Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 25.03.2009, Az.: 5 A 4768/05
Häftlingshilfebescheinigung; IM; MfS; Stasi-Tätigkeit
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 25.03.2009
- Aktenzeichen
- 5 A 4768/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 44182
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2009:0325.5A4768.05.0A
Rechtsgrundlagen
- 3 II BVFG
- 10 IV HHG
- 2 I Nr. 2 HHG
- 17 StrRehaG
- 25 StrRehaG
- 48 II VwVfG
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Ein IM (Inoffizieller Mitarbeiter) des Ministeriums für Staatssicherheit der früheren DDR (MfS) verstößt gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und erfüllt damit einen Ausschlusstatbestand für die Häftlingshilfebescheinigung, wenn er durch seine Tätigkeit die Verhaftung einer Person ermöglicht hat.
- 2.
Stellt ein IM unter den in Nr. 1 genannten Voraussetzungen die Mitarbeit beim MfS im Aufnahmeantrag des Notaufnahmelagers trotz Belehrung über die Folgen der Unrichtigkeit in Abrede, erwirkt er die Häftlingshilfebescheinigung durch unrichtige Angaben. Die Häftlingshilfebescheide und die Bescheide, die darauf beruhen, werden in der Regel für die Vergangenheit zurückgenommen (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 sowie Satz 4 VwVfG).
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen Rücknahme- und Rückforderungsbescheide. Diese betreffen Bescheinigungen und Leistungen, welche er vom Beklagten nach seiner Übersiedlung aus der ehemaligen DDR in die Bundesrepublik nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG), dem Heimkehrergesetz (HKG), dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) und nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) erhalten hatte.
Der Kläger wurde 1953 in E. /Westfalen geboren, siedelte im Jahr 1959 - nach dem Tod des Vaters - zusammen mit seiner Mutter und seiner Schwester in die ehemalige DDR über und wohnte in der Folgezeit in F. /Thüringen. Im Alter von 15 Jahren brach er die Schule ab, begann eine Lehre als Marmorschleifer, brach diese Anfang 1969 ab. Danach arbeitete er in verschiedenen Berufen als Arbeiter bzw. Hilfsarbeiter. Er wurde vom 25.07.1969 bis zum 24.10.1970 inhaftiert wegen versuchten ungesetzlichen Grenzübertritts. Vom 06.06.1980 bis zum 02.12.1982 war er erneut inhaftiert, u.a. wegen landesverräterischer Agententätigkeit und Vorbereitung des ungesetzlichen Grenzübertritts.
Nach seiner Übersiedlung ins Bundesgebiet am 02.08.1983 beantragte der Kläger am 04.08.1983 die Aufnahme im Notaufnahmelager Gießen. Im Antrag kreuzte er bei der Rubrik Nr. 77 "Ich bin in irgendeiner Weise mit Organen der Staatssicherheit in Verbindung gekommen": das Kästchen "nein" an. Am 08.08.1983 beantragte der Kläger unter Vorlage der daraufhin erteilten Notaufnahmebescheinigung beim Beklagten die Häftlingshilfebescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG. Der Beklagte nahm zur Bescheidung des letztgenannten Antrags Einsicht in die Notaufnahmeakte des Klägers Nr. 765330. Sie wurde ihm mit Bescheid vom 18.07.1984 erteilt mit der Begründung, dass bei ihm aufgrund des politischen Gewahrsams die Voraussetzungen für Leistungen nach dem Häftlingshilfegesetz gegeben seien und Ausschließungsgründe nicht vorlägen. Mit Bescheid vom 19.07.1984 wurde ihm auf seinen Antrag hin Entschädigung für seine Haftzeit und Eingliederungshilfe in Höhe von insgesamt 7 030,- DM bewilligt, ferner 300,- DM Übergangsbeihilfe und 200,- DM Entlassungsgeld nach dem Heimkehrergesetz. Mit Bescheid vom 05.03.1985 erteilte der Beklagte dem Kläger antragsgemäß den Vertriebenenausweis. Durch die Beschlüsse des Bezirksgerichts Gera vom 21.07.1992 und vom 03.12.1992 wurden die Urteile, die den Haftzeiten des Klägers zugrunde lagen, aufgehoben. Am 20.08.1993 beantragte der Kläger daraufhin Leistungen nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz wegen politischen Gewahrsams. Mit Bescheid vom 04.01.1994 erhielt er vom Beklagten eine weitere Kapitalentschädigung in Höhe von 2 270,- DM.
