Eine Zielabweichung setzt voraus, dass alle Tatbestandsmerkmale kumulativ erfüllt sind (Tatbestandsseite) und dass die zuständige Behörde bei ihrer Entscheidung über die Zielabweichung ihre Entscheidungsbefugnisse fehlerfrei ausgeübt hat (Rechtsfolgenseite).
Es ist zu prüfen, ob der vorliegende Sachverhalt die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 6 Abs. 2 ROG und des § 8 NROG erfüllt, also dass
die Abweichung unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar ist (siehe Nummer 2.1),
die Grundzüge der Planung nicht berührt werden (siehe Nummer 2.2),
das Einvernehmen mit den in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen vorliegt (siehe Nummer 2.3) und
das Benehmen mit den betroffenen Gemeinden hergestellt ist (siehe Nummer 2.4).
Die Atypik des Einzelfalles ist kein eigenständiges gesetzliches Tatbestandsmerkmal, aber nach ständiger Rechtsprechung bei der Prüfung zur raumordnerischen Vertretbarkeit und zum Nichtberührtsein der Grundzüge der Planung als Prüfkriterium mit heranzuziehen.
Zu besonderen Voraussetzungen für Zielabweichungen, die eine Ausweisung von Windenergiegebieten durch gemeindliche Bauleitplanung ermöglichen sollen, siehe Nummer 2.6.
Sind alle Tatbestandsmerkmale erfüllt, hat die zuständige Landesplanungsbehörde dem Zielabweichungsantrag - ggf. unter Nebenbestimmungen - in der Regel zu entsprechen (Sollvorschrift des § 6 Abs. 2 ROG, siehe Nummer 2.5).
Liegen Verstöße gegen mehrere Ziele der Raumordnung vor, ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn in Bezug auf jedes einzelne Ziel eine Zielabweichung positiv beschieden werden kann. Die Voraussetzungen einer Zielabweichung (Tatbestandsvoraussetzungen und Ermessensausübung) müssen in Bezug auf jedes Ziel geprüft und dargelegt werden.
2.1
Raumordnerische Vertretbarkeit einer Abweichung vom Ziel der Raumordnung
Eine Zielabweichung ist raumordnerisch vertretbar, wenn
sie der Schließung von unbeabsichtigten Planungslücken des bestehenden Raumordnungsplans dient (dazu Nummer 2.1.1),
eine entsprechende Planung zulässig wäre und anzunehmen ist, dass das Vorhaben - bei rechtzeitigem Erkennen der Planungslücke - durch eine Regelung im Raumordnungsplan ermöglicht worden wäre (Planbarkeit, dazu Nummer 2.1.2) und
das Vorhaben raumverträglich ist (dazu Nummer 2.1.3).
Eine Zielabweichung, die in Bezug auf einen bestehenden Raumordnungsplan beantragt wird, zu dessen Änderung aber bereits ein Planentwurf vorliegt, ist nur dann raumordnerisch vertretbar, wenn die mit der Zielabweichung verfolgte Planung oder Maßnahme mit dem in Aufstellung befindlichen Ziel in Einklang steht und die Fertigstellung der Planung nicht abgewartet werden kann (dazu Nummer 2.1.4).
Im Einzelnen ist dazu Folgendes zu prüfen:
2.1.1
Vorliegen einer (unbeabsichtigten) Planungslücke
Nur wenn es für den Einzelfall neue oder veränderte (atypische) Aspekte gibt, die so bei der Planaufstellung noch nicht erwogen wurden (unbeabsichtigte Planungslücke oder unbeabsichtigte Planungskonsequenz), ist eine vom Raumordnungsprogramm abweichende Bewertung der raumordnerischen Vertretbarkeit möglich. Eine Zielabweichung scheidet aus, wenn diese Aspekte schon bei der Aufstellung des Raumordnungsprogramms bekannt waren, weil sich der Planungsträger im Rahmen seiner Abwägung bewusst für eine andere planerische Regelung und damit gegen das mit der Zielabweichung verfolgte Ergebnis entschieden hat. Die Atypik eines Vorhabens kann ein Indiz für eine unbeabsichtigte Planungslücke darstellen.
Eine unbeabsichtigte Planungslücke kann von Beginn der Planung an bestehen oder im Nachhinein durch eine Änderung der Umstände im Planungsraum entstehen.
2.1.2
Zulässigkeit einer Raumordnungsplanung, die das Vorhaben ermöglicht hätte (Planbarkeit)
Raumordnerisch vertretbar ist nur ein Ergebnis, das - bei Kenntnis der Einzelfallumstände - im Raumordnungsprogramm hätte geplant werden dürfen (Planbarkeit). Rechtswidrige Zustände, die nicht planbar gewesen wären, können auch nicht über eine Zielabweichung gestattet werden.
Die Art und Weise der Planbarkeit ist unerheblich. Zur Planbarkeit zählen ein Regelungsverzicht, die Möglichkeit, das Ziel generell anders zu fassen wie auch die Möglichkeit, es durch eine Ausnahme nach § 6 Abs. 1 ROG zu ergänzen und es dadurch für eine bestimmte Fallkonstellation zu öffnen.
Rechtliche Grenzen für die Planbarkeit ergeben sich einerseits aus fachrechtlichen Vorgaben, andererseits aus dem gesetzlichen Auftrag der Raumordnung, Vorsorge für einzelne Nutzungen und Funktionen des Raumes zu treffen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ROG). Raumordnungspläne müssen die im Raumordnungsrecht normierten Leitvorstellungen zur nachhaltigen Raumentwicklung (§ 1 Abs. 2 ROG), die gesetzlichen Grundsätze (§ 2 Abs. 2 ROG, § 2 NROG) sowie die Grundsätze höherrangiger Raumordnungspläne berücksichtigen und Ziele höherrangiger Raumordnungspläne beachten.
Auch die Gewichtigkeit der im Planungsraum gesicherten Funktion oder Nutzung, die durch das zu beurteilende Vorhaben berührt wird, kann einen Anhaltspunkt darstellen. Je bedeutsamer, veränderungssensibler oder seltener die gesicherte Raumfunktion oder Nutzung ist, umso unwahrscheinlicher erscheint die theoretische Planbarkeit einer abweichenden Regelung und umso weniger kann die Zulassung des entgegenstehenden Vorhabens raumordnerisch vertretbar sein.
Einen weiteren Anhaltspunkt für fehlende Planbarkeit kann die Summe oder die Ausprägung der durch das Vorhaben ausgelösten Konflikte darstellen, insbesondere wenn mehrere Ziele der Raumordnung betroffen sind. Je mehr Nutzungen und Funktionen betroffen sind und umso stärker in ein Interessengeflecht eingegriffen wird, desto unwahrscheinlicher erscheint ein anderes Planergebnis.
2.1.3
Raumverträglichkeit der mit der Zielabweichung verfolgten Planung oder Maßnahme
Raumordnerisch vertretbar können nur Planungen oder Maßnahmen sein, die im betroffenen Raum oder am vorgesehenen Standort voraussichtlich ohne wesentliche nachteilige Raum- und Umweltauswirkungen realisiert werden können und raumverträglich sind. Lässt sich die voraussichtliche Raumverträglichkeit nur durch eine formalisierte Raumverträglichkeitsprüfung i. S. des § 15 ROG beurteilen, ist eine solche vor Abschluss des Zielabweichungsverfahrens durchzuführen.
