Sozialgericht Braunschweig
Urt. v. 15.07.2013, Az.: S 5 LW 4/10

Anspruch des Lebenspartners eines verstorbenen Versicherten auf Hinterbliebenenrente mit einem Zuschlag nach § 97 ALG und eines Verheiratetenzuschlags

Bibliographie

Gericht
SG Braunschweig
Datum
15.07.2013
Aktenzeichen
S 5 LW 4/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 49251
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGBRAUN:2013:0715.S5LW4.10.0A

Tenor:

Der Bescheid vom 4.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.12.2010 wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Hinterbliebenenrente ab dem 1.7.2010 unter Berücksichtigung eines Zuschlags nach § 97 ALG und eines Verheiratetenzuschlags unter Anrechnung der bereits gewährten Leistungen zu gewähren.

Die Beklagte erstattet dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Kläger als Lebenspartner eines verstorbenen Versicherten bei der Beklagten Anspruch auf Hinterbliebenenrente mit einem Zuschlag nach § 97 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte - ALG und eines Verheiratetenzuschlags hat.

Der spätere Lebenspartner des Klägers beantragte am 23.7.1999 Altersrente, die in der Folge auch bewilligt wurde.

Am 28.8.2008 begründeten der Kläger und sein Lebenspartner eine Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz - LPartG. Dieser Umstand wurde der Beklagten nicht mitgeteilt.

Am 15.6.2011 erfuhr die Beklagte vom Tod des Lebenspartners des Klägers und schrieb diesen hinsichtlich seines Anspruchs auf Hinterbliebenenrente an, nachdem sich aus dem Schreiben des Bestattungsunternehmers der Hinweis auf die mittlerweile bestehende Lebenspartnerschaft ergab.

Am 5.7.2010 beantragte der Kläger förmlich eine Hinterbliebenenrente.

Bei der Beklagten stellte sich im Verlauf des Verwaltungsverfahrens die Frage, ob der Kläger Anspruch auf Hinterbliebenenrente unter Berücksichtigung der Zuschläge nach § 97 ALG habe. Nach einer Rücksprache mit dem Spitzenverband der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV-SpV) kam die Beklagte zum Ergebnis, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Zuschläge nach § 97 ALG habe. Dies folge allerdings nicht schon daraus, dass in der Gleichstellungsregelung des damaligen § 14a ALG die Norm des § 97 ALG nicht ausdrücklich genannt sei, sondern vielmehr daraus, dass es sich bei den Regelungen des § 97 ALG um Übergangsrecht handele, da geschaffen worden sei, um Vertrauenstatbestände zu erfassen, die bei Inkrafttreten des ALG zum 1.1.1995 bereits Rechtspositionen erworben hatten. Dies sei beim Kläger nicht der Fall, weil bis zum Inkrafttreten des LPartG am 1.8.2001 kein Anspruch des Klägers auf Gleichstellung mit einem Ehepartner bestanden habe, mithin dieser auch keine nach altem (d.h. bis zum 31.12.1994 geltendem) Recht erworbene Rechtsposition innegehabt habe, hinsichtlich derer er Vertrauensschutz genieße.

Mit Bescheid vom 4.10.2010 wurde dem Kläger daher Hinterbliebenenrente vollständig nach neuem, d.h. ab dem 1.1.1995 geltendem, Recht gewährt. Ein Zuschlag nach § 97 ALG, insbesondere auch des Verheiratetenzuschlags, wurde bei der Berechnung nicht berücksichtigt.

Am 11.10.2010 legte der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und begehrte unter Hinweis auf einen Beschluss des niedersächsischen Landtags die Gewährung einer Hinterbliebenenrente entsprechend den Regelungen für einen Ehepartner.

Mit Widerspruchsbescheid vom 1.12.2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung machte sich die Beklagte die Ausführungen des dem Spitzenverbandes der landwirtschaftlichen Sozialversicherung zu Eigen.

Am 28.12.2010 hat der Kläger - vertreten - die vorliegende Klage erhoben. Er ist weiterhin der Auffassung, dass die Gewährung einer Hinterbliebenenrente ohne die Zuschläge eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung zwischen Lebenspartnern und Ehegatten darstelle.

