Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.11.2009, Az.: 16 K 10340/07
Anwendbarkeit der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 Umsatzsteuergesetz (UStG) auf die Umsätze aus einer Pensionspferdehaltung; Notwendigkeit der richtlinienkonformen Auslegung des § 24 UStG
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 05.11.2009
- Aktenzeichen
- 16 K 10340/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 31967
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2009:1105.16K10340.07.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 13.01.2011 - AZ: V R 65/09
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs. 1 UStG
- § 24 UStG
- Art. 5 Abs. 1 RL 388/77/EWG
- Art. 25 RL 388/77/EWG
Verfahrensgegenstand
Umsatzsteuer 2005
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Umsätze der Klägerin aus einer Pensionspferdehaltung der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 Umsatzsteuergesetz (UStG) unterliegen.
Die Klägerin betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Pferdehaltung auf einer zur landwirtschaftlichen Nutzung bestimmten Fläche von 4,13 ha. Ihren Gewinn ermittelt sie nach § 13 a Einkommensteuergesetz (EStG). Sie besitzt 15 eigene Pferde, zudem werden durchschnittlich 15 Pensionspferde betreut. Im eigenen Pferdebestand befinden sich neben Reittieren auch ältere Pferde, die auf dem Hof ihr "Gnadenbrot" erhalten. Bei den Pensionstieren handelt es sich ausschließlich um Pferde, die von ihren Eigentümern zur Ausübung des Freizeitsports genutzt werden. Die Pferdehaltung einschließlich der Pensionstierhaltung hat die Klägerin nach dem Tod ihres Ehemannes im Jahr 2001 übernommen und ausgeweitet. So wurden u.a. Weideflächen für die Pferdehaltung sowie Ackerflächen zum Anbau von Hafer hinzugepachtet.
Schriftliche Verträge zur Pensionspferdehaltung schloss die Klägerin weder im Streitjahr noch in den übrigen Jahren ab. Entsprechend der mündlichen Vereinbarungen mit den Einstellern werden die Pferde zusammen mit den eigenen Tieren der Klägerin -teilweise in Gemeinschaftsstallungen- untergebracht, von ihr gefüttert und -je nach den individuellen Bedürfnissen der Tiere- in die Außenanlagen (Wiesen) gebracht. Die Versorgung der Tiere erfolgt bei Abwesenheit der Pferdehalter durch die Klägerin eigenverantwortlich, ansonsten versorgen diese ihre Pferde selbst. Sämtliche Kosten der Unterbringung, Fütterung und Mistentsorgung werden von der Klägerin getragen. Der Futterbedarf der Tiere wird teilweise mit dem angebauten Hafer gedeckt, teilweise erfolgt ein Zukauf von Futtermitteln. Für die Grundversorgung ist ein Pauschalsatz vereinbart. Alle Spezial- und Sonderkosten (z.B. für tierärztliche Behandlungen oder Extrafutter) werden gesondert entrichtet. Umsätze aus der Veräußerung von Futtermitteln werden nicht getätigt. Der anfallende Mist wird auf die eigenen Flächen ausgebracht. Eingefahrenes Stroh und Heu wird in der Pferdehaltung verwendet.
Auf dem Gelände der Klägerin befindet sich zudem eine überdachte ältere Reithalle, die der Klägerin zur Ausübung ihres Hobbys und in jüngerer Vergangenheit zur gelegentlichen Erteilung von Reitunterricht dient. Die Halle steht auch den Einstellern der Pensionspferde unentgeltlich zur Verfügung. Eine Nutzung der eingestellten Tiere durch die Klägerin erfolgt nicht.
Im Streitjahr 2005 reichte die Klägerin erstmals eine Umsatzsteuererklärung bei dem Beklagten ein, in der sie die aus der Pensionspferdehaltung erzielten Umsätze der Durchschnittsbesteuerung nach § 24 UStG unterwarf. Mangels gesonderter Aufzeichnungen bezifferte sie diese auf xxx EUR.
