Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 26.05.2005, Az.: 7 B 1964/05
Verbot der Abschiebung eines Togoers; Begründung einer Verfolgungsgefahr durch die Dokumentation der oppositionellen Gesinnung des Asylbewerbers; Erkenntnisse zur politischen Lage in Togo nach den Wahlen im Jahr 2005
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 26.05.2005
- Aktenzeichen
- 7 B 1964/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 34073
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2005:0526.7B1964.05.0A
Rechtsgrundlagen
- § 71 Abs. 5 S. 2 AsylVfG
- § 60 Abs. 1 AufenthG
Verfahrensgegenstand
Asylrecht, Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 7. Kammer -
am 26. Mai 2005
durch
die Einzelrichterin
beschlossen:
Tenor:
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, gegenüber der Ausländerbehörde des Landkreises Wesermarsch zu erklären, dass der Antragsteller auf die Mitteilung vom 28. Januar 2005 nicht abgeschoben werden darf.
Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Der Antrag des Antragstellers wird dahingehend ausgelegt, dass er die Verpflichtung der Antragsgegnerin als Rechtsträgerin des Bundesamtes im Wege der einstweiligen Anordnung begehrt, gegenüber der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde, hier dem Landkreis Wesermarsch, zu erklären, dass auf die Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG der Antragsteller nicht abgeschoben werden darf. Die Antragsgegnerin hat gegenüber der Ausländerbehörde allerdings keine gesonderte Mitteilung nach § 71 Abs. 5 S. 2 AsylVfG gemacht, sondern ihr am 28. Januar 2001 den Folgeantrag des Antragsstellers ablehnenden Bescheid vom gleichen Tage übersandt. Dieser enthält auf Seite 2 die Formulierung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1-3 VwVfG nicht erfüllt seien.
Der ist Antrag zulässig und begründet. Der Antragsteller hat sowohl einen Anordnungsanspruch (Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung) als auch einen Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit der Regelung) nach Maßgabe des § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO glaubhaft gemacht.
Der Antragsteller, der nach dem Willen der Ausländerbehörde bis zum 11. Juni 2005 freiwillig nach Togo zurückkehren soll und dem anderenfalls die Abschiebung nach Togo angedroht worden ist (vgl. Schreiben des Landkreises Wesermarsch vom 09. Mai 2005), hat einen Anspruch auf die Aussetzung der Abschiebung glaubhaft gemacht. Denn es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abzulehnen (vgl. Bescheid vom 28. Januar 2005), gegen die der Antragsteller eine Verpflichtungsklage erhoben hat (7 A 617/05), deren Erfolgsaussichten unter Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gericht zu beurteilen ist, vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG. Auf Grund der aktuellen Lage in Togo bestehen ernstliche Zweifel daran, dass an der Entscheidung des Bundesamtes jedenfalls im Hinblick auf Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 1 AufenthG (weiter) festgehalten werden kann. Zwar müssen diverse vom Antragsteller vorgelegte Beweismittel im Hinblick auf § 71 Abs. 3 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 3 VwVfG unberücksichtigt bleiben (so der vorgelegte Zeitungsartikel aus der Zeitung Le Journal d' Information vom 15. August 2004, die Bescheinigung des ... vom 17. Juni 2004 (hier ist völlig unklar, wann diese den Kläger erreichte), die Bescheinigung über die Teilnahme an einer Demonstration in Kiel am 07. Juli 2004, die Bescheinigung über die Teilnahme an einer Veranstaltung von ... in Bremen am ...). Denn der Asylfolgeantrag des Klägers datiert vom 13. Dezember 2004, beim Bundesamt eingegangen am 17. Dezember 2004. Allerdings kann sich der Antragsteller, der in Togo Mitglied der UFC gewesen ist (s.a. Urteil vom 13. Mai 2004 im Verfahren 7 A 1264/03), auf zwei Veröffentlichungen in der Zeitschrift Le Canard Indépendant vom 08. Oktober 2004 und vom 