Er beantragt daher,

den Bescheid vom 4.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.12.2010 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Hinterbliebenenrente ab dem 1.7.2010 unter Berücksichtigung eines Zuschlags nach § 97 ALG und eines Verheiratetenzuschlags zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist im Wesentlichen auf die Begründung der angefochtenen Entscheidungen, insbesondere den Widerspruchsbescheid.

Außer der Gerichtsakte haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Akten und die Sitzungsniederschrift vom 15.7.2013 ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung einer Hinterbliebenenrente nach seinem verstorbenen Lebenspartner unter Berücksichtigung eines Zuschlags nach § 97 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte - ALG zu.

Das ALG ist mit Wirkung vom 1.1.1995 an die Stelle des bis dahin geltenden Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte getreten. Gegenstand der Neuregelung war unter anderem eine Umstellung der Rentenzahlung auf ein System ähnlich der gesetzlichen Rentenversicherung mit einer Abhängigkeit der Rentenzahlungen von den zurückgelegten Beitragszeiten. Unter anderem sollte zudem die Stellung der Bäuerin gestärkt werden, die nach neuem Recht einen eigenen Rentenanspruch erwerben konnte (vgl. BT-Drs. 12/5700, S. 64).

Die gesetzliche Neuregelung sah vor, dass ab Inkrafttreten des ALG (Neu-)Renten nur noch auf dieser Basis, d.h. des neuen Rechts, berechnet werden. Bereits laufende Renten sollten nicht berührt werden (BT-Drs. 12/5700, S. 65). Für Renten, die innerhalb eines Zeitraums von 15 Jahren nach Inkrafttreten des ALG beginnen, wurde eine Übergangsregelung geschaffen, die im Wesentlichen die Renten nach altem Recht der nach neuem Recht gegenüberstellte und die Differenz abhängig vom Beginn der Rente im Übergangszeitraum der 15 Jahre entweder ganz oder schließlich nur noch zu einem Fünfzehntel ausgeglichen wurde. Die Berechnung dieses sogenannten Zuschlags ist in § 97 ALG geregelt.

Dort heißt es:
(1) Beginnt die Rente erstmals in der Zeit vom 1. Juli 1995 bis 30. Juni 2009 und sind bereits vor dem 1. Juli 1995 für mindestens fünf Jahre anrechenbare Beitragszeiten als Landwirt zurückgelegt worden, wird zu einer nach § 23 berechneten gleichartigen Rente ein Zuschlag gezahlt. Der Zuschlag gilt als Rente. Der Zuschlag ergibt sich, indem eine Rente nach dem am 31. Dezember 1994 geltenden Recht unter Berücksichtigung des Absatzes 2 und nachfolgender Rentenanpassungen berechnet und der Unterschiedsbetrag zu einer nach § 23 berechneten gleichartigen Rente mit dem Abschmelzungsfaktor nach Absatz 3 vervielfältigt wird; die Vorschriften über das Zusammentreffen von Renten mit Einkommen finden bei der jeweiligen Rentenberechnung keine Anwendung. Eine Rente nach dem am 31. Dezember 1994 geltenden Recht wird nicht ermittelt, wenn
1. ein Anspruch auf Rente nur unter Berücksichtigung von Zeiten nach § 17 Abs. 1 Satz 2 besteht,
2. ein Anspruch auf Altersrente besteht und für 15 Jahre Beiträge nur unter Einschluß von Beiträgen gezahlt sind, die nach § 92 als gezahlt gelten oder nach § 93 Abs. 3 Nr. 1 oder 3 bei der Rentenberechnung unberücksichtigt bleiben,
3. ein Anspruch auf vorzeitige Altersrente nach § 12 Abs. 1 besteht oder
4. eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung oder eine Witwen- oder Witwerrente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu ermitteln ist.

Vollendet der Bezieher einer vorzeitigen Altersrente nach § 12 Abs. 1 vor dem 1. Juni 2009 das 65. Lebensjahr, wird eine Rente nach dem am 31. Dezember 1994 geltenden Recht ermittelt, soweit die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.

(2) Ist der Landwirt verheiratet und hat sein Ehegatte Anspruch auf eine Rente, gilt der Landwirt bei der Ermittlung einer Rente nach dem am 31. Dezember 1994 geltenden Recht als unverheiratet.