Im Zusammenhang mit einem Antrag des Klägers beim Landesamt für Soziales und Familie des Freistaats Thüringen auf Leistungen nach den beruflichen Rehabilitierungsgesetz ergaben dort durchgeführte Ermittlungen, dass Unterlagen der Staatssicherheit den Kläger als inoffiziellen Mitarbeiter auswiesen. Kopien dieser Unterlagen gingen dem Beklagten am 19.05.2003 zu.
Mit Schreiben vom 02.06.2003 wurde der Kläger angehört zu der in Aussicht genommenen Rücknahme der Bescheinigung gemäß § 10 Abs. 4 HHG vom 18.07.1984 wegen vorliegender Ausschlussgründe, ferner zur beabsichtigten Rücknahme der Bescheide vom 19.07.1984, 05.03.1985 sowie 04.01.1994. Dazu führte der Kläger aus, er habe keinerlei weitere, für Stasimitarbeiter übliche Vergünstigungen erhalten. Aus den dem Beklagten vorliegenden Aktenauszug ließen sich zwar Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass er für die Stasi gearbeitet habe. Andere Tatsachen sprächen jedoch dafür, dass dies nicht der Fall gewesen sei, z.B. die Formulierung: "Aufgrund seines dekadenten Auftretens und da die Bemühungen, ihn zu einer Änderung seines Verhaltens zu bringen, scheiterten, sei geplant gewesen, ihn im Juni 1980 zu archivieren." Ihm seien in der Haftzeit von 1980 bis 1982 Schriftproben und Unterschriften auf Blankodokumenten abgenötigt worden mit dem Hinweis, es gebe sehr geschulte Mitarbeiter, die Schriftstücke entwerfen könnten, von denen er noch 40 Jahre lang etwas habe. Es lägen keine ausreichend gesicherten Tatsachen vor, die dafür sprächen, dass er dem herrschenden System nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 Nr. 1 HHG erheblich Vorschub geleistet habe. Die Abwägung bei den in Aussicht genommenen Rücknahmeentscheidungen könne nur zu seinen Gunsten ausgehen.
Mit vier Bescheiden vom 28.04.2004 nahm der Beklagte die Bescheide vom 18.07.1984 (betr. Bescheinigung gemäß § 10 Abs. 4 HHG), vom 19.07.1984 (betr. Eingliederungshilfe, Überbrückungshilfe und Entlassungsgeld), vom 05.03.1985 (betr. Vertriebenenausweis) und vom 04.01.1994 (betr. Entschädigung nach dem StrRehaG) zurück. Zur Begründung wurde im erstgenannten Bescheid ausgeführt, der Kläger sei kein politischer Häftling im Sinne des Häftlingshilfegesetzes. Da die Bescheinigung hierüber Grundlage für die Leistungen nach dem HHG, HKG und StrRehaG sei und auch der Vertriebenenausweis hierauf beruhe, habe er dadurch, dass er in der Akte des Notaufnahmeverfahrens angekreuzt habe, dass er nicht in irgendeiner Weise mit den Organen der Staatssicherheit in Verbindung gekommen sei, die insoweit gewährten Leistungen und den Vertriebenenausweis durch Angaben erwirkt, die in wesentlicher Hinsicht unrichtig oder unvollständig gewesen seien im Sinne des § 48 VwVfG. Aus den Unterlagen der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) - Außenstelle Gera - ergebe sich, dass er 1970 als Gesellschaftlicher Mitarbeiter für die Staatssicherheit - GMS - geworben worden sei und sich am 19.03.1975 zur inoffiziellen