Der Beklagte ordnete die erklärten Umsätze zunächst in vollem Umfang der Regelbesteuerung zu und ermittelte so eine festzusetzende Umsatzsteuer i.H.v. xxx EUR. Im Rahmen des hiergegen gerichteten Einspruchsverfahrens änderte der Beklagte den streitigen Umsatzsteuerbescheid dahin, als bei der Bemessung der Umsatzsteuer lediglich der Nettobetrag i.H.v. xxx EUR erfasst und Vorsteuerabzugsbeträge i.H.v. xxx EUR berücksichtigt wurden. Hieraus ergab sich eine festzusetzende Umsatzsteuer für das Streitjahr 2005 i.H.v. xxx EUR. In der Sache vertrat der Beklagte weiterhin die Auffassung, dass die Pensionspferdehaltung nicht der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG unterliege, da die Pferde nicht zu land- und forstwirtschaftlichen Zwecken genutzt würden. Vielmehr handele es sich unter Anwendung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Streitfall nicht um eine Dienstleistung zur landwirtschaftlichen Produktion oder um eine Tierzucht und Tierhaltung in Verbindung mit der Bodenbewirtschaftung, sondern um eine Pensionshaltung von Pferden, die von ihren Eigentümern zur Ausübung des Freizeitsports genutzt würden. Hierauf sei die Durchschnittssatzbesteuerung nicht anwendbar.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, der Beklagte habe zu Unrecht die Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung auf die Umsätze aus der Pferdepension abgelehnt. Denn solange die landwirtschaftlichen Tierhaltungsgrenzen nach § 13 EStG nicht überschritten würden, sei auch die Pferdehaltung - egal ob mit eigenen oder fremden Tieren - als landwirtschaftliche Dienstleistung zu qualifizieren. Die Tierzucht und Tierhaltung in Verbindung mit der Bodenbewirtschaftung sei nach dem EU-Gemeinschaftsrecht Bestandteil des landwirtschaftlichen Betriebes. Der Umfang der landwirtschaftlichen Tierbestände bestimme sich in Deutschland nach Vieheinheiten (§ 14 Abs. 2 Satz 1 UStG i.V.m. § 51 Bewertungsgesetz -BewG-). Pferde seien dabei in Anlage 1 und Pferdehaltung in Anlage 2 zu § 51 BewG ausdrücklich aufgeführt. Unerheblich sei, ob es sich dabei um fremde oder eigene Tiere handeln würde. Allein durch die Aufnahme dieser Dienste in den Katalog sei per se eine landwirtschaftliche Leistung anzunehmen. Da die Klägerin im Streitjahr 28 Vieheinheiten besessen habe und damit unter dem Flächenhöchstbetrag von 41 Vieheinheiten geblieben sei, habe sie insgesamt eine landwirtschaftliche und keine gewerbliche Tierhaltung ausgeübt, die unter § 24 UStG einzuordnen sei.
Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid 2005 vom xxx in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom xxx dahin zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2005 auf 0 EUR herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ergänzend zu seinen Ausführungen im Einspruchsbescheid führt der Beklagte aus, dass der Anwendungsbereich der Durchschnittssatzbesteuerung des § 24 UStG eng auszulegen sei. Gemäß Artikel 25 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) gelten als landwirtschaftliche Dienstleistungen die in Anhang B bezeichneten Dienstleistungen. Diese umfassten nur "normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion" beitragende Dienstleistungen. Die Pferdehaltung für Pensionspferde, die von ihren Eigentümern lediglich für den Freizeitsport genutzt würden, fielen nicht hierunter (Abschnitt 264 Abs. 5 Satz 7 Umsatzsteuer-Richtlinien - UStR -). Die Anwendung der Durchschnittssätze nach § 24 UStG sei im Streitfall nicht möglich, da weder eine Tierhaltung in Verbindung mit der Bodenbewirtschaftung, noch eine landwirtschaftliche Dienstleistung vorliegen würde, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitrage.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen. Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung die für die Klägerin beim Beklagten unter der Steuernummer XX/XXX/XXX geführten Umsatzsteuer- und Einkommensteuerakte vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit Umsatzsteuern über den sich aus der Urteilsformel ergebenen Betrag hinaus festgesetzt wurde. Die Umsatzsteuer war deshalb wie geschehen herabzusetzen (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die streitbefangenen Umsätze aus der Pensionspferdehaltung der Klägerin unterliegen nicht der Regelbesteuerung nach § 12 Abs. 1 UStG, sondern unterfallen den Durchschnittssätzen für land- und forstwirtschaftliche Betrieben nach§ 24 UStG.
