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  • ab 25.06.2024 (aktuelle Fassung)

Abschnitt 3 VV-ROG/NROG-ZAV - Zuständige Stellen

Bibliographie

Titel
Verwaltungsvorschriften zum ROG und zum NROG für die Durchführung von Zielabweichungsverfahren (VV-ROG/NROG-ZAV)
Amtliche Abkürzung
VV-ROG/NROG-ZAV
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
23100

3.1
Zuständigkeitsverteilung zwischen den Landesplanungsbehörden; Zustimmung zum Verfahrensergebnis

Sind Ziele eines RROP und Ziele des LROP betroffen, ist die untere Landesplanungsbehörde zuständig. Die untere Landesplanungsbehörde hat die oberste Landesplanungsbehörde frühzeitig zu informieren, wenn ein Zielabweichungsantrag zu einem LROP-Ziel gestellt wurde. Ebenso hat sie die oberste Landesplanungsbehörde zu informieren, wenn die Betroffenheit oder Verletzung eines LROP-Zieles unklar ist und die Erforderlichkeit eines Zielabweichungsantrags zu einem LROP-Ziel zu prüfen ist.

Hinsichtlich der Abweichung vom LROP hat die untere Landesplanungsbehörde das Einvernehmen der obersten Landesplanungsbehörde einzuholen (siehe Nummer 2.3).

Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 3 NROG bedarf das Verfahrensergebnis - zusätzlich zu einem erteilten Einvernehmen - der vorherigen Zustimmung der obersten Landesplanungsbehörde. Das Verfahrensergebnis umfasst sowohl die Entscheidung über die Abweichung vom RROP als auch die Entscheidung über die Abweichung vom LROP. Die Zustimmung umschließt eine vollständige Rechts- und Zweckmäßigkeitsprüfung des Entscheidungsvorschlags der unteren Landesplanungsbehörde. Hierzu zählt nicht nur die Prüfung, ob die tatbestandlichen Zielabweichungsvoraussetzungen vollständig geprüft wurden oder ob das Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt wurde, sondern beispielsweise auch die Entscheidungsbefugnis, dass nach Bewertung aller (auch nicht-raumordnerischer) Umstände das Ermessen anders ausgeübt werden soll und zu einem anderen Verfahrensergebnis führen soll, als von der unteren Landesplanungsbehörde vorgeschlagen (z. B. Ablehnung der Zielabweichung statt Zulassung oder umgekehrt).

Das Zustimmungserfordernis zum Verfahrensergebnis besteht immer, also sowohl für den Fall, dass der Zielabweichung von einem Ziel des LROP stattgegeben werden soll, als auch in Fällen, in denen die Abweichung von einem Ziel des LROP abgelehnt wird oder in denen die untere Landesplanungsbehörde eine beantragte Abweichung von einem LROP-Ziel deshalb nicht zulässt, weil sie dieses Ziel für nicht verletzt hält.

Die oberste Landesplanungsbehörde kann das Verfahren gemäß § 19 Abs. 2 Satz 4 NROG an sich ziehen, wenn es um ein Vorhaben mit besonderer Bedeutung geht, z. B. Ländergrenzen übergreifende Vorhaben mit hoher landespolitischer Bedeutung.

3.2
Sonderfragen der Zuständigkeitsverteilung: Zielabweichungsverfahren im Verhältnis zu Raumverträglichkeitsprüfungen und Planfeststellungsverfahren

Bei Vorhaben, für die ein förmliches Verfahren zur Prüfung der Raumverträglichkeit i. S. des § 15 ROG (Raumverträglichkeitsprüfung) erforderlich ist und bei Vorhaben, die einer Planfeststellungspflicht unterliegen, sind unterschiedliche Zeitpunkte denkbar, in denen sich die Notwendigkeit eines Zielabweichungsverfahrens ergibt. Je nachdem, wann konkret erkannt wird, ob eine raumbedeutsame Planung oder Maßnahme mit einem Ziel der Raumordnung in Widerspruch steht und inwieweit es zur Weiterverfolgung eines Vorhabens notwendig ist, frühzeitig über eine Zielabweichung zu entscheiden, sind folgende Ausführungen zur Zuständigkeit für die Verfahrensführung zu beachten.

