Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 19.05.2020, Az.: L 16/4 KR 586/18
Erstattung von vorläufig erbrachten Leistungen zur Krankenbehandlung; Versicherungsrechtlicher Status eines Patienten; Voraussetzungen einer Auffangversicherung; Empfang von Sozialhilfeleistungen
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 19.05.2020
- Aktenzeichen
- L 16/4 KR 586/18
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2020, 30679
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Bremen - 19.11.2018 - AZ: S 45 KR 206/13
Rechtsgrundlage
- § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V
Redaktioneller Leitsatz
Der Empfang von Sozialhilfeleistungen begründet als solcher keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und vermittelt auch kein Beitragsrecht zur freiwilligen Versicherung.
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 17.122,87 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitgegenständlich ist die Erstattung von durch die Klägerin für Frau I. vorläufig erbrachte Leistungen zur Krankenbehandlung. Die am J. geborene I. war bis zum 18. Mai 1984 bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. In der Folgezeit war sie zunächst nicht versichert. Ab dem 21. Februar 2001 erhielt sie Krankenbehandlung von der Klägerin. Im Zeitraum 1. Januar 2004 bis 31. August 2009 bezog sie neben einer Altersrente von zuletzt 548,29 Euro zur Deckung ihres sozialhilferechtlichen Bedarfs in Höhe von zuletzt 676,- Euro (Regelleistung in Höhe von 359,- Euro und Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 317,- Euro) ergänzend Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Buch des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII) von der Klägerin. Die Beklagte übernahm währenddessen ihre Krankenbehandlung auf der Grundlage des § 264 Abs 2 S 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zu Lasten der Klägerin.
Mit Bescheid vom 13. Juli 2009 bewilligte das zuständige Wohngeldamt bei der Klägerin Frau K. für den Zeitraum 1. Januar 2009 bis 30. Juni 2010 Wohngeld in Höhe von monatlich 142,- Euro. Die Klägerin hob ihren Bescheid über die Gewährung von Sozialhilfeleistungen daraufhin mit Bescheid vom 15. Juli 2009 zum 1. September 2009 auf. Sie gelangte bei ihrer Berechnung unter Berücksichtigung des Wohngeldes zu einem überschießenden Einkommen von Frau K. in Höhe von 14,29 Euro. Mit Schreiben vom selben Tage teilte sie Frau K. mit, mit der Beendigung des Hilfebezugs lägen ab dem 1. September 2009 auch die Voraussetzungen für die Krankenbehandlung im Rahmen des § 264 SGB V durch die Beklagte nicht mehr vor. Die Krankenversicherungskarte sei einzuziehen.
Frau K. beantragte am 5. August 2009 daraufhin die Feststellung der Pflichtversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V bei der Beklagten. Diese lehnte den Antrag mit Bescheid vom 2. November 2009 ab und wies den dagegen gerichteten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2010 zurück. Nach § 5 Abs 8a Satz 2 SGB V seien Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des SGB XII nicht versicherungspflichtig. Das gelte auch dann, wenn der Anspruch auf diese Leistungen für weniger als einen Monat unterbrochen werde. Diese Voraussetzungen lägen vor. Es sei bei der Feststellung des Einkommensüberhanges bereits erkennbar gewesen, dass die ungleich höheren Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung einen erneuten Grundsicherungsanspruch nach sich ziehen würden. Es sei daher erkennbar, dass die Klägerin über den "Umweg" des Wohngeldes versuche, originäre Kosten auf die Krankenversicherungsträger abzuwälzen. In der Folge übernahm vorläufig die Klägerin die Krankenbehandlungskosten von Frau K., was sie der Beklagten mit Schreiben vom 13. November 2009 mitteilte. Diese erhob gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten Klage vor dem Sozialgericht (SG) Bremen (Aktenzeichen S 4 KR 127/10). Die Klägerin ist in diesem Verfahren beigeladen. Vor Ergehen einer Entscheidung in der Sache verstarb Frau K. am 19. August 2012. Das Verfahren ruht seither.