1.
Die Durchschnittssatzbesteuerung gemäß § 24 UStG gilt ihrem Wortlaut nach für alle "die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze". Die Vorschrift "beruht" nach der Gesetzesbegründung (so BT-Drucks. 8/1779, S. 49) auf Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG und ist deshalb richtlinienkonform auszulegen (so auch BFH-Urteil vom 25. November 2004 V R 8/01, BStBl II 2005, 896 [BFH 25.11.2004 - V R 8/01]). Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH), der der Senat folgt, erfasst die Norm damit nur Lieferungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse und landwirtschaftliche Dienstleistungen, auf die die Pauschalregelung des Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG Anwendung findet (BFH-Urteil vom 22. September 2005 V R 28/03, BStBl II 2006, 280). Andere Umsätze, "die der Pauschallandwirt im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebs tätigt", unterliegen nach der Rechtsprechung des EuGH der allgemeinen Regelung (vgl. für Verpachtungsumsätze EuGH-Urteil vom 15. Juli 2004 RS C-321/02, Harbs, BFH/NV 2004, Beilage 4, 371, UR 2004, 543). Ohne Bedeutung ist dabei, wie die durch die betreffenden Lieferungen und Leistungen erzielten Einkünfte nach den nationalen einkommensteuerrechtlichen Regelungen beurteilt werden (BFH-Urteil vom 31. Mai 2007 V 5/05, BFH/NV 2007, 2202 [BFH 31.05.2007 - V R 5/05]).
2.
Die Klägerin hat gegenüber den Einstellern der Pensionspferde (einheitliche) landwirtschaftliche Dienstleistungen im Sinne desArtikels 25 der Richtlinie 77/388/EWG erbracht.
a)
Die von der Klägerin im Streitfall erbrachten Leistungen stellen keine Lieferungen im Sinne des UStG bzw. der Richtlinie dar, sondern sind einheitliche sonstige Leistung gemäß § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG.
Nach § 3 Abs. 1 UStG, der Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG umsetzt, sind Lieferungen eines Unternehmens Leistungen, durch die dieser den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Sonstige Leistungen oder Dienstleistungen im Sinne der Richtlinie 77/388/EWG sind Leistungen, die keine Lieferungen sind (§ 3 Abs. 9 Satz 1 UStG, Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG). Werden mehrere unterschiedliche Leistungen zusammenhängend erbracht, so liegt eine einheitliche Leistung dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile dagegen als Nebenleistungen zu beurteilen sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Das Gleich gilt, wenn der Unternehmer für den Verbraucher zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Diese Grundsätze gelten auch im Verhältnis zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen/Dienstleistungen (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 15. Januar 2009 V R 91/07, BFH/NV 2009, 865 und vom 17. April 2008 V R 39/05, BFH-NV 2008, 1712 mit weiteren Nachweisen).
