Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 17.06.2003, Az.: 5 A 21/02

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
17.06.2003
Aktenzeichen
5 A 21/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 40559
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:2003:0617.5A21.02.0A

Fundstelle

  • IBR 2003, 509

In der Verwaltungsrechtssache

...

Streitgegenstand: Ausübungsberechtigung für das Dachdeckerhandwerk

hat das Verwaltungsgericht Lüneburg - 5. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 2003 durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichts von Alten, den Richter am Verwaltungsgericht Schütte, die Richterin am Verwaltungsgericht Haase sowie die ehrenamtlichen Richter Hadel und Dr. Hartmann für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

  3. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt eine Ausübungsberechtigung für das Dachdeckerhandwerk.

2

Der 1959 geborene Kläger legte im Juli 1978 die Gesellenprüfung für das Dachdeckerhandwerk ab. Danach war er als Dachdeckergeselle in verschiedenen Unternehmen tätig. Am 17. August 1982 wurde ihm von der Stadt Bottrop eine Reisegewerbekarte erteilt zur Ausübung des Gewerbes: "Reinigen, Beschichten und Reparieren von Dachrinnen, Dachdeckerhandwerk". Dieses Gewerbe übte er seitdem selbständig aus. Am 5. Juli 1995 wurde er in die Handwerksrolle mit dem "Gerüstbauerhandwerk" eingetragen. Am 27. Juli 2000 wurde er gemäß § 7 Abs. 6 HwO auch mit dem Dachdeckerhandwerk in die Handwerksrolle eingetragen.

3

Am 11. Oktober 2000 beantragte der Kläger die Erteilung einer "Ausnahmebewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle ( § 7a HwO )". Mit seiner Zustimmung unterzog er sich einer von der Handwerkskammer Lüneburg-Stade am 25. April 2001 durchgeführten Eignungsprüfung. Die praktischen Fertigkeiten und die theoretischen Kenntnisse des Klägers wurden von zwei Mitgliedern des Meisterprüfungsausschusses für das Dachdeckerhandwerk mit "nicht ausreichend" bewertet. Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 18. Mai 2001 die Erteilung der Ausübungsberechtigung für das Dachdeckerhandwerk ab. Der Kläger habe den erforderlichen Nachweis der praktischen Fertigkeiten und fachtheoretischen Kenntnisse nicht erbracht. Die von ihm geforderte Hohlziegeldeckung habe er nicht fachgerecht erstellt. Die Ausführung sei nicht abnahmefähig gewesen und hätte einer kompletten Neuandeckung bedurft. Auch die Fassadenbekleidung sei infolge grober Fehler bei der Fenstereinfassung "undicht" und deshalb nicht abnahmefähig gewesen. Die fachtheoretischen Kenntnisse seien in allen Teilbereichen nicht ausreichend gewesen. In den Bereichen Kalkulation/Angebot und VEB habe der Kläger gar keine Kenntnisse nachweisen können.

4

Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch hat der Kläger vorgetragen, ihm stehe eine Ausnahmebewilligung nach §§ 8, 9 HwO zu. Sein Antrag auf Erteilung einer Ausübungsberechtigung gemäß § 7a HwO hätte entsprechend umgedeutet werden müssen. Er verfüge über alle notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten aus der Berufspraxis, die er im Reisegewerbe erwerben durfte. Im Übrigen habe die Fachkundeprüfung nicht den Anforderungen an eine Prüfung für die Gewährung einer Ausnahmebewilligung entsprochen. Die Anforderungen hätten unzulässigerweise denen einer Meisterprüfung entsprochen. Aufgrund seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit und den dort bei vielen Bauvorhaben gezeigten Fähigkeiten und Fertigkeiten hätte er keine Fachkundeprüfung absolvieren müssen. Außerdem erfülle er auch die europarechtlichen Anforderungen nach § 9 HwO für die Erteilung der Ausnahmebewilligung. Er habe einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit anderen EU-Ausländern, die in der Bundesrepublik ohne großen Befähigungsnachweis handwerkliche Tätigkeiten ausüben dürften. Im Übrigen sei die Erforderlichkeit einer Ausnahmebewilligung bzw. eines Meisterbriefes zur Ausübung eines handwerklichen Berufes wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gemäß Art. 12 Abs. 1 GG verfassungswidrig und verstoße auch gegen europarechtliche Vorschriften. Schließlich sei nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Ausübung eines handwerklichen Gewerbes ohne Meisterbrief verfassungsrechtlich zulässig.