2.1.4
Raumordnerische Vertretbarkeit während einer laufenden Änderung oder Aufhebung des betroffenen Zieles
Auch Zielfestlegungen, deren Anpassung bereits in die Wege geleitet wurde, gelten grundsätzlich bis zum Inkrafttreten eines neuen oder geänderten Zieles fort, z. B. Vorranggebiet Leitungstrasse (zur besonderen Konstellation, dass ein Ziel wegen vollständiger Umsetzung der gesicherten Nutzung keinen inhaltlich entgegenstehenden Vorrang bilden kann, siehe Beispiel bei Nummer 1.2.4 Abs. 6 erster Spiegelstrich). Mehrjährige Planänderungs- oder -aufstellungsverfahren können zur Verzögerung eines Vorhabens führen. Im Einzelfall kann es im Hinblick auf die zu erwartende Planänderung raumordnerisch vertretbar sein, nicht das Inkrafttreten des geänderten Raumordnungsprogramms abwarten zu müssen, sondern übergangsweise von dem (noch) geltenden Ziel abweichen zu dürfen. Anstelle der Voraussetzungen nach den Nummern 2.1.1 und 2.1.2 ist eine solche Zielabweichung im Vorgriff auf eine zu erwartende Planänderung raumordnerisch vertretbar, wenn nach dem Planentwurf das bisherige Ziel nicht mehr aufrechterhalten wird.
Ist mit der Planänderung nicht nur die Aufhebung eines Zieles, sondern zugleich eine inhaltliche Neufestlegung beabsichtigt, muss für die raumordnerische Vertretbarkeit ferner eine Prognose hinzutreten, dass die beabsichtigte Planung oder Maßnahme mit dem in Aufstellung befindlichen Ziel voraussichtlich in Einklang steht. Diese Prognose setzt einen hinreichend fortgeschrittenen Planungs- und Verfahrensstand für die Änderung oder Neuaufstellung des Raumordnungsprogramms und des betreffenden in Aufstellung befindlichen Zieles voraus. Der maßgebliche Verfahrensstand ist durch die Einführung der Legaldefinition eines "in Aufstellung befindlichen Zieles" in § 3 Abs. 1 Nr. 4 a ROG vorgegeben:
Das Beteiligungsverfahren nach § 9 Abs. 2 ROG zu einem ersten Planentwurf muss abgeschlossen sein.
Die in diesem Beteiligungsverfahren eingegangenen Stellungnahmen müssen ausgewertet sein und es muss unter Würdigung der Ergebnisse eine planerische Abwägung erfolgt sein, ob das vorgesehene Ziel unverändert oder in modifizierter Form Eingang in den endgültigen Raumordnungsplan finden soll.
Den nach § 9 Abs. 2 ROG am Verfahren beteiligten öffentlichen Stellen und der Öffentlichkeit wurde die vorgesehene Fassung der Zielfestlegung, die Eingang in den endgültigen Raumordnungsplan finden soll, zur Kenntnis gegeben. Es genügt nicht, nur isoliert die Zielfestlegung zur Kenntnis zu geben, sondern der Zusammenhang des Zieles mit den übrigen Planinhalten muss erkennbar sein. Für die konkrete Art des Kenntnisgebens bestehen keine Vorgaben, es muss lediglich gewährleistet sein, dass der zum Zeitpunkt der Zielabweichungsentscheidung maßgebliche Stand der Planung einsehbar ist, beispielsweise auf den Internetseiten des Planungsträgers.
Ist nach Abschluss des Beteiligungsverfahrens i. S. von § 9 Abs. 2 ROG, d. h. des ersten Beteiligungsverfahrens, kein weiteres Beteiligungsverfahren (mehr) nötig, ist der Planentwurf bereits vor dem RROP-Satzungsbeschluss oder vor der Genehmigung des RROP - unter Kenntlichmachung seines Status - bekannt zu machen. Erst dann liegt ein "in Aufstellung befindliches Ziel" i. S. des § 3 Abs. 1 Nr. 4 a ROG vor.
Wird der Planentwurf dergestalt überarbeitet, dass zu Teilen eine ergänzende Beteiligung nach § 9 Abs. 3 ROG nötig ist, muss der Bekanntmachung über die Einleitung des erneuten Beteiligungsverfahrens zu entnehmen sein, dass die übrigen Planteile unverändert bleiben und wo diese unveränderten Planteile eingesehen werden können. Werden nur die geänderten Planteile veröffentlicht, ist die Fundstelle der früheren Entwurfsfassung anzugeben. Wird eine Lesefassung des vollständigen Planentwurfs veröffentlicht, in der die Änderungen besonders gekennzeichnet sind, genügt dies.
Sind zwar bereits allgemeine Planungsabsichten bekannt gemacht, aber ist das erste Beteiligungsverfahren noch nicht eingeleitet oder noch nicht abgeschlossen, darf eine Zielabweichung im Vorgriff auf die Planänderung noch nicht zugelassen werden. In dieser Planungsphase liegt noch gar kein in Aufstellung befindliches Ziel vor, das geprüft werden könnte. In dieser Planungsphase könnte eine Zielabweichung nur zugelassen werden, wenn die Voraussetzungen nach den Nummern 2.1.1 und 2.1.2 gegeben sind.
Steht das beabsichtigte Vorhaben mit einem solchermaßen in Aufstellung befindlichen Ziel voraussichtlich in Einklang, und ist ferner seine Raumverträglichkeit nach Nummer 2.1.3 gewährleistet, kommt es auf seine Atypik in dieser Fallkonstellation nicht an.
Soll eine Zielabweichung für ein Vorhaben im Vorgriff auf den Abschluss eines laufenden Verfahrens zur Änderung eines Raumordnungsprogramms zugelassen werden, muss aber schließlich noch deutlich werden, aus welchen Gründen das Inkrafttreten der Planänderung im Einzelfall nicht abgewartet werden kann. Es reicht nicht allein aus, die allgemeine - und für jedes Vorhaben zutreffende - Verfahrensdauer von Planänderungsverfahren als Begründung anzuführen, sondern die Dringlichkeit muss sich aus Umständen ergeben, die direkt mit dem konkreten Vorhaben verbunden sind.
2.2
Nichtberührtsein der Grundzüge der Planung
An den grundlegenden planerischen Intentionen (oder dem Grundgerüst) des jeweiligen Raumordnungsplans ist zu messen, ob sich das Vorhaben darauf mehr als nur unwesentlich auswirkt. Grundzüge der Planung sind immer dann berührt, wenn die Zielabweichung den durch die planerische Abwägung geschaffenen Interessenausgleich stört oder dessen Fortbestand gefährdet. Das bei Aufstellung des Raumordnungsprogramms erzielte Abwägungsergebnis darf durch eine Zielabweichung nicht nachträglich derart verändert werden, dass neue Konflikte entstehen oder bereits durch Planung gelöste Konflikte wieder aufbrechen. Die Verletzung der Grundzüge der Planung ist insbesondere anzunehmen, wenn die Zulassung der Zielabweichung Präzedenzwirkung für Folgefälle hätte.
