Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 07.09.2000, Az.: 6 A 325/99
Bestehen einer Pflicht zur Erteilung einer unentgeltlichen Auskunft an eine Privatperson über den sie betreffenden Inhalt des örtlichen oder des Zentralen Fahrerlaubnisregisters; Durchbrechung der Möglichkeit einer Kostenerhebung nach § 6a Abs. 1 Nr. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) für Registerauskünfte durch die Regelung des § 58 StVG; Beschränkbarkeit der Kostenfreiheit auf eine zu rein privaten Zwecken erbetene Auskunft
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 07.09.2000
- Aktenzeichen
- 6 A 325/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 32206
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2000:0907.6A325.99.0A
Rechtsgrundlagen
- § 6a Abs. 1 Nr. 1 StVG
- § 58 StVG
Fundstellen
- DAR 2001, 43 (amtl. Leitsatz)
- NZV 2001, 192
- NdsVBl 2001, 121-122
Verfahrensgegenstand
Verwaltungskosten (Gebühren und Auslagen)
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 6. Kammer -
ohne mündliche Verhandlung
am 07. September 2000
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht ...,
den Richter am Verwaltungsgericht ... und
die Richterin am Verwaltungsgericht ... sowie
die sowie
die ehrenamtlichen Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger 21,50 DM zurückzuerstatten.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 21,50 DM festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger verlangt die Rückerstattung von Verwaltungskosten, die die Beklagte für eine ihm erteilte Auskunft aus ihrem Fahrerlaubnisregister erhoben hat.
Anfang des Jahres 1999 beantragte der Kläger bei seiner Wohnortgemeinde, seine Fahrerlaubnis auf die seit Januar 1999 geltenden neuen Fahrerlaubnisklassen umzustellen. Weil er seine Fahrerlaubnis erworben hatte, als er noch im Gebiet der Beklagten wohnte, forderte seine Wohnortgemeinde vom Kläger, sich die ihn betreffenden Daten aus dem Fahrerlaubnisregister der Beklagten bescheinigen zu lassen und ihr vorzulegen.
Auf den fernmündlich gestellten Antrag des Klägers sandte die Beklagte ihm die gewünschte Auskunft per Nachnahme zu, wobei sie 15 DM für Gebühren und 6,50 DM Postauslagen erhob.
Nach einem Schriftwechsel mit seiner Wohnortgemeinde und mit dem Nds. Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr brachte der Kläger mit Schreiben vom 06.12.1999 auch gegenüber der Beklagten zu Ausdruck, dass er mit der Kostenerhebung nicht einverstanden sei. Ein Widerspruchsverfahren hat die Beklagte daraufhin nicht eingeleitet.
Mit der am 30.12.1999 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Ziel weiter.
Er beantragt (sinngemäß),
die Entscheidung zur Kostenerhebung aufzuheben und ihm die gezahlten 21.50 DM zurückzuerstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Meinung, die Klage sei unzulässig, da ein Vorverfahren nicht durchgeführt worden sei. Außerdem sei die Klage unbegründet, da sie die Verwaltungskosten zu Recht erhoben habe. Rechtsgrundlage für die in Form eines Verwaltungsaktes erhobene Gebühr sei § 1 Abs. 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) in Verbindung mit der Generalklausel der Nr. 399 der Anlage zu § 1 GebOSt, wonach auch für andere als die ausdrücklich aufgeführten Amtshandlungen Gebühren erhoben werden könnten. § 58 StVG stehe dem nicht entgegen, da er auf diesen Fall einer Auskunftserteilung zum Zwecke der Umstellung der Fahrerlaubnis nicht anwendbar, sondern allein auf datenschutzrechtliche Belange beschränkt sei. Dies bestätige auch ein Vergleich mit § 25 Abs. 4 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV), wonach eine Kostenerstattungspflicht für den Fahrerlaubnisinhaber bestehe, der nach dem Verlust seines Führerscheins einen Ersatzführerschein beantrage. Sowohl bei der Ausstellung des Ersatzführerscheins als auch bei der Umstellung auf die neuen Fahrerlaubnisklassen werde derselbe Zweck verfolgt, so dass auch eine vergleichbare Kostenverpflichtung bestehe. Die Auslagen seien auf der Grundlage von § 2 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt rechtmäßig erhoben worden und zwar unabhängig davon, ob Gebührenfreiheit bestehen sollte, oder nicht (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GebOSt).