5

Die Bezirksregierung Lüneburg hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2002 als unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger könne eine Ausnahmebewilligung gemäß § 8 HwO nicht beanspruchen, weil er bereits das Gerüstbauerhandwerk als stehendes Gewerbe betreibe und damit in die Handwerksrolle eingetragen sei. Deshalb könne er nur die Erteilung einer Ausübungsberechtigung nach § 7a HwO beanspruchen. Der Kläger habe dafür nicht die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten nachgewiesen. Die Durchführung einer Eignungsprüfung sei rechtlich zulässig gewesen. Auch nach § 9 HwO könne dem Kläger keine Ausnahmebewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle erteilt werden.

6

Mit seiner dagegen am 5. Februar 2002 erhobenen Klage begehrte der Kläger ursprünglich weiter die Verpflichtung der Beklagten, ihm eine unbefristete Ausnahmebewilligung für das Dachdeckerhandwerk zu erteilen. Er habe aus den schon im Widerspruchsverfahren dargelegten verfassungsrechtlichen Gründen einen Rechtsanspruch auf Erteilung der in diesem Verfahren begehrten Ausnahmebewilligung nach §§ 8, 9 HwO. Er könne eine großzügige Auslegung der gesetzlichen Ausnahmebestimmungen für sich beanspruchen. Unter Berücksichtigung seiner langjährigen Berufstätigkeit habe er die gesetzlich geforderten Kenntnisse und Fertigkeiten für die nunmehr nur noch begehrte Ausübungsberechtigung hinreichend nachgewiesen. Die einer Meisterprüfung entsprechende Fachkundeprüfung sei rechtsfehlerhaft und könne ihm nicht entgegengehalten werden.

7

Der Kläger beantragt,

  1. den Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 2001 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine Ausübungsberechtigung für das Dachdeckerhandwerk zu erteilen.

8

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

9

Sie tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen und trägt vor, der Kläger könne lediglich eine Ausübungsberechtigung nach § 7a HwO, nicht aber eine Ausnahmebewilligung nach den §§ 8, 9 HwO erhalten. Er sei bereits mit dem Gerüstbauerhandwerk in die Handwerksrolle eingetragen, sodass sich die Erweiterung seiner handwerklichen Tätigkeit allein nach § 7a HwO beurteile. In der ohne Rechtsfehler angeordneten und durchgeführten Eignungsüberprüfung habe er die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten zur selbständigen Ausübung des Dachdeckerhandwerks nicht nachgewiesen.

10

Die Beigeladene hat sich dem Sachvortrag der Beklagten angeschlossen.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger kann die von ihm zuletzt nur noch begehrte Ausübungsberechtigung nach § 7a HwO für das Dachdeckerhandwerk nicht beanspruchen, sodass die angefochtenen Bescheide schon aus diesem Grunde rechtmäßig sind.

13

Gemäß § 7a HwO erhält, wer ein Handwerk nach § 1 HwO betreibt, eine Ausübungsberechtigung für ein anderer Gewerbe der Anlage A oder für wesentliche Tätigkeiten dieses Gewerbes, wenn die hierfür erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten nachgewiesen sind; dabei sind auch seine bisherigen beruflichen Erfahrungen und Tätigkeiten zu berücksichtigen.