Im Einzelnen ist Folgendes zu prüfen:
2.2.1
Ermittlung der Grundzüge der Planung anhand der verfolgten Sicherungs-, Ordnungs- oder Entwicklungsinteressen in dem vom Vorhaben betroffenen räumlichen Bereich
Die Grundzüge der Planung ergeben sich aus der jeweiligen Planungskonzeption zur Sicherung, Ordnung und Entwicklung der Raumnutzungen und -funktionen und den ihr zugrunde liegenden Leitvorstellungen und Belangen. Anhand des Koordinierungs- und Abwägungsergebnisses der unterschiedlichen Belange und anhand einer Zusammenschau der zentralen Festlegungen des jeweiligen Raumordnungsprogramms ist zu ermitteln, welche grundlegenden Anliegen mit der Raumplanung und dem konkreten Ziel, von dem abgewichen werden soll, sachlich und räumlich verfolgt werden. Dabei kann insbesondere die Begründung des Raumordnungsprogramms Ausgangspunkt sein, um zu prüfen, was Grundzüge der Planung sind und inwieweit diese durch die angestrebte Zielabweichung berührt werden.
2.2.2
Kein Wiederaufbrechen bereits gelöster Konflikte; kein Entstehen neuer Konflikte
Raumordnungspläne dienen der Konfliktlösung und -vermeidung und sollen unterschiedliche Funktionen und Nutzungen aufeinander abstimmen. Die Grundzüge der Planung sind berührt, wenn der durch den Raumordnungsplan erreichte Interessenausgleich zerstört oder dessen Fortbestand gefährdet wird. Die Zielabweichung ist abzulehnen, wenn die mit der Zielabweichung verfolgte Planung oder Maßnahme raumbedeutsame Folgewirkungen auf andere Planungen, Maßnahmen, Funktionen, Schutzgüter etc. hervorrufen würde, die ihrerseits neue Konflikte entstehen lassen würden.
Je mehr Ziele eines Raumordnungsprogramms von der Planung oder Maßnahme betroffen sind, umso wahrscheinlicher ist es, dass neue Konflikte entstehen/resultieren und insoweit die Grundzüge der Planung berührt werden (dann ist ggf. eine Planänderung erforderlich, siehe Nummer 1.3).
2.2.3
Keine Präzedenzwirkung
Grundzüge der Planung sind auch dann berührt, wenn erwartbar ist, dass die Zielabweichung zu Folgefällen führt. Der Gleichbehandlungsgrundsatz (Willkürverbot) verbietet den zuständigen Behörden, gleichartig gelagerte Fälle uneinheitlich zu behandeln. Der erste Zielabweichungsfall begründet eine Selbstbindung der Verwaltung für künftige Entscheidungen, denen ein gleicher Sachverhalt zugrunde liegt. Durch die (eventuelle) Mehrzahl oder Vielzahl von Zielabweichungsentscheidungen in gleicher Sache könnte insofern der durch die planerische Abwägung hergestellte Interessenausgleich im Nachhinein wieder entfallen. Sind diese Auswirkungen zu befürchten, wären bereits durch den ersten Zulassungsfall die Grundzüge der Planung berührt.
Die klare Atypik der zu entscheidenden Fallkonstellation kann als Indiz dafür dienen, dass die Grundzüge der Planung nicht berührt sind, da (atypische) Einzelfälle gerade keine Präzedenzwirkung zu begründen vermögen. Dabei kann sich der Einzelfallcharakter sowohl aus der Atypik des Vorhabens als auch aus der Atypik der Umstände oder der räumlichen Gegebenheiten des Standortes ergeben.
Ein Einzelfall kann beispielsweise vorliegen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Vorhaben ist, das sich durch besondere oder neue Faktoren (z. B. technische Konstruktion, Betriebsweise, Sortiment) von anderen bekannten Vorhabentypen deutlich abhebt. Gibt es im Planungsraum vergleichbar gelagerte Vorhaben oder sind diese prognostisch zu befürchten, ist das Vorhaben nicht als Einzelfall zu betrachten.
Ein Einzelfall kann ferner vorliegen, wenn das mit der Zielabweichung beabsichtigte Vorhaben nicht überall im Raum verwirklicht werden kann, sondern etwa von besonderen topographischen, geologischen, siedlungs- und infrastrukturellen Voraussetzungen abhängt und daher nur ein potenzieller Standort betroffen sein kann.
Eine Einzelfallkonstellation kann ferner gegeben sein, wenn sich nur punktuell im Planungsraum die dem Ziel zugrunde liegenden Rahmenbedingungen gravierend geändert haben (z. B. durch Aufgabe einer einzelnen Standortplanung, die durch ein Ziel gesichert wird) und daher allein zu diesem Standort für ein anderes Vorhaben über eine Zielabweichung zu entscheiden wäre.
2.2.4
Keine Durchbrechung eines gesamträumlichen Konzepts
Die Grundzüge der Planung sind in der Regel berührt, wenn es um eine Abweichung von einem gesamträumlichen Planungskonzept geht und dadurch dessen Grundstruktur betroffen ist. In solchen Fällen besteht in besonders hohem Maße die Gefahr, dass Konflikte aufbrechen oder neu entstehen oder eine Präzedenzwirkung erzeugt wird. Es gibt verschiedene Arten von gesamträumlichen Konzepten. Sie haben gemeinsam, dass sich die Zuordnung von Funktionen oder Flächennutzungen nach generalisierenden Kriterien richtet, die einheitlich für den gesamten Planungsraum gelten.
2.2.4.1 Fallkonstellation Vorrang und Ausschluss
Als gesamträumliche Konzepte "mit Ausschlusswirkung" sind solche Konzepte einzustufen, bei denen einerseits Vorranggebiete für eine bestimmte Nutzung ausgewiesen sind, diese Nutzung andererseits aber im restlichen Planungsraum oder Teilen davon nach § 7 Abs. 3 Satz 3 ROG ausgeschlossen wurde. Anwendungsfälle sind beispielsweise Konzepte zur Steuerung des Rohstoffabbaus sowie übergangsweise auch noch Konzepte zur Steuerung der Windenergienutzung. Zu den Grundzügen solcher gesamträumlichen Konzepte gehört, dass
die Bewertung der Flächen unter Abwägung unterschiedlichster Belange (auch) auf der Einhaltung generalisierter Kriterien beruhen, die einheitlich für den gesamten Planungsraum gelten, und
das Verhältnis der positiven Vorrangfestlegungen und der negativen ausschließenden Festlegungen gewährleisten muss, dass der betroffenen Nutzung substanziell Raum geschaffen wird.
Wird von den generalisierenden Kriterien wesentlich abgewichen oder werden auf den Positivflächen andere Nutzungen in einem so hohen Maß zugelassen, dass der gesicherten Nutzung nicht mehr substanziell Raum verschafft wird, sind Grundzüge der Planung berührt. Die Grundzüge der Planung sind z. B. im Einzelfall dann nicht berührt, wenn bereits bei Aufstellung des Plans bestimmte Unsicherheitsfaktoren in Bezug auf die Realisierung von vorrangig gesicherten Vorhaben bekannt waren und über das Erforderliche hinaus ein gewisser "Puffer" eingeplant wurde, damit auch bei fehlender Nutzbarkeit von Flächen oder Flächenanteilen immer noch substanziell Raum verbleibt.
2.2.4.2 Fallkonstellation Vorranggebiete
Bei gesamträumlichen Planungskonzepten, die Grundlage einer reinen Vorranggebietskulisse sind, besteht das Erfordernis des substanziell Raum Verschaffens nicht. Bei solchen Konzepten können die Grundzüge der Planung dann berührt sein, wenn - insbesondere in einer Vielzahl von Fällen - von den Planungskriterien abgewichen wird (Präzedenzwirkung).
