Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 16.04.2015, Az.: 4 W 57/15
Anforderungen an den Nachweis der Bewilligungsbefugnis des eingetragenen Eigentümers eines Grundstücks bei Eintragung und Löschung des Insolvenzvermerks
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 16.04.2015
- Aktenzeichen
- 4 W 57/15
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2015, 14685
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2015:0416.4W57.15.0A
Rechtsgrundlagen
- GBO § 19
- GBO § 29
- InsO § 32
- InsO § 80 Abs. 1
Fundstellen
- DNotZ 2015, 771-773
- FGPrax 2015, 154-155
- InsbürO 2015, 493-494
- KSI 2015, 185
- MDR 2015, 822-823
- NZG 2015, 887-888
- NZI 2015, 7
- NZI 2015, 485-486
- ZIP 2015, 887-888
- ZInsO 2015, 1011-1012
- ZfIR 2015, 530-531
Amtlicher Leitsatz
Wenn zeitlich zurückliegend ein Insolvenzvermerk im Grundbuch zunächst eingetragen, dann aber auf Ersuchen des Insolvenzgerichts wieder gelöscht worden ist, kann das Grundbuchamt sodann nicht ohne weiteres von der Bewilligungsbefugnis des eingetragenen Eigentümers ausgehen, vielmehr ist ihm diese in der Form des § 29 GBO nachzuweisen (entgegen OLG Hamm, Beschl. v. 20. März 2014 - 15 W 392/13).
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsteller vom 25. März 2015 gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts - Grundbuchamt - vom 6. März 2015 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens jeweils zur Hälfte.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1 und 2 sind als Miteigentümer einer Eigentumswohnung zu 1/2 in dem o. a. Grundbuch eingetragen. Am 30. Januar 2013 ist auf ihren Miteigentumsanteilen auf Ersuchen des Insolvenzgerichts Dortmund jeweils ein Insolvenzvermerk eingetragen worden. Diese Vermerke sind aufgrund Ersuchens des Insolvenzgerichts vom 27. November 2014 am 4. Dezember 2014 wieder gelöscht worden.
Die Beteiligten zu 1 und 2 haben die streitgegenständliche Eigentumswohnung nunmehr an die Beteiligten zu 3 und 4 verkauft und hierbei eine Auflassungsvormerkung bewilligt. Den Antrag auf Eintragung derselben hat das Grundbuchamt mit der angefochtenen Zwischenverfügung beanstandet. Es hält einen gesonderten Nachweis der Verfügungsbefugnis der Beteiligten zu 1 und 2 in der Form des § 29 GBO für erforderlich. Der hiergegen gerichteten Beschwerde hat das Grundbuchamt nicht abgeholfen.
II.
Die nach § 71 Abs. 1 GBO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Entscheidung des Grundbuchamts steht im Einklang mit der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Jena, Beschl. v. 26. Aug. 2013 - 9 W 323/13, juris Rn. 6; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 12. März 2013 - 3 W 164/12, juris Rn. 14; OLG Brandenburg, Beschl. v. 18. Jan. 2012 - 5 Wx 114/11, juris Rn. 16 f.), der sich der Senat anschließt.