14

Der Kläger kann die von ihm im Klageverfahren ursprünglich begehrte Ausnahmebewilligung nach § 8 Abs. 1 HwO schon deshalb nicht beanspruchen, weil er bereits mit dem Gerüstbauerhandwerk in der Handwerksrolle eingetragen ist. Wer ein Handwerk nach § 1 HwO betreibt und seine handwerkliche Tätigkeit ohne weitere Meisterprüfung auf ein anderes Handwerk erweitern will, bedarf keiner Ausnahmebewilligung nach § 8 HwO, sondern einer Ausübungsberechtigung nach § 7a HwO. Das Gleiche gilt für die vom Kläger ebenfalls ursprünglich begehrte Ausnahmebewilligung nach § 9 HwO, die lediglich eine Ausnahmebewilligung im Sinne des § 8 HwO für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist. Das bedeutet, dass ein bereits in der Handwerksrolle eingetragener Handwerker eine Ausnahmebewilligung auch nicht gemäß § 9 HwO erhalten kann.

15

Die Klage hat keinen Erfolg, weil der Kläger die für die Erteilung der Ausübungsberechtigung nach § 7a HwO erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten für das Dachdeckerhandwerk nicht nachgewiesen hat. Der Kläger hat die von ihm geforderte Eignungsprüfung nicht bestanden. Entgegen seiner Auffassung im Klageverfahren bestehen auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes keine Bedenken dagegen, dass die Beklagte den Kläger zu einer Eignungsprüfung zum gesetzlich geforderten Nachweis seiner Kenntnisse und Fertigkeiten aufgefordert hat, nachdem er sich dazu ausdrücklich bereit erklärt hatte. In der zweitägigen Überprüfung konnte der Kläger seine praktischen Fertigkeiten und theoretische Kenntnisse, wie sie bei der gewerblichen Ausübung des Dachdeckerberufes erforderlich sind, nachweisen. Damit konnte er unter Beweis stellen, dass er die gesetzlichen Voraussetzungen für die von ihm begehrte Berechtigung erfüllt, ohne dass erkennbar höhere Anforderungen als beim Nachweis im Rahmen des Ausnahmebewilligungsverfahrens von ihm gefordert wurden. Diesen Eignungsnachweis hat der Kläger nicht erbracht, weil, ohne dass Fehler bei der Aufgabenstellung und der Beurteilung vom Kläger gerügt oder ersichtlich sind, die vom Kläger erbrachten Leistungen durchweg als nicht ausreichend bewertet worden sind.

16

Aus den vom Kläger dargelegten beruflichen Erfahrungen und Tätigkeiten hat die Beklagte ohne Rechtsfehler keine von der Eignungsprüfung abweichenden Erkenntnisse zu Gunsten des Klägers festgestellt. Der Kläger hat im Widerspruchsverfahren zwar eine Reihe von Bauvorhaben genannt, bei denen Dachdeckerarbeiten von seinem Betrieb ausgeführt worden sind. Zunächst ist aber zu bedenken, dass nach § 7a HwO entscheidend auf die vom Handwerker nachzuweisenden Kenntnisse und Fertigkeiten abzustellen ist und die bisherigen beruflichen Erfahrungen und Tätigkeiten bei dieser Feststellung lediglich unterstützend und bestätigend auch mit zu berücksichtigen sind. Welches Gewicht dabei den nachgewiesenen beruflichen Kenntnissen und Fertigkeiten im Einzelfall einzuräumen ist, lässt sich nicht abstrakt bestimmen und wird jeweils im Einzelfall zu entscheiden sein. Diese Frage kann hier aber letztlich offen bleiben, weil aus der Aufzählung der Bauvorhaben und den wenig aussagekräftigen Bescheinigungen von Architekten und Bauherrn nicht zu erkennen ist, welche Arbeiten der Kläger im Rahmen des ihm erlaubten Dachdeckerhandwerks als Reisegewerbe verantwortlich durchgeführt hat, welchen Schwierigkeitsgrad diese Arbeiten hatten und für welche Arbeiten nicht der Kläger sondern der Betriebsleiter nach § 7 Abs. 6 HwO fachlich verantwortlich war.

17

Die Beklagte ist damit ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass der Kläger die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten für das von ihm angestrebte weitere Handwerk nicht nachgewiesen hat mit der Folge, dass dem Kläger zu Recht die Ausübungsberechtigung nach § 7a HwO für das Dachdeckerhandwerk abgelehnt worden ist.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

19

Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124a VwGO liegen nicht vor.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10 000,- EUR festgesetzt.

von Alten
Schütte
Haase
Hadel
Dr. Hartmann