Zusammenarbeit verpflichtet habe. Die Zusammenarbeit sei seitens des Ministeriums für Staatssicherheit - MfS - im Jahr 1980 wegen Unzuverlässigkeit beendet worden. Die Tätigkeit habe zur Verhaftung von mindestens einer Person geführt. Zwar habe der Kläger die Unterlagen bei seiner Vorsprache am 16.06.2003 als Fälschung bezeichnet. Nach Prüfung unter Beteiligung sachkundiger und einschlägig erfahrener Stellen bestünden jedoch keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der übersandten Kopien. Er habe gemäß § 2 Abs. 1 HHG in dem Gewahrsamsgebiet dem dort herrschenden politischen System erheblich Vorschub geleistet und gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen. Damit habe er einen Ausschließungsgrund erfüllt. Die Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG sei somit rechtswidrig ausgestellt worden. Auf Vertrauensschutz könne der Begünstigte sich nicht berufen, wenn er den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt habe, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig seien. Unter diesen Umständen werde der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Der Kläger habe seine Tätigkeit für das MfS verschwiegen und damit die Erteilung der Bescheinigung und der darauf beruhenden Leistungsbescheide sowie die Erteilung des Vertriebenenausweises durch Angaben erwirkt, die in wesentlicher Hinsicht unrichtig oder unvollständig seien. Im Rahmen des Ermessens sei das Interesse des Klägers an der Anerkennung als politischer Häftling mit den damit verbundenen Vorteilen gegen das öffentliche Interesse daran, dass nur Personen die Vergünstigungen erhielten, die die Voraussetzungen des HHG und der anderen genannten gesetzlichen Regelungen zweifelsfrei erfüllten, abzuwägen. Die Prüfung führe zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse, nur denjenigen, die dem im Gewahrsamsgebiet herrschenden System nicht erheblich Vorschub geleistet hätten bzw. gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit oder Menschlichkeit nicht verstoßen haben, Vergünstigungen zu gewähren, überwiege.
Die übrigen Rücknahmebescheide nehmen im Wesentlichen Bezug auf die Begründung in dem Bescheid über die Rücknahme der Häftlingshilfebescheinigung.
Die dagegen eingelegten Widersprüche wies der Beklagte mit den Widerspruchsbescheiden vom 25.07.2005 zurück. In den Gründen heißt es, der Kläger habe mindestens einmal am 23.12.1974 eine Anerkennungsprämie von 150,- Mark erhalten, nachdem seine Tätigkeit zu einer Verhaftung geführt habe. Eine weitere Prämie von 50,- Mark habe er am 24.03.1979 für seine Arbeit bei der Aufklärung von Verdachtsaufkommen im Zusammenhang mit dem Vorhaben einer Person, die DDR auf ungesetzlichem Wege zu verlassen, erhalten. Die Dauer der Zusammenarbeit mit dem MfS, die Anerkennungsprämien sowie der Umstand, dass er mit seiner Tätigkeit zur Verhaftung von mindestens einer Person beigetragen habe, belegten, dass er dem System der DDR erheblich Vorschub geleistet habe.