(3) Der Zuschlag beträgt bei einem Beginn der Rente in der Zeit vom 1. Juli 1995 bis 30. Juni 1996 14/15 (Abschmelzungsfaktor) des Unterschiedsbetrages. Der Abschmelzungsfaktor wird für Renten, die bis zum 30. Juni 2009 beginnen, für jedes weitere Jahr nach dem 30. Juni 1996 um ein weiteres Fünfzehntel vermindert, jedoch jeweils nur im Jahr des Beginns der Rente. Ändert sich der Familienstand des Leistungsberechtigten,
tritt eine Rente des Ehegatten hinzu oder entfällt sie, wird der Zuschlag neu berechnet; maßgebend ist der Abschmelzungsfaktor des Jahres, in dem die Rente begonnen hat. Im Fall von Absatz 1 Satz 5 ist der Abschmelzungsfaktor des Jahres maßgebend, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird.

(4) Hat ein Versicherter eine Rente wegen Erwerbsminderung unter Berücksichtigung des Absatzes 1 bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente erneut eine Rente, wird beim Zuschlag der bisherige Abschmelzungsfaktor zugrunde gelegt. Satz 1 gilt entsprechend, wenn vor dem 1. Juli 2009 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung begonnen hat; maßgebend ist der Abschmelzungsfaktor des Jahres, in dem die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung begonnen hat. Absatz 3 Satz 3 gilt.

(5) Hat der verstorbene Versicherte einen Zuschlag bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente eine Rente an Hinterbliebene, wird zu der Hinterbliebenenleistung ein entsprechend den Absätzen 1 und 3 berechneter Zuschlag gezahlt; dabei ist für die Bestimmung des Abschmelzungsfaktors das Jahr maßgebend, in dem erstmals ein Zuschlag zu ermitteln war. Hat
ein Hinterbliebener einen Zuschlag bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente erneut eine solche Rente, wird beim Zuschlag der bisherige Abschmelzungsfaktor zugrunde gelegt.

(6) Treffen zwei Ansprüche auf Zuschlag in einer Person zusammen, wird nur der höhere geleistet. Trifft eine nach den Absätzen 1 bis 5 berechnete Rente mit einer weiteren Rente zusammen, die nicht nach den Absätzen 1 bis 5 zu berechnen ist oder bei der der Zuschlag nach Satz 1 ruht, mindert sich der nach den Absätzen 1 bis 5 berechnete Zuschlag um den Betrag dieser weiteren Rente.

(7) Beginnt die Rente in der Zeit vom 1. Januar 1995 bis 30. Juni 1995, ist Absatz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, daß der Abschmelzungsfaktor 1 ist; § 98 Abs. 3 bis 5 gilt entsprechend.

(8) Für Renten an mitarbeitende Familienangehörige gelten die Absätze 1 bis 7 entsprechend.

(9) Für Bezieher einer Produktionsaufgaberente oder eines Ausgleichsgeldes nach dem Gesetz zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit gelten die Absätze 1 bis 8 entsprechend, wenn unmittelbar nach Ende des Bezugs dieser Leistung ein Anspruch auf Rente entsteht. Maßgebend ist der Abschmelzungsfaktor des Jahres, in dem die Leistung nach dem Gesetz zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit begonnen hat. Wird Produktionsaufgaberente oder Ausgleichsgeld nach dem Gesetz zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit bereits am 31. Dezember 1994 bezogen, gilt der Anspruch auf Rente als am 1. Januar 1995 entstanden. Gelten Beiträge nach § 14 des Gesetzes zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit für Zeiten nach dem 31. Dezember 1994 als entrichtet, werden diese Beiträge bei der nach dem am 31. Dezember 1994 geltenden Recht zu berechnenden Rente berücksichtigt.

(10) Für Bezieher eines Überbrückungsgeldes gelten die Absätze 1, 3 und 7 entsprechend mit der Maßgabe, dass der Zuschlag auf der Grundlage eines Betrages ermittelt wird, der sich ergibt, wenn der für 15 Beitragsjahre maßgebende Umrechnungsfaktor für Unverheiratete in der Anlage 2 mit dem allgemeinen Rentenwert vervielfältigt wird.