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des vorgelegten Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (101 Abs. 2 VwGO), ist als Leistungsklage zulässig.
Entgegen der im Verwaltungsrechtsstreit geäußerten Auffassung der Beklagten, die mit Blick auf § 75 VwGO ohnehin nicht schlüssig ist, hat sie die streitigen Kosten (Gebühren und Auslagen) nicht aufgrund eines Verwaltungsaktes erhoben. Sie hat einen dahingehenden Kostenbescheid (entgegen den ihrer Ansicht nach anzuwenden Vorschriften der §§ 6 GebOSt, 14 Abs. 1 VwKostG) weder mündlich noch schriftlich erlassen. Die Beklagte hat auch sonst nicht (durch schlüssiges Verhalten) zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Regelung im Sinne der §§ 1 Abs. 1 NdsVwVfG, 35 VwVfG treffen wollte. Das Verhalten der Beklagten darf nicht in diesem Sinne gedeutet werden, weil eine Kostenerhebung in dieser Form schon nach §§ 6 GebOSt, 14 Abs. 1 VwKostG, die den Erlass eines mündlichen oder schriftlichen Kostenbescheides fordern, der zudem gewissen Mindestanforderungen genügen muss, nicht statthaft wäre. Da Kosten der hier in Rede stehenden Art vor der Bekanntgabe des Kostenbescheides gemäß §§ 6 GebOSt, 17 VwKostG gar nicht fällig sind, dürfen sie im Übrigen im Wege einer Postzustellung gegen Nachnahmegebühr, die in diesem Falle schließlich auch zu unverhältnismäßigen Mehrkosten geführt hat, auch nicht geltend gemacht werden (vgl. dazu ferner Thür. OLG, Beschl. vom 23.04.1997, GewArch 1997, 327).
Die Klage ist auch begründet, da die Erhebung der Kosten rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.
Die Beklagte hat die Kosten ohne Rechtsgrundlage erhoben. Die dem Kläger erteilte Auskunft unterfällt dem Anwendungsbereich des § 58 StVG, der eine Kostenerhebung ausdrücklich ausschließt. Nach § 58 StVG wird die Auskunft, die eine "Privatperson" über den sie betreffenden Inhalt des örtlichen oder des Zentralen Fahrerlaubnisregisters beantragt, schriftlich und "unentgeltlich" erteilt. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift darf für die schriftlich zu erteilende Auskunft Geld - sei es zur Gebührenerhebung oder als Ersatz für (Post-) Auslagen - nicht erhoben werden.