Die Leistungen, die die Klägerin im Streitjahr gegenüber den Einstellern der Pensionspferde erbracht hat, umfassen neben der Unterbringung und Versorgung der Tiere in Form der Fütterung, des Tränkens und evtl. Fellpflege, auch die Verbringung der Tiere auf die angrenzende Weide, die Nachschau nach ihrer gesundheitlichen Verfassung sowie die Gewährung der Möglichkeit der Nutzung der Reitbahn durch die Einsteller. Diese Leistungen stellen unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze aus der Sicht eines objektiven Durchschnittsverbrauchers einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang dar, dessen einzelne Leistungsbestandteile derart eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare Leistung bilden. In dieser einheitlichen "Pensionsleistung" geht sowohl die von der Klägerin erfolgte Lieferung von selbst erzeugtem oder zugekauftem Futter, als auch die evtl. Lieferung auf dem Hof produziertem Heu und Stroh unter. Die Lieferungen sind lediglich Teil der Gesamtleistung "Pensionsleistungen" und versetzen die Klägerin (lediglich) in die Lage, ihren Pflichten aus den "Pensionsverträgen" unter optimalen Bedingungen nachzukommen. Sie stellen nach Auffassung des erkennenden Senats unselbständige Nebenleistungen zur Hauptleistung dar und teilen deren Schicksal. Auch der Umstand, dass lediglich ein einheitliches Entgelt für die Gesamtheit der Leistungen gezahlt wird, bestätigt die Annahme, dass es sich vorliegend um ein einheitliches "Leistungsbündel" handelt. Mit diesen Leistungen "vervollständigt" die Klägerin die ihr aus den "Betreuungsverträgen" mit den Einstellern der Pferde obliegenden Pflichten. Sie dienen den Pensionsleistungen der Klägerin und gehen in ihr auf. Entsprechendes gilt auch für die Einräumung der Nutzungsmöglichkeit der bereits seit längerem vorhandenen Reithalle. Weder die Klägerin noch die Einsteller messen dieser Leistung einer derartige (wirtschaftliche) Bedeutung bei, dass dafür ein gesondertes Entgelt vereinbart wurde. Nach Ansicht des Senats handelt es sich insoweit um eine Zusatzleistung die lediglich "bei Gelegenheit", nämlich des (zufälligen) Vorhandenseins der Reithalle, gewährt wurde, wobei es den Vertragsparteien, aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers, vorrangig auf die umfassende Versorgung der Tiere und nicht auf die Bereitstellung der Reithalle ankam.
b)
Bei den von der Klägerin gegenüber den Einstellern der Pferde erbrachten (einheitlichen) "Pferdepensionsleistungen" handelt es sich um landwirtschaftliche Dienstleistungen im Sinne des Artikels 25 Abs. 2 5. Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG in Verbindung mit Anhang B.
Nach Art. 25 Abs. 2 5. Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG sind landwirtschaftliche Dienstleistungen die in Anhang B aufgeführten Dienstleistungen, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte und/oder der normalen Ausrüstung eines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs vorgenommen werden. Nach Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG --"Liste der landwirtschaftlichen Dienstleistungen"-- gelten als landwirtschaftliche Dienstleistungen solche Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, insbesondere:
Arbeiten des Anbaus, der Ernte, des Dreschens, des Pressens, des Lesens und Einsammelns, einschließlich des Säens und Pflanzens;
Verpackung und Zubereitung, wie beispielsweise Trocknung, Reinigung, Zerkleinerung, Desinfektion und Einsilierung landwirtschaftlicher Erzeugnisse;
Lagerung landwirtschaftlicher Erzeugnisse;
Hüten, Zucht und Mästen von Vieh;
Vermietung normalerweise in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendeter Mittel zu landwirtschaftlichen Zwecken;
technische Hilfe;
Vernichtung schädlicher Pflanzen und Tiere, Behandlung von Pflanzen und Böden durch Besprühen;
Betrieb von Be- und Entwässerungsanlagen;
Beschneiden und Fällen von Bäumen und andere forstwirtschaftliche Dienstleistungen.