(11) Für den Zuschlag wird eine Steigerungszahl ermittelt, indem der Zahlbetrag des Zuschlags durch den allgemeinen Rentenwert oder, soweit bei der nach § 23 berechneten Rente der allgemeine Rentenwert nach § 23 Abs. 8 zu mindern ist, durch den geminderten allgemeinen Rentenwert geteilt wird. § 23 Abs. 5 Satz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(12) Ist eine Rente, für die ein Zuschlag zu ermitteln war, neu festzustellen, wird beim Zuschlag der bisherige Abschmelzungsfaktor zugrunde gelegt.

(13) Für den Versorgungsausgleich gilt für die Summe der Steigerungszahlen nach § 23 und nach Absatz 11 die zeitratierliche Bewertung nach § 40 des Versorgungsausgleichsgesetzes, soweit die Rente nicht ausschließlich nach § 23 zu berechnen ist. Abweichend von § 40 Abs. 5 des Versorgungsausgleichsgesetzes wird der Bewertung des in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden Anrechts das unter Berücksichtigung einer familienstandsbedingten Erhöhung bemessene Anrecht zugrunde gelegt, wenn der Ehegatte kein Anrecht auf eine Rente aus eigener Versicherung hat.

Der grundsätzliche (unstreitige) Anspruch des Klägers auf Hinterbliebenenrente ergibt sich aus § 14 ALG.

Die Regelung lautet wie folgt:

(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tode des Versicherten Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn

1.das Unternehmen der Landwirtschaft des Verstorbenen abgegeben ist,

2.der verstorbene Ehegatte die Wartezeit von fünf Jahren erfüllt hat,

3.der überlebende Ehegatte nicht Landwirt ist und

4.der überlebende Ehegatte
a) ein eigenes Kind oder ein Kind des verstorbenen Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erzieht,
b) das 47. Lebensjahr vollendet hat oder
c) erwerbsgemindert nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ist.

§ 46 Abs. 2a des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch findet entsprechende Anwendung. Als Kinder werden auch berücksichtigt

1.Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind,

2.Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden
Der Erziehung steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich.

(2) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen des Absatzes 1 Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für mitarbeitende Familienangehörige.

§ 14a ALG in der vom 1.1.2005 bis zum 31.12.2012 gültigen Fassung bestimmte:
(1) Die leistungsrechtlichen Vorschriften über Renten wegen Todes nach diesem Kapitel gelten entsprechend für hinterbliebene Lebenspartner.

(2) Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente für einen überlebenden Lebenspartner besteht nicht, wenn für denselben Zeitraum aus den Anwartschaften eines Versicherten Anspruch auf eine Witwenrente oder Witwerrente für einen Ehegatten besteht.

§ 1a ALG in der ab 1.1.2013 gültigen Fassung regelt:
Die für Ehegatten und ehemalige Ehegatten sowie Witwen und Witwer geltenden Vorschriften dieses Gesetzes gelten entsprechend für Lebenspartner, Lebenspartner, deren Lebenspartnerschaft aufgehoben wurde, und hinterbliebene Lebenspartner.

Danach hat der Kläger als Lebenspartner Anspruch auf Hinterbliebenenrente gem. § 14 ALG jeweils in Verbindung mit § 14a ALG bzw. § 1a ALG.

Dieser Anspruch ist unstreitig und wurde mit Bescheid vom 4.10.2010 auch bewilligt.

Der Kläger hat darüber hinaus jedoch auch Anspruch auf Gewährung der Hinterbliebenenrente unter Berücksichtigung des Zuschlags nach § 97 ALG.

Zunächst ist festzuhalten, dass im Fall einer Hinterbliebenenrente diese mit demselben Zuschlag zu berechnen ist wie die Rente des Verstorbenen (§ 97 Abs. 5 ALG), wenn die Hinterbliebenenrente innerhalb von 24 Monaten nach Ende der Rente des Verstorbenen beginnt. Das ist hier der Fall.

§ 97 ALG ist auch auf den Fall des Klägers anwendbar.

Dies ergibt sich jedenfalls aus einer verfassungskonformen Auslegung der Norm i.V.m. § 14a ALG und § 1a ALG.

Eine Bewilligung der Hinterbliebenenrente ohne Gewährung eines Zuschlags stellt eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung zwischen Lebenspartnern und Ehegatten dar.

