Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.08.1994, Az.: 3 L 3939/93

Unterschutzstellung; Zwergstrauchheiden; Wachholderheiden; Verfassungsmäßigkeit; Bestimmtheitsgebot; Verhältnismäßigkeitsgrundsatz; Eigentumsgarantie

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
23.08.1994
Aktenzeichen
3 L 3939/93
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1994, 14011
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1994:0823.3L3939.93.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Stade 27.05.1993 - 6 A 37/92
nachfolgend
BVerwG - 21.12.1994 - AZ: BVerwG 4 B 266/94

Fundstellen

  • Jagdrechtliche Entscheidungen XIV Nr 134
  • NuR 1995, 470-473 (Volltext mit amtl. LS)
  • RdL 1995, 75

Amtlicher Leitsatz

Die Unterschutzstellung von Zwergstrauch- und Wacholderheiden in § 28 Abs 1 Nr 2 NNatG (NatSchG ND) ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie ist hinreichend bestimmt und verstößt nicht gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbots. Sie ist auch mit der Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG vereinbar.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgericht Stade - 6. Kammer Stade - vom 2.7. Mai 1993 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Beteiligten streiten um die naturschutzrechtliche Zulässigkeit eines vom Kläger beabsichtigten Bauvorhabens.

2

Der Kläger ist Eigentümer der Flurstücke 13/25 und 13/27 Flur 5 Gemarkung ... in einer Gesamtgröße von 1.004 qm, die er mit notariellem Kaufvertrag vom 23. November 1989 (Urk.-R. Nr. 484/1989 des Notars ... in ...) zu einem Kaufpreis von 34.000,-- DM erworben hat. Die Flurstücke sind durch die von der Stadt ... mit Bescheid vom 3. Januar 1990 zur Bildung eines selbständigen Baugrundstücks genehmigte Teilung aus den Flurstücken 13/10 und 13/11 Flur 5 Gemarkung ... hervorgegangen. Der Grundbesitz des Klägers liegt im Bereich der Satzung der Stadt ... über die Begrenzung und Abrundung der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (Innenbereichssatzung) für die Stadtteile ..., ..., ... und ... vom 8. Februar 1979 (ABl. für den Landkreis Cuxhaven 1979 S. 100) und im Gebiet der Verordnung zum Schutze von Landschaftsteilen in der Gemeinde ..., Kreis Land ..., vom 25. April 1955 (ABl. der Regierung in Stade 1955 S. 70) i.d.F. der Verordnung des Landkreises ... zur Aufhebung der Verordnung über den Schutz von Landschaftsteilen in der Gemeinde ..., Kreis Land ..., vom 25. April 1955 (ABl. der Regierung in Stade, S. 70) vom 21. Mai 1986 (ABl. für den Regierungsbe- zirk Lüneburg 1987 S. 198). Die Flurstücke grenzen im Westen an die ...-Straße, im Süden an den ..., im Osten an das mit einem Einfamilienwohnhaus bebaute Flurstück 13/12 und im Norden an die unbebauten Flurstücke 13/24 und 13/26, die ihrerseits im Westen an die ...-Straße und im Norden an die ...-Straße angrenzen. Fast alle der an der nördlichen und südlichen Seite der ...-Straße liegenden Grundstücke sind bebaut.

3

Am 21. Dezember 1990 beantragte der Kläger bei der Stadt ... - Bauaufsichtsbehörde - eine Genehmigung für den Bau eines Zweifamilienwohnhauses mit Carport. Im Zusammenhang mit der vom Kläger beantragten Baugenehmigung teilte ihm der Beklagte nach einer Ortsbesichtigung am 24. Juli 1991 mit Bescheid vom 9. August 1991 mit, daß auf den Flurstücken 13/25 und 13/27 Flur 5 Gemarkung ... besonders geschützte Biotope i.S.d. § 28 a Abs. 1 des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes (NNatG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. Juli 1990 (Nds. GVBl. S. 235) vorhanden seien und ihm eine Ausnahmegenehmigung nach § 28 a Abs. 5 NNatG nicht erteilt werden könne. Zur Begründung führte der Beklagte aus: Die Flurstücke befänden sich im Bereich der sog. "...", die insbesondere durch die ...-Küstenheide charakterisiert werde. Als Charakterarten kämen die Krähenbeere, Trockenheide, Besenheide, Haarginster, Englischer Ginster und Wacholder vor. Auf dem Grundstück befinde sich ebenfalls teilweise gut ausgeprägte Heide mit den genannten Charakterarten und teilweise ein von Drahtschmiele dominiertes Heide-Degenerationsstadium mit Übergängen zu Sandmagerrasen. Mit Ausnahme eines 2 m breiten Streifens mit Ruderalvegetation an der ...-Straße sei das Grundstück Bestandteil eines Biotopkomplexes mit den besonders geschützten Biotoptypen Zwergstrauch- und Wacholderheide sowie Magerrasen. Nach § 28 a Abs. 2 Satz 1 NNatG seien alle Handlungen, die zu einer Zerstörung oder sonst erheblichen Beeinträchtigung eines besonders geschützten Biotops führen könnten, verboten. Das treffe für das vom Kläger beabsichtigte Bauvorhaben zu. Eine Ausnahmegenehmigung nach § 28 a Abs. 5 NNatG könne ihm nicht erteilt werden. Die Voraussetzungen für eine Befreiung lägen nicht vor. Das Bauvorhaben diene privaten und nicht Interessen des Allgemeinwohls.

4

Nachrichtlich teilte der Beklagte dem Kläger weiter mit, daß die sich auf den Flurstücken befindenden Biotope Zwergstrauch- und Wacholderheide sowie Magerrasen in das nach § 31 Abs. 1 NNatG zu führende Verzeichnis geschützter Teile von Natur und Landschaft eingetragen worden seien. Im übrigen liege das Baugrundstück im Landschaftschutzgebiet "Wolkers Marsch". Nach § 2 Abs. 1, 2 der Landschaftsschutzverordnung sei es verboten, innerhalb des Landschaftsschutzgebietes Veränderungen vorzunehmen, die geeignet seien, das Landschaftsbild oder die Natur zu schädigen, insbesondere Bauwerke aller Art zu errichten. Eine für des Bauvorhabens erforderliche Befreiung nach § 53 NNatG könne dem Kläger nicht erteilt werden.