Bei Zulassung von Vorhaben in einem Vorranggebiet Windenergienutzung ist ferner zu berücksichtigen, dass eine Zielabweichung zur Folge haben kann, dass die betroffene Fläche nicht mehr auf das nach dem WindBG und dem NWindG zu erreichende Teilflächenziel angerechnet werden dürfte.
2.2.4.3 Fallkonstellation Zentrale Orte
Ein anders geartetes gesamträumliches Konzept stellt das Zentrale-Orte-System dar. Zentrale Orte unterschiedlicher Stufen werden für den gesamten Planungsraum nach einheitlich geltenden Kriterien festgelegt. Hieran sind dann weitere, für sich selbständige Ziele der Raumordnung geknüpft, die den zentralen Orten einer bestimmten Stufe verschiedene Funktionen und Nutzungen ausdrücklich zuweisen. Würden bestimmte, ausschließlich den zentralen Orten zugewiesene Nutzungen oder Einrichtungen (z. B. Einzelhandelsgroßprojekte, die nur innerhalb des zentralen Siedlungsgebietes zulässig sind - Konzentrationsgebot) durch Zielabweichung auch außerhalb der zentralen Orte zugelassen, würde in das zentralörtliche Gefüge von Funktions-, Erreichbarkeits- und Tragfähigkeitserwägungen eingegriffen. In aller Regel sind hierdurch die Grundzüge der Planung berührt, wenn nicht besonders gelagerte Umstände des Einzelfalles hinzutreten.
2.2.5
Nichtberührtsein der Grundzüge der Planung bei Vorgriff auf eine laufende Änderung oder Aufhebung des betroffenen Zieles
Maßstab für die Beurteilung, ob die Grundzüge der Planung berührt werden, ist bei einem Zielabweichungsverfahren, das im Vorgriff auf das geänderte oder neu aufgestellte Raumordnungsprogramm stattfinden soll, einerseits das noch bestehende Ziel, andererseits die zu erwartende neue Planung.
Aufgrund der Gleichbehandlungspflicht und des Prinzips der Selbstbindung der Verwaltung ist davon auszugehen, dass sich die Bewertung des ersten Anwendungsfalles entscheidungsleitend auch für eine Mehrzahl von Folgefällen auswirken wird. Handelt es sich um "Standardvorhaben", müssen unter Umständen eine Vielzahl von Vorhaben vorab im Wege der Zielabweichung zugelassen werden. Sie würden den Planungsraum prägen und Bestandschutz genießen.
Dies hat zum einen Bedeutung für den Fall, dass die bestehende Planung weitergilt, falls die neue Planung (z. B. aus politischen Gründen, durch Ablauf der Legislaturperiode, durch Änderung der fachlichen, rechtlichen oder politischen Rahmenbedingungen oder durch fehlende Genehmigungsfähigkeit des Plans) doch nicht in Kraft treten sollte. Ein durch Zielabweichung zugelassenes Vorhaben darf keine Umstände entstehen lassen, durch die die Vollziehbarkeit eines fortbestehenden Zieles unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert würde. Seit § 3 Abs. 1 Nr. 4 a ROG einen gesetzlichen "Verfestigungsgrad" eines in Aufstellung befindlichen Zieles erfordert (vgl. Nummer 2.1.4), ist dieses Risiko gesunken. Erforderlichenfalls ist die Zielabweichung unter Bedingungen, Auflagen oder anderen Nebenbestimmungen zuzulassen oder abzulehnen.
Zum anderen darf die Verwirklichung der vorgesehenen neuen Planung nicht durch vorgezogene
Einzelfallentscheidungen wesentlich erschwert oder unterlaufen werden.
Möglich ist eine Zielabweichung insofern nur, soweit das Vorhaben im Einklang mit den zu ändernden Grundzügen der Planung steht. Voraussetzung für diese Beurteilung ist ein hinreichend fortgeschrittener Verfahrensstand als Prognosegrundlage über die Ausgestaltung und Reichweite des neuen Zieles (siehe hierzu Nummer 2.1.4). Nur so kann einer unerwünschten Präzedenzwirkung wirksam entgegengetreten werden.
2.2.6
Berührtsein der Grundzüge der Planung bei voraussichtlich erheblichen Umweltauswirkungen
In seinem Urteil vom 28.09.2023 (Az. 4 C 6.21) führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass Zielabweichungen nur dann zugelassen werden dürfen, wenn voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen ausgeschlossen sind. Die Zielabweichung dürfe nicht die Vorgaben der Richtlinie über die Strategische Umweltprüfung von Plänen unterlaufen. Werden durch ein Vorhaben erhebliche Umweltauswirkungen hervorgerufen, könne es ausschließlich durch eine Planänderung ermöglicht werden, weil nur bei Planänderungen, nicht aber bei Zielabweichungsentscheidungen, eine Strategische Umweltprüfung durchgeführt werde: "Die Grundzüge der Planung sind berührt, wenn voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen durch die Zielabweichung nicht ausgeschlossen werden können, die auf dieser Planungsebene erkennbar sind und bei der planerischen Entscheidung über den Raumordnungsplan nicht berücksichtigt wurden".
Wird eine Zielabweichung beantragt, ist unter entsprechender Heranziehung der Kriterien
der Anlage 2 zu § 8 Abs. 2 ROG überschlägig zu prüfen, ob das Vorhaben erhebliche Umweltauswirkungen haben könnte. Das Bundesverwaltungsgericht führt dazu aus: "Der Umfang und die räumliche Ausdehnung der Auswirkungen und damit die Größe der von der Abweichung erfassten Fläche spielen ebenso eine Rolle wie ihre Bedeutung und Sensibilität. Maßgeblich ist ferner, um welche Art von Zielfestlegung - flächendeckend oder spezifisch - es geht. Dient die Zielabweichung der Änderung eines spezifisch festgelegten Standorts für ein raumbedeutsames Vorhaben, werden die Grundzüge der Planung in der Regel berührt sein".
Unspezifisch sind nach dem Urteil beispielsweise Vorranggebiete Landwirtschaft, spezifisch beispielsweise Vorranggebiete Industrie und Gewerbe. Eine erhöhte Sensibilität kann sich beispielsweise aus der Nähe der betroffenen Fläche zu einem Europäischen Vogelschutzgebiet ergeben.
2.3
Einvernehmen mit den in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen
Das Einvernehmen mit den in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen ist kein bloßes Verfahrenserfordernis (zum Verfahren siehe Nummer 4), sondern ebenfalls eine materielle tatbestandliche Voraussetzung einer Zielabweichung. Eine Entscheidung im Einvernehmen erfordert die eindeutige Zustimmung aller fachlich berührten Stellen.
Ist offenkundig und eindeutig, dass eine Zielabweichung für das Vorhaben nicht raumordnerisch vertretbar ist und/oder dass die Grundzüge der Planung berührt sind, kann eine ablehnende Entscheidung auch allein auf die Nichterfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 6 Abs. 2 ROG gestützt werden. Die Beteiligung der fachlich berührten Stellen (und der betroffenen Gemeinden) ist dann nicht erforderlich. Da alle Tatbestandsvoraussetzungen kumulativ erfüllt sein müssen, könnte auch ein erteiltes Einvernehmen keine Zielabweichung ermöglichen.