Der Kläger hat gegen die vier Bescheide am 10.08.2005 Klage erhoben. Die Klagen 5 A 4768/05, 5 A 4773/05, 5 A 4774/05 und 5 A 4775/05 werden unter dem Az.: 5 A 4768/05 fortgeführt. Der Kläger trägt vor, es dürfte unbestritten sein, dass Stasiunterlagen großenteils ohne Kenntnis der Betroffenen angelegt worden seien. Vom Beklagten sei nie überprüft worden, woraus sich die Echtheit der Dokumente über etwaige Prämienzahlungen an ihn ergeben solle. Der Gesamteindruck der Stasi-Akte sowie der erlittene politische Gewahrsam lasse den Schluss, dass er dem System erheblichen Vorschub geleistet habe, nicht zu. Soweit in den Bescheiden ausgeführt sei, dass er unrichtige Angaben gemacht habe und sich deshalb nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, sei zu berücksichtigen, dass die allgemeine Frage "ob er in irgendeiner Weise mit Organen der Staatssicherheit in Verbindung gekommen sei", kaum geeignet sei, den komplexen Sachverhalt widerzuspiegeln. Die den Bescheiden zugrundeliegenden Tatsachen würden bestritten. Lediglich ein Teil der Unterschriften unter einzelnen Schriftstücken könnte von ihm stammen, und zwar deshalb, weil er während der Haft gezwungen worden sei, Blankounterschriften abzugeben. Den darüber stehenden Text habe er in keinem Fall verfasst.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide des Beklagten vom 28.04.2004 - betreffend die Rücknahme der Bescheide vom 18.07.1984, 19.07.1984, 05.03.1985 und 04.01.1994 - in der Gestalt der Widerspruchsbescheide des Beklagten vom 25.07.2005 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt und vertieft er seine Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend verweist er darauf, dass die Äußerungen in der Stasiakte über die Unzuverlässigkeit des Klägers den Zeitraum ab 1980 beträfen. Das schließe nicht aus, dass der Kläger davor seiner Tätigkeit für das MfS zuverlässig nachgegangen sei. Der politische Gewahrsam und die Verurteilung des Klägers wegen Vorbereitung zum ungesetzlichen Grenzübertritt ließen keinen Schluss auf sein vorheriges Verhalten zu. Aus dem Vermerk in der Stasi-Akte, wonach der Kläger "im Juni 1980 archiviert werden sollte", ließe sich der Schluss ziehen, dass eine Entlassungsaktion erfolgen sollte, nicht hingegen, dass die Akte des Klägers "überarbeitet" werden sollte.
Das Gericht hat eine Auskunft vom 17.09.2007 eingeholt vom Landesbeauftragten des Freistaats Thüringen für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, auf deren Inhalt verwiesen wird. Des Weiteren hat der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes auf Veranlassung des Gerichts eine Auskunft vom 16.12.2008 erteilt sowie Kopien aus den Stasi-Unterlagen über den Kläger übersandt (Beiakte D). Auf den Inhalt wird jeweils Bezug genommen.
Der Kläger hat dazu u.a. ausgeführt, die Anlagen 1 und 2 der von der BStU - Außenstelle Gera - übersandten Unterlagen seien ihm inhaltlich nicht zuzuordnen. Auch habe er gegenüber der Volkspolizei keine Anzeige erstattet. Er bestreite, dass seine Schwester Briefe für eine dritte Person aus der BRD in Empfang genommen habe, die er teilweise abgefangen haben solle.
Das Gericht hat Beweis erhoben über die Behauptung des Klägers, seine Schwester habe Ausreisebestrebungen von einer Person aus ihrem Bekanntenkreis aus der früheren DDR in den Jahren 1973/74 nicht unterstützt, durch Vernehmung der Schwester des Klägers G.. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge - Beiakten A-C - verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Die angefochtenen Rücknahmebescheide haben nach Maßgabe des § 48 VwVfG Bestand. Sie verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 kann ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, nach § 48 Abs. 1 Satz 2 ein begünstigender Verwaltungsakt aber nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4. Nach § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, nicht zurückgenommen werden, wenn der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich nach Satz 3 nicht berufen, wer (Satz 3 Nr. 2) den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren bzw. wer (Satz 3 Nr. 3) die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Unter dieser Voraussetzung wird ein Verwaltungsakt, der eine Geldleistung betrifft oder hierfür Voraussetzung ist, in der Regel für die Vergangenheit zurückgenommen, § 48 Abs. 2 Satz 4 VwVfG.
Der Beklagte war berechtigt, die Häftlingshilfebescheinigung vom 18.07.1984 mit Bescheid vom 28.04.2004 zurückzunehmen. Er hat sich zur Begründung darauf berufen, dass die Bescheinigung rechtswidrig ausgestellt worden war, weil der Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. 1 HHG gegeben war. Hiernach werden Leistungen nach dem Häftlingshilfegesetz nicht gewährt an Personen, die (Nr. 1) dem dort herrschenden politischen System erheblich Vorschub geleistet haben bzw. (Nr. 2) gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit oder Menschlichkeit verstoßen haben. Auch auf die letztgenannte Vorschrift hat der Beklagte im Ausgangsbescheid vom 28.04.2004 abgestellt, indem es dort heißt, der Kläger habe dadurch, dass er für die Stasi gearbeitet habe, daran mitgewirkt, dass ein Mensch in strafrechtlich zu ahndender Weise verfolgt worden sei. Im Widerspruchsbescheid vom 25.07.2005 wird auf die zutreffenden Ausführungen im Ausgangsbescheid Bezug genommen, in den Gründen allerdings darauf abgestellt, dass der Kläger durch seine Tätigkeit im Gewahrsamsgebiet dem dort herrschenden politischen System erheblich Vorschub geleistet hat.
