1.1 Kreditbegriff
Unter den Kreditbegriff gemäß § 60 Nr. 30 KomHKVO fallen nicht innere Darlehen (§ 60 Nr. 21 KomHKVO) sowie Liquiditätskredite (§ 122 Abs. 1 Satz 1 NKomVG, § 60 Nr. 34 KomHKVO).
Eine Darlehensgewährung der Kommune an ein Sondervermögen mit Sonderrechnung ist dort eine Kreditaufnahme.
1.2 Kreditaufnahme
Kommunen dürfen Kredite nach § 120 Abs. 1 NKomVG lediglich für Investitionen, Investitionsförderungsmaßnahmen und zur Umschuldung im Rahmen ihrer Aufgaben aufnehmen und zwar nur dann, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich ist oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre (§ 111 Abs. 6 NKomVG).
Bei der Aufnahme von Krediten ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit
zu beachten (§ 110 Abs. 2 NKomVG). Ein günstiges Zinsniveau allein rechtfertigt keine kreditfinanzierten Investitionen. Vor der Aufnahme eines Kredits sind vergleichbare Angebote verschiedener Kreditgeber einzuholen. Für die Wirtschaftlichkeit eines Angebots sind alle Vertragselemente zu berücksichtigen und entsprechend zu bewerten. Vertragselemente sind neben den in Nummer 1.6 genannten preisbildenden Bestandteilen auch die Vereinbarung von Kündigungsrechten.
Die Zuständigkeit und das Verfahren für Kreditaufnahmen sind in den Richtlinien zur Aufnahme von Krediten nach § 120 Abs. 1 Satz 2 NKomVG festzulegen und von der Vertretung nach § 58 Abs. 1 Nr. 15 NKomVG zu beschließen. Es wird empfohlen, bei der Aufnahme von Krediten auf die Inanspruchnahme verschiedener Kreditgeber zu achten. Abweichungen können durch eine Abwägung zwischen Wirtschaftlichkeit und Risikoverteilung begründet werden.
Zur Optimierung der Kreditaufnahmen, der Umschuldungen sowie einer Verringerung der
Belastungen aus Zins- und Tilgungsleistungen wird der Aufbau eines Schulden- und Zinsmanagements
entsprechend des zu verwaltenden Kreditvolumens empfohlen.
1.3 Kreditgenehmigung
Der Gesamtbetrag der im Finanzhaushalt vorgesehenen Kreditaufnahmen für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen bedarf im Rahmen der Haushaltssatzung der Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde (§ 120 Abs. 2 Satz 1 NKomVG).
Dies gilt auch für eine Änderung oder Bestätigung des Kreditgesamtbetrages durch Nachtragshaushaltssatzung (§ 115 Abs. 1 NKomVG), da Veranschlagungsänderungen auch bei einem in der Nachtragshaushaltssatzung der Höhe nach unveränderten Gesamtkreditbetrag neue Beurteilungstatbestände und -pflichten auslösen, die zu anderen Schlussfolgerungen als im vorausgegangenen Genehmigungsverfahren führen können.
1.4 Genehmigungskriterien
Bei der Beurteilung zur Genehmigung sind die folgenden Kriterien zu berücksichtigen:
1.4.1 Geordnete Haushaltswirtschaft
Die Grundsätze einer geordneten Haushaltswirtschaft ergeben sich insbesondere aus den §§ 110 und 111 NKomVG. Es ist eine Gesamtwürdigung des Haushalts vorzunehmen. Die Kommunalaufsichtsbehörden beurteilen die Verschuldungs- und Haushaltssituation unter Berücksichtigung regionaler Unterschiede. Hierfür können die Kennzahlen, die im Erlass "Übersicht über Daten der Haushaltswirtschaft für Kommunen" (Bezugserlass zu b) veröffentlicht sind, herangezogen werden.