Wird eine Zielabweichung raumordnerisch in Betracht gezogen oder ist noch ergebnisoffen, ob eine Zielabweichung für das Vorhaben raumordnerisch vertretbar ist und die Grundzüge der Planung nicht berührt sind, ist zwingend eine Beteiligung der in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen (und der betroffenen Gemeinden) notwendig.
2.3.1
In ihren Belangen berührte öffentliche Stellen
Welche öffentlichen Stellen in ihren Belangen, d. h. fachlich berührt sein können, ist im Einzelfall durch die zuständige Landesplanungsbehörde zu entscheiden und richtet sich nach dem konkreten Ziel der Raumordnung, von dem abgewichen werden soll, sowie dessen Verflechtung mit anderen Belangen.
Verbände (z. B. Wirtschaftsverbände, Naturschutzverbände) und ähnliche Interessenvertretungen sind - anders als bei der Beteiligung im Aufstellungsverfahren für das Raumordnungsprogramm - nicht einbezogen.
Fachlich berührt können nur öffentliche Stellen sein, deren Aufgabenkreis fachlich und räumlich von der Zielabweichung beeinflusst wird und die deshalb ein begründetes Interesse an der Entscheidung haben. Erfasst sind dabei nur in Niedersachsen zuständige Stellen, nicht öffentliche Stellen benachbarter Länder oder Staaten. Ihre Beteiligung kann sinnvoll sein, jedoch geht damit kein Einvernehmenserfordernis einher.
Einvernehmen ist nur von denjenigen Stellen erforderlich, die einen überörtlichen Zuständigkeitsbereich übertragen bekommen haben. Die Unterscheidung zwischen öffentlichen Stellen, deren Einvernehmen erforderlich ist und öffentlichen Stellen, deren Benehmen genügt (Gemeinden), ist nicht anhand der Wahrnehmung von Aufgaben im eigenen oder im übertragenen Wirkungskreis zu treffen. Die Unterscheidung in § 8 NROG ergibt sich vielmehr aus dem überörtlichen Auftrag der Raumordnung. In Betracht kommen öffentliche Stellen wie betroffene Landkreise, Fachbehörden oder Kammern. Hat das Vorhaben, für das eine Zielabweichung beantragt wird, sehr weiträumige Auswirkungen (z. B. bei Einzelhandelsgroßprojekten) können auch benachbarte (niedersächsische) Regionalplanungsträger oder Industrie- und Handelskammern der benachbarten Zuständigkeitsbezirke zu beteiligen sein.
Die fachliche Berührtheit und das Einvernehmenserfordernis bestehen nur insoweit, wie die Belange der jeweiligen öffentlichen Stelle räumlich oder sachlich tatsächlich betroffen sind. In räumlicher Hinsicht darf die Einvernehmensprüfung nur auf eine Berührtheit von Belangen in denjenigen Teilen des Zuständigkeitsbereichs bezogen werden, die von den Auswirkungen des Vorhabens nachteilig berührt wären. In sachlicher Hinsicht darf die Einvernehmensprüfung nur auf eine Berührtheit von Belangen bezogen werden, für die der öffentlichen Stelle eine konkrete Verantwortlichkeit zugewiesen wurde. So haben Träger der Regionalplanung in Bezug auf die Sicherung zentraler Orte nur die Kompetenz, Grundzentren sowie Grundzentren mit mittelzentralen Teilfunktionen in ihrem Planungsraum festzulegen. Nur in Bezug auf diese Aufgaben besteht ein Einvernehmenserfordernis, beispielsweise anlässlich eines Zielabweichungsverfahrens für ein Einzelhandelsgroßprojekt. Die Festlegung von Mittel- und Oberzentren zählt hingegen nicht zu den Aufgaben der Regionalplanung, sondern erfolgt im LROP, so dass Träger der Regionalplanung in dieser Hinsicht nicht in ihren Belangen berührt sind und insoweit daher auch kein Einvernehmen erteilen oder versagen können.
Gemeinden sind durch raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen in aller Regel als Träger der gemeindlichen Planungshoheit und damit in einer rein örtlichen Angelegenheit betroffen. Auch soweit Gemeinden - z. B. großen selbständigen Städten oder kreisfreien Städten - durch entsprechende Regelungen einzelne Aufgaben der Landesverwaltung übertragen wurden, die sie im übertragenen Wirkungskreis wahrnehmen (z. B. als untere Naturschutzbehörde), ist diese Zuständigkeit räumlich auf das Gemeindegebiet begrenzt und nicht "überörtlich" im raumordnungsrechtlichen Sinne. Ihr Einvernehmen ist daher nicht erforderlich, sondern es erfolgt eine Benehmensherstellung (siehe Nummer 2.4). Der Gesetzgeber hat im Wortlaut des § 8 NROG keine Differenzierung nach verschiedenen Aufgaben von Gemeinden getroffen, sondern
ihre Beteiligung einheitlich geregelt.
Die obere Landesplanungsbehörde als Genehmigungsbehörde des RROP ist dann fachlich berührte Stelle, wenn es um eine Zielabweichung im Vorgriff auf eine laufende Änderung oder Aufhebung eines betroffenen Zieles in einem RROP geht. Die Zielabweichung setzt eine Prognose über die Rechtmäßigkeit und Genehmigungsfähigkeit der neuen Planung voraus. Für diese Einschätzung sind der oberen Landesplanungsbehörde bei Bedarf die erforderlichen Unterlagen (z. B. Stellungnahmen, Abwägungssynopsen) zur Verfügung zu stellen. Das Einvernehmen der oberen Landesplanungsbehörde zu einer solchen Zielabweichung ist keine Vorweggenehmigung der RROP-Festlegung gemäß § 5 Abs. 5 Satz 2 NROG.
Bei gleichzeitigen Abweichungen von Zielen des LROP und des RROP ist das Einvernehmen der obersten Landesplanungsbehörde erforderlich. Wenn eine Zielabweichung vom LROP erfolgen soll, berührt dies auch die Belange der obersten Landesplanungsbehörde als planaufstellende Behörde, insoweit ist nach § 8 NROG auch ihr Einvernehmen einzuholen.
Stellt sich heraus, dass eine zunächst vorsorglich beteiligte Stelle fachlich doch nicht berührt ist, so ist ihr Einvernehmen nicht mehr erforderlich. Sieht sich eine nicht beteiligte Stelle als fachlich berührt an und äußert sich zu dem Vorhaben, hat die Landesplanungsbehörde zu entscheiden, ob es sich um eine fachlich berührte Stelle handelt. Ändert sich die Einschätzung, wer fachlich berührt ist, im Laufe des Verfahrens, ist darauf in der Begründung der Entscheidung über die Zielabweichung einzugehen.
Die Einholung der Zustimmung der obersten Landesplanungsbehörde zum Verfahrensergebnis nach § 19 Abs. 2 Satz 3 NROG ist ein zusätzlicher, von der Einholung des Einvernehmens unabhängiger Verfahrensschritt (dazu siehe Nummer 3.1).
2.3.2
Einholung des Einvernehmens, Anschreiben
Im Beteiligungsanschreiben ist eine eindeutige Erklärung zu erbitten, ob das Einvernehmen erteilt oder versagt wird.
Die Landesplanungsbehörde soll nicht nur deutlich machen, dass aus ihrer Sicht eine Beteiligung als in ihren Belangen berührte öffentliche Stelle erfolgt, sondern das Anschreiben soll auch Hinweise darauf enthalten, in Bezug auf welche räumlichen Bereiche oder in Bezug auf welche Belange die Landesplanungsbehörde eine räumliche oder sachliche Berührtheit der jeweiligen öffentlichen Stelle sieht.
