Krawatte um eine 'Zweitverwertung' des '.......'-Füllfederhalters durch den Hersteller bzw. ein von ihm autorisiertes Unternehmen oder um ein Werbegeschenk der Klägerin. Im Hinblick auf die Erwerber der Krawatte liegt eine solche Täuschung, abgesehen davon, dass das abgebildete Schreibgerät auch Ähnlichkeit mit Füllfederhaltern anderer Hersteller besitzt, schon wegen des Preises von 10 DM und der fehlenden Angabe des Firmennamens '.......' fern. Aber auch der Verkehr, der den niedrigen Preis und die rückseitige Beschriftung der Krawatte ('Füllfederhalter' .......' und '.......') nicht kennt, wird nicht mit der Folge irregeführt, das der Beklagten eine Herkunftstäuschung vorgeworfen werden könnte. Insoweit muss berücksichtigt werden, dass eine gewisse Nachahmung sondergesetzlich nicht geschützter Arbeitsergebnisse frei ist. Die Grenze des Erlaubten wird erst überschritten, wenn die angesprochenen Kreise durch das Inverkehrbringen der Nachahmung in einem Maße irregeführt werden, dass sich mit der Nachahmungsfreiheit nicht mehr rechtfertigen lässt. Dies ist bei Abwägung der Interessen der Parteien und der Allgemeinheit, insbesondere unter Berücksichtigung des erheblichen Abstandes, den die Abbildung auf der Krawatte zu den Produkten der Klägerin aufweist, nicht der Fall.
II. Feststellungs- und Auskunftsanspruch
Da der geltend gemachte Verletzungstatbestand nicht erfüllt ist, liegen auch die Voraussetzungen für den Feststellungs- und Auskunftsanspruch nicht vor.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 1 ZPO.