Kreditaufnahmen, die Einrichtungen zugerechnet werden können, die sich überwiegend aus Entgelten finanzieren, sind bei der Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit des Gesamtkreditbetrages als unbedenklich einzustufen, wenn aufgrund von Gebührenbedarfsberechnungen oder Betriebsabrechnungen über einen längeren Zeitraum grundsätzlich die volle Deckung aller gebührenfähigen Kosten (einschließlich geplanter Investitionen) gegeben ist.
1.4.2 Dauernde Leistungsfähigkeit
Die Kriterien für die dauernde Leistungsfähigkeit ergeben sich aus § 23 KomHKVO.
Die Kommunalaufsichtsbehörde trifft hierzu im Rahmen der Genehmigung von Kreditaufnahmen eine entsprechende Feststellung. Bei nicht vorhandener dauernder Leistungsfähigkeit sind die Notwendigkeit einer Kreditaufnahme durch die Kommune und deren Genehmigung durch die Kommunalaufsicht gesondert zu begründen.
1.5 Beitrittsbeschluss zur Genehmigung
Hat die Kommunalaufsicht nur einen Teilbetrag des veranschlagten Gesamtbetrages der Kredite genehmigt, ist vor der öffentlichen Auslegung und der Verkündung von der Vertretung nach § 58 Abs. 1 Nr. 9 NKomVG ein sog. Beitrittsbeschluss zu fassen. Stimmt die Vertretung der Reduzierung nicht zu, gilt die Genehmigung als nicht erteilt. Eine rechtswirksame Verkündung der Haushaltssatzung ist dann nicht möglich. In diesem Fall müssen die Haushaltssatzung und der Haushaltsplan überarbeitet, die Haushaltssatzung erneut beschlossen und der Kommunalaufsicht zur Genehmigung vorgelegt werden.
Tritt die Vertretung durch Beschluss dem von der Kommunalaufsicht genehmigten reduzierten Gesamtbetrag für Kredite und/oder dem Höchstbetrag für Liquiditätskredite bei, entfaltet die erteilte (Teil-)Genehmigung ihre Rechtswirksamkeit. Im Rahmen des Beitrittsbeschlusses entscheidet die Vertretung auch über die Maßnahmen, die wegen der Kürzung der Kreditaufnahmen oder einer Verringerung der Verpflichtungsermächtigungen nicht durchgeführt werden können, aufgeschoben oder gestreckt werden müssen. Die geänderte Fassung der Haushaltssatzung ist der Kommunalaufsicht nochmals vorzulegen, zeitgleich können die Verkündung und öffentliche Auslegung erfolgen.
Hat die Kommunalaufsichtsbehörde den Gesamtbetrag der veranschlagten Kredite versagt, so kann die Vertretung auch dieser Versagung beitreten, sodass die Haushaltssatzung ohne Gesamtkreditbetrag in Kraft tritt. Möchte die Verwaltung eine Kreditermächtigung in der Haushaltssatzung aufnehmen, so muss sie eine neue Haushaltssatzung beschließen und der Kommunalaufsichtsbehörde zur Genehmigung vorlegen.
Bis zum Wirksamwerden der neuen Haushaltssatzung bleibt die Kommune in der vorläufigen Haushaltsführung nach § 116 NKomVG.
Hat die Kommunalaufsicht die Genehmigung mit Nebenbestimmungen erteilt, ist darauf in der Verkündung der Haushaltssatzung und der öffentlichen Auslegung hinzuweisen.
Anmerkung:
Soweit die Kommunalaufsichtsbehörde den Gesamtbetrag oder einen Teilbetrag der Verpflichtungsermächtigungen nach § 119 Abs. 4 NKomVG versagt, ist von der Vertretung nach § 58 Abs. 1 Nr. 9 NKomVG ebenfalls ein Beitrittsbeschluss zu fassen. Siehe dazu die Ausführungen in den Absätzen 1, 2 und 3 Satz 1.
1.6 Kreditkosten
Beim Abschluss eines Kredits ist besonders auf marktgerechte Zinsen und die mögliche Zinsentwicklung zu achten.