(1)
Die von der Klägerin gegenüber den Einstellern der Pferde erbrachten "Pensionsleistungen" fallen unter die unter Spiegelstrich 4 des Katalogs aufgeführten Leistungen "Hüten, Zucht und Mästen von Vieh" und hierbei insbesondere unter die Dienstleistung des "Hütens von Vieh". Welche Tätigkeiten im Einzelnen hierunter zu verstehen sind, lässt die Richtlinie 77/388/EWG allerdings offen. Eine Legaldefinition enthält die Vorschrift nicht. Nach Auffassung des Senats kann das Tatbestandsmerkmal allerdings nicht einschränkend dahin ausgelegt werden, dass unter "Hüten von Vieh" das schlichte Unter- und Einstellen von Vieh zu verstehen ist. Denn der Begriff des "Hütens" beinhaltet nicht nur ein "gehütet werden", sondern auch ein "behütet sein" und steht damit für ein Obhutsverhältnis zwischen Hütenden und Ge- bzw. Behütetem. "Hüten von Vieh" im Sinne der Vorschrift beschreibt damit auch das "Sorge tragen" für die Tiere, die unter der Obhut des Hütenden stehen. Ein Hüter oder Hirte ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zudem eine Person, die eine Herde von Nutztieren bewacht und versorgt. Der Hüter ist damit auch für das Wohlergehen der Tiere verantwortlich. Dabei ist unerheblich, ob es sich bei den zu hütenden Tieren um eigene oder fremde Tiere handelt.
Im Streitfall übernimmt die Klägerin die umfassende Versorgung sowohl der eigenen als auch der bei ihr eingestellten Pferde. Die Tiere werden von ihr entsprechend ihrer individuellen Verfassung, Bedürfnisse und dem Wunsch des Einstellers untergebracht, mit Futter versorgt, gepflegt, mit hinreichend Bewegung und Auslauf auf der klägerischen Weide und im Bedarfsfall mit medizinischer Hilfe versorgt. Mangels einer individuellen Verpachtung einzelner Stallungen steht auch die Betreuung der Tiere im Vordergrund und nicht die bloße Vermietung einzelner Pferdeboxen.
Der Senat folgt dabei nicht der Auffassung des Finanzgerichts Münster, wie sie in der Entscheidung vom 18. August 2009 (15 K 3176/05 U, veröffentlicht in [...]) zum Ausdruck kommt, dass bereits aufgrund der Einräumung der Nutzungsmöglichkeit einer Reitanlage im Rahmen von Pensionsleistungen, eine Subsumtion unter das Tatbestandsmerkmal "Hüten" verneint werden müsse, da diese zusätzliche Leistung über das reine "Hüten" hinausgehen würde und daher nicht mehr von der Vorschrift erfasst sei. Denn die Gewährung der Nutzung der Reitanlage stellt nach Ansicht des Gerichts, zumindest im Streitfall, lediglich ein "Abfallprodukt" der vereinbarten Leistung dar. War die Halle nach klägerischen Vortrag ursprünglich vom verstorbenen Ehemann zur (ausschließlich) eigenen Nutzung errichtet worden, wurde sie auch im Streitjahr noch vorrangig von der Klägerin zur Ausübung ihres eigenen Hobbys und gelegentlichen Erteilung von Reitunterricht genutzt.
