Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.03.1998, Az.: 15 K 351/96

Flurbereinigungsverfahren; Vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren; Naturschutz; Anordnung; Verpachtung; Landschaftspflege

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.03.1998
Aktenzeichen
15 K 351/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 14172
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1998:0305.15K351.96.0A

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Zur Abgeltung der dem Gericht entstandenen baren Auslagen wird gegen den Kläger ein Pauschsatz in Höhe von 100,-- DM festgesetzt. Daneben wird eine Gerichtsgebühr nach einem Streitwert von 8.000,-- DM erhoben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Kläger ist Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes und mit 18,1322 ha an dem vereinfachten Flurbereinigungsverfahren ... beteiligt. Das Flurbereinigungsverfahren umfaßt eine Verfahrensfläche von rd. 877 ha und wurde durch Beschluß des Beklagten vom 1. März 1995 nach der Durchführung einer Aufklärungsversammlung am 23. Februar 1995 mit folgender Begründung angeordnet:

2

"Zur Durchführung von Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege werden landwirtschaftliche Nutzflächen in Anspruch genommen oder in ihren Bewirtschafttungsmöglichkeiten eingeschränkt. Das vereinfachte Flurbereinigungsverfahrens verfolgt den Zweck, die dadurch entstehenden Landnutzungskonflikte aufzulösen, wobei die Ausweisung eines Naturschutzgebietes zur Sicherung eines nachhaltig leistungsfähigen Naturhaushaltes sowie zur Förderung und Erweiterung der schützenswerten ... des ... unterstützt werden soll.

3

Daneben sollen Maßnahmen der Landentwicklung, insbesondere Agrarstrukturverbesserungen durch Zusammenlegung und Wegebau und der Dorferneuerung durchgeführt werden.

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Das Flurbereinigungsverfahren ... ist ein geeignetes Mittel, die öffentlichen Planungen koordiniert zu verwirklichen und gleichzeitig die Eigentumsrechte der Grundeigentümer zu garantieren. Zur Umsetzung der Maßnahmen des Naturschutzes wurden bereits umfangreich Flächen erworben.

5

Das Verfahrensgebiet umfaßt die schutzwürdigen Bereiche des ... sowie die Teile nördlich und südlich, die zur Gewährleistung der wertgleichen Abfindung unter Beachtung der Besitzverzahnungen zur umfassenden Durchführung des Verfahrens erforderlich sind.

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..."