5

Der Kläger legte Widerspruch ein und machte geltend: Es treffe nicht zu, daß die im Bescheid vom 9. August 1991 aufgeführten Pflanzen in nennenswerter Dichte auf seinem Grundstück vorhanden seien. Lediglich "hier und da" befinde sich ein Sprenkel der in § 28 a Abs. 1 Nr. 2 NNatG geschützten Pflanzen. Weiterhin sei nicht einzusehen, warum ihm die Bebauung seines Grundstücks, das buchstäblich das "allerletzte Ende" der ... Heide bilde, untersagt werde, obwohl im Ergebnis die gesamte ... Heide bebaut sei. Sein Grundstück bilde zum Gesamtkomplex ... Heide eine vernachlässigenswerte Größe von vielleicht 1/200stel. Es sei nicht Sinn und Wille des Gesetzgebers, solche kleinsten Biotope zu schützen.

6

Den Widerspruch des Klägers wies die Bezirskregierung Lüneburg mit Bescheid vom 10. April 1992 zurück. Zur Begründung führte sie aus: Das Grundstück des Klägers sei ein durch § 28 a Abs. 1 Nr. 2 NNatG geschützter Biotop. Als schützenswert sei bereits eine Fläche von 100 qm anzusehen. Von besonderer Bedeutung sei, daß die auf dem Grundstück des Klägers vorhandene Krähenbeerheide nicht nur in ihrer Optimalphase, sondern auch im Zustand verschiedener Entwicklungsstufen wie der Initial-, Degenerations- und Wiederbewaldungsphase geschützt werde. Unerheblich sei, daß bereits ein beträchtlicher Teil im Bereich des streitigen Grundstücks bebaut worden sei. Nach § 28 a Abs. 2 NNatG sei die Bebauung eines Biotopgrundstücks grundsätzlich verboten. Eine Ausnahmegenehmigung nach § 28 a Abs. 5 NNatG könne dem Kläger nicht erteilt werden. Die durch die Bebauuung entstehenden Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes oder des Landschaftsbildes könnten nicht durch Ausgleichsmaßnahmen ausgeglichen werden. Nach der Bebauung sei eine Wiederherstellung bzw. Neuanlage des jetzt vorhandenen Vegetationstyps nicht mehr möglich. Die Heide müsse dem Haus endgültig weichen. Dadurch werde der gesamte Gebietscharakter verändert. Schließlich sei zu berücksichtigen, daß das Grundstück in einem Landschaftschutzgebiet liege. Ein Eingriff in das Landschaftsbild sei nur ausgleichbar, wenn es nicht umgestaltet werden müsse. Das wäre aber bei zusätzlichen Anpflanzungen der Fall.

7

Der Kläger hat Klage erhoben und zur Begründung im wesentlichen sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren wiederholt. Ergänzend hat er vorgetragen: Auf seinem Grundstück seien allenfalls nur hier und da kleine Inseln geschützter Pflanzen vorhanden. Dieser Pflanzenbestand werde nicht durch § 28 a Abs. 1 NNatG geschützt. Für einen Biotopschutz sei eine größere Ausdehnung geschützter Pflanzen erforderlich. Das ergebe sich aus dem Wortlaut des § 28 a Abs. 1 NNatG. Hier sei unter anderem von Hochmooren, Sümpfen, Binnendünen, Bruch-, Sumpf-, Au- und Schluchtwäldern, Dünen, Salzwiesen und Wattflächen, also jeweils von Flächen und Gebieten, die großräumig seien, die Rede. Ein zusammenhängendes Heidegebiet, von dem der Beklagte spreche, gebe es nicht mehr. Das streitige Gebiet sei bebaut. Er habe das Grundstück als Baugelände gekauft. In den amtlichen Katasterunterlagen seien die Grundstücke als Bauplätze bezeichnet worden.

8

Der Kläger hat beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 9. August 1991 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 10. April 1992 aufzuheben und festzustellen, daß sich auf den Flurstücken 13/25 und 13/27 der Flur 5 der Gemarkung ... kein besonders geschützter Biotop im Sinne des § 28 a NNatG befindet und den Beklagten zu verpflichten, die Eintragung eines besonders geschützten Biotops auf den genannten Flurstücken aus dem Verzeichnis nach § 31 Abs. 1 NNatG zu streichen,

10

hilfsweise,

11

den Bescheid des Beklagten vom 9. August 1991 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 10. April 1992 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm für den Bau eines Zweifamilienhauses mit Carport auf den Flurstücken 13/25 und 13/27 der Flur 5 der Gemarkung ... eine Ausnahmegenehmigung nach § 28 a Abs. 5 NNatG bzw. eine Befreiung nach § 53 NNatG zu erteilen.

12

Der Beklagte hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Er hat erwidert: Die Flurstücke 13/25 und 13/27 gehörten zu den durch § 28 a Abs. 1 Nr. 2 NNatG besonders geschützten Biotopen. Sie seien Bestandteil eines zwischen dem Wernerwald und der nördlich sich anschließenden Bebauung erhalten gebliebenen Krähenbeer-Küstenheidegebietes, das vor allem an seinem Ostteil noch sehr gut ausgeprägt sei. Auch am Westrand dieses Gesamtkomplexes und auf den Flurstücken des Klägers befinde sich Krähenbeer-Küstenheide in unterschiedlichen Entwicklungsphasen. Prägende Pflanzenart sei die Krähenbeere. Daneben seien als weitere charakteristische Heidearten Wacholder sowie Glocken- und Besenheide vorhanden. Die Heidebestände auf den Flurstücken des Kläger seien zum Teil optimal ausgebildet, teilweise befänden sie sich in der durch die Dominanz von Drahtschmiele und Falkengras gekennzeichneten Degenerationsphase und der durch die Entwicklung von Anfluggehölzen eingeleiteten Wiederbewaldungsphase. Sie seien sowohl als Bestandteil des gesamten Heidekomplexes, aber auch für sich betrachtet als geschützte Zwergstrauchheide im Sinne von § 28 a NNatG einzustufen. Im übrigen liege das Grundstück des Klägers im Landschaftsschutzgebiet. Innerhalb des Landschaftschutzgebietes sei es verboten, Veränderungen vorzunehmen, die geeignet seien, das Landschaftsbild oder die Natur zu beeinträchtigen, insbesondere Bauwerke aller Art zu errichten.