Demgegenüber dient die von der Klägerin gegenüber den Einstellern der Tiere erbrachte "Pensionsleistung" --auch aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers-- ganz vorrangig dem Zweck, die Pensionspferde in Zeiten der Abwesenheit ihrer Eigentümer, die nach dem Vortrag der Klägerin im Einzelfall auch mal mehrere Wochen betragen kann, umfassend zu versorgen und zu betreuen. Die vorhandene Reithalle wird dabei lediglich "aus Gelegenheit" überlassen und nach Auskunft der Klägerin auch nicht von allen Nutzungsberechtigten in Anspruch genommen. Sie ist weder wesentlicher noch notwendiger Bestandteil der klägerischen Leistung. Anders als das Finanzgericht Münster sieht der erkennende Senat den maßgeblichen Zweck für die Anschaffung und den Unterhaltung eines Pferdes nicht in erster Linie in dessen Nutzung als Reittier, sondern in der Liebe zum Tier als Lebewesen. So ist auch die Ermöglichung der Ausübung des Reitsports nicht vorrangiger Zweck der Leistung der Klägerin. Im Vordergrund steht vielmehr die Versorgung und Betreuung des Tieres durch die Klägerin, soweit dieses dem Besitzer nicht möglich ist. Die Gewährung der Nutzungsmöglichkeit der Reithalle ist im Verhältnis zur originären Leistung der Klägerin als derart nachrangig zu beurteilen, dass sie diese nicht prägt, sondern vielmehr hinter ihr zurücktritt.
Hierfür spricht auch, dass die Klägerin ausschließlich für die "Pensionsleistung" das vereinbarte Entgelt enthält. Ein Entgelt für die Einräumung der Nutzungsmöglichkeit der Reithalle wird nicht gezahlt. Nach Auffassung der Gerichts kann dieses --angesichts der Höhe des Entgelts im Vergleich zu den hierfür erbrachten Leistungen-- auch nicht als in der erhobenen Pauschale von derzeit 190 EUR/Monat für ein Pferd und 150EUR/Monat für ein Pony enthalten angesehen werden.
(2)
Einen Ausschluss als landwirtschaftliche Dienstleistungen im Sinne der gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften erfährt die Tätigkeit der Klägerin auch nicht aus der Eingangsformel des Anhangs B der Richtlinie 77/388/EWG.
Hiernach müssen die in der Liste des Anhangs B aufgezählten Dienstleistungen, dergestalt sein, dass sie "normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen".
(a)
Da die Eingangsformel in Anhang B --nach dem Verständnis des EuGH-- aufgrund der ausdrücklichen gegenseitigen Bezugnahme zusammen mit der Vorschrift des Artikels 25 Abs. 2 5. Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG zu lesen ist (vgl. EuGH-Urteil vom 15. Juli 2004 Rs. C-321/02 --Harbs--, Slg. 2004, I-7101, Randnrn. 32 und 34), definieren sich die Dienstleistungen im Sinne der Norm als "Dienstleistungen, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte und/oder der normalen Ausrüstung seines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs vorgenommen werden". Bei der Anwendung dieser Bestimmung ist ferner zu beachten, dass sie als Ausnahme von der Regelbesteuerung eng auszulegen ist (vgl. BFH-Urteil vom 13. August 2008 XI R 8/08, BStBl II 2009, 216; EuGH-Urteile --Stadt Sundern-- in Slg. 2005, I-4491, Randnr. 27, und --Harbs-- in Slg. 2004, I-7101, Randnr. 27).
Als landwirtschaftliche Erzeuger gelten dabei solche Betriebe, die eine der in Artikel 25 Abs. 2, 1. und 2. Spiegelstrich in Verbindung mit Anhang A der Richtlinie 77/388/EWG aufgeführte Tätigkeit ausüben, d.h. die unter anderem Tierzucht und Tierhaltung in Verbindung mit der Bodenbewirtschaftung betreiben.
Der Senat hat in diesem Zusammenhang keine Bedenken, den Betrieb der Klägerin als Betrieb der "Tierhaltung in Verbindung mit der Bodenbewirtschaftung" im Sinne des Anhangs A der Richtlinie 77/388/EWG zu verstehen. Zwar fehlt es an einer Legaldefinition des Begriffs "Tierhaltungsbetrieb". Die aufgezeigte Verbindung mit der Bodenbewirtschaftung weist jedoch auf das im nationalen Recht in den §§ 24 Abs. 2 Ziffer 2 UStG i.V.m. §§ 51 und 51a Bewertungsgesetz zum Ausdruck kommende Erfordernis der Abgrenzung zur gewerblich geprägten Betätigung hin.