17. September 2004 berufen. Diese dokumentieren die oppositionelle Gesinnung des Antragstellers. Allerdings enthält insbesondere auch der vom Antragsteller selbst verfasste Artikel insoweit nur allgemeine Phrasen ohne weiter gehende Brisanz. Zu derartigen Veröffentlichungen hat das Auswärtige Amt seit geraumer Zeit in diversen Stellungnahmen darauf hingewiesen, dass Veröffentlichungen von Asylbewerbern aus Deutschland in togoischen Zeitschriften, Zeitungen von Exiltogoern oder im Internet nicht zu einer Gefahr für die Autoren führen, vom togoischen Regime verfolgt zu werden. Derartige Artikel würden von der Regierung nicht ernst genommen. Eine feststellbare Reaktion sei bislang nur in spektakulären Einzelfällen erfolgt, als z.B. der Herausgeber einer Zeitung dem Präsidenten unterstellt hatte, Milliarden Dollar angehäuft zu haben. Mittlerweile liege sogar eine Stellungnahme der togoischen Regierung vom 26. August 2004 zu derartigen Artikeln vor, in der erklärt werde, dass die togoische Regierung erkenne, dass Asylbewerber mittels bezahlter Artikel in der togoischen Presse einen Sachverhalt konstruierten, um ihn anschließend als Argument in ihrer Asylantragstellung zu benutzen (siehe dazu Auswärtiges Amt an VG Oldenburg vom 01. Februar 2005; Auswärtiges Amt an VG Hannover vom 27. Dezember 2004; Auswärtiges Amt an VG Hannover vom 4. Juli 2004; Auswärtiges Amt an VG Arnsberg vom 30. März 2004).
Die vorgenannten Erkenntnismittel beziehen sich aber sämtlichst auf eine Situation vor der Machtergreifung des Fauré Gnassingbé im Frühjahr dieses Jahres. Der Antragsteller hat in seinem Antrag zutreffend darauf hingewiesen, dass die politische Lage in Togo seit dem Tod des früheren Präsidenten Eyadema und insbesondere auch nach den Präsidentschaftswahlen im April 2005 extrem instabil ist und es seitdem zu erheblichen gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition gekommen ist. Der UNHCR berichtete am 02. Mai 2005 darüber, dass wegen der Unruhen nach den Wahlen in Togo rund 16.500 Togolesen in die Nachbarländer Benin und Ghana geflohen seien (sh. www.unhcr.de/print.php?aid=1208). In den so genannten Briefing Notes des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 17. Mai 2005 ist bereits von 26.000 Flüchtlingen die Rede, in den Briefing Notes vom 23. Mai 2005 von rund 32.000 Flüchtlingen, obwohl der Flüchtlingsstrom etwas abgeebbt sei und einige Flüchtlinge nach Togo zurückgekehrt seien. Auch das Auswärtige Amt beziffert die Zahl der Flüchtlinge in einer Pressemitteilung vom 23. Mai 2005 auf 31.000 (www.auswaertiges-amt.de/www/de/ausgabe_archiv??archiv_id=7204) und rät dazu, nur solche Reisen nach Togo zu unternehmen, die unaufschiebbar seien (sh. Auswärtiges Amt, Togo Sicherheitshinweise vom 09. Mai 2005). In der Zeitschrift TAZ vom 18.05.2005 (www.taz.de/pt/2005/05/18/a0104.mf/textdruck) wird über einen Bericht der togoischen Menschenrechtsliga LTDH informiert, wonach seit dem 28. März in Togo rund 790 Menschen getötet und weit über 4000 verletzt worden seien. Das Gericht hält die Zahl der Flüchtlinge angesichts der Größe der Gesamtbevölkerung (rund 5 Millionen) für erheblich und für einen bedeutsamen Indikator dafür, dass die gegenwärtige togoische Regierung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln um ihren Machterhalt kämpft. Einer vergleichbaren Bedrohung ist das togoische Regime seit langer Zeit nicht mehr ausgesetzt gewesen. Vor diesem Hintergrund ist das Gericht davon überzeugt, dass politisch oppositionell denkende und handelnde Togoer - so auch der Antragsteller - im Falle ihrer Rückkehr nach Togo gegenwärtig mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung zu gewärtigen haben. Eine alsbaldige Beruhigung der Lage ist gegenwärtig nicht erkennbar, insbesondere auch nicht im Hinblick auf die angekündigte "Regierung der nationalen Einheit".
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83 b Abs. 1 AsylVfG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).