15

Das Verwaltungsgericht hat die Flurstücke 13/25 und 13/27 Flur 5 Gemarkung Sahlenburg in Augenschein genommen und die Klage durch Urteil vom 27. Mai 1993 abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Die Klage sei mit dem Haupt- und Hilfsantrag nicht begründet.

16

Die Feststellungsklage sei zulässig, weil sie zu einer umfassenden Klärung des zwischen den Beteiligten bestehenden Streites führe.

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Die Klage sei jedoch mit dem Hauptantrag unbegründet. Auf den Flurstücken 13/25 und 13/27 Flur 5 Gemarkung Sahlenburg befinde sich ein besonders geschützter Biotop im Sinne von § 28 a Abs. 1 NNatG. Das habe die Ortsbesichtigung ergeben. Die Flurstücke seien mit Krähenbeerheide, Pfeifengras, Sandsegge, Haarginster und Englischem Ginster bewachsen. Dieser Pflanzenbestand sei als Zwergstrauch- und Wacholderheide im Sinne des § 28 a Abs. 1 Nr. 2 NNatG einzustufen. Die Zwergstrauch- und Wacholderheide, die zum Biotop Trockenheide gehöre, werde in einer von der Bundesforschungsanstalt für Naturschutz und Landschaftsökologie erarbeiteten Liste als von Zwergsträuchern, namentlich Heidekrautgewächsen dominierte Pflanzenformation, zum Teil mit eingestreuten Wacholderbüschen, auf überwiegend bodensauren Standorten definiert. Kennzeichnende dominierende Pflanzenarten seien u.a. Heidekraut (= Besenheide), Krähenbeere, Glockenheide, Haarginster, Besenginster und Zwergwacholder. Zwischen dem Wernerwald und der sich nördlich anschließenden Bebauung existiere auch heute noch ein zusammenhängender, nicht von der Bebauung durchzogener Krähenbeer-Küstenheidebereich, der im Westen auch die Flurstücke des Klägers umschließe. Dieser Bereich habe zwar durch die Bebauung erheblich an Größe verloren, sein Charakter als zusammenhängender Heidekomplex sei jedoch nicht verloren gegangen. Die auf dem Grundstück des Klägers vorhandene Vegetation stelle auch für sich genommen einen besonders geschützten Biotop im Sinne des § 28 a Abs. 1 Nr. 2 NNatG dar. Der Biotopschutz hänge nicht von der Größe des Gebietes ab. Auch auf kleinstem Raum könnten schützenswerte Lebensgemeinschaften vorkommen. Der Beklagte habe daher den Grundbesitz des Klägers zu Recht in das Verzeichnis nach § 31 Abs. 1 NNatG eingetragen.

18

Die Klage sei auch mit dem Hilfsantrag nicht begründet. Das Bauvorhaben des Klägers sei nach § 28 a Abs. 2 NNatG verboten, weil es zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Biotops führe. Das in dieser Vorschrift statuierte Verbot werde nicht durch § 8 a Abs. 6 des Bundesnaturschutzgesetzes i.d.F. vom 12. März 1987 (BGBl. I S. 898), geändert durch Art. 5 des Gesetzes zur Erleichterung von Investitionen und der Ausweisung und Bereitstellung von Wohnbauland vom 22. April 1993 (BGBl. I S. 466) - BNatG - relativiert. Diese Vorschrift beziehe sich nach ihrem Wortlaut und nach ihrer Stellung im Gesetz nur auf Eingriffe im Sinne des § 8 BNatG und der entsprechenden landesrechtlichen Regelungen. Wenn der Gesetzgeber mit der Einführung des § 8 a Abs. 6 BNatG auch die Durchführung von Bauvorhaben auf besonders geschützten Biotopen habe zulassen wollen, so wäre dies angesichts des besonderen Schutzes der Biotope nach § 20 c BNatG und den entsprechenden landesrechtlichen Regelungen in der gesetzlichen Regelung zum Ausdruck gekommen. Eine Ausnahme nach § 28 a Abs. 5 NNatG könne dem Kläger nicht erteilt werden. Die Beeinträchtigung der Natur durch das Bauvorhaben könne durch Ausgleichsmaßnahmen nicht ausgeglichen werden. Überwiegende Gründe des Allgemeinwohles lägen nicht vor. Das Bauvorhaben des Klägers diene ausschließlich seinem Privatinteresse.

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Dem Kläger könne auch eine Befreiung nach § 53 NNatG nicht erteilt werden. Es sei bereits fraglich, ob § 53 NNatG neben § 28 a Abs. 5 NNatG Anwendung finden könne. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 53 NNatG lägen jedoch nicht vor. Ein Sonderinteresse des Klägers, das den von ihm beabsichtigten Bau eines Zweifamilienhauses rechtfertigen könne, sei nicht zu erkennen. Ein sich aus § 28 a Abs. 2 NNatG ergebendes Bauverbot betreffe alle Eigentümer von Grundstücken, auf denen sich besonders geschützte Vegetationsbestände befänden, unabhängig davon in welchem Zeitpunkt die Grundflächen erworben worden seien.