Am 29. Juli 2013 hat die Klägerin ihrerseits Klage bei dem SG Bremen gegen die Beklagte erhoben und die Erstattung der vorläufig erbrachten Krankenhilfekosten in Höhe von 17.122,87 Euro und der Pflegekosten in Höhe von insgesamt 17.899,73 Euro gefordert. Sie hat vorgetragen, Frau K. sei nach Maßgabe des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V bei der Beklagten pflichtversichert gewesen. Hiernach seien Personen pflichtversichert, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall hätten und bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert gewesen seien, es sei denn, dass sie zu den in § 5 Abs 8a SGB V genannten Personen gehörten. Frau K. habe nicht zu diesem Personenkreis gehört. Sie erhalte seit dem 1. September auch keine laufenden Leistungen aus der Grundsicherung mehr. Sozialhilfe sei gegenüber anderen Sozialleistungen nachrangig. Die Argumentation, mit Bestehen eines Krankenversicherungsbeitrags wäre die Klägerin wieder leistungsberechtigt, greife nicht. Nach § 190 Abs 13 SGB V bleibe die einmal entstandene Pflichtversicherung bestehen. Habe der Sozialhilfeträger die (Weiter-)Gewährung von Sozialhilfeleistungen bestandskräftig abgelehnt, weil keine Hilfebedürftigkeit mehr vorgelegen habe, so sei die Pflichtversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V ab dem Zeitpunkt nicht durch § 5 Abs 8a SGB V ausgeschlossen und es bestehe auch keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall. Das Merkmal diene der Abgrenzung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Es komme nicht darauf an, ob vor der Zeit der Nichtabsicherung eine Absicherung nach Maßgabe sozialhilferechtlicher Regelungen bestanden habe. Selbst wenn Frau K. durch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung wieder hilfebedürftig geworden wäre, läge dieser Umstand außerhalb der Monatsfrist. Die Leistungen seien zum 31. August 2009 eingestellt worden. Der erste Beitrag bei der Beklagten wäre erst zum 15. Oktober 2009 fällig gewesen. Da es aufgrund des Versterbens von Frau K. im Klageverfahren S 4 KR 127/10 zu keiner Entscheidung mehr kommen könne, sei der Vorgang nunmehr im Erstattungsverfahren zu klären. Das Verfahren sei auch nicht nachrangig gegenüber dem Verfahren der Frau K. selbst, da es sich um verschiedene Beteiligte handele. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei der beigeladene Sozialhilfeträger im Statusverfahren nicht rechtsmittelbefugt. Er könne vielmehr aus eigenem Recht vorgehen und Kostenerstattung fordern (Urteil vom 24. März 2016 - B 12 KR 5/14 R).
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Klage aufgrund des anhängigen und noch nicht beendeten Verfahrens der Frau K. gegen sie bereits unzulässig sei. Entscheidungen über die Versicherteneigenschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung seien Statusentscheidungen, die nur gegenüber den am Versicherungsverhältnis Beteiligten ergingen, für Dritte Tatbestandswirkung hätten und von diesen nicht beantragt oder angefochten werden könnten. In der Sache selbst trete eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V aufgrund des mit geschuldeten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen sogleich erneut entstehenden Sozialhilfeanspruchs nicht ein. Ein Empfang von Leistungen nach dem SGB XII im Sinne von § 5 Abs 8a Satz 2 SGB V sei bereits anzunehmen, wenn gleichsam nahtlos wieder die Gewährung laufender Leistungen eintrete. Die absolute Nachrangigkeit der Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V als sog Auffang-Versicherungspflicht, die sogar eine Durchbrechung des in § 2 SGB XII geregelten Nachrangigkeitsgrundsatzes für Sozialhilfeleistungen beinhalte, würde anderenfalls ins Leere laufen. Eine Kostenverschiebung durch die Sozialhilfeträger solle durch § 5 Abs 8a Satz 2 SGB V verhindert werden. Dieser sei daher weit auszulegen, möglicherweise sogar in der Weise, dass die Regelung keine erschöpfende Präzisierung enthalte, sondern auch Wohngeldleistungen als "Quasi-Sozialleistungen" zu betrachten seien.
Das SG hat das Verfahren betreffend die Erstattung von Pflegeleistungen mit Beschluss vom 25. Juni 2018 abgetrennt.