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Gegen die Anordnung des Flurbereinigungsverfahrens legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend: Es gebe im Verfahrensgebiet viele Verpächter, die aus Alters- oder Gesundheitsgründen ihr Land verpachtet hätten und keine Landwirtschaft mehr betreiben würden. Diese Gruppe werde bei der Durchführung des Flurbereinigungsverfahrens mit hoher Wahrscheinlichkeit benachteiligt. Ihr gut zu verpachtendes Land im Kerngebiet gehe möglicherweise verloren. Voraussichtlich werde ihnen vom beklagten Amt schlecht oder gar nicht mehr zu verpachtendes Land in Randlagen zugeteilt. Im Verfahrensgebiet stehe genügend Land für Kauf willige zur Verfügung. Kein Grundstückseigentümer wolle sich allerdings sein Land gegen seinen Willen wegnehmen lassen. Der Ort ... sei in das Dorferneuerungsprogramm aufgenommen worden. Zu dessen Durchführung sei ein Flurneuordnungsverfahren nicht erforderlich. Der Naturschutz im Bereich der Altarme des Aper Tiefs lasse sich auch ohne Flurbereinigungsverfahren realisieren. Die knappen Geldmittel der öffentlichen Hand erlaubten die Durchführung eines Flurbereinigungsverfahrens nicht. Eine Zusammenlegung der Grundstücke im Verfahrensgebiet sei nicht erforderlich. Die überwiegende Anzahl der Grundeigentümer sei mit dem heutigen Landzuschnitt zufrieden. Wie in den vergangenen Jahrzehnten könne eine weitere Zusammenlegung im Rahmen des freiwilligen Landtausches erfolgen. Es sei daher nicht einzusehen, warum der Beklagte sich einmische und den Dorf frieden störe. Es sei zu erwarten, daß weit höhere Kosten als die vom Beklagten veranschlagten 400,-- DM pro Hektar entstehen würden. Das treffe z.B. auch auf die 4 %ige Landabgabe zu. Die Mehrzahl der Grundstückseigentümer wolle an dem Flurneuordnungsverfahren nicht teilnehmen. Die Vorgehensweise des Beklagten widerspreche damit dem Demokratieverständnis.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 1995 wies die Bezirksregierung Weser-Ems den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung aus: Die Anordnung des vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens Vreschen-Bokel sei in formeller und materieller Hinsicht rechtlich nicht zu beanstanden. Vor der Anordnung des Verfahrens seien die voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer in einem Erörterungstermin am 23. Februar 1995 aufgeklärt sowie die landwirtschaftliche Berufsvertretung, die Gemeinden, beteiligten Verbände, Dienststellen und Behörden unterrichtet und angehört worden. Entsprechend den Hauptsatzungen der Gemeinden Apen, Barßel, Edewecht und Uplengen sowie der Samtgemeinde Jümme und der Stadt Westerstede sei der Anordnungsbeschluß gemäß § 86 Abs. 2 Nr. 1 FlurbG iVm § 110 FlurbG ordnungsgemäß öffentlich bekanntgemacht worden. Der Beschluß einschließlich Begründung und Gebietskarte, dem Verzeichnis der Verfahrensstücke, der Aufforderung zur Anmeldung unbekannter Rechte und der Hinweis auf die Beschränkung der Nutzungs- und Baurechte im Flurbereinigungsgebiet habe bei den Kommunen für einen Zeitraum von einem Monat ausgelegen. Die Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 Nr. 1 und 3 iVm Abs. 2 Nr. 1 FlurbG für die Anordnung des vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens seien gegeben. Das Verfahren sei erforderlich, um Maßnahmen der Landentwicklung zu ermöglichen oder auszuführen und um Landnutzungskonflikte aufzulösen. Zu den Maßnahmen der Landentwicklung seien insbesondere Maßnahmen der Agrarstrukturverbesserung, der Siedlung, der Dorferneuerung, städtebauliche Maßnahmen, Maßnahmen des Umweltschutzes, der naturnahen Entwicklung von Gewässern, des Naturschutzes und der Landschaftspflege oder der Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes zu zählen. Im Raum Vreschen-Bokel sei das "Aper Tief" mit seinen besonders schutzwürdigen Altarmen für den Naturschutz von großer Bedeutung. Demzufolge weise auch der Landschaftsrahmenplan des Landkreises Ammerland den Bereich der Altarme des "Aper Tiefs" als Gebiet mit besonderer Bedeutung für Natur und Landschaft aus. Das angeordnete Flurbereinigungsverfahren solle die Interessen von Naturschutz und Landwirtschaft entflechten; insbesondere dort, wo durch Maßnahmen des Naturschutzes hofnahe Flächen von Milchviehbetrieben beeinträchtigt würden. Es sei davon auszugehen, daß bei der Durchführung des Verfahrens ein bis zwei landwirtschaftliche Betriebe ausgesiedelt werden müßten. Zur Verbesserung der Erschließung der landwirtschaftlichen Nutzflächen sei auf überwiegend vorhandenen Trassen ein Wegebau erforderlich. Weiterhin seien im Bereich des "Aper Tiefs" auf rd. 5 km Länge gewässergestaltende Maßnahmen vorgesehen. Ferner solle die Eigenart der ländlichen Siedlung durch die Förderung der Dorferneuerung im Ort Vreschen-Bokel bewahrt werden. Der Verfahrenszweck "Auflösung von Landnutzungskonflikten" ergebe sich aus eigentums- und besitzrechtlich unabhängigen Mehrfachnutzungen ländlicher Grundstücke. Das angeordnete Verfahren sei im Zusammenhang mit Maßnahmen der Landentwicklung geeignet, den Konflikt zwischen landwirtschaftlicher und naturschutzfördernder Nutzung zu reduzieren bzw. aufzulösen. Dies werde schon dadurch deutlich, daß die Anregung zur Einleitung des Verfahrens von der Unteren Naturschutzbehörde, dem Landkreis Ammerland, und der Oberen Naturschutzbehörde, der Bezirksregierung Weser-Ems, stamme. Die Anordnung des Verfahrens liege auch im Interesse der Beteiligten (§ 86 Abs. 2 Nr. 1 FlurbG iVm § 4 FlurbG). Das Verfahrensgebiet sei gemäß § 7 FlurbG so bestimmt worden, um den Zweck des Verfahrens möglichst vollkommen zu erreichen. Nach § 44 FlurbG seien alle Teilnehmer wertgleich abzufinden. Dadurch würden Verpächter und selbstwirtschaftende Grundstückseigentümer gleichgestellt. Es sei nicht vorgesehen, in dem angeordneten Verfahren Land für öffentliche Anlagen nach § 40 FlurbG aufzubringen. Für den erforderlichen Flächenerwerb würden von der öffentlichen Hand Verhandlungen mit den Eigentümern geführt. Im Anschluß daran erfolge das eigentliche Bodenordnungsverfahren. Zwar könne ein Dorferneuerungsverfahren auch ohne Flurbereinigungsverfahren durchgeführt werden. Aufgrund anderer Prioritäten hätte die Ortschaft Vreschen-Bokel jedoch noch nicht in das Dorferneuerungsprogramm einbezogen werden können. Dieses sei nur zum gegenwärtigen Zeitpunkt in dem angeordneten Flurbereinigungsverfahren möglich. Der Naturschutz kollidiere nicht mit der Flurneuordnung. Das habe sich auch im benachbarten Flurbereinigungsverfahren Apen gezeigt. In dem betroffenen Verfahrensgebiet könnten die notwendigen Grundstückstausche nicht im Rahmen eines freiwilligen Landtausches durchgeführt werden. Nach den bisher veranschlagten Kosten seien keine höheren Kosten als insgesamt rd. 400,-- DM/ha von den Teilnehmern aufzubringen. Der allgemeine Landabzug für die gemeinschaftlichen Anlagen werde 2 % nicht überschreiten. Es treffe nicht zu, daß das Verfahren über die Köpfe der Grundeigentümer hinweg angeordnet worden sei. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Aufklärungsversammlung hätten nur 1/3 der Teilnehmer die Anordnung des Verfahrens abgelehnt. Gegen die Anordnung des Verfahrens seien 112 Widersprüche eingelegt worden. Bei 192 Teilnehmern seien das 58 %. Die von den Widerspruchsführern vertretene Fläche umfasse 349 ha mit 39,8 % der Verfahrensfläche. Zwischenzeitlich seien 39 Widersprüche zurückgenommen worden, so daß zur Zeit noch 73 Widersprüche (= 38 %) anhängig seien. Davon seien 295 ha Verfahrensfläche (= 33 %) betroffen.