Bestehen Zweifel der Landesplanungsbehörde an der fachlichen Berührtheit, soll im Beteiligungsschreiben darauf hingewiesen werden, dass ohne Rückäußerung bis zu einem angegebenen Datum davon ausgegangen wird, dass sich die Stelle als fachlich nicht berührt ansieht und demzufolge kein Einvernehmen erforderlich ist.
Die Frist, innerhalb der Stellung genommen werden kann, ist im Hinblick auf den Einzelfall zu bestimmen. Sie sollte mindestens einen Monat betragen; in einfach gelagerten Fällen kann sie verkürzt werden.
Bei der Einholung des Einvernehmens soll die Landesplanungsbehörde darauf hinweisen, dass eine etwaige Verweigerung des Einvernehmens anhand der von der beteiligten Stelle zu vertretenden fachlichen Belange nachvollziehbar begründet werden muss. Auch die Gründe für die Erteilung des Einvernehmens sollten dargelegt werden, weil auch das Einvernehmen einer vollen gerichtlichen Nachprüfbarkeit unterliegt.
2.3.3
Umsetzung in der Entscheidung der Landesplanungsbehörde
Die Auseinandersetzung mit dem Einvernehmen anderer Stellen tritt neben die (eigene) Prüfung der übrigen Tatbestandsmerkmale sowie die Ermessensausübung.
Insofern entbindet die (in der Zielabweichungsentscheidung unter dem Prüfungspunkt "Einvernehmen" zulässige) "Aneinanderreihung" von Einvernehmensausführungen der fachlich berührten Stellen die Landesplanungsbehörde weder von der Aufgabe, selbst die raumordnerische Vertretbarkeit einer Zielabweichung und das Nichtberührtsein der Grundzüge der Planung nach § 6 Abs. 2 ROG zu prüfen, noch von der Pflicht, ihr - allerdings durch Soll-Vorgabe begrenztes - Ermessen auszuüben, wenn alle Tatbestandsmerkmale nach § 6 Abs. 2 ROG und § 8 NROG erfüllt sind.
Knüpft eine fachlich berührte Stelle ihr Einvernehmen an bestimmte, konkret überprüfbare und rechtlich in einem Zielabweichungsbescheid umsetzbare Voraussetzungen, so gilt das Einvernehmen nur als hergestellt, sofern der Zielabweichungsbescheid mit entsprechenden Nebenbestimmungen versehen werden kann.
Soweit das Einvernehmen an Bedingungen geknüpft wird, die erkennbar außerhalb des raumordnerischen Prüfrahmens oder der Kompetenzen der beteiligten Stelle liegen oder allein auf die Erfüllung von Anforderungen durch Dritte gerichtet sind, ist die beteiligte Stelle darüber zu informieren, dass das Einvernehmen zur Abweichung von einem Ziel der Raumordnung nicht von derartigen Bedingungen abhängig gemacht werden kann oder dass solche Forderungen erst auf Ebene nachfolgender Verfahren eingebracht werden können.
Ist Gegenstand der Zielabweichung beispielsweise eine raumbedeutsame Planung, können sich Nebenbestimmungen nur auf rechtlich mögliche Planinhalte beziehen. Vorbehalte einer fachlich berührten Stelle, die sich auf die Ausführung eines konkreten Vorhabens beziehen, auf die der Plan aber keinen Einfluss nehmen kann, können durch Nebenbestimmungen zur Zielabweichungsentscheidung nicht ausgeräumt werden. Ist z. B. Gegenstand des Zielabweichungsverfahren ein Flächennutzungsplan, der ein konkretes Vorhaben im Außenbereich ermöglichen soll, und knüpft eine fachlich berührte Stelle ihr Einvernehmen an eine bestimmte bauliche Gestaltung, so betrifft diese Vorgabe allein die Zulassung und Ausführung des Vorhabens und kann nicht als Nebenbestimmung für die Änderung des Flächennutzungsplans vorgegeben werden.
Ist beispielsweise Gegenstand der Zielabweichung ein raumbedeutsames Vorhaben einer Person des Privatrechts, können Nebenbestimmungen nur solche sein, die der Vorhabenträger selbst umsetzen kann. Die Zielabweichung kann nicht über Nebenbestimmungen an Maßnahmen geknüpft werden, die nur eine öffentliche Stelle oder eine andere Privatperson verwirklichen könnte. Ist z. B. zunächst eine Änderung eines Bebauungsplans erforderlich, eine begleitende Straßenbaumaßnahme auf öffentlichen Flächen oder eine Maßnahme auf benachbarten Privatgrundstücken, kann der private Vorhabenträger dies gerade nicht selbst erfüllen.
Wird das Einvernehmen nicht erteilt, liegt kein Einvernehmen vor. Gibt die fachlich berührte Stelle eindeutig zu erkennen, dass sie grundsätzlich mit dem in Rede stehenden Vorhaben einverstanden ist, ist das Einvernehmen erteilt, auch wenn das Einvernehmen an Vorgaben oder Nebenbestimmungen geknüpft ist, die noch nicht im Zielabweichungsbescheid, sondern erst auf nachfolgenden Verfahrensstufen umsetzbar sind.
Wird das Einvernehmen ohne nachvollziehbare fachliche Begründung an Vorbehalte geknüpft, hat die Landesplanungsbehörde eine Begründung nachzufordern.
Können fachlich begründete Vorbehalte nicht - auch nicht durch Nebenbestimmungen im Zielabweichungsbescheid oder auf nachfolgenden Verfahrensstufen - ausgeräumt werden, fehlt es an einer Zustimmung; ein Einvernehmen i. S. des § 8 NROG liegt dann nicht vor.
Formuliert eine fachlich berührte Stelle Vorgaben, die das Vorhaben inhaltlich so stark verändern würden, dass es nicht mehr dem Willen des Vorhabenträgers entspricht, ist das Einvernehmen zu dem beantragten Vorhaben nicht erteilt.
Äußert sich eine fachlich berührte Stelle trotz Nachfragen nicht oder nicht eindeutig oder erteilt das Einvernehmen nicht, kann die Landesplanungsbehörde dieses nicht ersetzen.
Da gemäß § 6 Abs. 2 ROG im Regelfall die Zielabweichung zuzulassen ist, wenn die raumordnerische Vertretbarkeit gegeben ist und die Grundzüge der Planung gewahrt sind, wäre es im Regelfall unzulässig, die Zielabweichung abzulehnen, wenn sich eine berührte öffentliche Stelle überhaupt nicht äußert oder sich auf unzutreffende Gründe stützt. Sieht die Landesplanungsbehörde die Voraussetzungen einer Zielabweichung als gegeben an, hat sie im Falle einer Nichtrückäußerung oder aus ihrer Sicht unberechtigten Verweigerung des Einvernehmens in der Regel die für die betreffende öffentliche Stelle zuständige Aufsichtsbehörde einzuschalten, da nur diese die Befugnis hätte, ein verweigertes Einvernehmen anzuordnen oder selbst zu erteilen (z. B. nach § 174 NKomVG).
Wird das Einvernehmen auch nur von einer ihren Belangen berührten öffentlichen Stelle nicht erteilt, kann eine Zielabweichung nicht zugelassen werden.