Mit Urteil vom 19. November 2018 hat es die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Klage sei zulässig. Insbesondere habe die Klägerin ein Rechtsschutzbedürfnis für die Durchsetzung des geltend gemachten Erstattungsanspruchs und die Sache sei auch nicht aufgrund des Rechtsstreits S 8 KR 127/10 anderweitig rechtshängig. Im vorliegenden Verfahren betreffe die Krankenversicherungspflicht der Frau K. nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V nur eine Teilfrage des Erstattungsanspruchs. Überdies fehle es der Klägerin aufgrund eigener subjektiver Rechte im Parallelverfahren an der Möglichkeit, die Frage dort klären zu lassen. Der Klägerin stehe jedoch ein Erstattungsanspruch nicht zu. Rechtsgrundlage sei § 102 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), wonach der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig sei, wenn ein Leistungsträger aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht habe. Vorliegend habe die Klägerin zwar ausdrücklich erklärt, lediglich vorläufig im Sinne von § 43 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) leisten zu wollen. Die Beklagte sei jedoch nicht zur Erbringung von Krankenbehandlungsleistungen zu Gunsten von Frau K. verpflichtet gewesen. Dies folge nicht bereits aus der Statusfeststellung, die nur zwischen den Beteiligten Tatbestandswirkung habe und im Übrigen bisher nicht bestandskräftig geworden sei, aber aus dem Umstand, dass Frau K. ab dem 1. September 2009 nicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V krankenversicherungspflichtig gewesen sei. Diese sei zuletzt bis 18. Mai 1984 bei der Beklagten krankenversichert und in der Folge weder gesetzlich noch privat versichert gewesen. In der Zeit des Bezugs der Grundsicherung im Alter nach dem Vierten Kapitel des SGB XII habe sie jedoch nach § 48 SGB XII über eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall verfügt. Mit dem Entfallen des Anspruchs auf Leistungen aufgrund des Wohngeldbezugs ab dem 1. September 2009 entfiel auch diese Absicherung. Das Eintreten der Auffangversicherung sei jedoch durch § 5 Abs 8a SGB V verhindert worden. Danach sei nicht nach Absatz 1 Nr 13 versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr 1 bis 12 versicherungspflichtig, freiwilliges Mitglied oder nach § 10 versichert sei. Gemäß § 5 Abs 8a SGB V gelte Satz 1 entsprechend für Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches und für Empfänger laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes. Satz 2 gelte auch, wenn der Anspruch auf diese Leistungen für weniger als einen Monat unterbrochen werde. Vorliegend sei der Grundsicherungsanspruch der Frau K. für weniger als einen Monat unterbrochen gewesen. Hierbei komme es allein auf das Bestehen eines Anspruchs an; unerheblich sei, ob Leistungen tatsächlich bezogen worden seien. Bei einem Eintreten von Versicherungspflicht wäre der grundsicherungsrechtliche Bedarf aufgrund der daraus resultierenden Beitragspflicht weiterhin nicht gedeckt gewesen. Ab September 2009 wäre damit wenigstens der Mindestbeitrag von 120,12 Euro zur Krankenversicherung und von 16,38 Euro zur Pflegeversicherung entstanden. Die Beiträge zählten zum grundsicherungsrechtlichen Bedarf. Abzustellen sei dabei auf den Zeitpunkt, zu dem die Beitragspflicht entstehe, denn ab diesem Zeitpunkt schulde der Versicherte die Beiträge. Dieser wäre am ersten Bankarbeitstag des jeweiligen Versicherungsmonats auch fällig gewesen. Denn nach Aktenlage habe Frau K. mindestens seit dem 1. Januar 2004 eine Altersrente bezogen, so dass Fälligkeit und Zahlungszeitpunkt der Rente sich nach § 272a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) richte. Die Beiträge hätten aus der Rente bestritten werden müssen und wären vom Rentenversicherungsträger einbehalten worden. Gemäß § 255 Abs 3 Satz 3 SGB V wären die Beiträge dabei am letzten Bankarbeitstag des Monats, für den die Rente gezahlt werde, fällig, also erstmals am 30. September 2009. Damit zählten die Beiträge auch unter dem Gesichtspunkt der Fälligkeit zum grundsicherungsrechtlichen Bedarf im Monat September 2009. Dieses Ergebnis decke sich mit dem Wortlaut des § 5 Abs 8a Satz 2 und 3 SGB V sowie mit der Entstehungsgeschichte der Norm, mit der ein Hin und Her zwischen der gesetzlichen Krankenversicherung und Hilfeansprüchen nach dem SGB XII ausgeschlossen werden sollte. Durch § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V hätten Personen in den Schutz des SGB V einbezogen werden sollen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall hätten. Die Leistungsverantwortung im Krankheitsfall habe aber nicht allgemein auf die gesetzliche Krankenversicherung übergewälzt werden sollen. Das Zusammenspiel von § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V und § 5 Abs 8a SGB V zeige, dass die Versicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V nach wie vor nachrangig sei, insbesondere gegenüber den ebenfalls subsidiären Leistungen nach dem SGB XII.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 29. November 2018 zugestellte Urteil am 20. Dezember 2018 Berufung bei dem Landesozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt.