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Der Kläger hat am 12. Januar 1996 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Die Anordnung des vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens Vreschen-Bokel sei rechtswidrig. Ob der angefochtene Flurbereinigungsbeschluß entsprechend den Rechtsvorschriften der betroffenen Gemeinden ordnungsgemäß bekanntgemacht worden sei, könne von ihm nicht festgestellt werden und müsse dem Vortrag des beklagten Amtes überlassen bleiben. Das beklagte Amt habe die Anordnung des Verfahrens auf § 86 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG gestützt, um die notwendigen Maßnahmen des Naturschutzes und der Landwirtschaftspflege zu ermöglichen. Weitere Voraussetzung für die Anordnung des Verfahrens auf dieser Rechtsgrundlage sei jedoch, daß bereits bei der Anordnung des Verfahrens die für das Unternehmen unmittelbar benötigten Flächen erworben seien. Davon könne im vorliegenden Fall nicht ansatzweise die Rede sein. Der Anspruch der Teilnehmer auf eine wertgleiche Landabfindung nach § 44 FlurbG sei demnach gegenwärtig nicht gesichert. Aus den Verwaltungsvorgängen ergebe sich, daß mit einem Ankauf von ca. 27 ha, also einem guten Drittel der derzeit geplanten Fläche des Naturschutzgebietes, gerechnet werden könne. Wenn die Flächen im Naturschutzgebiet weiter im Eigentum Privater bleiben sollten, was durchaus möglich sei, brauche das Flurbereinigungsverfahren nicht angeordnet zu werden. Demgegenüber werde das Flurbereinigungsverfahren nur betrieben, um den Grunderwerb zu regeln. Das ergebe sich deutlich aus den Verwaltungsvorgängen des Beklagten. Ein vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren könne auch nur angeordnet werden, um notwendige Maßnahmen des Naturschutzes zu ermöglichen. Notwendige Maßnahmen könnten aber nur solche sein, die das erforderliche Ausweisungsverfahren bereits durchlaufen hätten. Jedenfalls müsse aber feststehen, welche rechtssatzmäßige Festlegung späterhin mit Sicherheit verwirklicht werden solle und zu erwarten sei. Die Untere Naturschutzbehörde habe noch keine konkreten Vorstellungen hinsichtlich des zukünftigen Zuschnitts des Naturschutzgebietes. Es werde eine Fläche zwischen 40 - 70 ha genannt. Außerhalb des Kernbereiches sollten unmittelbar angrenzend etwa 80 ha als Pufferzone mit extensiver Nutzung ausgewiesen werden. Demgegenüber sollten aber von der Naturschutzverwaltung nur 40 - 50 ha landwirtschaftliche Nutzflächen angekauft werden. An anderer Stelle werde in den Verwaltungsvorgängen ausgeführt, daß es bislang nur eine grobe Gebietsbegrenzung für das geplante Naturschutzgebiet gebe, das nach jetziger Planung eine Größe von 110 ha haben solle. Für die Anordnung eines vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens sei erforderlich, daß sich das naturschutzrechtliche Planungsverfahren derart konkretisiert habe, daß mit dessen Realisierung in Kürze gerechnet werden könne. Davon könne im vorliegenden Fall keine Rede sein. Auch nach der Novellierung des § 86 FlurbG müsse ein Interesse der Teilnehmer für die Anordnung des Verfahrens gegeben sein. Das treffe für die mit dem Flurbereinigungsverfahren beabsichtigte Landbeschaffung für das Naturschutzgebiet nicht zu. Als Rechtsgrundlage komme für die Anordnung des Verfahrens auch § 86 Abs. 1 Nr. 3 FlurbG nicht in Betracht. Ein Landnutzungskonflikt liege gegenwärtig nicht vor und könne allenfalls in der Zukunft durch die Ausweisung des Naturschutzgebietes entstehen. Im übrigen verfüge der Beklagte nicht über ausreichende Ersatzflächen, um den Landnutzungskonflikt aufzulösen und die Teilnehmer wertgleich abzufinden. Jedenfalls seien diese Voraussetzungen im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung nicht erfüllt gewesen.