20

Gegen diese Entscheidung führt der Kläger Berufung. Zur Begründung trägt er vor: Auf den Flurstücken 13/25 und 13/27 Flur 5 Gemarkung ... befinde sich nicht der Biotop "Zwergstrauch- und Wacholderheide" im Sinne des § 28 a Abs. 1 Nr. 2 NNatG. Auf seinem Grundstück wachse zwar Krähenbeerenheide, nicht aber Falkengras, Sandsegge, Haarginster und Englischer Ginster. Eine für einen Biotop erforderliche flächenhafte Ausdehnung sei nicht gegeben. Eine Verbindung zwischen den Heideflächen im ...wald zu seinem Grundstück sei nicht vorhanden. § 8 a BNatG sei auch auf einen Eingriff in einen Biotop nach § 28 a NNatG anwendbar. § 8 a BNatG sei unmittelbar geltendes Bundesrecht und gehe den landesrechtlichen Bestimmungen in § 28 a NNatG vor. Durch § 8 a BNatG werde das Landesrecht auch nicht ausgehöhlt, da sich der Ausnahmetatbestand ausdrücklich nur auf Vorhaben im Bereich der im Zusammenhang bebauten Ortsteile bzw. auf Vorhaben im Bereich eines gültigen Bebauungsplanes beziehe. Nur wenn von einer Vorrangstellung des § 8 a BNatG gegenüber dem Landesrecht ausgegangen werde, ergebe § 8 b BNatG einen Sinn, der den Ländern die Möglichkeit eröffne, von § 8 a BNatG abweichende Bestimmungen zu erlassen. Durch § 8 a BNatG habe erreicht werden sollen, daß insbesondere im Bereich von Bebauungsplänen und im Zusammenhang bebauter Ortsteile die Bebauung ermöglicht werde. In diesen Bereichen habe das Landesrecht dem geänderten Bundesrecht zu weichen. § 28 a NNatG sei ebenso wie § 20 c BNatG verfassungswidrig. § 28 a NNatG greife in den Schutzbereich des Art. 14 GG ein. Seinem Grundstück werde die Baulandqualität genommen. § 28 a NNatG widerspreche ebenso wie § 20 c BNatG dem Bestimmtheitsgebot. Der Begriff "Biotop" werde vom Gesetzgeber als bekannt vorausgesetzt und nicht definiert. Als Biotop könne nur ein Lebensraum von Tier- und Pflanzenarten, nicht aber die Zwergstrauch- und Wacholderheide angesehen werden. Ob sich auf seinem Grundstück eine Zwergstrauch- und Wacholderheide befinde, könne ein Grundstückseigentümer nicht feststellen. § 28 a NNatG verstoße auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Vorschrift sehe eine Abwägung zwischen den Kriterien, die für eine Unterschutzstellung zum Wohle der Allgemeinheit sprechen könnten, und den Kriterien, die für eine anderweitige Nutzung durch den Eigentümer maßgebend seien, nicht vor. Eine fehlende Abwägung habe zur Folge, daß ein 10 qm großer Biotop in der Mitte eines 1.000 qm großen bebaubaren Grundstücks zu dessen Unbebaubarkeit führen könne. Eine solche Regelung sei unverhältnismäßig. Der Gesetzgeber habe daher eine Mindestgröße für einen Biotop angeben müssen. Das Naturschutz- und Baurecht stehe gleichberechtigt nebeneinander. Daraus folge, daß die Bebaubarkeit eines Grundstücks nicht durch das Naturschutzrecht aufgehoben werden könne. Davon könne nur bei Vorhaben im Außenbereich nach § 35 BauGB ausgegangen werden. Um dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht zu werden, hätte für Eigentümer von Bauland eine Übergangsregelung eingefügt werden müssen. Ihm sei auch eine Befreiung nach § 53 Nr. 1 a NNatG zu erteilen. Er sei mit Bescheid der Stadt Cuxhaven vom 19. Februar 1991 zur Zahlung eines Sielbaubeitrages in Höhe von 1.155,-- DM und durch Bescheid vom 10. Juni 1991 zu Grundsteuern für ein bebaubares Grundstück herangezogen worden. Die Stadt ... habe dadurch einen Vertrauenstatbestand geschaffen, so daß er immer von der Bebaubarkeit des Grundstücks habe ausgehen können.

21

Der Kläger beantragt,

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1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Bescheid des Beklagten vom 9. 8. 1991 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 10. 4. 1992 aufzuheben und festzustellen, daß sich auf den Flurstücken 13/25 und 13/27 der Flur 5 der Gemarkung ... kein besonders schützenswerter Biotop im Sinne von § 28 a (1) NNatG befindet, und den Beklagten zu verpflichten, die Eintragung eines besonders geschützten Biotops auf den genannten Flurstücken aus dem Verzeichnis nach § 31 (1) NNatG zu streichen,

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hilfsweise,

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den Bescheid des Beklagten vom 9. 8. 1991 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 10. 4. 1992 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger für den Bau eines Zweifamilienhauses mit Carport auf den Flurstücken 13/25 und 13/27 der Flur 5 der Gemarkung ... eine Ausnahmegenehmigung nach § 28 a (5) NNatG und eine Befreiung nach § 53 NNatG zu erteilen.

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2. Den Beklagten zu verpflichten, eine Befreiung nach § 53 Satz 1 Nr. 1 NNatG von den Einschränkungen zu erteilen, die sich aus der Zugehörigkeit der Flurstücke 13/25 und 13/27 der Flur 5 Gemarkung ... zu dem Landschaftsschutzgebiet ... ergeben und die zu einer Einschränkung der Bebaubarkeit des Grundstücks führen.

26

Der Beklagte beantragt,

27

die Berufung zurückzuweisen.

28

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

29

Der Senat hat die Flurstücke 13/25 und 13/27 Flur 5 Gemarkung Sahlenburg und deren nähere Umgebung in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Ortsbesichtigung wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf Schriftsätze der Beteiligten und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen. Diese waren in ihrem wesentlichen Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

30

II.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

31

Die mit dem Hauptantrag zu 1. nach § 43 VwGO erhobene Feststellungsklage ist zulässig. Mit ihr begehrt der Kläger eine umfassende Klärung des zwischen den Beteiligten bestehenden Streites sowie der Fragen, ob sein Grundstück (Flurstücke 13/25 und 13/27 Flur 5 Gemarkung ...) den besonderen Schutz des § 28 a des Niedersächsichen Naturschutzgesetzes in der jetzt geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 11. April 1994 (Nds. GVBl. S. 155) - NNatG - genießt und den Verboten nach § 28 a Abs. 2 NNatG unterliegt.

