Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 11.05.2005, Az.: 11 A 2574/03
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 11.05.2005
- Aktenzeichen
- 11 A 2574/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 43250
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2005:0511.11A2574.03.0A
Amtlicher Leitsatz
Bei der Anwendung des Erlasses des Nds. Innenministeriums vom 22. Mai 2001 ist es gds. unerheblich, wenn dem Nichtvorliegen der Voraussetzungen kein Verschulden des Ausländers zu Grunde liegt.
In Bezug auf zielstaatsbezogene Gesichtspunkte ist die Ausländerbehörde nach § 42 AsylVfG an die Entscheidung des Bundesamtes gebunden. Eine weitergehende Zumutbarkeitsprüfung findet im Rahmen des § 25 Abs. 5 AufenthG insoweit nicht statt.
Ein langjähriger Aufenthalt und die damit verbundene Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland begründen kein rechtliches Hinndernis für eine freiwillige Ausreise nach Art. 8 EMRK.
Tatbestand:
Die Kläger sind Staatsangehörige von Serbien-Montenegro. Sie stammen aus dem Kosovo und sind albanischer Volkszugehörigkeit.
Der am 27. August 1956 geborene Kläger zu 1) reiste mit seinem Sohn, dem 1986 geborenen Kläger zu 3), und seiner damaligen Ehefrau und Mutter des Klägers zu 3) am 1. Juli 1988 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Der Kläger zu 4) ist im Jahre 1989 geboren und ebenfalls aus der früheren Ehe des Klägers zu 1) hervorgegangen. Ihre Asylanträge blieben im Ergebnis erfolglos (vgl. Bescheide des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 9. März 1990, 30. November 1994, 30. Januar 1995 und 19. Juni 1997; VG Oldenburg, Urteile vom 4. Mai 1992 - 4 A 2370/90 - und vom 30. Oktober 1995 - 12 A 484/95 -; Urteile vom 10. Dezember 1997 - 4 A 504/95 und 2893/97 -; OVG Lüneburg, Beschluss vom 21. Oktober 1992 - 8 L 3474/92 -).
Die am 13. Februar 1964 geborene Klägerin zu 2) reiste im Oktober 1991 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Die Klägerin zu 5), welche im Jahre 1993 geboren ist, ist das gemeinsame Kind mit dem Kläger zu 1). Auch die Asylanträge der Klägerinnen zu 2) und 5) sind unanfechtbar abgelehnt worden (Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 21. März 1995; VG Oldenburg, Urteil vom 10. Dezember 1997 - 4 A 2050/95 -).
In der Folgezeit sind die Kläger von dem Beklagten geduldet worden. Ein im Jahre 1998 gestellter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis ist erfolglos geblieben (Bescheid des Beklagten vom 26. Februar 1999; Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 14. Juli 1999).
Der Kläger zu 1) war vom 19. Juni 1998 bis 18. März 1999 bei der Firma T. als Bistrosteward tätig und erhielt hierfür ein Nettoeinkommen in Höhe von 1 948,- DM. Für die Folgezeit wurde ihm vom zuständigen Arbeitsamt keine Arbeitserlaubnis mehr erteilt. Eine hiergegen gerichtete Klage ist erfolglos geblieben. Er ist deshalb vom 19. März 1999 bis 31. Dezember 2000 arbeitslos gewesen und hat Arbeitslosenhilfe und (ergänzende) Sozialhilfe bezogen. Seit dem 1. Januar 2001 arbeitet er in einer Pizzeria in Aurich und erhält hierfür ein Nettoeinkommen in Höhe von 1 747,90 DM (893,69 €). Die Klägerin zu 2) ging vom 15. Juli bis 30. September 1999 und wiederum seit dem 1. Juli 2000 einer geringfügigen Beschäftigung nach, wodurch sie ein Nettoeinkommen in Höhe von früher 472,50 DM erzielte.
Seit dem 30. September 2001 erhält die Familie der Kläger keine Sozialhilfe mehr. Die ab 1. Januar 2001 von der Gemeinde Südbrookmerland erbrachten ergänzenden Leistungen sind im Hinblick auf später festgesetzte Kindergeldansprüche im Wesentlichen erstattet worden.