Die Klägerin unterhielt im Streitjahr unstreitig einen Betrieb der Pferdehaltung, dessen landwirtschaftliche Flächen (nach nationalem Recht) für die gehaltenen Tierbestände eine ausreichende Futtergrundlage bot. Für die Beurteilung ist es dabei unbeachtlich, ob es sich bei den gehaltenen Tieren um eigene oder fremde Tiere handelt. Ebensowenig kommt es nach dem Wortlauf der einschlägigen nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften darauf an, zu welchem Zweck die --nach dem allgemeinen Sprachgebrauch als Nutztiere definierten-- Pferde gehalten werden. Schließlich erfolgte auch eine Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen der Klägerin durch den Anbau von Futtermitteln und ihre Nutzung als Weideflächen und weist damit eine unmittelbare Verbindung zwischen Tierhaltung und Bodenbewirtschaftung auf.
(b)
Bei Erfüllung ihrer Vertragspflichten gegenüber den Einstellern der Pferde erbringt die Klägerin ferner Dienstleistungen, die "normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen".
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei den in der Liste zu Anhang B aufgezählten Dienstleistungen aufgrund der hier verwendeten Formulierung "insbesondere" bereits schlechthin um landwirtschaftliche Dienstleistungen im Sinne der Vorschrift handelt, ohne dass es einer Überprüfung ihres Beitrags zur landwirtschaftlichen Produktion bedarf. Für eine derartige Auslegung spricht, dass die Nachfolgeregelung im Anhang VIII der Richtlinie 2006/112/EWG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie) klarstellend mit "Exemplarisches Verzeichnis der landwirtschaftlichen Dienstleistungen im Sinne des Artikels 295 Abs. 1 Nummer 5" überschrieben wurde. Dieses lässt auf eine Grundentscheidung des Richtliniengebers schließen, die explizit aufgeführten Dienstleistungen ohne nähere Prüfung im Einzelfall den landwirtschaftlichen Dienstleistungen zuzuordnen.
Aber auch ohne die Annahme einer Zuordnung von Gesetzeswegen sieht der Senat die Leistung als tatbestandsmäßige Dienstleistung an. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist es für die Annahme einer Dienstleistung, "die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion" beiträgt nicht zwingend erforderlich, dass die Pensionspferde entweder der Zucht dienen oder land- oder forstwirtschaftliche Arbeitstiere sind. Denn der Beitrag zur landwirtschaftlichen Produktion muss nach dem Wortlaut des Anhangs B der Richtlinie 77/388/EWG nicht von dem Objekt selber ausgehen, sondern von der Dienstleistung des Unternehmers bzw. landwirtschaftlichen Erzeugers.
Der Senat folgt daher auch nicht der teilweise in der Rechtsprechung der Finanzgerichte vertretenen Auffassung (so u.a. FG Düsseldorf vom 13. Februar 2009 1 K 107/08 U und FG Münster vom 18. August 2009 15 K 3176/05 U, beide veröffentlicht in [...]), dass die Formulierung "normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen", zwingend bedingt, dass der jeweilige Leistungsempfänger einer Pferdepensionsleistung selbst landwirtschaftlicher Erzeuger im Sinne des Artikels 25 der Richtlinie 77/388/EWG sein muss. Die Begründung, dass eine (landwirtschaftliche) Dienstleistung an einen Nichtlandwirt nicht zur landwirtschaftlichen Produktion beitrage und damit keinem landwirtschaftlichen Zweck diene, überzeugt nicht. Selbst wenn die Regelung als Ausnahme zur Regelbesteuerung eng auszulegen ist, geht diese Maßgabe über den Wortlaut der Vorschrift hinaus. Auch Dienstleistungen die gegenüber Nichtlandwirten erbracht werden, können --wie der Streitfall zeigt-- zur (eigenen) landwirtschaftlichen Produktion des Unternehmers beitragen.