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Der Kläger beantragt,

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den Beschluß des beklagten Amtes vom 1. März 1995 über die Anordnung des vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens Vreschen-Bokel idF des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 13. Dezember 1995 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er erwidert: Die Anordnung des Verfahrens sei in formeller und materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Der Beschluß sei entsprechend den Hauptsatzungen der Gemeinde Apen, Barßel, Edewecht und Uplengen sowie der Samtgemeinde Jümme und der Stadt Westerstede öffentlich bekanntgemacht worden. Der vollständige Beschlußtext einschließlich Begründung habe in den Gemeinden ausgelegen und sei in der Ostfriesenzeitung am 13. März 1995 durch die Gemeinde Uplengen und in der Münsterländischen Tageszeitung sowie dem Generalanzeiger am 24. März 1995 durch die Gemeinde Barßel veröffentlicht worden. Vor der Anordnung des Verfahrens seien die voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer aufgeklärt, sowie die landwirtschaftliche Berufsvertretung, die Gemeindenverbände, Dienststellen und Behörden unterrichtet und angehört worden. Diese hätten sich positiv zur Durchführung des Verfahrens geäußert. Die Anordnung des Flurbereinigungsverfahrens sei auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Im Bereich Vreschen-Bokel sei bereits in den 80iger Jahren die Anordnung eines Flurbereinigungsverfahrens nach den §§ 1, 37 FlurbG vorgesehen gewesen. Die Anordnung des Verfahrens sei dann aber zunächst aus Kapazitätsgründen zurückgestellt worden. Als die Obere Naturschutzbehörde die Ausweisung eines Naturschutzgebietes beabsichtigt habe, sei das vereinfachte Flurbereinigungsverfahren angeordnet worden, um u.a. Maßnahmen der Landentwicklung und des Naturschutzes zu ermöglichen bzw. auszuführen und um damit zu erwartende Landnutzungskonflikte aufzulösen. Das sei nach der Novellierung des § 86 FlurbG durch das Änderungsgesetz vom 23. August 1994 möglich geworden. Der Anwendungsbereich der Vorschrift sei erweitert worden. Die Landentwicklung und die Auflösung von Landnutzungskonflikten seien als neue Verfahrenszwecke in den Katalog der Anordnungsgründe im Rahmen des § 86 FlurbG aufgenommen worden. Im Gebiet des streitigen Flurbereinigungsverfahrens seien Landnutzungskonflikte gegeben, die im Rahmen des angeordneten Flurbereinigungsverfahrens gelöst werden sollten. Der Landschaftsrahmenplan des Landkreises Ammerland weise für den Bereich der Altarme des "Aper Tiefs" Gebiete mit besonderer Bedeutung für Natur und Landschaft aus. Die Bezirksregierung Weser-Ems plane als Obere Naturschutzbehörde aus diesem Grunde die Ausweisung eines Naturschutzgebietes im Bereich des "Aper Tiefs" und habe die Anordnung eines Flurneuordnungsverfahrens angeregt. Am 15. Oktober 1993 sei die Ausweisung eines Naturschutzgebietes und die Anordnung eines Flurbereinigungsverfahrens in einem ersten Abstimmungsgespräch mit der Oberen Naturschutzbehörde sowie am 7. Februar 1994 die Finanzierung der Maßnahmen erörtert worden. Die Abgrenzung des Naturschutzgebietes sei am 20. Juni 1994 mit der Oberen Naturschutzbehörde besprochen und von ihr mit Schreiben vom 13. Juli 1994 dem Landkreis Ammerland mitgeteilt worden. An den damaligen Entwürfen habe sich bis heute nichts geändert. Im Hinblick auf das anhängige gerichtliche Verfahren seien weitergehende Entwürfe nicht von der Bezirksregierung erarbeitet worden. Nach der Ausweisung des Naturschutzgebietes solle eine extensive landwirtschaftliche Bewirtschaftung mit dem Ziel der Grünlanderhaltung noch erlaubt bleiben. Für das geplante ca. 167 ha große Naturschutzgebiet bestehe ein Landbedarf von ca. 107 ha. Im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung hätten dafür rd. 49 ha im öffentlichen Eigentum gestanden. Danach seien weitere 42 ha erworben worden. Durch die Ausweisung eines Naturschutzgebietes werde es zu Landnutzungskonflikten zwischen Naturschutz und Landwirtschaft kommen, da die für den Naturschutz benötigten Flächen gegenwärtig landwirtschaftlich genutzt würden. Zum Teil handele es sich dabei um hofnahe Flächen von Milchviehbetrieben. Es sei davon auszugehen, daß ein bis zwei landwirtschaftliche Betriebe ausgesiedelt werden müßten. Das angeordnete Flurbereinigungsverfahren diene damit u.a. der Entflechtung der Interessen des Naturschutzes und der Landwirtschaft. Dem trage auch die Begrenzung des Flurbereinigungsgebietes Rechnung. Im Osten sei für die Verfahrensgrenze die Landesstraße 827 und die Grenze des benachbarten Flurbereinigungsverfahrens Apen, im Norden das Gewässer "Bitsche", im Westen der arrondierte landwirtschaftliche Betrieb ... und im Süden die Grenzen der Fluren 22 und 33 der Gemarkung Apen bestimmend gewesen.

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Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese waren in ihrem wesentlichen Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

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II.

Die nach § 140 des Flurbereinigungsgesetzes idF der Bekanntmachung vom 16. März 1976 (BGBl I S. 546) und des Gesetzes zur Änderung des Flurbereinigungsgesetzes (FlurbG) vom 23. August 1994 (BGBl I S. 2187) zulässige Klage ist unbegründet.

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Die Anordnung des vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens Vreschen-Bokel durch Beschluß des Beklagten vom 1. März 1995 ist in formeller und materieller Hinsicht rechtlich nicht zu beanstanden.

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Nach § 5 Abs. 1 FlurbG sind vor der Anordnung des Flurbereinigungsverfahrens die voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer in geeigneter Weise eingehend über das geplante Flurbereinigungsverfahren einschließlich der voraussichtlich entstehenden Kosten aufzuklären. Das ist hier geschehen. Der Beklagte hat am 23. Februar 1995 die voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer und die betroffenen Behörden und Gemeinden und andere Körperschaften des öffentlichen Rechts einschließlich der landwirtschaftlichen Berufsvertretung über das geplante Flurbereinigungsverfahren, dessen Durchführung über die voraussichtlichen Kosten unterrichtet. Die entsprechend der Anwesenheitsliste in der Aufklärungsversammlung anwesenden Vertreter der Gemeinden, der landwirtschaftlichen Dienststellen und der Berufsvertretung hatten Gelegenheit, sich zu dem geplanten Verfahren zu äußern. Einwendungen gegen die beabsichtigte Verfahrenseinleitung wurden von ihnen ausweislich der Sitzungsniederschrift nicht erhoben; die Anordnung des Flurbereinigungsverfahrens wurde von ihnen ausschließlich befürwortet. Von den in der Aufklärungsversammlung anwesenden voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümern wurden nach dem Inhalt der Sitzungsniederschrift ebenfalls keine Einwände gegen die Anordnung des Verfahrens erhoben. Mängel der Ladung der voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer zu dem Aufklärungstermin sind von dem Kläger nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich.