32

Die Klage ist jedoch mit dem Hauptantrag zu 1. unbegründet.

33

Nach § 28 a Abs. 1 Nr. 2 NNatG gehören zu den besonders geschützten Biotopen u.a. die Zwergstrauch- und Wacholderheiden. Zu dem Trockenbiotop: Zwergstrauch- und Wacholderheiden zählen nach der von der Bundesforschungsanstalt für Naturschutz und Landschaftsökologie erarbeiteten Liste (abgedr. bei Kolodziejcok/Recken, Naturschutz, Landschaftspflege, § 20 c) das Heidekraut (= Besenheide), die Krähenbeere und Glockenheide, der Haarginster, Besenginster und Zwergwacholder. Diese Pflanzenarten sind auf dem Grundstück des Klägers, wie das Verwaltungsgericht und der Senat bei der Ortsbesichtigung festgestellt haben und wie sich aus dem vom Kläger überreichten vegetationskundlichen Gutachten des Dipl.-Biol. ... ergibt, vorhanden.

34

Der Senat teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers gegen § 28 a Abs. 1 NNatG nicht, soweit dadurch sein Grundstück aufgrund der darauf vorhandenen Pflanzenarten als Biotop: Zwergstrauch- und Wacholderheiden unter besonderen Schutz gestellt worden ist, mit der Folge, daß unmittelbar kraft Gesetzes alle Handlungen, die zu einer Zerstörung oder sonst erheblichen Beeinträchtigung des besonders geschützten Biotops führen können, verboten sind und auch das von ihm beabsichtigte Bauvorhaben nach § 28 a Abs. 2 NNatG unzulässig ist.

35

Der vom Gesetzgeber verwendete Begriff: Zwergstrauch- und Wacholderheiden ist hinreichend bestimmt.

36

Der niedersächsische Gesetzgeber hat das Problem der Bestimmtheit einer Biotopschutzregelung von Anfang an gesehen. Wegen des Bestimmsheitserfordernisses sah deshalb der Regierungsentwurf (vgl. § 36 RegE, LT-Drs. 11/2585 S. 5, 21) zunächst eine Unterschutzstellung durch Verwaltungsakt vor. Diese Regelung ist fallengelassen worden, weil sie nicht rahmenrechtskonform war (vgl. die Ausführungen der Abgeordneten Frau Dr. Schole in der 106. Landtagssitzung am 7. 3. 1990; Stenogr. Berichte 11 WP S. 9794). Aus § 20 c des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz - BNatG -) i.d.F. der Bekanntmachung vom 12. März 1987 (BGBl. I S. 889) mit späteren Änderungen "Maßnahmen ... sind unzulässig" folgt, daß das Verbot unmittelbar kraft Gesetzes wirksam sein soll. Der Landesgesetzgeber hat daher den Biotopschutz ohne eine Konkretisierung durch Verwaltungsakt unmittelbar durch Gesetz geregelt.

37

Bei der Überprüfung der Frage, ob der Begriff: Zwergstrauch- und Wacholderheiden hinreichend bestimmt ist, ist entgegen der Auffassung des Klägers zunächst davon auszugehen, daß der Gesetzgeber damit, wie sich aus einem Vergleich mit den übrigen erwähnten Biotopen und aus dem allgemeinen Sprachgebrauch ergibt, der Heiden auch für eine räumliche Ausdehnung von Heidepflanzen verwendet, nicht einzelne Pflanzenarten sondern deren räumlichen Lebensraum bezeichnet hat.

38

Der Senat verkennt nicht, daß das Vorhandensein des Biotops: Zwergstrauch- und Wacholderheiden für den fachlichen Laien nicht auf den ersten Blick erkennbar sein mag und die Auswirkungen des Biotopschutzes in § 28 a Abs. 1 NNatG infolge der Verbote nach Abs. 2 für die Betroffenen nicht unbeträchtlich sind. Demgegenüber ist jedoch zu berücksichtigen, daß sich die zu schützende Natur dem Gesetzgeber in einer Vielgestaltigkeit offenbart und nach Ansicht des Senats der Biotop: Zwergstrauch- und Wacholderheiden, um den es sich auf dem Grundstück des Klägers handelt, einer näheren Konkretisierung nicht bedarf. Ob das auch auf alle übrigen nach § 28 a NNatG unter Schutz gestellten Biotope zutrifft, läßt der Senat ausdrücklich offen. Die Bundesforschungsanstalt hat den zu den Trockenbiotopen zählenden Biotop: Zwergstrauch- und Wacholderheiden zudem näher definiert. Dem betroffenen Grundstückseigentümer ist daher, notfalls mit Hilfe eines Fachmannes, ausreichend erkennbar, ob es sich bei seinem Grundstück um einen Biotop der genannten Art handelt. Dabei kommt, worauf der Kläger zu Recht hinweist, der räumlichen Ausdehnung des Biotops, die nach Ansicht des Senats nicht allgemein bestimmt werden kann und sich nach dem Grad der Schutzwürdigkeit der jeweiligen Pflanzenart und dem Schutzzweck richtet, entscheidende Bedeutung zu. Einer Entscheidung der erforderlichen räumlichen Ausdehnung eines Biotops bedarf es im vorliegenden Fall nicht. Mit Ausnahme eines ca. 3 m breiten Streifens entlang der Oskar-von-Brock-Straße befinden sich nach den Feststellungen an Ort und Stelle auf dem gesamten Grundstück des Klägers zu dem Biotop: Zwergstrauch- und Wacholderheiden gehörende Pflanzenarten, die auch auf die benachbarten Flurstücke 13/24 und 13/26 übergehen.