Wie die Beklagte ausgeführt hat, hätte ein Ehegatte in derselben Position wie der Kläger eine Rente unter Zurechnung des Zuschlags erhalten (Schriftsatz vom 19.12.2012).

Damit erhält der Kläger als Lebenspartner des Verstorbenen eine geringere Rente als sie ein Ehepartner unter identischen Voraussetzungen erhalten hätte.

Es handelt sich mithin um eine Ungleichbehandlung von zwei im Wesentlichen gleichen Sachverhalten.

Diese Ungleichbehandlung verstößt gegen den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz von Art. 3 Abs. 1 GG. Entsprechend hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 7.5.2013 (2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07) im ersten Orientierungssatz ausgeführt:
"Art. 3 Abs. 1 GG verbietet grundsätzlich auch einen gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss. Differenzierungen bedürfen insoweit stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen verschärfen sich, je mehr sich die Differenzierungsmerkmale - wie im Fall der sexuellen Orientierung - denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (vgl BVerfG, 19.06.2012, 2 BvR 1397/09 (Rn 104))."
Sachliche Gründe, die die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Solche hat auch die Beklagte nicht vortragen können. Diese stützt die Ungleichbehandlung lediglich darauf, dass Lebenspartner nach dem bis zum 31.12.1994 geltendem Recht keinen Anspruch auf eine Renten aus der Alterskasse gehabt hätten, so dass mangels eines Besitzstandes nach altem Recht auch kein Anspruch auf den Zuschlag bestehe, weil diese Teil der Übergangsvorschriften sei, deren Sinn und Zweck die Wahrung eines bereits erworbenen Besitzstandes gewesen sei.

Bei dieser Argumentation lässt die Beklagte aber bereits außer Acht, dass bei Fortgelten des bis zum 31.12.1994 geltenden Rechts der Altershilfe für Landwirte auch anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber eine Gleichstellungsklausel wie § 14a ALG a.F. geschaffen hätte, so dass auch das alte Recht nach Inkrafttreten des LPartG entsprechend angepasst worden wäre.

Im Fall einer ggf. verfassungswidrigen Norm ist das normanwendende Gericht aufgefordert, vor Aussetzung des Verfahrens und Vorlage beim Bundesverfassungsgericht (Art. 100 Grundgesetz - GG) zu prüfen, inwieweit eine verfassungskonforme Auslegung der streitentscheidenden Norm in Betracht kommt, denn die verfassungskonforme Auslegung als normbewahrendes Instrument ist Aufgabe aller Gerichte (vgl. Bethge in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 31 BVerfGG, Rn. 258 f. m.w.N.).

Lassen Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesamtzusammenhang und Sinn und Zweck einer gesetzlichen Regelung mehrere Deutungen zu, von denen jedenfalls eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, muss eine Auslegung vorgenommen werden, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht (BVerfGE 69, 1, 55 [BVerfG 24.04.1985 - 2 BvF 2/83]; 95, 64, 93).

Die verfassungskonforme Auslegung darf sich dabei aber nicht über die gesetzgeberischen Intentionen hinwegsetzen. Sie findet ihre Grenzen dort, wo sie zu dem Wortlaut und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (st. Rspr., insb. BVerfGE 99, 341, 358 [BVerfG 19.01.1999 - 1 BvR 2161/94]; 101, 312, 329; 101, 397, 408; 119, 247, 274).

Gesetzgeberische Grundentscheidungen dürfen nicht angetastet werden. Einem eindeutigen Gesetz darf nicht ein entgegengesetzter Sinn gegeben werden. Es ist nicht Sache der Rechtsprechung, ein Gesetz derart auf eine verfassungsgemäße Fasson zurechtzustutzen, dass der Gesetzgeber es nicht wiedererkennt. Die verfassungskonforme Auslegung darf nicht zu einer verdeckten Normreformation führen (vgl. BVerfGE 67, 299, 329 [BVerfG 09.10.1984 - 2 BvL 10/82]; 95, 64, 93; 99, 341, 358; 118, 212, 234; 63, 131, 147 f.; Korioth in: Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 9. Auflage 2012, 5. Teil, Rn. 449; Bethge in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 31 BVerfGG, Rn. 265).