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Nach § 86 Abs. 2 FlurbG kann der entscheidende Teil des Flurbereinigungsbeschlusses den Beteiligten in Abschrift übersandt oder öffentlich bekanntgemacht werden; der vollständige Beschluß ist - jedenfalls bei öffentlicher Bekanntgabe - mit Begründung in den Gemeinden, in denen beteiligte Grundstücke liegen, zwei Wochen lang nach der Bekanntmachung zur Einsichtnahme auszulegen (§ 6 Abs. 3 FlurbG). Das ist hier ebenfalls geschehen. Der Beklagte hat den entscheidenden Teil des Anordnungsbeschlusses, und zwar den Beschlußtenor, die Beschreibung der betroffenen Grundstücke durch Angabe der Fluren und die Entstehung der Teilnehmergemeinschaft als eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nach den für gemeindliche Verfügung geltenden Rechtsvorschriften öffentlich bekanntgemacht (§ 110 FlurbG). Der Beschluß mit Begründung, dem Verzeichnis der betroffenen Flurstücke und einer Verfahrenskarte hat, wie die Bezirksregierung Weser-Ems in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid im einzelnen ausgeführt und der Beklagte schriftsätzlich unwidersprochen vorgetragen hat und wie sich aus den Bescheinigungen der Gemeinden Edewecht, Uplengen und Barßel sowie der Stadt Westerstede ergeben, zwei Wochen lang nach der Bekanntmachung in den Gemeinden zur Einsichtnahme für die Beteiligten ausgelegen.

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Die Anordnung des streitigen Flurbereinigungsverfahrens ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.

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Nach § 86 Abs. 1 FlurbG kann ein vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren angeordnet werden, um

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1. Maßnahmen der Landentwicklung, insbesondere Maßnahmen der Agrarstrukturverbesserung, der Siedlung, der Dorferneuerung, städtebauliche Maßnahmen, Maßnahmen des Umweltschutzes, der naturnahen Entwicklung von Gewässern, des Naturschutzes und der Landschaftspflege oder der Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes zu ermöglichen oder auszuführen,

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2. Nachteile für die allgemeine Landeskultur zur beseitigen, die durch die Herstellung, Änderung oder Beseitung von Infrastrukturanlagen oder durch ähnliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind,

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3. Landnutzungskonflikte aufzulösen oder

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4. eine erforderlich gewordene Neuordnung des Grundbesitzes in Weilern, Gemeinden kleineren Umfangs, Gebieten mit Einzelhöfen sowie in bereits flurbereinigten Gemeinden durchzuführen.

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Der Anwendungsbereich des § 86 FlurbG ist damit, wie vom Gesetzgeber beabsichtigt, durch die Novellierung des § 86 FlurbG a.F. erheblich erweitert worden (vgl. Hegele in Seehusen/Schwede, FlurbG (Komment.), 7. Aufl., § 86 RdNr. 1). In der Begründung zu dem Änderungsgesetz (BT-Drs. 12/7909 S. 6) heißt es u.a.:

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... durch die Erweiterung des Anwendungsbereichs soll mit dem vereinfachten Flurbereinigungsverfahren vor allem

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- eine Stabilisierung wettbewerbsfähiger land- und landwirtschaftlicher Betriebe erleichtert,

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- die Infrastruktur kleiner Gemeinden und die Voraussetzungen zur Entwicklung ländlicher Gebiete verbessert,

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- der Ausbau einer umwelt- und marktgerechten Landwirtschaft sowie die Förderung durch die EU-Strukturfonds unterstützt,

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- Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege besser Rechnung getragen und

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- grundsätzlich eine dem Gemeinwohl entsprechende und einem friedlichen Miteinander förderliche Entflechtung verschiedener Interessen an den landlichen Raum verwirklicht werden können. Gleichzeitig soll die Neuregelung helfen, den Wirtschaftsstandort Bundesrepublik Deutschland, insbesondere auch den Landwirtschaftsstandort Deutschland zu sichern und dabei den deutlich kürzer gewordenen Zeiträumen Rechnung tragen zu können, in denen sich die Rahmenbedingungen verändern.

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Nach § 86 Abs. 1 FlurbG kann ein Flurbereinigungsverfahren mithin ebenso wie nach §§ 1, 37 FlurbG angeordnet werden, um Maßnahmen der Landentwicklung zu ermöglichen oder durchzuführen bzw. zu fördern. Dazu gehören alle Maßnahmen, die geeignet sind, die Wohn-, Wirtschafts- und Erholungsfunktion des ländlichen Raumes zu erhalten und zu fördern und damit schlechthin die Lebensverhältnisse auf dem Lande zu verbessern (vgl. BT-Drs. 12/7909 S. 7; Hegele aaO § 1 RdNr. 1 ff.). Ein Verfahren nach § 86 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG kann mithin sowohl zur Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft als auch u.a. zur Durchführung von Maßnahmen des Naturschutzes angeordnet werden und unterscheidet sich von einem Verfahren nach §§ 1, 37 FlurbG nur durch die erleichterte (vereinfachte) Anordnung und Durchführung. Diesem Zweck sollte offensichtlich die Änderung des § 86 FlurbG dienen, wie sich mit hinreichender Deutlichkeit aus der Gesetzesbegründung zu dem Änderungsgesetz (vgl. BT-Drs. 12/7909 S. 6, 7) ergibt.