2.4
Benehmen mit den betroffenen Gemeinden
Bei einer Entscheidung im Benehmen muss den betroffenen Gemeinden Gelegenheit gegeben werden, die eigenen Vorstellungen darzulegen. Welche Gemeinden betroffen sind, ist im Einzelfall durch die zuständige Behörde zu entscheiden und richtet sich nach der Reichweite und Intensität der Auswirkungen des mit der Zielabweichung verfolgten Vorhabens. Von einer Gemeinde, die selbst Antragsteller der Zielabweichung ist, ist keine Stellungnahme nötig.
Zwingend zu beteiligen sind niedersächsische Gemeinden; die Beteiligung von Gemeinden aus benachbarten Ländern oder Staaten kann ebenfalls sinnvoll sein (z. B. die in Abschnitt 2.2 Ziffer 06 Satz 3 LROP genannten Städte mit oberzentraler Bedeutung für das niedersächsische Umland).
Stellt sich heraus, dass eine zunächst beteiligte Gemeinde doch nicht betroffen ist, so ist ihr Benehmen nicht mehr erforderlich. Dies ist in der Begründung des Bescheides darzulegen.
Eine Verpflichtung der Gemeinden zur Rückäußerung besteht nicht.
Anders als beim Einvernehmen muss keine Einigung erreicht werden. Dies gilt unabhängig davon, ob das Zielabweichungsverfahren positiv oder negativ abgeschlossen wird. Liegen alle sonstigen Voraussetzungen für eine Zielabweichung vor, kann die Landesplanungsbehörde auch eine von der Stellungnahme einer Gemeinde abweichende Entscheidung treffen. Aus dem Zielabweichungsbescheid muss hervorgehen, wie die Stellungnahmen gewürdigt wurden.
2.5
Soll-Entscheidung; Ermessenserwägungen
Bei Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen ist im Regelfall die Zielabweichung
zuzulassen (Soll-Entscheidung, § 6 Abs. 2 ROG). In aller Regel ist davon auszugehen, dass das Interesse an einer abweichenden Einzelfalllösung für das betroffene Vorhaben in einer Gesamtschau mit anderen berührten Interessen (etwa der beteiligten Gemeinden sowohl in eigenen als auch in von staatlicher Seite übertragenen Aufgaben) überwiegt. Soweit die Zielabweichung zugunsten eines Vorhabens erfolgen soll, das der Erzeugung erneuerbarer Energien dient, ist bei der Ermessensausübung zudem zu berücksichtigen, dass dem Ausbau erneuerbarer Energien gesetzlich besonderes Gewicht eingeräumt wurde (vgl. § 2 EEG). Nur unter besonderen Umständen darf eine Zielabweichung trotz Vorliegen der raumordnerischen Vertretbarkeit und trotz Wahrung der Grundzüge der Planung abgelehnt werden.
Bestehen mehrere Möglichkeiten, wie die Behörde ihre Entscheidung ausgestalten kann, etwa wenn die Frage besteht, ob und inwieweit eine Zielabweichung einschränkungslos oder nur unter Nebenbestimmungen i. S. von § 36 VwVfG (z. B. Auflagen, Bedingungen, Befristungen) zugelassen wird, steht ihr ein Auswahlermessen zu. Grundsätzlich ist unter mehreren geeigneten Alternativen das für den Vorhabenträger mildeste Mittel zu wählen; zugleich ist aber auch auf die Angemessenheit und Effektivität von Nebenbestimmungen zu achten.
Zu einer ordnungsgemäßen Bescheidung gehört auch die Dokumentation der Entscheidungserwägungen. Aufgrund der gesetzlichen Soll-Vorgabe können die Erwägungen, ob überhaupt eine Zielabweichung zugelassen werden soll, knappgehalten werden. Nachvollziehbar zu begründen sind die Ermessenserwägungen, wie die Zielabweichungsentscheidung konkret ausgestaltet werden soll, vor allem im Falle von Nebenbestimmungen. Eine nachvollziehbare Begründung ist ferner insbesondere auch dann erforderlich, wenn in besonders gelagerten Fällen entgegen der Soll-Vorgabe eine Zielabweichung trotz Vorliegen aller Voraussetzungen abgelehnt wird.
Gemäß § 3 Abs. 3 NKlimaG liegt die Durchführung von Vorhaben, die der Erreichung der in § 3 Abs. 1 Satz 1 NKlimaG genannten Klimaziele dienen, im überragenden öffentlichen Interesse des Landes; dieses Interesse ist entsprechend zu gewichten. Die Landesverwaltung soll diesbezügliche Verfahren vorrangig führen. Im Übrigen sind die Klimaziele des Landes zu berücksichtigen. Hierzu sind die jeweiligen Treibhausgaseinsparungen und -emissionen zu ermitteln; dies gilt nicht, soweit die Anforderung nach Halbsatz 1 nicht mit angemessenem Aufwand zu erfüllen ist.
Die fehlende Darlegung notwendiger Entscheidungs- und Ermessenserwägungen führt zur gerichtlichen Aufhebbarkeit der Zielabweichungsentscheidung und zur Anfechtbarkeit der darauf aufbauenden Entscheidungen. Eine gänzlich unterbliebene Darlegung von Ermessenserwägungen kann nicht nachgeholt werden. Lediglich wenn die in einem Verwaltungsakt dargelegten Erwägungen nicht umfassend genug begründet wurden, kann im Einzelfall die Begründung nachträglich ergänzt werden (§ 45 VwVfG, § 114 VwGO). Sollten in einer Zielabweichungsentscheidung Entscheidungs- und Ermessenserwägungen gänzlich unterlieben sein, kommt nur in Betracht, die bestehende rechtswidrige Entscheidung schnellstmöglich aufzuheben und durch eine neue rechtmäßige Entscheidung zu ersetzen.
2.6
Befristet geltende Voraussetzungen einer Zielabweichung für die bauleitplanerische Ausweisung von Windenergiegebieten nach § 245e Abs. 5 BauGB
Träger der Bauleitplanung sind auch bei der Ausweisung von Gebieten für die Windenergienutzung an die Ziele der Raumordnung gebunden. § 249 Abs. 5 Satz 1 BauGB, wonach die Ziele der Raumordnung bei der Planung von Windenergiegebieten erforderlichenfalls nicht beachtet werden müssen, gilt nur für die Träger der Regionalplanung. Möchten Gemeinden und Samtgemeinden Windenergiegebiete bauleitplanerisch auf Flächen ausweisen, die im Bereich einer raumplanerischen Ausschlusswirkung, im Bereich eines Vorranggebietes für eine andere Nutzung oder im Anwendungsbereich eines sonstigen entgegenstehenden Zieles der Raumordnung liegen sollen, ist dies nur im Wege einer Zielabweichung möglich.
Für bestimmte Fallkonstellationen gelten hierfür - unbeschadet der Möglichkeit einer regulären Zielabweichung - besondere Voraussetzungen (§ 245 e Abs. 5 BauGB), die gemäß § 27 Abs. 4 ROG Vorrang vor den Bestimmungen des § 6 Abs. 2 ROG haben. Mithilfe des § 245 e BauGB lassen sich Ziele überwinden, die einen reinen Ausschluss von Windenergieanlagen bewirken. Festlegungen zu einer reinen Flächenfreihaltung ohne Positivfestlegung (sog. Negativziele) sind z. B. eine planerische Ausschlusswirkung für die Windenergienutzung, Vorgaben zu Abständen zwischen Windparks, Vorgaben zu Abständen von Wohngebäuden zu Windenergieanlagen oder Vorgaben zum Ausschluss der Windenergienutzung beispielsweise auf sämtlichen Waldflächen. Solange solche Festlegungen - unabhängig von ihrer rechtlichen Zulässigkeit - in einem Raumordnungsplan bestehen, sind sie grundsätzlich anzuwenden und nur durch Zielabweichung überwindbar.