Sie ist der Auffassung, der Sozialhilfebezug sei bei Frau K. nicht weniger, sondern mehr als einen Monat unterbrochen gewesen. Nach ihrem Ausscheiden zum 31. August 2009 würde bei einem erneuten Antrag im nächsten Monat hierüber erst im Oktober entschieden mit der Wirkung, dass zum 15. Oktober 2009 erstmalig wieder Leistungen nach dem SGB XII hätten gewährt werden können. Darauf, ob sie wegen der Belastung mit Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen wieder hilfebedürftig geworden wäre, komme es nicht an. In solchen Fällen solle nach § 32 Abs 1 Satz 1 SGB XII nicht das Entstehen des Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnisses verhindert werden. Die Übernahme von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen für Versicherte nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V würde leerlaufen, wenn der Betroffene allein hierdurch hilfebedürftig würde. Darüber hinaus komme es nicht auf fiktive Entscheidungsmöglichkeiten an, sondern entsprechend der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 6. Oktober 2010 - B 12 KR 25/09 R) darauf, ob der Sozialhilfeträger dem Leistungsempfänger einen Leistungsanspruch auch tatsächlich durch Verwaltungsakt zuerkannt habe. Dies sei vorliegend nicht der Fall.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Bremen vom 19. November 2018 zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 17.122,87 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung im Wesentlichen auf das angefochtene Urteil. Ergänzend äußert sie die Auffassung, die Klägerin verkenne die absolute Nachrangigkeit einer Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V. Der Wille des Gesetzgebers sei insoweit eindeutig und komme für Fälle wie den vorliegenden klar zum Ausdruck. Die Beteiligten haben mit bei Gericht am 11. Mai 2020 und 13. Mai 2020 eingegangenen Schriftsätzen ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte, den Inhalt der Sozialhilfeakte der Klägerin betreffend Frau I. sowie den Inhalt der Prozessakte zum Verfahren S 8 KR 127/10 Bezug genommen, die der Entscheidung zugrunde gelegen haben.
Entscheidungsgründe
Gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) konnte der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.
Die Berufung ist form- und fristgemäß eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig. Sie ist aber nicht begründet. Das Urteil des SG Bremen ist nicht zu beanstanden. Zutreffend hat es entschieden, dass der Klägerin ein Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der von ihr für Frau I. im Zeitraum 1. September 2009 bis 19. August 2012 aufgewendeten Krankenhilfekosten nicht zusteht.
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG zulässig. Insbesondere liegt eine doppelte Rechtshängigkeit aufgrund der Klage der Frau K. gegen die Beklagte (S 8 KR 127/10) nicht vor. Eine neue Klage kann nur dann wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig sein, wenn sie denselben Streitgegenstand zwischen denselben Beteiligten betrifft (B Schmidt in Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 12. Aufl 2017, SGG § 94 RdNr 7). Streitgegenstand des Verfahrens S 8 KR 127/10 ist allein der versicherungsrechtliche Status der Frau K. nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V. Über die sich daran mittelbar anschließende Frage der Tragung der für die Krankenbehandlung aufgewandten Kosten bzw einer möglichen Kostenerstattungspflicht eines anderen Leistungsträgers ist in einem solchen Rechtsstreit dagegen nicht zu entscheiden (so auch BSG Urteil vom 24. März 2016 - B 12 KR 5/14 R, juris RdNr 21). Eine Tatbestandswirkung des Bescheides vom 2. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2009 auch für die Klägerin scheitert jedenfalls daran, dass der Bescheid nicht bestandskräftig geworden ist.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Dabei bestehen Zweifel daran, ob die vom SG herangezogene Rechtsgrundlage § 102 SGB X die in Betracht kommende ist. Gemäß § 102 Abs 1 SGB X ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat. Zwar hat die Klägerin mit Schreiben vom 13. November 2009 gegenüber der Beklagten ausdrücklich erklärt, die Kosten der Krankenbehandlung nur vorläufig bis zur Klärung eines möglichen Pflichtversicherungsanspruchs zu übernehmen; nicht eindeutig ist aber, ob sie die Leistungen aufgrund gesetzlicher Vorschriften erbracht hat. In Betracht kommt insoweit die - auch von der Klägerin in ihrem Schreiben an die Beklagte genannte - Verpflichtung aus § 43 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) als erstangegangener Träger. Aus den vorliegenden Unterlagen ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Klägerin erstangegangener Träger war. Die ursprünglich nach § 264 SGB V geleisteten Krankenbehandlungen wurden zum 31. August 2009 mit der Aufhebung der Grundsicherungsleistungen zu diesem Zeitpunkt beendet. Frau K. ist hiergegen auch nicht vorgegangen. Sie hat sodann einen Antrag auf Feststellung der Mitgliedschaft bei der Beklagten nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V gestellt und gegen den ablehnenden Bescheid Widerspruch und Klage erhoben. Dass sie sich zuvor (auch) an die Klägerin zur Erlangung von Leistungen zur Krankenhilfe gewandt hat, geht aus deren Verwaltungsakte zumindest nicht hervor.