Mit Schreiben vom 15. August 2001 beantragten die Kläger bei dem Beklagten unter Bezugnahme auf einen Erlass des Nds. Innenministeriums vom 22. Mai 2001 erneut die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen. Sie seien zwar in der danach maßgeblichen Zeit nicht durchgehend beschäftigt gewesen. Dies sei ihnen aber nicht zuzurechnen, da ihnen keine Arbeitserlaubnis erteilt worden sei. Sie hätten daher ohne Verschulden Sozialhilfeleistungen in
Anspruch nehmen müssen. Nunmehr könnten sie ihren Lebensunterhalt aber wieder ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten. Sie müssten daher Personen gleichgestellt werden, die seit zwei Jahren erwerbstätig seien. Außerdem erfüllten sie deshalb die Voraussetzungen des Erlasses des Nds. Innenministeriums vom 21. Januar 2002. Sie könnten nicht in ihr Heimatland zurückkehren, weil es nicht möglich wäre im Kosovo eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen. Außerdem bedürften die Kläger zu 3) bis 5) des besonderen Schutzes, da sie in der Bundesrepublik Deutschland aufgewachsen seien.
Mit Bescheid vom 15. Oktober 2002 hat der Beklagte die Anträge abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen des Erlasses des Nds. Innenministeriums vom 22. Mai 2001 seien nicht erfüllt, weil die Kläger in der maßgeblichen Zeit vom 11. Mai 1999 bis 10. Mai 2001 nicht durchgehend beschäftigt gewesen seien. Der Erlass des Nds. Innenministeriums vom 21. Januar 2002 sei nicht anwendbar, weil eine spezielle Regelung für jugoslawische Staatsangehörige bestehe.
Der hiergegen erhobene Widerspruch der Kläger wurde mit Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 18. Juni 2003 zurückgewiesen. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an: Nach dem Ergebnis der zugrunde liegenden Sitzung der Innenministerkonferenz vom 10. Mai 2001 sollten lediglich die Personen erfasst werden, die zu diesem Zeitpunkt wirtschaftlich und sozial integriert gewesen seien und deshalb bei einer Rückkehr eine eigenständig gesicherte Lebensgrundlage hätten aufgeben müssen. Die Schwierigkeiten im Arbeitsgenehmigungsverfahren seien auf den ungesicherten Status der Kläger zurückzuführen und träfen alle von dem Erlass Begünstigten in gleicher Weise. Die Kläger könnten auch keine Aufenthaltsbefugnisse nach § 30 AuslG erhalten. Es sei derzeit zwar noch keine zwangsweise Zurückführung in den Kosovo möglich, aber die freiwillige Ausreise mit einem EU-Laissez-Passer. Der langjährige Aufenthalt in Deutschland führe nicht zur Unzumutbarkeit der Ausreise.
Am 15. Juli 2003 haben die Kläger Klage erhoben.
Sie haben im Wesentlichen vorgetragen: Sie hätten sich in die hiesige Gesellschaft integriert. Die Kläger zu 1) und 3) lebten inzwischen 17 Jahre in der Bundesrepublik Deutschland, die Kläger zu 4) und 5) seien hier geboren. Sie hätten keine sozialen Bindungen zu ihrem Heimatstaat und kämen in ein fremdes Land. Die Kläger zu 1) und 2) seien fortlaufend beschäftigt gewesen, soweit ihnen dies nicht behördlicherseits untersagt worden sei. Sie hätten seither keine öffentlichen Mittel mehr in Anspruch genommen und frühere Leistungen im Wesentlichen wieder zurückgezahlt. Dem Kläger zu 3) sei eine Arbeitserlaubnis für eine Ausbildungsstelle verweigert worden. Die Kläger zu 3) bis 5) seien in Deutschland zur Schule gegangen und hätten keine Chance sich in das im Kosovo bestehende Bildungssystem einzugliedern. Sie seien mit der deutschen Sprache aufgewachsen und ihrer Muttersprache kaum mächtig. Sie würden gute schulische Leistungen erbringen, die Klägerin zu 5) habe eine Gymnasialempfehlung bekommen. Sie seien auch über ihren Freundes- und Bekanntenkreis in die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland eingebunden. Daher müsse zumindest im Hinblick auf Art. 8 EMRK davon ausgegangen werden, dass es ihnen nicht zumutbar sei nach Serbien und Montenegro zurückzukehren.