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Der Begriff "Maßnahmen der Landentwicklung" wird vom Gesetzgeber als Oberbegriff für eine Mehrzahl von Maßnahmen verwendet, wobei jede der in § 86 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG aufgezählten Maßnahmen für sich allein oder mit anderen Maßnahmen zusammen die Anordnung eines vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens rechtfertigen kann.

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Nach § 86 Abs. 1 Nr. 2 FlurbG sollen die Nachteile, die bei der Herstellung, Änderung oder Beseitigung von Infrastrukturanlagen, zu denen u.a. Straßen, Eisenbahnen und künstliche Wasserläufe gehören, entstehen oder entstanden sind, für die allgemeine Landeskultur beseitigt werden. Im Falle des § 86 Abs. 1 Nr. 3 FlurbG sollen Konflikte, die mit den unterschiedlichen Ansprüchen an die Landnutzung verbunden sind, aufgelöst werden.

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Voraussetzung für die Anordnung eines Verfahrens nach § 86 Abs. 1 FlurbG ist in jedem Fall, ebenso wie bei der Anordnung eines Verfahrens nach §§ 1, 37 FlurbG, daß die Anordnung und Durchführung des Verfahrens in erster Linie privatnützigen Zwecken dient, hinter denen der fremdnützige Zweck im Konfliktfall zurücktritt, und daß ein objektives Interesse der Teilnehmer iSd § 4 FlurbG gegeben ist. Das ergibt sich aus der rechtlich notwendigen Privatnützigkeit eines jeden Flurbereinigungsverfahrens, das die Flurbereinigung von der Enteignung unterscheidet (vgl. Hegele aaO, Vorbem. vor § 1 m. Hinw. a. Rspr. u. Schriftt.). Demzufolge kann auch ein vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren nicht ausschließlich zu dem Zweck angeordnet werden, um eine Maßnahme des Naturschutzes zu ermöglichen, wenn dafür privatnützige Interessen der betroffenen Grundstückseigentümer nicht in gleicher Weise erkennbar sind. Nicht entscheidend ist jedoch, welcher der Zwecke die Anordnung des Verfahrens auslöst. Die Maßnahmen, zu deren Zweck ein vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren nach § 86 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG angeordnet werden kann, stehen gleichrangig nebeneinander.

37

Entgegen der Auffassung des Klägers kommt als Rechtsgrundlage für den angefochtenen Beschluß § 86 Abs. 1 Nr. 1 und 3 FlurbG in Betracht, worauf der Beklagte die Anordnung des streitigen Verfahrens im Beschlußtenor auch gestützt hat. Durch das angeordnete Verfahren sollen, wie sich aus der Begründung der angefochtenen Bescheide, dem schriftsätzlichen und dem Vorbringen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ergibt, Maßnahmen der Landentwicklung im Sinne des § 86 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG, und zwar agrarstrukturelle Verbesserungen durch eine Zusammenlegung des ländlichen Grundbesitzes und durch Wegebau, Dorferneuerungsmaßnahmen und die von der Bezirksregierung Weser-Ems (Obere Naturschutzbehörde) beabsichtigte Ausweisung eines Naturschutzgebietes ermöglicht bzw. durchgeführt werden. Schließlich soll der im Zusammenhang mit der Ausweisung des Naturschutzgebietes und der damit verbundenen Bewirtschaftungsbeschränkungen in Teilen des Verfahrensgebietes zu erwartende Landnutzungskonflikt zwischen der landwirtschaftlichen Nutzung einerseits und einer naturschutzgerechten Nutzung andererseits (§ 86 Abs. 1 Nr. 3 FlurbG) aufgelöst werden. Der Senat hat keine Zweifel, daß diese für die Anordnung maßgebenden und den Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 Nr. 1 und 3 FlurbG Rechnung tragenden Zwecke und Ziele im Rahmen des angeordneten vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens ermöglicht und durchgeführt werden können. Die Besitzstandskarte läßt eine hinreichende Besitzzersplitterung des ländlichen Grundbesitzes erkennen, dessen Bewirtschaftung durch die beabsichtigte Zusammenlegung und den vorgesehenen Wegebau verbessert werden kann. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt dafür die Durchführung eines freiwilligen Landtauschverfahrens nach § 103 a FlurbG nicht in Betracht. Das wird schon durch die Vielzahl der Rechtsmittelführer belegt, die sich mit Widerspruch und Klage gegen eine Veränderung ihres Grundbesitzes im Rahmen des angeordneten Verfahrens wenden. Auch die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Karte über eine besitzrechtliche Zusammenlegung des ländlichen Grundbesitzes gibt dem Senat zu einer anderen Beurteilung keinen Anlaß. Insoweit übersieht der Kläger, daß das freiwillige Landtauschverfahren, ebenso wie das angeordnete Verfahren, nicht nur die besitzrechtliche, sondern die auf Dauer angelegte eigentumsrechtliche Zusammenlegung und Neuordnung des ländlichen Grundbesitzes zum Gegenstand hat und dazu eine freiwillige Zustimmung der betroffenen Grundstückseigentümer aufgrund der Vielzahl der Rechtsmittelführer nicht zu erwarten ist.