Das Grundbuchamt hat vor Eintragung einer Rechtsänderung im Grundbuch aufgrund einer Eintragungsbewilligung (§ 19 GBO) eigenständig und von Amts wegen die Bewilligungsbefugnis desjenigen, der die Bewilligung erklärt hat, zu prüfen; die Bewilligungsbefugnis folgt aus der materiell-rechtlichen Verfügungsbefugnis. Dabei gilt die Vermutung des § 891 Abs. 1 BGB auch im Grundbuchverfahren; das Grundbuchamt hat, so lange ihm nicht Tatsachen bekannt sind, die diese Vermutung widerlegen, von der Rechtsinhaberschaft des Eingetragenen und damit in der Regel von dessen Verfügungsbefugnis auszugehen. Im vorliegenden Fall war dem Grundbuchamt aufgrund der Übersendung von Ausfertigungen der Eröffnungsbeschlüsse des Insolvenzgerichts Dortmund vom 25. Januar und 5. Februar 2013 aber positiv bekannt, dass über das Vermögen der Beteiligten zu 1 und 2 das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Von der Fortdauer des Insolvenzverfahrens und der damit einhergehenden fehlenden Verfügungsbefugnis der Beteiligten zu 1 und 2 (§ 80 Abs. 1 InsO) musste das Grundbuchamt vorliegend ausgehen, weil ihm dessen Beendigung nicht mit den Beweismitteln des § 29 GBO nachgewiesen worden ist. Insbesondere hat die Löschung der Insolvenzvermerke das Grundbuchamt nicht von seiner Verpflichtung entbunden, zu prüfen, ob die Beteiligten zu 1 und 2 in Bezug auf den streitgegenständlichen Vermögensgegenstand wieder verfügungsbefugt sind. Die Löschung der Insolvenzvermerke ist vorliegend aufgrund des Ersuchens des Insolvenzgerichts nach § 32 InsO erfolgt. In diesem Verfahren findet aber keine materiell-rechtliche Prüfung des Grundbuchamts statt, ob die Löschungsvoraussetzungen tatsächlich vorliegen; demgemäß hat die Löschung des Insolvenzvermerks - wie auch bereits dessen Eintragung - nur deklaratorische Bedeutung und gibt keine verbindliche Auskunft darüber, ob die vorliegend streitgegenständliche Eigentumswohnung noch zur Insolvenzmasse gehört.
Ist demnach im vorliegenden Grundbuchverfahren von der Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters auszugehen, so ist der Wegfall dieser Befugnis und die hiermit verbundene Wiedererlangung der Befugnis der Beteiligten zu 1 und 2 nachzuweisen, wenn diese während des - wie hier - fortdauernden Insolvenzverfahrens über die in ihrem Eigentum stehende Eigentumswohnung verfügen wollen. Für diesen Nachweis gilt - wie grundsätzlich im Grundbuchverfahren - die Formvorschrift des § 29 GBO, der die von den Beteiligten zu 3 und 4 eingereichte formlose schriftliche Erklärung des Insolvenzverwalters nicht genügt.
2. Soweit demgegenüber das OLG Hamm (Beschl. v. 20. März 2014 - 15 W 392/13, juris Rn. 5 ff.) abweichend von der vorgenannten obergerichtlichen Rechtsprechung die Auffassung vertritt, dass das Grundbuchamt von der Bewilligungsbefugnis des eingetragenen Eigentümers auszugehen habe, wenn zeitlich zurückliegend ein Insolvenzvermerk zunächst eingetragen worden, dann aber auf Ersuchen des Insolvenzgerichts gelöscht worden ist, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Wie bereits ausgeführt, erfolgt die Löschung des Insolvenzvermerks allein aufgrund des Ersuchens des Insolvenzgerichts nach § 32 InsO, ohne dass das Grundbuchamt eigenständig eine materiell-rechtliche Prüfung dahingehend vornimmt, ob die Löschungsvoraussetzungen auch tatsächlich vorliegen (vgl. Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 32 Rn. 13). Dann aber kann die bloße Löschung des Insolvenzvermerks für das Grundbuchamt gerade kein hinreichender Umstand sein, ungeachtet des weiterhin bestehenden Insolvenzverfahrens und des damit einhergehenden generellen Fehlens der Verfügungsbefugnis des Schuldners in Bezug auf einzelne Vermögensgegenstände - hier das Wohnungseigentum - doch wieder von einer Verfügungsbefugnis des Schuldners auszugehen. Wie bereits das OLG Hamm in seiner genannten Entscheidung selbst ausführt, kommt mindestens theoretisch in Betracht, dass dem Löschungsantrag des Insolvenzgerichts ein Fehler zugrunde liegt. Wenn aber das Grundbuchamt selber keine Möglichkeit hat, den dem Löschungsantrag zugrunde liegenden Vorgang eigenständig materiell-rechtlich zu überprüfen, ist nach Auffassung des Senats die hieraus resultierende Löschung des Insolvenzvermerks allein nicht geeignet, dem Grundbuchamt die hinreichende Überzeugung zu vermitteln, dass der Schuldner in Bezug auf den streitgegenständlichen Vermögensgegenstand (wieder) verfügungsbefugt ist.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Werts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG.
2. Der Senat lässt nach § 78 Abs. 2 Nr. 1, 2 GBO die Rechtsbeschwerde zu, im Hinblick darauf, dass der Senat mit seiner Entscheidung von der des OLG Hamm in dessen genannter Entscheidung vom 20. März 2014 abweicht.