Vorliegend beinhaltet die im Rahmen des Pensionsverhältnisses eingegangene Verpflichtung der Klägerin zum Hüten der Pferde u.a. die Versorgung der Tiere mit ausreichend Futter. Die Futterversorgung erfolgt vorrangig mit auf eigenen landwirtschaftlichen Flächen angebautem Hafer. Lediglich soweit dieses nicht ausreicht, kauft die Klägerin Futtermittel hinzu. Auch die Versorgung mit Heu und Stroh erfolgt teilweise aus Eigenproduktion. Auch hier gilt, soweit der Bedarf nicht gedeckt wird, wird hinzugekauft. Die von der Klägerin angebauten Früchte werden daher dem landwirtschaftlichem Kreislauf wieder vollumfänglich zugeführt. Dabei kann es für die Beurteilung der landwirtschaftlichen Produktion nicht entscheidend sein, ob die gezogenen Früchte veräußert werden und der eigene Bedarf käuflich erworben wird oder die selbst erwirtschafteten Früchte der Eigennutzung zugeführt werden. Dies gilt insbesondere als die Selbstversorgung das Urmodell der Landwirtschaft ist.
Ferner wird auch der im Rahmen der Tierhaltung produzierte Mist als Düngemittel auf die landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht und so wieder dem landwirtschaftlichen Kreislauf zugeführt.
Selbst das Beweiden und Abgrasen der Koppeln durch die Pferde stellt eine --im Rahmen der Viehhaltung-- übliche Bodenbewirtschaftung dar und bewirkt gleichzeitig eine notwendige Landschaftspflege.
Dabei verlangt die Vorschrift nach Auffassung des Gerichts nicht, dass der durch die Dienstleistung erbrachte Beitrag zur landwirtschaftlichen Produktion zielgerichtet erfolgen und den eigentlichen Leistungszweck darstellen muss (so FG Münster vom 18. August 2009 15 K 3176/05 U a.a.O). Dieses Erfordernis ist weder dem Wortlaut der Vorschrift zu entnehmen noch ergibt es sich unmittelbar aus dem Normzweck. Denn insbesondere die Formulierung "normalerweise" weist daraufhin, dass der Eintritt eines Erfolges keine zwingende Voraussetzung darstellt.
Die Klägerin hat durch die Pensionsleistungen damit landwirtschaftliche Dienstleistungen im Sinne der Anlage B der Richtlinie 77/388/EWG erbracht. Die streitbefangenen Umsätze unterliegen gemäß § 24 Abs. 1 UStG der Durchschnittsbesteuerung für land- und forstwirtschaftliche Betriebe. Dabei sind gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Satz 3 UStG die Umsatzsteuerbeträge entsprechend der Vorsteuerabzugsbeträge anzusetzen, so dass die Umsatzsteuer 2005 wie geschehen mit 0 EUR festzusetzen war.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckung folgt aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
4.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Der BFH hat es im Urteil vom 22. Januar 2004 (V R 41/02, BStBl II 2004, 757) -unter Hinweis seine Entscheidung vom 16. Juli 1987 V R 22/78 (BStBl II 1988, 83 [BFH 16.07.1987 - V R 22/78])- als zweifelhaft angesehen, ob eine Pferdepension der vorliegenden Art unter die Vorschrift des§ 24 UStG fallen würde.
Ferner steht die vorliegende Entscheidung in dieser Rechtsfrage in Divergenz zu Entscheidungen anderer Finanzgerichte, insbesondere der Entscheidungen des Finanzgerichts Münster vom 18. August 2009 (15 K 3176/05 U) und des Finanzgerichts Düsseldorf vom 13. Februar 2009 (1 K 107/08 U) und rechtfertigt damit eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.