Im Ergebnis kann jedoch dahinstehen, ob § 102 SGB X oder anstelle dessen § 105 SGB X als Anspruchsgrundlage in Betracht kommen. Nach § 105 Abs 1 Satz 1 SGB X ist in Fällen, in denen ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen des § 102 Abs 1 vorliegen, der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Jedenfalls handelt es sich bei der Beklagten nicht um den zuständigen Leistungsträger im Sinne des § 102 Abs 1 SGB X oder § 105 Abs 1 SGB X. Zutreffend ist das SG in seiner Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass Frau K. im Zeitraum 1. September 2009 bis 19. August 2012 nicht bei der Beklagten krankenversichert gewesen ist.
In Betracht kommt allein eine Versicherung nach § 5 Abs 1 Nr. 13 SGB V. In dieser so genannten Auffangversicherung sind Personen versicherungspflichtig, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten. Die anderweitige Absicherung im Krankheitsfall wird durch § 5 Abs 8a SGB V näher konkretisiert. Danach sind unter anderem Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches nicht versicherungspflichtig nach Absatz 1 Nr 13 SGB V. Dies gilt auch, wenn der Anspruch auf diese Leistungen für weniger als einen Monat unterbrochen wird. Die Voraussetzungen der Auffangversicherung liegen bei Frau K. nicht vor. Zwar entfiel mit der Gewährung des Wohngeldes zum 1. September 2009 aufgrund übersteigenden Einkommens zunächst ihr Anspruch auf Grundsicherungsleistungen und damit auch der Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall durch die Übernahme von Krankenbehandlungskosten nach § 264 SGB V. Sie war vor dem Leistungsbezug zuletzt bis zum 18. Mai 1984 bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert und seitdem nicht gesetzlich oder privat versichert.
Der Anspruch auf Grundsicherungsleistungen wäre jedoch unter der Prämisse des Eintretens einer Versicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V für weniger als einen Monat unterbrochen. Bei der Annahme einer Auffangversicherung fielen Beiträge an, die Frau K. gemäß § 249a Satz 1 SGB V zur Hälfte zu tragen hätte. Durch diese Beiträge wäre sie sogleich erneut hilfebedürftig geworden. Sie hatte einen Grundsicherungsbedarf in Höhe von 676,- Euro, der sich aus der Regelleistung von seinerzeit 359,- Euro, Unterkunftskosten von 285,- Euro und Heizkosten von 32,- Euro zusammensetzte. Dem standen Einkünfte aus einer monatlichen Rente in Höhe von 548,29 Euro und das ab September 2009 zuerkannte Wohngeld in Höhe von 142,- Euro, insgesamt 690,29 Euro gegenüber. Hieraus resultierte ein Einkommensüberhang von lediglich 14,29 Euro. Selbst bei anzunehmenden Mindestbeiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung könnte Frau K. ihren Bedarf unter Einbeziehung der Beiträge nicht durch ihr Einkommen decken. Gemäß § 32 Abs 1 und Abs 2 Nr 1 iVm § 42 Nr 2 SGB XII zählen die Beiträge zu einer Pflichtversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V auch zum grundsicherungsrechtlichen Bedarf. Bereits eine aufstockende Leistung, die lediglich darauf gerichtet ist, die Bedarfe der Krankenversicherung zu decken, stellt einen Hilfebezug dar (Bieritz-Harder in LPK-SGB XII, 11. Aufl 2018, § 32 RdNr 8). Soweit die Klägerin meint, in diesen Fällen der Hilfebedürftigkeit allein durch die Belastung mit Beiträgen solle das Entstehen des Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnisses nicht verhindert werden, um nicht die Vorschrift leer laufen zu lassen, kann dem angesichts des klaren Wortlauts nicht gefolgt werden. Der Einwand ist auch nicht zutreffend. Bedarfe auf der Grundlage von § 32 SGB XII sind keine eigenständige Leistungsgruppe, sondern gehören zu den Leistungen, mit denen die Bedarfe hilfebedürftiger Personen nach dem Dritten bzw dem Vierten Kapitel des SGB XII gedeckt werden sollen (Bieritz-Harder, aaO). Die Regelung in § 32 Abs 2 Nr 1 SGB XII hat zwar angesichts der Hilfen zur Gesundheit nach § 48 SGB XII und vor allem aufgrund der Quasiversicherung nach § 264 SGB V nur eine geringe Bedeutung. Sie kommt aber zum Tragen, wenn eine Auffangversicherung - anders als hier - bereits vor dem Zeitpunkt des Eintretens der Hilfebedürftigkeit begründet wurde. Diese kann gemäß § 190 Abs 13 Satz 2 SGB V nicht durch die später eintretende Hilfebedürftigkeit beendet werden.