3.2.1
Zeitliches Zusammentreffen von Zielabweichungsverfahren und Raumverträglichkeitsprüfung

Werden Zielkonflikte bereits während einer Raumverträglichkeitsprüfung i. S. des § 15 ROG erkannt, ist es in der Regel Aufgabe der Raumverträglichkeitsprüfung, abzustimmen, ob es raumverträglichere Alternativen gibt oder wie das Vorhaben bereits in einer frühen Planungsphase - z. B. mit einem parallel zur Raumverträglichkeitsprüfung geführten Zielabweichungsverfahren - mit den Zielen der Raumordnung in Einklang gebracht werden kann.

Die Landesplanerische Feststellung, mit der die Raumverträglichkeitsprüfung i. S. des § 15 ROG endet, hat lediglich gutachtlichen Charakter.

Wegen der unterschiedlichen Rechtsform der Entscheidungen kann die Landesplanerische Feststellung nach § 11 NROG nicht die an die gesetzlichen Voraussetzungen von § 6 Abs. 2 ROG und § 8 NROG gebundene, verbindliche Entscheidung über eine Zielabweichung ersetzen. Wird das Zielabweichungsverfahren zeitlich parallel mit einer Raumverträglichkeitsprüfung durchgeführt und vor Fertigstellung der Landesplanerischen Feststellung abgeschlossen, ist auf das Ergebnis des Zielabweichungsverfahrens in der Landesplanerischen Feststellung einzugehen.

Für das separat zu führende Zielabweichungsverfahren gelten die Ausführungen zur Zuständigkeit in Nummer 3.1.

3.2.2
Zielabweichungsverfahren im Vorfeld von Zulassungsverfahren

Insbesondere planfeststellungsbedürftige Vorhaben erfordern regelmäßig zeit- und kostenintensive Vorarbeiten. Ähnlich wie eine Raumverträglichkeitsprüfung i. S. des § 15 ROG sollte auch ein Zielabweichungsverfahren frühzeitig und vorab als selbständiges Verfahren durchgeführt werden, um die (unabdingbare) Vereinbarkeit eines Vorhabens mit den Zielen der Raumordnung und seine raumordnerische Zulässigkeit bereits in einer frühen Planungsphase herzustellen oder Planungsvarianten auszuschließen, die nicht realisierungsfähig sind. Ein dem Zulassungsverfahren vorgeschaltetes Zielabweichungsverfahren wird nicht von der Konzentrationswirkung eines Planfeststellungsverfahrens oder einer immissionsschutzrechtlichen Zulassung erfasst, da sich die Konzentrationswirkung nur auf der konkreten Zulassungsebene, nicht aber auf einer zeitlich vorgelagerten Verfahrensstufe entfalten kann. Vielmehr bedarf es bei frühzeitig erkannten Zielkonflikten einer Zulassung der Zielabweichung durch die nach § 19 NROG zuständige Landesplanungsbehörde. Es gelten die Ausführungen zur Zuständigkeit in Nummer 3.1.

3.2.3
Zeitliches Zusammentreffen von Zielabweichungsverfahren und Planfeststellungsverfahren oder immissionsschutzrechtlichem Zulassungsverfahren

Wird die Notwendigkeit einer Zielabweichung erst im Planfeststellungsverfahren oder im immissionsschutzrechtlichen Zulassungsverfahren erkannt und erst dann über die raumordnerische Zulässigkeit eines Vorhabens entschieden, entscheidet die Planfeststellungs- oder Immissionsschutzbehörde innerhalb des Zulassungsverfahrens über die Zielabweichung (formelle Konzentrationswirkung). Nach außen tritt nur die Zulassungsbehörde in Erscheinung, die Verfahrensvorschriften des Fach- und Raumordnungsrechts werden durch das Zulassungsverfahren ersetzt und die Zielabweichungsentscheidung ist Bestandteil des Planfeststellungsbeschlusses oder der immissionsschutzrechtlichen Zulassungsentscheidung.

Die inhaltlichen Anforderungen an eine Zielabweichung bleiben hingegen auch im Planfeststellungs- oder immissionsschutzrechtlichen Zulassungsverfahren bestehen (keine materielle Konzentrationswirkung).