Für die von der Beklagten angeführten Kostenvorschriften ist demgegenüber kein Raum. Anhaltspunkte dafür, dass eine einschränkende Interpretation des § 58 StVG in Erwägung zu ziehen wäre mit dem Ziel, seinen Anwendungsbereich auf rein "datenschutzrechtliche Zwecke" zu beschränken, wie die Beklagte meint, sind nicht ersichtlich. Zwar geht § 6a Abs. 1 Nr. 1 StVG grundsätzlich davon aus, dass Kosten (Gebühren und Auslagen) u.a. auch für Registerauskünfte erhoben werden können. Diesen Grundsatz durchbricht die Regelung des § 58 StVG jedoch speziell für die dort genannte Auskunft. Weder aus dem Wort "Privatperson" noch aus dem systematischen Zusammenhang des § 58 StVG kann gefolgert werden, dass kostenfrei nur die Auskunft zu sein habe, die zu "rein" privaten Zwecken erbeten wird. Einen dahingehenden Sinn hat § 58 StVG nicht. Abgesehen davon, dass die Auffassung der Beklagten für die um Auskunft ersuchte Behörde die Schwierigkeiten mit sich bringen würde, bei jedem Auskunftsbegehren über die Motive für den Antrag entscheiden zu müssen, die die antragstellende Person ihr ohnehin nicht mitteilen müsste, lässt insbesondere auch der systematische Zusammenhang der Vorschrift nicht erkennen, dass sie allein auf datenschutzrechtliche Belange des Bürgers zugeschnitten und (entgegen ihrem Wortlaut) darauf beschränkt sein sollte. Die Vorschriften des Abschnitts VI. des Straßenverkehrsgesetzes beschränken sich nicht lediglich auf die Regelung datenschutzrechtlicher Aspekte der "Fahrerlaubnisregister", sie legen insbesondere ihre Errichtung sowie die damit verbundenen Aufgaben fest. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Gesetzgeber bei Erlass der Vorschriften dieses Abschnitts wusste, dass das bei dem Kraftfahrt-Bundesamt erst noch einzurichtende Zentrale Fahrerlaubnisregister noch nicht alle erforderlichen Daten erfasst hat, macht die Kostenfreiheit der Auskunftserteilung durchaus gerade auch dann Sinn, wenn es nicht lediglich um den privaten Nutzen einer Auskunft geht: Indem es den Bürgern durch die Kostenfreiheit erleichtert wird, die sie betreffenden Auskünfte zu erlangen, kann auf diese Auskünfte auch zurückgegriffen werden, soweit sie (auch) im öffentlichen Interesse benötigt werden. An diese Überlegung anknüpfend hat das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr mit seinem Erlass vom 19.11.1998 (Az: 401.4-30001/20-1) angeordnet, dass derjenige, der von seinem Recht nach § 7 Abs. 7 FeV Gebrauch machen und einen auf die neuen Fahrerlaubnisklassen umgestellten Führerschein erhalten möchte, eine sog. "Karteikartenabschrift" seiner früheren Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen hat. Damit soll verhindert werden, dass gefälschte oder verfälschte alte Führerscheine "reingewaschen" werden. Könnte nicht auf die Mitwirkung des Bürgers verwiesen werden, müssten die durch die gesetzlichen Neuregelungen ohnehin stark beanspruchten Behörden diese Anfragen selbst durchführen. So ist auch im Falle des Klägers verfahren worden. Dass die von ihm beigebrachte Auskunft kostenfrei gewesen wäre, wenn der Kläger sie aus privaten Erwägungen eingeholt hätte, während seine nicht zuletzt zur Entlastung der Fahrerlaubnisbehörden geforderte Mitwirkung ihm neben den Kosten für die Umstellung seiner Fahrerlaubnis (weitere, Auskunfts-)Kosten verursacht, kann von § 58 StVG schlechterdings nicht beabsichtigt sein.
Demzufolge kann die Beklagte für ihre Ansicht auch nichts aus der Regelung des § 25 Abs. 4 FeV herleiten, wonach die Behörde bei einem Antrag auf Ausstellung eines Ersatzführerscheins für einen abhanden gekommenen Führerschein gehalten ist, "auf Kosten des Antragstellers" bei einschlägigen Stellen Auskünfte einzuholen, um sich zu vergewissern, dass der Antragsteller die entsprechende Fahrerlaubnis besitzt. Für die Auslegung des § 58 StVG gibt diese Regelung nichts her. Insbesondere kann auch nicht angenommen werden, daraus ergäbe sich ein Anreiz, zur Kostenersparnis eher eine Neuausstellung wegen Verlustes als eine Umschreibung zu beantragen. Das Gegenteil ist richtig. Nur wenn der Auffassung der Beklagten gefolgt und die Umschreibung in dem von ihr praktizierten Sinne verteuert würde, könnte überhaupt erwogen werden, dass die von § 25 Abs. 4 FeV besonders vorgesehene Kostentragungspflicht zu letztlich geringeren Kosten führen könnte. Auch solchen "Umgehungsüberlegungen" steht die Kostenfreiheit nach § 58 StVG entgegen.
Der Klage ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zur Abwendungsbefugnis ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 2 GKG.