Entgegen der Auffassung der Klägerin wären diese Beiträge erstmals auch nicht erst im Folgemonat Oktober, sondern aufgrund der Einbehaltung aus der Rente bereits zum 30. September 2009 fällig. Der Senat verweist in Anwendung des § 153 Abs 2 SGG insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG.
Unerheblich ist, dass Frau K. von der Klägerin tatsächlich keine Sozialhilfeleistungen erhalten hat. Für den Empfang laufender Leistungen im Sinne des § 5 Abs 8a Satz 2 SGB V kommt es nicht darauf an, ob und wann diese tatsächlich erbracht oder bezogen worden sind, sondern dass sie beansprucht werden können (LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3. April 2017 - L 4 KR 389/14; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 18. Mai 2011 - L 12 SO 60/09; mit Einschränkungen LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 6. September 2018 - L 5 KR 272/17). Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 5 Abs 8a Satz 3 SGB V, der für die Annahme einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall für Empfänger laufender Leistungen nach dem SGB XII genügen lässt, dass der Anspruch auf diese Leistungen für weniger als einen Monat unterbrochen wird. Diese Auffassung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Zwar hat dieses in dem auch von der Klägerin zitierten Urteil entschieden, es komme für den die Auffang-Pflichtversicherungspflicht ausschließenden "Empfang" laufender Leistungen im Sinne von § 5 Abs 8a Satz 2 SGB V auf den vom Sozialhilfeträger durch Verwaltungsakt (bestimmten) zuerkannten (Beginn des) Leistungsanspruch(s) an (Urteil vom 6. Oktober 2010 - B 12 KR 25/09 R); maßgeblich war dabei aber die Abgrenzung zur in jenem Fall erst später ergangenen (rückwirkenden) Entscheidung und Auskehrung der Leistungen. Gleichzeitig betonte das BSG, dass für den Eintritt bzw Ausschluss der Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V nicht entscheidend sei, ob solche Leistungen - im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt - tatsächlich erbracht würden, sondern ob sie - in diesem Zeitpunkt - beansprucht werden könnten (BSG aaO, RdNr 17). Dies ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang mit § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V, den § 5 Abs 8a Satz 2 SGB V tatbestandlich konkretisiert. Soweit es um das gegenwärtige "Fehlen" (vgl BT-Drucksache 16/3100 Seite 94) einer anderweitigen Absicherung geht, wird dieses dort als Abwesenheit eines "Anspruchs" definiert. An das Nichtbestehen eines anderweitigen "Anspruchs" auf Absicherung im Krankheitsfall knüpfen auch die Bestimmungen über den Beginn der Mitgliedschaft der nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V Versicherungspflichtigen in § 186 Abs 11 Sätze 1 und 3 SGB V an, ebenso die Vorschrift über das Ende der Mitgliedschaft in § 190 Abs 13 Satz 1 Nr 1 SGB V, wenn eine Absicherung aufgrund anderer Leistungen als der Sozialhilfe in Betracht kommt. Auch § 19 Abs 2 SGB V hebt auf den Anspruch ab. Dieser Maßstab muss konsequenterweise auch bei der Auslegung des § 5 Abs 8a SGB V zugrunde gelegt werden, soll nicht der Regelungszusammenhang durchbrochen werden (BSG aaO, RdNr 20).