Außerdem bestehe ein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel aus dem Erlass vom 22. Mai 2001. Der Kläger zu 1) habe seine Beschäftigung bei der T. allein wegen behördlichen Handelns verloren. Dies müsse zumindest im Rahmen einer Härtefallprüfung positiv berücksichtigt werden. Angesichts der Gesamtarbeitszeit sei er lediglich kurzfristig beschäftigungslos gewesen.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 15. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 18. Juni 2003 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihnen Aufenthaltserlaubnisse aus humanitären Gründen zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er erwidert im Wesentlichen: Die Kläger erfüllten die Integrationsvoraussetzungen des Erlasses vom 22. Mai 2001 nicht. Am maßgeblichen Stichtag seien sie nicht zwei Jahre in einem dauernden Beschäftigungsverhältnis gewesen und hätten auch noch Sozialhilfe bezogen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aus humanitären Gründen.
1. Dieser ergibt sich zunächst nicht aus dem Erlass des Nds. Innenministeriums vom 22. Mai 2001 i.V.m. § 32 AuslG/§ 23 AufenthG. Der Erlass ist eine behördeninterne Richtlinie, die keine Außenwirkung entfaltet. Er begründet allerdings aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) Ansprüche, soweit er die übliche Verwaltungspraxis wiedergibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 2000 - 1 C 19.99 - BVerwGE 112, 6367).
Dass die Beklagte und die Widerspruchsbehörde insoweit auf die Sach- und Rechtslage am 10. Mai 2001 abgestellt haben, ist entsprechend der ständigen Rechtsprechung der Kammer nicht zu beanstanden (vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. August 2003 - 8 ME 131/03 -). An diesem Tag hat sich die Innenministerkonferenz auf die in dem Erlass vom 22. Mai 2001 niedergelegten Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltstiteln für jugoslawische Staatsangehörige geeinigt. Nach Nr. 2.3 des Erlasses wird für die Frage, ob ein Sozialhilfebezug entgegensteht, gerade auf den 10. Mai 2001 abgehoben. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nur bis zum 30. September 2001 gestellt werden konnte (Nr. 5 des Erlasses vom 22. Mai 2001).
Nach Nr. 2.1 des Erlasses vom 22. Mai 2001 werden Staatsangehörige der Bundesrepublik Jugoslawien, die sich mindestens seit dem 16. Februar 1995 ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und seit mehr als zwei Jahren in einem dauernden Beschäftigungsverhältnis stehen, erfasst, wenn der Arbeitgeber dringend auf ihre Weiterbeschäftigung angewiesen ist. Der Kläger zu 1) stand am 11. Mai 2001 jedoch nicht zwei Jahre in einem dauernden Beschäftigungsverhältnis. Er ist u.a. in der Zeit vom 10. Mai 1999 bis zum 31. Dezember 2000 arbeitslos gewesen und hat erst am 1. Januar 2001 wieder eine Arbeitsstelle antreten können. Auch die Klägerin zu 2) war nicht durchgehend (geringfügig) beschäftigt, sondern lediglich vom 15. Juli bis 30. September 1999 und dann wieder ab dem 1. Juli 2000.
Da es auf die Verhältnisse vor und nach dem erwähnten Zeitraum nicht ankommt, ist unerheblich, dass der Kläger zu 1) zuvor gearbeitet hat und offenbar seit dem 1. Januar 2001 wieder ununterbrochen beschäftigt ist.
Soweit die Kläger sich darauf berufen, dass der Kläger zu 1) bis zum März 1999 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis gestanden habe, er dieses aber nicht habe fortsetzen können, weil er keine Arbeitserlaubnis mehr erhalten habe, vermag dies eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Es ist nämlich rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte insoweit Verschuldensgesichtspunkte unberücksichtigt gelassen und lediglich auf das objektive Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses im maßgeblichen Zeitraum abgestellt hat. Dies legt schon der dritte Spiegelstrich der Nr. 2.1 des Erlasses vom 22. Mai 2001 nahe, wonach der Arbeitgeber dringend auf die Weiterbeschäftigung des Ausländers angewiesen sein muss. Diese Voraussetzung gilt nach der erwähnten Erlassregelung als erfüllt, wenn eine Arbeitserlaubnis erteilt bzw. verlängert worden ist. Ob eine solche Genehmigung gewährt wurde, hing jedoch nicht von einem vorwerfbaren Verhalten des Ausländers ab, sondern insbesondere davon, ob für das Arbeitsverhältnis ein bevorrechtigter Deutscher oder Ausländer zur Verfügung stand (vgl. § 285 SGB III). Dies macht hinreichend deutlich, dass der Erlassgeber auch auf Umstände abstellen wollte, die der Betroffene nicht beeinflussen kann. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass schon kein Rechtsanspruch auf Erlass entsprechender Altfallregelungen besteht, sondern es im politischen Ermessen der obersten Landesbehörden steht, ob überhaupt entsprechende Anordnungen nach § 32 AuslG/ § 23 AufenthG ergehen (vgl. BVerwG a.a.O.S. 66). Es ist daher auch mit höherrangigem Recht vereinbar, wenn der Erlassgeber allein auf das objektive Vorliegen bestimmter Voraussetzungen abstellt, die Gründe für deren Nichterfüllung dagegen im Grundsatz unberücksichtigt lässt.