39

Eventuellen Zweifeln eines Grundstückeigentümers, ob auf seinem Grundstück ein Biotop vorhanden ist, trägt letztlich § 28 a Abs. 4 NNatG Rechnung. Danach teilt die Naturschutzbehörde den Grundeigentümern oder Nutzungsberechtigten auf Antrag mit, ob sich auf ihrem Grundstück ein besonders geschützter Biotop befindet oder ein bestimmtes Vorhaben nach Abs. 1 Satz 1 verboten ist. § 64 Nr. 8 NNatG bestimmt weiter, daß nur derjenige ordnungswidrig handelt, der entgegen § 28 a Abs. 2 NNatG einen besonders geschützten Biotop zerstört oder sonst erheblich beeinträchtigt, wenn dieser in das Verzeichnis geschützter Teile von Natur und Landschaft eingetragen oder dem Betroffenen nach § 28 a Abs. 4 NNatG bekanntgegeben worden war. Eine in Unkenntnis vorgenommene Beeinträchtigung eines Biotops hat damit eine Ordnungswidrigkeit nicht zur Folge.

40

Der niedersächsische Gesetzgeber hat mithin die Problematik der Erkennbarkeit eines Biotops gesehen und ihr durch ergänzende Regelungen und einer Verminderung der Intensität der Auswirkungen für die Betroffenen Rechnung getragen (vgl. auch den Ausschußbericht des Landes Niedersachsen - LT-Drs. 11/5154 S. 5 ff). Der gesetzliche Biotopschutz für Zwergstrauch- und Wacholderheiden entspricht damit den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen zur Bestimmtheit gesetzlicher Regelungen. Danach zwingt das im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) begründete Gebot hinreichender Bestimmtheit der Gesetze den Gesetzgeber nicht, den Tatbestand einer Rechtsnorm mit genau erfaßbaren Maßstäben zu beschreiben (BVerfGE 49, 168, 181 [BVerfG 26.09.1978 - 1 BvR 525/77];  59, 104, 114 [BVerfG 24.11.1981 - 2 BvL 4/80];  78, 205, 212 [BVerfG 18.05.1988 - 2 BvR 579/84];  84, 133, 149) [BVerfG 24.04.1991 - 1 BvR 1341/90]. Generalklauseln und unbestimmte, der Ausfüllung bedürftige Begriffe sind deshalb grundsätzlich zulässig, weil sich die Vielfalt der zu regelnden Sachverhalte und Verwaltungsaufgaben nicht immer durch klar umrissene Begriffe festlegen lassen (BVerfGE 49, 168, 181 [BVerfG 26.09.1978 - 1 BvR 525/77];  56, 1, 12;  81, 70, 88). Eine notwendige Klarstellung ist Aufgabe der Rechtsprechung, insbesondere der höheren Gerichte (BVerfGE 81, 70, 88). Welche Anforderungen an das Ausmaß der erforderlichen Bestimmtheit im Einzelfall zu stellen sind, läßt sich nicht allgemein festlegen. Der Grad der jeweils zu fordernden Bestimmtheit einer Regelung hängt dabei von der Eigenart des geregelten Sachverhalts und insbesondere auch davon ab, in welchem Umfang der zu regelnde Sachbereich einer genaueren begrifflichen Umschreibung überhaupt zugänglich ist und welche Intensität den Auswirkungen der Regelung für den Betroffenen zukommen (BVerfGE 48, 210, 222 [BVerfG 19.04.1978 - 2 BvL 2/75]) [BVerfG 19.04.1978 - 2 BvL 2/75].

41

Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt § 28 a NNatG auch nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG.

42

§ 28 a NNatG regelt die Zulässigkeit einer vor Inkrafttreten dieser Vorschrift am 5. April 1990 (Art. VI des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes vom 21. März 1990 - Nds. GVBl. S. 86) bereits begonnenen Nutzung eines sog. Biotopgrundstücks nicht. Bei der gebotenen verfassungskonformen Anwendung dieser Vorschrift ist jedoch davon auszugehen, daß die Beibehaltung einer bisherigen Nutzung in der bisher möglichen Art und Weise keine Beeinträchtigung des Biotopgrundstücks zu Folge hat und nicht unter den Verbotstatbestand des § 28 a Abs. 2 NNatG fällt (vgl. amtl. Begründung zu § 36 RegE, LT-Drs. 11/2585 S. 20). Teilweise kann eine Beibehaltung der bisherigen Nutzung sogar erwünscht sein, wie es beispielsweise für das gelegentliche Mähen oder eine kurzzeitige Beweidung von Magerwiesen der Fall sein mag. Unzulässig ist jedoch eine naturschädliche Änderung oder Intensivierung der Nutzungsart, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung des geschützten Biotops führen kann. Das hat allerdings nicht zur Folge, daß damit regelmäßig ein Eingriff in das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Eigentum verbunden ist. Regelungen, die die Nutzung von Grundstücken aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes beschränken, sind grundsätzlich keine Enteignungen im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG, sondern Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG(BVerwG, Urt. v. 24. 6. 1993 - 7 C 26.92 - NJW 1993, 2949 [BVerwG 24.06.1993 - 7 C 26/92] m.w.N.). Das folgt daraus, daß jedes Grundstück durch seine Lage und Beschaffenheit sowie die Einbettung in seine Umwelt geprägt wird. Natur- und landschaftsschutzrechtliche Regelungen tragen damit nur der Situationsgebundenheit eines Grundstücks aufgrund der natürlichen und landschaftsräumlichen Gegebenheiten und der dem Grundstück selbst anhaftenden Beschränkung der Eigentümerbefugnisse Rechnung, bei deren Regelung die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG um so größer ist, je stärker der soziale Bezug des Eigentumsobjekts ist (BVerwG, Urt. v. 24. 6. 1993 a.a.O). Das schließt nicht aus, daß mit der Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG verbundene Beschränkungen unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich wenn sie zu Eingriffen in bereits verwirklichte Nutzungen oder zum Ausschluß von Nutzungsmöglichkeiten führen, die sich nach Lage der Dinge objektiv anbieten oder sogar aufdrängen, auszugleichen sind (BVerwG, Urt. 24. 6. 1993 a.a.O m.w.Hinw.). Derartigen ausgleichspflichtigen Beeinträchtigungen der Eigentümerbefugnisse als Folge der Verbote nach § 28 a Abs. 2 NNatG im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, soweit sie über die entschädigungslose Inhaltsbestimmung des Eigentums hinausgehen oder einen entschädigungspflichtigen Eingriff in das Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG zu Folge haben, trägt § 50 Abs. 1 NNatG Rechnung. Nach dieser Vorschrift haben Eigentümer und andere Nutzungsberechtigte einen Anspruch auf Entschädigung, wenn ihnen durch Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes Beschränkungen ihrer Nutzungsrechte oder Pflichten in einem Ausmaß auferlegt werden, die über die Sozialbindung des Eigentums hinausgehen. Gemäß § 50 Abs. 2 NNatG ist eine Entschädigung insbesondere bei Verboten und Geboten nach den §§ 24 bis 29 NNatG, zu denen auch diejenigen nach § 28 a Abs. NNatG gehören, zu gewähren. Zu einer Entschädigung nach § 50 NNatG ist das Land verpflichtet (§ 51 NNatG).