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Entgegen der Auffassung des Klägers hat der Beklagte auch zu Recht die Voraussetzungen für die Anordnung des streitigen Verfahrens nach § 86 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG aufgrund der beabsichtigten Ausweisung eines Naturschutzgebietes durch die Obere Naturschutzbehörde angenommen, um damit Maßnahmen des Naturschutzes zu ermöglichen bzw. durchzuführen. Es steht außer Frage, daß die Obere Naturschutzbehörde Gebiete, die die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes idF der Bekanntmachung vom 11. April 1994 (NdsGVBl S. 155) - NNatSchG - erfüllen, durch eine entsprechende Verordnung zu einem Naturschutzgebiet erklären und in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unter Naturschutz stellen kann. Der Anordnung eines vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens § 86 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG bedarf es dafür nicht. § 86 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG ist damit, jedenfalls soweit davon Maßnahmen des Naturschutzes betroffen werden und damit die Anordnung eines vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens im Zusammenhang mit Maßnahmen des Naturschutzes seinen Zweck erfüllen soll, dahin zu verstehen, daß durch die Anordnung des Flurbereinigungsverfahrens die Unterschutzstellung nicht erst ermöglicht, sondern erleichtert oder m.a.W. unterstützend begleitet wird, indem z.B. unter Wahrung des Grundsatzes der wertgleichen Landabfindung der Teilnehmer gemäß § 44 FlurbG das erforderliche Land in der Kernzone des Naturschutzgebietes bereitgestellt wird. Um diesen für die Anordnung des vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens maßgebenden Zweck zu erreichen, bedarf es einer Einleitung des Verfahrens zur Unterschutzstellung nach § 30 NNatSchG oder sogar einer förmlichen Feststellung des Naturschutzgebietes nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Nach Ansicht des sachkundig besetzten Senats können Maßnahmen des Naturschutzes, wie z.B. die Ausweisung eines Naturschutzgebietes, insbesondere in einem frühen planungsrechtlich noch nicht relevanten Verfahrensstadium durch ein Flurneuordnungsverfahren unterstützt werden, wodurch gleichzeitig den Interessen der davon betroffenen Grundstückseigentümer Rechnung getragen werden kann. Dieses Ziel sollte offensichtlich auch mit der vom Gesetzgeber beabsichtigten erleichterten Verfahrensanordnung erreicht werden. Nach der Änderung des § 86 FlurbG hält der Senat mithin an der Rechtsprechung zu § 86 Abs. 1 FlurbG a.F. (vgl. Urt. d. Sen. v. 3. 12. 1975 - F OVG A 29/74 - AgrarR 1976, 205) nicht mehr fest. Um die Anordnung eines vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens im Zusammenhang mit Maßnahmen des Naturschutzes nicht zum Selbstzweck werden zu lassen, ist Voraussetzung für die Anordnung jedoch, daß die Ausweisung des Naturschutzgebietes hinreichend sicher ist und Vorstellungen über dessen Größe bei der Oberen Naturschutzbehörde vorhanden sind. Das trifft im vorliegenden Fall in einem noch ausreichenden Umfang zu. Der Landschaftsrahmenplan 1995 des Landkreises Ammerland sieht in der Karte 16: "Entwicklungsziele und Maßnahmen" für das hier streitige Gebiet die Ausweisung mehrerer kleiner Naturschutzgebiete vor, die in Grundzügen mit den in der Karte: Geplantes NSG "Vreschen-Bokel" - Entwicklungsplanung - dargestellten Kernzonen des Naturschutzgebietes lagegleich sind. Der Beklagte hat im gerichtlichen Verfahren vorgetragen, daß am 15. Oktober 1993 in einem ersten Abstimmungsgespräch mit der Oberen Naturschutzbehörde die Ausweisung eines Naturschutzgebietes und die Anordnung eines Flurbereinigungsverfahrens sowie am 7. Februar 1994 deren Finanzierung erörtert worden sind. Die Abgrenzung des Naturschutzgebietes ist dem Beklagten am 20. Juni 1994 und der Unteren Naturschutzbehörde (Landkreis Ammerland) mit Schreiben vom 13. Juli 1994 von der Oberen Naturschutzbehörde mitgeteilt worden.

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Im Zusammenhang mit der beabsichtigten Ausweisung des Naturschutzgebietes durch die Obere Naturschutzbehörde stand auch der damit zu erwartende Landnutzungskonflikt zwischen der landwirtschaftlichen Nutzung und den Interessen der Grundstückseigentümer einerseits und den Interessen des Naturschutzes andererseits fest, für dessen Lösung der Beklagte im Vorgriff ein vereinfachtes Verfahren nach § 86 Abs. 1 Nr. 3 FlurbG anordnen konnte.

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Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es für die Anordnung eines Verfahrens nach § 86 Abs. 1 Nr. 3 FlurbG nicht auf einen bereits vorhandenen Landnutzungskonflikt an. Zwar scheint der Wortlaut des § 86 Abs. 1 Nr. 3 FlurbG "Landnutzungskonflikte aufzulösen" zunächst für seine Auffassung zu sprechen. Der Wortlaut ist aber nicht derart eindeutig, daß der Gesetzgeber damit die Anordnung des Verfahrens nach § 86 Abs. 1 Nr. 3 FlurbG nur auf bereits bestehende Landnutzungskonflikte beschränkt hat und beschränken wollte. Das Gegenteil ist aufgrund des mit der Änderung des § 86 Abs. 1 FlurbG beabsichtigten erweiterten Anwendungsbereiches und der erleichterten Verfahrenseinleitung der Fall. Der Senat geht daher unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung (aaO) und dem darin zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen davon aus, daß es für die Anordnung eines Verfahrens nach § 86 Abs. 1 Nr. 3 FlurbG ausreicht, wenn sich ein in der Zukunft liegender Landnutzungskonflikt aufgrund unterschiedlicher Nutzungsansprüche abzeichnet. Das ist regelmäßig bei der beabsichtigten Ausweisung eines Naturschutzgebietes und den sich daraus ergebenden widerstreitenden Interessen zwischen der landwirtschaftlichen Nutzung und den Ansprüchen des Naturschutzes der Fall.