Nach Ansicht der Kammer kommt hier unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze eine verfassungskonforme Auslegung in Betracht. Durch die Regelungen des § 14a ALG und später § 1a ALG hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass eine Gleichstellung von Lebenspartnern und Ehegatten zunächst nur im Bereich der Hinterbliebenenrenten und ab 1.1.2013 generell beabsichtigt war. Dass der Gesetzgeber dabei bewusst Übergangsrechtsfälle wie den vorliegenden ausscheiden wollte, ergibt sich weder aus der Gesetzesbegründung noch aus dem Wortlaut der Norm. Dagegen spricht nicht zuletzt auch, dass die andernfalls durch § 14a ALG a.F. zum Ausdruck gebrachte und erwünschte Gleichstellung (zumindest in Altrechtfällen) nicht umgesetzt worden wäre. Es ist aber nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber diesen Personenkreis von einer (vollen) Gleichstellung ausnehmen wollte. Hiergegen spricht nicht zuletzt die Gesetzesbegründung zur Einführung von § 14a ALG a.F. (BT-Drs. 15/3445, S. 19).

Dort wird ausgeführt:
"Wie in der gesetzlichen Rentenversicherung werden Ansprüche auf Renten wegen Todes auch Lebenspartnern (eingetragene Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz, § 33b SGB I) eingeräumt. Hieraus folgt, dass die Begründung bzw. Auflösung einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft dieselben Auswirkungen auf Ansprüche hinterbliebener Ehegatten hat wie die Schließung bzw. Auflösung einer Ehe."

Dies lässt nicht erkennen, dass Altrechtsfälle von der Gleichstellung ausgenommen sein sollten. Vielmehr stellt der Gesetzgeber ausdrücklich klar, dass die eingetragene Lebenspartnerschaft dieselben Ansprüche auslösen soll wie eine Ehe.

Zwar ist zuzugeben, dass der Wortlaut des Gesetzes auch die Ansicht der Beklagten zulässt, jedoch ist unter Berücksichtigung des Willens des Gesetzgebers und unter Einbeziehung der verfassungsrechtlichen Lage (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 18.7.2012 - 1 BvL 16/11 oder BVerfG, Beschluss vom 19.6.2012 - 1 BvR 1397/09) zumindest eine verfassungskonforme Auslegung, die die Gleichstellung möglichst weitgehend umsetzt, angezeigt.

Diese führt vorliegend zum Ergebnis, dass der Kläger einem Ehepartner gleichgestellt wird, so dass die Rente mit dem mit dem einschlägigen Abschmelzungsfaktor multiplizierten Unterschiedsbetrag zwischen einer Hinterbliebenenrente nach dem bis zum 31.12.1994 geltenden Recht und dem ab dem 1.1.1995 geltenden Recht zu gewähren ist.

Als Ergebnis der verfassungskonformen Auslegung folgt zudem, dass der Familienstand des Verstorbenen als "verheiratet" i.S.d. § 97 Abs. 2 ALG zu betrachten ist.

Nach dem bis zum 31.12.1994 geltendem Recht führte ein solcher Familienstand zu einer höheren Rente (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 GAL), so dass sich die Differenz zwischen der Rente nach "altem" und nach "neuem" Recht erhöht, was auch nach Berücksichtigung des Abschmelzfaktors zu einer höheren Rente im Rahmen des Übergangsrechts führt.

Der Ausschlusstatbestand des § 97 Abs. 2 ALG ist dabei nicht erfüllt.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine eigene Rente gegenüber der Beklagten, weil die Begründung der Lebenspartnerschaft erst 2008 erfolgte und damit zu einem Zeitpunkt als der Lebenspartner des Klägers den landwirtschaftlichen Betrieb bereits aufgegeben hatte. Damit aber hatte der Kläger keine Anwartschaftszeiten erwerben können und mithin auch keinen Anspruch auf eine Rente aus eigenem Recht gegenüber der Beklagten.

Im Umkehrschluss ist damit der Lebenspartner des Klägers in verfassungskonformer Anwendung des § 97 Abs. 2 ALG nicht als zum 1.1.1995 unverheiratet zu betrachten, so dass wiederum bei der Berechnung der Rente ein Zuschlag für den Verheiratetenstatus zu berücksichtigen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens für den Kläger.

Die Berufung ist gem. § 144 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGG statthaft.