Das Entgelt für den Kredit wird durch Ermittlung des (vorläufigen) effektiven Jahreszinses unter Berücksichtigung aller mit der Kreditaufnahme verbundenen Kosten festgestellt (z. B. auf Grundlage der PAngV). Hierauf kann verzichtet werden, soweit Kreditangebote mit dem Nominalzins verglichen werden sollen, bei denen alle preisbildenden Bestandteile (insbesondere Disagio, Zinsbindungsfrist, Zahlungs- und Wertstellungstermine, Vermittlungs- und Abschlussgebühren etc.) übereinstimmen, sodass sich auch bei einer Berechnung mit einem Effektivzinssatz keine andere Bewertung der Wirtschaftlichkeit ergäbe.
Bei der Vereinbarung von sog. Zinsgleitklauseln (Anbindung der Zinssätze an bestimmte Sätze, wie z. B. Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank [EZB] oder Euro InterBank Offered Rate [EURIBOR]) hat die Kommune in eigener Verantwortung eine selbständige und sorgfältige Prognose der künftigen Zinsentwicklung (Zinsmeinung) vorzunehmen und sich dabei ggf. durch spezialisierte Fachberatung unterstützen zu lassen. Das Schulden- und Zinsmanagement ist an die damit verbundenen erhöhten Anforderungen anzupassen.
1.7 Laufzeit und Tilgung
Die Kreditlaufzeit soll auf die Refinanzierungsmöglichkeiten im Rahmen der dauernden Leistungsfähigkeit unter den Bedingungen des Gesamtdeckungsprinzips abgestellt sein. Dies gilt auch für Art und Umfang der Tilgung.
1.8 Kündigungsrechte für Kommunen und Kreditgeber
Grundsätzlich sollen gleiche Kündigungsrechte für Kommunen und Kreditgeber vereinbart werden. Daher soll die Kommune sicherstellen, dass das Kündigungsrecht des § 489 Abs. 1 und 2 BGB vom Kreditgeber nicht ausgeschlossen wird. Der Ausschluss des Kündigungsrechts oder die Vereinbarung einseitiger Kündigungsrechte ist möglich, wenn sich daraus für die Kommune ein wirtschaftlicher Vorteil ergibt. Gegen Vertragsklauseln, die ein Kündigungsrecht zum Zweck der Anpassung des Zinssatzes bei einer von der Kommune zu vertretenden Änderung der Rechtsform vorsehen, bestehen keine Bedenken.
Die Vereinbarung besonderer Kündigungs- oder Optionsrechte zulasten der Kommune sind beim Vergleich der Zinsentgelte entsprechend zu berücksichtigen (siehe Nummern 1.2 und 1.6).
1.9 Kredite in fremder Währung
Von Krediten in fremder Währung ist möglichst Abstand zu nehmen. Sie sind mit besonderen Risiken behaftet (höhere effektive Belastung insbesondere durch nicht kalkulierbare Wechselkursschwankungen).
Findet im Ausnahmefall eine Kreditaufnahme in fremder Währung statt, muss von den Kommunen bei der Aufnahme, abhängig von der Höhe des Wechselkursrisikos, gleichzeitig eine Risikovorsorge getroffen werden. Für diese Risikovorsorge ist eine Rückstellung nach § 45 Abs. 1 KomHKVO zu bilden. Sollten keine konkreten Anhaltspunkte für die Bestimmung der Höhe der Risikovorsorge vorliegen, kann die Hälfte des Zinsvorteils der Kommune aus der Kreditaufnahme in ausländischer Währung angesetzt werden. Die Rückstellung ist nach Abwicklung des Fremdwährungskredits aufzulösen.
Fremdwährungskredite sind in der Schuldenübersicht gemäß § 57 Abs. 3 KomHKVO (Anlage zum Jahresabschluss) gesondert nachzuweisen.
1.10 Kreditaufnahmen bei vorläufiger Haushaltsführung
Gemäß § 116 Abs. 2 NKomVG dürfen Kommunen unter bestimmten Voraussetzungen und im beschränkten Umfang, auch vor dem Inkrafttreten der Haushaltssatzung und mit der Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde, Kredite für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen aufnehmen. Diese Kreditaufnahmen werden auf die noch wirksam werdende Kreditermächtigung für das Haushaltsjahr angerechnet.