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Der Beklagte ist bei der Durchführung des angeordneten Verfahrens auch in der Lage, den bevorstehenden Landnutzungskonflikt, wie er sich schon jetzt aufgrund der Vielzahl der Widerspruchsführer und Kläger gegen die Anordnung des Verfahrens abzeichnet, aufzulösen. Nach seinem unbestrittenen Vorbringen umfaßt das Naturschutzgebiet ca. 167 ha Fläche mit einem Landbedarf von ca. 107 ha, für den ihm im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung rd. 49 ha und jetzt 91 ha, davon 45,1 ha im Eigentum des Landes Niedersachsen, 36,3 ha im Eigentum des Landkreises Ammerland, 5,5 ha im Eigentum der Niedersächsischen Landgesellschaft mbH und 4,4 ha im Eigentum der Gemeinde Apen zur Verfügung stehen. Die restlichen 16 ha sollen nach dem unbestrittenen Vorbringen des Beklagten in den nächsten zwei Jahren erworben werden. Der Kläger hat keine Anhaltspunkte vorgetragen, aus denen sich ergibt, daß sich die Vorstellungen des Beklagten in der Zukunft nicht realisieren lassen. Das Gegenteil ist der Fall. Bereits mit der Begründung seines Widerspruchs hat der Kläger vorgetragen, daß im Verfahrensgebiet ausreichend Land für Kaufwillige zur Verfügung steht. Für den Zeitpunkt der Anordnung des Verfahrens und der Widerspruchsentscheidung lassen sich mithin keine Feststellungen treffen, die eine Auflösung des in der Zukunft zu erwartenden Landnutzungskonflikts als aussichtslos erscheinen lassen und damit den Verfahrenszweck in Frage stellen. Das Gegenteil ist aufgrund der bis zur mündlichen Verhandlung getätigten Landankäufe der Fall, die eine Auflösung des mit der Ausweisung des Naturschutzgebietes zu erwartenden Landnutzungskonflikts durch eine Ausweisung des Kernbereichs zugunsten der öffentlichen Hand und eine wertgleiche Abfindung der Grundstückseigentümer mit Ersatzflächen gemäß § 44 FlurbG in einem hohen Maße als realistisch erscheinen lassen.

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Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch ein privatnütziges und objektives Interesse der Teilnehmer für die Anordnung des Verfahrens im Sinne des § 4 FlurbG gegeben. Das ergibt sich zunächst aus den bei der Durchführung des Verfahrens vorgesehenen agrarstrukturverbessernden Maßnahmen (Zusammenlegung und Wegebau), durch die die Bewirtschaftung der Grundstücke erleichtert und rentabler gestaltet wird, im übrigen aus der Zuteilung der neuen Grundstücke nach der Ausweisung des Naturschutzgebietes, die die Teilnehmer nach ihren privaten Bedürfnissen, unbelastet von öffentlichen Interessen und den Beschränkungen durch die beabsichtigte Naturschutzverordnung nutzen können. Darauf wird auch in der Gesetzesbegründung (aaO) hingewiesen, in der es u.a. heißt:

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"Zu den veränderten Interessen der an einer Flurbereinigung beteiligten Grundeigentümer (Teilnehmer) kommt ein wachsendes Interesse der Gemeinden, Verbände, Pächter und Rechtsinhaber (Nebenbeteiligte). Die Herstellung einer konfliktfreien Ordnung der an die Landnutzung geknüpften Ansprüche liegt im objektiven, wohlverstandenen und vorrangigen Interesse der Grundeigentümer, und sei es nur im Sinne einer Schutzmaßnahme zugunsten des Grundrechts auf eine möglichst uneingeschränkte Verfügungsgewalt über das Grundeigentum, hier des ländlichen Grundbesitzes."

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Schließlich ist auch die Begrenzung des Flurbereinigungsgebietes nicht zu beanstanden. Nach § 7 Abs. 1 FlurbG kann das Flurbereinigungsgebiet mehrere Gemeinden oder Teile von Gemeinden umfassen. Es ist so zu begrenzen, daß der Zweck der Flurbereinigung möglichst vollkommen erreicht wird. Danach steht die Begrenzung des Flurbereinigungsgebietes, wie die Anordnung des Verfahrens, im Ermessen des Beklagten. Nach § 114 VwGO sind Ermessensentscheidungen der Flurbereinigungsbehörde nur in einem beschränkten Umfang der gerichtlichen Nachprüfung zugänglich und können nur darauf überprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Für eine Verletzung dieser Grenzen sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Bei der Begrenzung des Flurbereinigungsgebietes hat sich der Beklagte, wie er zulässigerweise (§ 138 Abs. 1 FlurbG iVm § 114 Satz 2 VwGO) noch im gerichtlichen Verfahren vorgetragen hat, von den natürlichen Grenzen (Landesstraße, Gewässer "Bitsche"), der Grenze zum benachbarten Flurbereinigungsverfahren Apen und den Besitzverflechtungen der Teilnehmer leiten lassen. Derartige Ermessenserwägungen sind sachgerecht und lassen Ermessensfehler im Sinne des § 114 VwGO nicht erkennen.

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Nach alledem kann die Klage keinen Erfolg haben.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 147 Abs. 1, 138 Abs. 1 FlurbG iVm § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die Revision kann nicht zugelassen werden, weil dafür die Voraussetzungen nach § 138 Abs. 1 FlurbG iVm §§ 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

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Eichhorn

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Dr. Berkenbusch