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Ob dem Kläger im vorliegenden Fall eine Entschädigung zu gewähren ist, bedarf keiner Entscheidung, weil sie nicht Gegenstand des Streites ist. Die Entscheidung dieser Frage wird in erster Linie davon abhängen, ob seinem Grundstück eine objektive Nutzungsmöglichkeit als Bauland durch den zum 5. April 1990 in Kraft getretenen gesetzlichen Biotopschutz genommen worden ist.

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Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt § 28 a NNatG auch nicht gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbots.

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Eine gesetzliche Regelung ist nur dann unverhältnismäßig, wenn das Maß der Belastung des Einzelnen außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der von ihm hinzunehmenden Einbuße steht (BVerwGE 80, 312 [BVerwG 18.10.1988 - 1 A 89/83]). Diese Voraussetzungen lassen sich für die hier streitige gesetzliche Regelung nicht feststellen. In der Bundesrepublik Deutschland und im Lande Niedersachsen ist in den letzten Jahrzehnten die Arten- und Lebensraumvielfalt in großem Ausmaß verringert worden. Es ist ein anerkanntes Ziel des Naturschutzes, wildlebenden Pflanzen- und Tierarten in der Kulturlandschaft ausreichenden Lebensraum durch ensprechenden Biotopschutz zu sichern. Für die in § 28 a NNatG getroffenen Regelungen ist mithin in einem hohen Maße ein Interesse der Allgemeinheit vorhanden, das nicht außer Verhältnis zur Belastung des Einzelnen steht. Wie dargelegt, muß der Biotop, um als solcher im Sinne des § 28 a NNatG angesehen zu werden, einen nach seiner Bedeutung und dem Schutzzweck im Einzelfall zu bestimmenden räumlichen Umfang haben. Durch den Biotopschutz wird regelmäßig eine bisherige Nutzung nicht berührt. Ausgleichspflichtigen Nutzungsbeschränkungen trägt die Entschädigungsregelung in § 50 NNatG Rechnung. Von einem unverhältnismäßigen Eingriff kann mithin keine Rede sein. Anhaltspunkte dafür, daß der niedersächsische Gesetzgeber durch die Wahl einer anderen (milderen) Regelung den gleichen oder einen besseren Biotopschutz hätte erreichen können und deshalb mit der getroffenen Regelung gegen das Übermaßverbot verstoßen hat (vgl. BVerfGE 39, 165), sieht der Senat nicht und sind auch vom Kläger nicht vorgetragen worden.

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Nach alledem geht der Senat im Gegensatz zum Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (vgl. Beschl. v. 15. 8. 1994 - 7 A 2883/92 -) für die dort in § 20 des Gesetzes zur Sicherung des Naturhaushaltes und zur Entwicklung der Landschaft (Landschaftsgesetz - LG -) i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Landschaftsgesetzes vom 19. Juni 1994 (GV. NW. S. 418) getroffene Regelung geschützter Biotope für den Biotopschutz im Land Niedersachsen durch § 28 a NNatG, der sich von dem nordrhein-westfälischen Landesrecht unterscheidet, von dessen Verfassungsmäßigkeit aus, soweit davon der Kläger betroffen ist.

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Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch ausgeführt, daß der Kläger die Streichung der Eintragung seines Grundstücks als Biotop in das vom Beklagten nach § 31 Abs. 1 NNatG zu führende Biotopverzeichnis nicht verlangen kann. Die Eintragung ist deklaratorisch und Folge des konstitutiven Biotopschutzes nach § 28 a NNatG. Als solche ist sie von der Existenz des gesetzlich geschützten Biotops abhängig, von der im Falle des Klägers auszugehen ist.

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Die Berufung des Klägers hat auch mit dem Hilfsantrag zu 1. keinen Erfolg.

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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 28 a Abs. 5 NNatG. Nach dieser Vorschrift kann die Naturschutzbehörde Ausnahmen von den Verboten nach Abs. 2 zulassen,

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1. wenn die hierdurch entstehenden Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes oder des Landschaftsbildes durch Ausgleichsmaßnahmen ausgeglichen werden oder

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2. die Auswirkungen aus überwiegenden Gründen des Allgemeinwohls notwendig sind; es können Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen angeordnet werden.

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Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers durch den von ihm beabsichtigen Bau eines Zweifamilienwohnhauses mit Carport auch unter Berücksichtigung seines Berufungsvorbringens, daß er eine Arztpraxis einrichten wolle, nicht vor. Die mit dem Bau seines Zweifamilienwohnhauses verbundene Zerstörung des Biotops auf seinem Grundstück kann nicht durch Ausgleichsmaßnahmen ausgeglichen werden. Gründe des Allgemeinwwohls kann der Kläger für die Durchführung seines privaten Interessen dienenden Bauvorhabens nicht anführen.