1.11 Umschuldungen
Umschuldung ist die Rückzahlung eines Kredits durch die Aufnahme eines neuen Kredits, in der Regel bei einem anderen Kreditgeber. Wesensmerkmal ist der Abschluss eines neuen Kreditvertrages. Die Zuständigkeit und das Verfahren für Kreditaufnahmen zur Umschuldung sind in den Richtlinien zur Aufnahme von Krediten nach § 120 Abs. 1 Satz 2 NKomVG festzulegen und von der Vertretung zu beschließen. Umschuldungskredite sind nicht genehmigungspflichtig.
Bei Umschuldungen sollte der neue Kreditvertrag die bisher erreichte Tilgung zuzüglich ersparter Zinsen fortsetzen, damit die Kreditlaufzeit nicht künstlich verlängert und die künftige Kreditaufnahme nicht mit Umschuldungskrediten kumuliert werden. Ausnahmen müssen mit Veränderungen bei der gewöhnlichen Nutzungsdauer entsprechender Teile des abschreibungsfähigen Vermögens oder mit anderen haushalts- und finanzwirtschaftlichen Vorteilen begründet werden.
1.12 Finanzderivate
Finanzderivate dürfen in der Regel nur zur Zinsabsicherung und nur im Rahmen des abgeschlossenen Kreditgeschäfts genutzt werden (zeitliche und inhaltliche Konnexität). Sofern Finanzderivate auch zur Zinsoptimierung eingesetzt werden, ist die Nutzung zumindest nach anteiligem Volumen, Laufzeit und Zinssatz zu begrenzen. Dabei ist immer das allgemeine Spekulationsverbot zu beachten. Dementsprechend sind Geschäfte mit Derivaten, die unabhängig vom Kreditgeschäft oder zur Erwirtschaftung separater Gewinne dienen sollen, unzulässig. Ein spekulatives Derivatgeschäft ist auch anzunehmen, wenn ein Finanzderivat ohne Definition oder ohne Begrenzung auf einen maximalen Verlust abgeschlossen oder gehalten wird.
Auf die Zuständigkeit der Vertretung gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 15 NKomVG wird hingewiesen.
Soweit Finanzderivate eingesetzt werden, setzt dies einschlägige, in der Regel durch Schulung oder Qualifizierung erworbene Kenntnisse bei den mit diesen Aufgaben betrauten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern voraus. Es ist ein adäquates Finanz- und Schuldenmanagement aufzubauen, welches Informationen über die aufgenommenen Kredite mit den Fälligkeitsterminen der Zins- und Tilgungsleistungen sowie eine Zeittafel der Zinsanpassungstermine, eine Analyse des Zinsänderungsrisikos und der Auswirkungen einer zu erwartenden Zinsänderung auf bestehende Finanzpositionen der Kommune (Kredite und Geldanlagen) sowie eine Übersicht über die Entwicklung der für die kommunalen Finanzpositionen entscheidenden Zinsen (z. B. EURIBOR, London Interbank Offered Rate [LIBOR]) enthält.
Werden Beratungsleistungen beim Einsatz von Finanzderivaten in Anspruch genommen, ist auf die Unabhängigkeit der Beraterinnen und Berater zu achten. Erfolgt die Bewertung durch ein Finanzinstitut, welches auch den Abschluss des Derivatgeschäfts anbietet, ist vor Geschäftsabschluss eine unabhängige Prüfung des Finanzderivats vorzunehmen.
Des Weiteren ist ein Kontroll- und Berichtssystem festzulegen, welches den spekulativen
Einsatz von Derivaten verhindert und umfassende interne Dokumentationspflichten vorsieht.
Inhalte, Organisation und Verfahren sind in geeigneter Form verbindlich zu regeln.
Finanzderivate sind im Rechenschaftsbericht nach § 57 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KomHKVO darzustellen, sofern sie finanzwirtschaftliche Risiken von besonderer Bedeutung beinhalten.