Die Anforderungen des § 6 Abs. 2 ROG, dass die Zielabweichung raumordnerisch vertretbar sein muss und die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, gelten für Zielabweichungen zur Überwindung einer Ausschlusswirkung nicht. Stattdessen setzt eine Zielabweichung i. S. des § 245 e Abs. 5 BauGB nur voraus, dass
die Gemeinde ein Gebiet zugunsten der Windenergienutzung plant, dass die Anforderungen
des § 2 Nr. 1 WindBG erfüllt und
ein Raumordnungsplan an der von der Gemeinde für Windenergienutzung geplanten Stelle kein Gebiet für eine mit der Windenergienutzung unvereinbare Nutzung oder Funktion festlegt.
Gebiete, für die ein Raumordnungsplan eine mit der Windenergienutzung unvereinbare Nutzung oder Funktion festlegt, sind Gebiete, die in einem Raumordnungsplan räumlich bestimmt oder bestimmbar abgegrenzt sind und auf denen eine "Positivfestlegung" zugunsten einer konkreten Funktion oder Nutzung erfolgt ist, die gesichert oder entwickelt werden soll. Solche Gebiete sind insbesondere:
Vorranggebiete,
Zentrale Siedlungsgebiete i. S. von Kapitel 2.2 Ziffer 04 LROP,
Gebietsfestlegungen von städtebaulich integrierten Lagen (Versorgungskerne),
Standorte mit herausgehobener Bedeutung für die Nahversorgung i. S. von Kapitel 2.3 Ziffer 10 LROP,
Standorte für die Sicherung und Entwicklung von Wohnstätten,
Standorte für die Sicherung und Entwicklung von Arbeitsstätten,
Standorte mit der besonderen Entwicklungsaufgabe Erholung, wenn deren räumlicher Geltungsbereich und ihre Grenze hinreichend konkretisierbar ist,
Standorte mit der besonderen Entwicklungsaufgabe Tourismus, wenn deren räumlicher Geltungsbereich und ihre Grenze hinreichend konkretisierbar ist.
Keine "Gebiete" sind Standorte, für die nur reine Punktsymbole festgelegt sind, sofern deren räumlicher Geltungsbereich und ihre Grenze nicht hinreichend konkretisierbar ist.
Keine "Gebiete" i. S. der Rückausnahme des § 245e Abs. 5 BauGB sind Vorbehaltsgebiete oder Eignungsgebiete, weil diesen die innergebietliche Verbindlichkeit und Qualität eines Zieles der Raumordnung fehlt (ein Zielabweichungsverfahren also gar nicht erforderlich ist).
Ob die Gebietsfestlegung tatsächlich mit der geplanten Windenergiegebietsplanung im Einklang steht oder mit der Windenergienutzung unvereinbar ist, ist anhand des jeweils konkreten Falls zu prüfen (vgl. Nummer 1.2.4).
Die ergänzenden landesrechtlichen Tatbestandsmerkmale des § 8 NROG, dass
bleiben unberührt (§ 27 Abs. 3 ROG).
Die sachliche und räumliche Betroffenheit kann sich dabei zum einen aus den Auswirkungen ergeben, die eine Windenergieanlage auf andere Nutzungen oder Funktionen hat.
Geht es um Auswirkungen auf den Ausschlussflächen, so können Bedenken nur insoweit geltend gemacht werden, wie es um rechtliche Verbote und Grenzen geht, die auch im immissionsschutzrechtlichen Zulassungsverfahren zu beachten wären (z. B. Mindestabstände). Auf abwägbare Belange kann eine Versagung des Einvernehmens oder eine Ablehnung des Windenergievorhabens nicht gestützt werden (z. B. Vorsorgeabstände), weil § 245e Abs. 5 BauGB gerade ihrer Überwindung dienen soll. Das gleiche gilt für Belange, die zu einer Windenergienutzung nicht im Widerspruch stehen.
Hierauf, auf den Umstand, dass es um eine Zielabweichung zugunsten der Ausweisung von Windenergiegebieten i. S. des § 245e Abs. 5 BauGB geht sowie auf die damit verbundenen besonderen Voraussetzungen, hat die Landesplanungsbehörde in dem Anschreiben, mit dem die fachlich berührte Stellen um die Erteilung oder Versagung ihres Einvernehmens gebeten werden, hinzuweisen.
Verweigert eine beteiligte Stelle ihr Einvernehmen aus Erwägungen, die nicht auf der Betroffenheit der von ihr zu vertretenden Belange beruhen, gelten die Ausführungen zu Nummer 2.3.3 entsprechend: die Landesplanungsbehörde darf ein Einvernehmen weder annehmen noch ersetzen, sondern hat erforderlichenfalls die jeweilige Aufsichtsbehörde einzuschalten.
Ist das beabsichtigte Windenergiegebiet mit Positiv-Festlegungen zugunsten anderer Funktionen oder Nutzungen vereinbar und liegt der Zielverstoß lediglich in einem Widerspruch zu einer planerischen Ausschlusswirkung oder zu einem "Negativziel" begründet, hat die zuständige Landesplanungsbehörde dem Zielabweichungsantrag - ggf. unter Nebenbestimmungen - in der Regel zu entsprechen. Insbesondere auf eine Atypik oder eine eventuelle Präzedenzwirkung für vergleichbar gelagerte Folgefälle kommt es nicht an, da der Gesetzgeber die Regelhaftigkeit der Zielabweichung in den Fällen nach § 245e Abs. 5 BauGB in Kauf genommen hat.
Eine Ablehnung darf und sollte jedoch dann erfolgen, wenn der Landesplanungsbehörde im Bereich der Ausschlussfläche Umstände bekannt sind, die zweifelsfrei dazu führen, dass sich das beabsichtigte Windenergiegebiet auf der vorgesehenen Fläche nicht realisieren lässt (insbesondere Unvereinbarkeit mit rechtlichen Anforderungen/"harten Tabuzonen"). In einem solchen Fall besteht an einer Zielabweichung kein rechtliches Interesse.
Eine Zielabweichung auf Basis des § 245e Abs. 5 BauGB ist ebenfalls abzulehnen, wenn das beabsichtigte Windenergiegebiet mit Positiv-Festlegungen
zugunsten anderer Funktionen oder Nutzungen nicht vereinbar ist.
§ 245e Abs. 5 BauGB schließt rechtlich nicht aus, die Zielabweichung nachrangig auch unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 ROG i. V. m. § 8 NROG zu prüfen. Zu prüfen wäre dann, ob aufgrund besonders gelagerter Umstände des Einzelfalles die Abweichung von den entgegenstehenden Positiv-Festlegungen raumordnerisch vertretbar wäre und die Grundzüge der Planung nicht berührt wären.
§ 245e Abs. 5 BauGB ist nicht mehr anzuwenden, wenn das Erreichen des jeweiligen regionalen Teilflächenzieles für den Windenergieausbau festgestellt wurde, spätestens aber mit Ablauf des 31.12.2027. Antragsberechtigt sind nicht auch die privaten Vorhabenträger, sondern ausschließlich die Träger der Bauleitplanung.