Aufgrund der mit ihrem Eintreten zugleich wieder entstehenden Bedürftigkeit ist eine Versicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V vorliegend zu verneinen (so auch Bayerisches LSG Urteil vom 27. November 2012 - L 5 KR 220/12 und vom 12. März 2013 - L 5 KR 454/09). Der Senat ist sich darüber im Klaren, dass die Anwendung der Norm in der hier streitgegenständlichen Konstellation zu einem Zirkelschluss führt: Das Ausscheiden aus der Krankenhilfe mit Beendigung der Grundsicherungsleistungen führt dem Grunde nach zur Auffangversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V. Da die Beiträge wiederum einen Grundsicherungsanspruch nach sich ziehen, ist die Auffangversicherung aufgrund der weniger als einen Monat dauernden Unterbrechung zu verneinen. Ohne Auffangversicherung liegt aber wiederum keine zur Hilfebedürftigkeit führende Beitragsverpflichtung (mehr) vor. Dieser Zirkelschluss kann nur mit Blick auf Sinn und Zweck der Regelung aufgelöst werden. Gewollt war die Einbeziehung von Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben. Dagegen sollte die Leistungsverantwortung für den Krankheitsfall nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung "verschoben" werden. Anders als der Bezug anderer Sozialleistungen begründet der Empfang von Sozialhilfeleistungen als solcher keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung. Er vermittelt auch kein Beitragsrecht zur freiwilligen Versicherung (mehr). Zwar liegt dem SGB XII die Vorstellung zugrunde, dass eine bereits bestehende Versicherung nach dem SGB V möglichst aufrechterhalten werden soll, was sich beispielsweise an der Regelung des § 32 SGB XII zeigt. Wer allerdings nicht versichert ist und laufende Sozialleistungen empfängt, ist im Sinne von § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V im Krankheitsfall anderweitig abgesichert. Die Versicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V ist also subsidiär gegenüber der Krankenhilfe nach dem SGB XII (BSG aaO, RdNr 24). Mit § 5 Abs 8a Satz 3 SGB V soll darüber hinaus sichergestellt werden, dass die Vorrangregelung der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers nach § 5 Abs 8a Satz 2 SGB V nicht unterlaufen werden kann (BT-Drucksache 16/4247 Seite 29). Damit wurde ein Anliegen des Bundesrates übernommen, der gefordert hatte, bei der angedachten Versicherungspflichtlösung eine "Kostenverschiebung durch die Sozialhilfeträger" zu verhindern bzw auszuschließen, dass eine (unter Umständen "gesteuerte") Unterbrechung des Sozialhilfeleistungsbezugs eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V eintreten lässt, mit der die "Vorrangregelung des § 5 Abs 8a Satz 2 SGB V" ausgehebelt werden könnte (BR-Drucksache 755/06 (Beschluss) Seite 2). Eine gesteuerte Unterbrechung soll der Klägerin vorliegend nicht unterstellt werden. Nichtsdestotrotz würde es zu einer solchen "Verschiebung" der Leistungsverantwortung für den Krankheitsfall kommen, wenn über den kurzzeitigen - formalen - Entfall der Hilfebedürftigkeit von Frau K. eine Pflichtversicherung begründet werden würde. Denn deren Situation hatte sich durch die Zuerkennung des Wohngeldes nicht geändert. Zu keinem Zeitpunkt wäre sie in der Lage gewesen, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Sie bedurfte jederzeit entweder der direkten Übernahme ihrer Krankenkosten oder der Übernahme der entstehenden Beiträge für eine Versicherung. Ein Wechsel in die Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V ließ sich unter diesen Umständen mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht rechtfertigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision ist nicht gegeben (§ 160 Abs 2 SGG).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 43 Abs 2, 47 Abs 1 und 2, 52 Abs 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).