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Entgegen seiner Auffassung werden § 28 a NNatG und die in Abs. 5 vorgesehenen Ausnahmen von den Verboten in Abs. 2 für Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, die nach § 34 des Baugesetzbuches i.d.F. der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2253) - BauGB - mit späteren Änderungen zulässig sind, durch den in das Bundesnaturschutzgesetz mit Gesetz zur Erleichterung von Investitionen unter Ausweisung und Bereitstellung von Wohnbauland (Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz) vom 22. April 1993 (BGBl. I S. 466) eingefügten § 8 a BNatG nicht verdrängt. Mit zutreffenden Gründen, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt und deshalb von einer weiteren Begründung absieht (§ 130 b VwGO), hat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung und die Stellung im Gesetz dargelegt, daß § 8 a BNatG nur auf Eingriffe im Sinne des § 8 BNatG und der entsprechenden landesrechtlichen Regelungen, nicht aber auf Verbote nach § 20 c BNatG anzuwenden ist. § 28 a NNatG wird mithin auch nicht durch den nach § 4 Satz 3 BNatG unmittelbar geltenden § 8 a BNatG verdrängt.

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Schließlich kann dem Kläger auch keine Befreiung nach § 53 NNatG erteilt werden. Ob diese Vorschrift neben den (engeren) Ausnahmen von dem Verbot nach § 28 Abs. 5, 2 NNatG anwendbar ist, erscheint, worauf auch das Verwaltungsgericht hingewiesen hat, zweifelhaft. Einer Entscheidung dieser Frage bedarf es jedoch nicht. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 53 NNatG liegen jedenfalls nicht vor. Nach dieser Bestimmung ist eine Befreiung von den Verboten und Geboten dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes und des Bundesschutzgesetzes erlassenen Verordnungen nur möglich, wenn

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1. die Durchführung der Vorschrift im Einzelfall

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a) zu einer nicht beabsichtigten Härte führen würde und die Abweichung mit den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu vereinbaren ist oder

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b) zu einer nicht gewollten Beeinträchtigung von Natur und Landschaft führen würde oder

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2. überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern.

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Mit dieser Befreiungsvorschrift soll, wie mit anderen Befreiungsvorschriften, einer rechtlichen Unausgewogenheit zwischen Anwendung und Ziel einer gesetzlichen Regelung begegnet und eine dem atypischen Einzelfall gerecht werdende Lösung ermöglicht werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14. 9. 1992 - 7 B 130.92 - NuR 1993, 28). Ein solcher atypischer (Einzel) Fall liegt beim Kläger nicht vor. Erkennbares Ziel des niedersächsischen Landesgesetzgebers war es, alle Grundstücke, die die Voraussetzungen nach § 28 a NNatG erfüllen, unter den besonderen Biotopschutz zu stellen. Davon wird der Kläger, wie alle anderen Eigentümer von Biotopgrundstücken betroffen. Ein die Situation des Klägers kennzeichnender Einzelfall, der aus Gründen der materiellen Gerechtigkeit eine andere Regelung nach § 53 Nr. 1 NNatG erfahren soll, ist mithin nicht gegeben.

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Schließlich kann dem Kläger auch keine Befreiung nach § 53 Nr. 2 NNatG erteilt werden, weil, wie dargelegt, überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit, die eine Befreiung von den Verboten nach § 28 a Abs. 2 NNatG erfordern könnten, nicht vorliegen.

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Dem Kläger kann auch nicht auf seinen erstmals im Berufungsverfahren ausdrücklich zu 2. gestellten Antrag eine Befreiung nach § 53 Satz 1 Nr. 1 NNatG von den Einschränkungen, die sich aus der Zugehörigkeit der Flurstücke 13/25 und 13/27 Flur 5 Gemarkung ... zu dem durch die Verordnung zum Schutze von Landschaftsteilen in der Gemeinde ..., Kreis Land ... vom 25. April 1955 (ABl. der Regierung in Stade 1955 S. 70) i.d.F. der Verordnung des Landkreises ... zur Aufhebung der Verordnung über den Schutz von Landschaftsteilen in der Gemeinde ..., Kreis Land ..., vom 25. April 1955 (ABl. der Regierung in Stade, S. 70) vom 21. Mai 1986 (ABl. für den Regierungsbezirk Lüneburg 1987 S. 198) geschützten Landschaftsschutzgebiet ... Marsch ergeben, erteilt werden. Abgesehen davon, daß zweifelhaft ist, ob insoweit ein Bescheidungsinteresse des Klägers vorhanden ist, weil er das von ihm beabsichtigte Bauvorhaben wegen des auf seinem Grundstück vorhandenen Biotops nicht realisieren kann, liegen die Voraussetzungen für eine Befreiung nicht vor. Die Landschaftsschutzverordnung regelt die Voraussetzungen, unter denen Ausnahmen von den Vorschriften nach § 2 LSchVO erteilt werden können, nicht und weist in § 4 LSchVO nur auf besondere Fälle hin. Eine Befreiung von den Verboten in der Landschaftsschutzverordnung setzt mithin mangels einer hinreichenden Bestimmtheit der Ausnahmetatbestände in § 4 LSchVO ebenso wie eine Befreiung vom Biotopschutz einen atypischen Einzelfall voraus. Ein solcher ist im Falle des Klägers, auch soweit er von den Verboten der Landschaftsschutzverordnung, die Geltung für alle Grundstückseigentümer in Landschaftsschutzgebieten hat, betroffen wird, nicht gegeben. Mit seinem Hinweis, daß (unstreitig) einer Vielzahl von Grundstückseigentümern eine Baugenehmigung und damit auch Ausnahmegenehmigung nach dieser Verordnung erteilt worden ist, kann er sein Begehren auf Erteilung einer Befreiung nicht stützen. Die erteilten Befreiungen und Genehmigungen sind, worauf auch der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, rechtswidrig. Sie laufen erkennbar den Verboten der Landschaftsschutzverordnung zuwider. Nach § 2 Abs. 2 a LSchVO fallen unter das Verbot die Anlage von Bauwerken aller Art, auch solche, die keiner bauaufsichtlichen Genehmigung bedürfen bzw. die der Bauanzeigepflicht unterliegen. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht existiert nicht.

62

Nach alledem kann die Berufung keinen Erfolg haben.

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Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 713 ZPO.

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Die Revision konnte nicht zugelassen werden, weil dafür die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

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Eichhorn

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Schnuhr

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Dr. Berkenbusch