Ein fehlendes Verschulden hat das Nds. Innenministerium nur in begrenztem Umfang in Rechnung gestellt. So ist in der Nr. 2.1. des Erlasses vom 22. Mai 2001 erwähnt, dass die kurzzeitige Unterbrechung eines Arbeitsverhältnisses unschädlich sein soll, insbesondere wenn sie durch ausländerrechtliche Nebenbestimmungen verursacht wurde oder wenn eine Fortsetzung der Beschäftigung auf Dauer verbindlich zugesagt wird. Ein solcher Fall liegt hier jedoch ersichtlich nicht vor. Die Beschäftigungen des Klägers zu 1) und auch der Klägerin zu 2) sind nicht kurzzeitig, sondern jeweils für länger unterbrochen gewesen. Der Kläger zu 1) war im maßgeblichen Zwei-Jahreszeitraum gut 1 ? Jahre beschäftigungslos.
Soweit die Behörden darüber hinaus offenbar (vgl. den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 18. Juni 2003, S. 5) noch eine weitergehende Härteprüfung vornehmen, hat die Widerspruchsbehörde die Annahme einer solchen rechtsfehlerfrei verneint. Es ist zutreffend angeführt worden, dass wegen des Vorrangs anderer Personengruppen tendenziell alle von dem Erlass vom 22. Mai 2001 erfassten, nämlich geduldeten Personen nur unter Schwierigkeiten eine Arbeitserlaubnis erhalten haben.
2. Soweit sich die Kläger auf den Erlass des Nds. Innenministeriums vom 21. Januar 2002 berufen, kann dies schon deshalb keinen Erfolg (mehr) haben, weil dieser im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung durch das Einführungsschreiben zu den Vorläufigen Niedersächsischen Verwaltungsvorschriften zum AufenthG vom 31. März 2005 aufgehoben worden ist. Es entspricht zudem ständiger von der erkennenden Kammer bisher nicht beanstandeter Verwaltungspraxis, diesen Erlass nicht anzuwenden, wenn - wie hier für jugoslawische Staatsangehörige - Sonderregelungen bestehen.
3. Die Kläger haben auch keinen Anspruch aus § 25 Abs. 5 AufenthG. Dies setzt u.a. voraus, dass ihre freiwillige Ausreise in das Heimatland aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen in absehbarer Zeit unmöglich ist.
In tatsächlicher Hinsicht ist dies nicht erkennbar. Es besteht, insbesondere auch für albanische Volkszugehörige, die Möglichkeit mit einem EU-Laissez-Passer in den Kosovo zu reisen (vgl. Erlasse des Nds. Innenministeriums vom 23. September und 25. Juni 2004, Nr. 5).
Auch rechtliche Ausreisehindernisse liegen nicht vor. Soweit die Kläger auf Schwierigkeiten in ihrem Heimatland hinweisen, insbesondere auch auf den Gesundheitszustand der Kläger zu 2) und 3), kann dies im Hinblick auf § 42 AsylVfG hier nicht berücksichtigt werden. Denn insoweit bestehen für die Ausländerbehörde bindende Entscheidungen des Bundesamtes über zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse. Eine darüber hinausgehende Zumutbarkeitsprüfung erfolgt im Rahmen des § 25 Abs. 5 AufenthG insoweit nicht (vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 8 LA 84/04 -S. 3).
Auch Art. 8 EMRK begründet im Hinblick auf den langen Aufenthalt der Kläger und deren Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland kein Ausreisehindernis.