Das bedeutet für Planfeststellungsverfahren: Anders als Grundsätze der Raumordnung, in Aufstellung befindliche Ziele und sonstige Erfordernisse der Raumordnung unterfallen Ziele der Raumordnung als zwingend zu beachtende Vorgaben nicht der Abwägung der Planfeststellungsbehörde (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ROG). Die Zielkonformität ist unabdingbare Zulassungsvoraussetzung für das planfeststellungspflichtige Vorhaben (die Bindungswirkung von Zielen der Raumordnung entfällt nur in solchen Fällen, wo dies durch Fachgesetz oder durch § 5 ROG vorgesehen ist). Eine Planfeststellung kann bei Vorliegen eines Zielverstoßes nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen zur Zulassung einer Zielabweichung gemäß § 6 Abs. 2 ROG und § 8 NROG erfüllt sind, wenn also neben der raumordnerischen Vertretbarkeit der Abweichung und der Einhaltung der Grundzüge der Raumordnungsplanung die Planfeststellungsbehörde das Benehmen mit den betroffenen Gemeinden hergestellt hat und alle von der Zielabweichung in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen gegenüber der Planfeststellungsbehörde ihr Einvernehmen erteilt haben.

Für immissionsschutzrechtliche Zulassungsverfahren bedeutet es: sofern die Ziele der Raumordnung im Zulassungsverfahren gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2, Sätze 2 und 3, Abs. 2 oder Abs. 3 ROG zu beachten sind, ist die Zielkonformität unabdingbare Zulassungsvoraussetzung. Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung kann bei Vorliegen eines Zielverstoßes nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen zur Zulassung einer Zielabweichung gemäß § 6 Abs. 2 ROG und § 8 NROG erfüllt sind, wenn also neben der raumordnerischen Vertretbarkeit der Abweichung und der Einhaltung der Grundzüge der Raumordnungsplanung die Immissionsschutzbehörde das Benehmen mit den betroffenen Gemeinden hergestellt hat und alle von der Zielabweichung in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen gegenüber der Genehmigungsbehörde ihr Einvernehmen erteilt haben.

Zu den in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen zählen bei Betroffenheit eines RROP unabdingbar die zuständigen Regionalplanungsträger sowie bei Betroffenheit des LROP die oberste Landesplanungsbehörde. Bei einer Zielabweichung für in Aufstellung befindliche Ziele in einem RROP ist auch die obere Landesplanungsbehörde zu beteiligen (vgl. Nummer 2.3.1).

Die Einvernehmenserteilung geht über die im Zulassungsverfahren durchzuführende Anhörung berührter öffentlicher Stellen hinaus, weil das Einvernehmen oder dessen Verweigerung keiner Abwägung der Planfeststellungs- oder Immissionsschutzbehörde zugänglich ist. Bei der Erteilung des Einvernehmens handelt es sich insofern nicht um eine bloße Stellungnahme im Rahmen der normalen Beteiligung. Da ein nicht erteiltes Einvernehmen mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage nicht ersetzt werden kann (siehe Nummer 2.3.3), kann die Planfeststellungs- oder Immissionsschutzbehörde bei fehlendem Einvernehmen die Zielabweichung nicht zulassen und folglich den Planfeststellungsbeschluss oder die Genehmigung nicht erlassen.

Die vorgenannten Erfordernisse bestehen auch, wenn im Vorfeld des Planfeststellungs- oder Genehmigungsverfahrens bereits eine Raumverträglichkeitsprüfung durchgeführt und mit einer Landesplanerischen Feststellung abgeschlossen wurde. Wegen der Selbständigkeit der Verfahren und ihrer unterschiedlichen Rechtswirkungen kann eine Landesplanerische Feststellung nach § 11 NROG nicht das Einvernehmen der Landesplanungsbehörde zu einer Zielabweichung ersetzen.

Stellt eine im Planfeststellungsverfahren oder immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren beteiligte untere Landesplanungsbehörde fest, dass das beantragte Vorhaben gegen ein im LROP festgelegtes Ziel der Raumordnung verstößt, soll sie die Planfeststellungsbehörde auf die Notwendigkeit des Einvernehmens der obersten Landesplanungsbehörde zu einer etwaigen Zielabweichung hinweisen. Sie soll außerdem die oberste Landesplanungsbehörde informieren.

Außer Kraft am 1. Januar 2030 durch Nummer 6 Satz 1 des RdErl. vom 25. Juni 2024 (Nds. MBl. 2024 Nr. 282)