Nach Abs. 1 der genannten Vorschrift wird u.a. das Privatleben geschützt. Abs. 2 ermöglicht aber Eingriffe u.a. dann, wenn dies gesetzlich vorgesehen und für die öffentliche Ordnung notwendig ist, wobei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist.
Die Regelungen des AufenthG begründen hiernach zulässige Schranken des Aufenthaltsbestimmungsrechts eines Ausländers. Sie dienen u.a. der Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Nach § 4 AufenthG ist es deshalb grundsätzlich erforderlich, einen Aufenthaltstitel zu besitzen. Dabei ist in den Bestimmungen des AufenthG im Einzelnen geregelt ist, unter welchen Voraussetzungen diese erteilt werden können. Dem steht es entgegen, allein durch den faktischen Aufenthalt mit der hiermit häufig verbundenen Integration in die deutschen Lebensverhältnisse ein Bleiberecht zu begründen.
Allerdings wird in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass allein ein langjähriger Aufenthalt und die Integration sowie eine fehlende Verbindung zum Heimatstaat zur Unverhältnismäßigkeit einer Ausreisepflicht führen könne (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 24. Juni 2004 - 11 K 4809/03 - InfAuslR 2005, 106 ff.; VG Oldenburg, Beschluss vom 12. August 2003 - 12 B 2841/03 - InfAuslR 2003, 433 f.). Dieser Ansicht vermag die Kammer jedoch mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zu folgen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 1998 - 1 B 105.98 - Buchholz 402.240 § 30 AuslG Nr. 10; Beschluss vom 30. April 1997 - 1 B 74.97 -juris; vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. September 2003 - 13 ME 331/03 -).
Die Kläger können sich nicht auf ein rechtlich schutzwürdiges Vertrauen berufen. Sie haben sich nämlich ohne ein Aufenthaltsrecht zu besitzen in die Bundesrepublik Deutschland begeben. Während der gesamten Zeit ihres bisherigen Aufenthalts musste ihnen daher bewusst sein, dass ein dauerhafter Verbleib nicht möglich ist. Sie hatten während ihres Aufenthalts grundsätzlich damit zu rechnen, wieder in ihr Heimatland zurückkehren zu müssen. Das gilt auch unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Kosovo, insbesondere des Umstandes, dass vorübergehend - insbesondere während der kriegerischen Ereignisse im Jahre 1999 - eine freiwillige Rückkehr nicht möglich gewesen sein dürfte. Für die minderjährig eingereisten bzw. in Deutschland geborenen Kläger zu 3) bis 5) gilt nichts anderes. Ihnen wird nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen (§ 166 BGB) die Kenntnis ihrer Eltern als gesetzliche Vertreter zugerechnet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. April 1997 a.a.O.). Wie der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung zutreffend ausgeführt hat, ist es daher die Pflicht der Kläger zu 1) und 2) gewesen, ihre Kinder in geeigneter Weise auch auf ein Leben außerhalb der Bundesrepublik Deutschland vorzubereiten.
Eine andere Betrachtung würde im gewaltengeteilten Staat (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) auch die den Ausländerbehörden bzw. den Verwaltungsgerichten zugewiesenen Kompetenzen, die im Vollzug und der Auslegung von Rechtsvorschriften bestehen, überschreiten. Es würde ohne eindeutige gesetzgeberische Erklärung oder eine politische Entscheidung der obersten Landesbehörden im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Inneren (§ 23 AufenthG) der Verbleib größerer Personengruppen, die die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht erfüllen, ermöglicht. Dass es solcher politischer Entscheidungen bedarf, zeigt zudem der Umstand, dass diese Stellen durch hinreichend eindeutige Kriterien bestimmen müssten, welche der betroffenen Ausländer ein Aufenthaltsrecht erhalten.
Eine Lösung für die auch nach Ansicht des Gerichts schwerwiegende Problematik der Kläger ist daher - solange kein politischer Konsens für eine erneute Altfallregelung nach § 23 AufenthG gefunden wird - lediglich außerrechtlich, nämlich auf Grund der Härtefallregelung des § 23 a AufenthG, möglich.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3, 154 Abs. 1, 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO. Die Rechtssache hat im Hinblick auf die Frage, ob ein langer Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland und die damit verbundenen Integration in hiesige Lebensverhältnisse zu einem aus Art. 8 EMRK resultierenden rechtlichen Ausreisehindernis führen kann, grundsätzliche Bedeutung.