Letzteres ist nach der Rechtsauffassung des Gerichts allerdings nicht der Fall. Diesen Ausschließungsgrund erfüllt derjenige, der "freiwillig ein Amt oder einen sonstigen Tätigkeitsbereich übernommen hat, deren wahrzunehmenden Funktionen dazu bestimmt und geeignet waren, in nicht unerheblicher Weise den Herrschaftsanspruch der früheren SED und das von ihr getragene System zu festigen, auszudehnen oder den Widerstand gegen dieses System zu unterdrücken, sofern er die ihm übertragenen Aufgaben wahrgenommen, ihm gegebene Weisungen befolgt und damit dem System und seinen Zielen in der Tat nachhaltig gedient hat (BVerwG, B.v. 12.02.1991, DÖV 1991, 508 [BVerwG 12.02.1991 - 9 B 244.90]). Hierunter kann die hauptamtliche Tätigkeit für die SED als Leiter der Sicherheitsabteilung einer Stadtbezirksleitung fallen (BVerwG, a.a.O.) oder eine jahrelange Spitzeltätigkeit für das MfS, wenn Zeitdauer, zu überwachender Personenkreis, Art der Berichte und ihre Intensität (dort 50 - 60 Personen) dies rechtfertigen. Die über den Kläger vorliegenden, von diesem inhaltlich bestrittenen Erkenntnisse geben nur wieder, dass er ab Dezember 1970 Gesellschaftlicher Mitarbeiter Sicherheit (GMS) und ab 1975 Inoffizieller Mitarbeiter Sicherheit (IM, IMS) des MfS gewesen sein kann. Er war eindeutig nicht in den Staatsapparat eingebunden. Legt man diese Unterlagen zugrunde - auf deren inhaltliche Richtigkeit das Gericht noch eingehen wird -, hat er lediglich mündliche Auskünfte über zwei Personen gegeben, an eine dieser Personen gerichtete, aber an eine Deckadresse gesandte Briefe abgefangen und sie der Stasi übergeben, aber wohl nur einen einzigen schriftlichen Bericht abgeliefert. Vom MfS war er 1980 und 1983 als "unzuverlässig" bezeichnet worden. Offenbar war auch mehrmals der Kontakt zu ihm abgerissen und musste vom MfS wieder hergestellt worden. Seine Tätigkeit - die Beweiskraft der Unterlagen und Auskünfte hier zunächst unterstellt - lässt die Schlussfolgerung, dass er dadurch dem System und seinen Zielen "nachhaltig" gedient und damit erheblich Vorschub geleistet hat, nicht zu.
Im Rücknahmebescheid vom 28.04.2004 bezieht sich der Beklagte aber auch auf das Vorliegen der Ausschlussregelung in § 2 Abs. 1 Nr. 2 HHG, d.h. dem Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit oder Menschlichkeit. Gegen die Grundsätze der Menschlichkeit verstößt, wer freiwillig und gezielt, insbesondere auch durch Eindringen in die Privatsphäre anderer und Missbrauch des persönlichen Vertrauens, Informationen über Mitbürger gesammelt und an den auch in der DDR für seine repressive und menschenverachtende Tätigkeit bekannten Staatssicherheitsdienst weitergegeben hat. Notwendig sind erhebliche, gegen die Gemeinschaftsordnung verstoßende Handlungen. Es genügt, dass sich der Einzelne als Denunziant oder Spitzel freiwillig betätigte, um hieraus eigene Vorteile zu erlangen. Eine Spitzeltätigkeit für die Stasi unter Inkaufnahme einer Drittschädigung begründet im Regelfall einen Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit ( BVerwG, U.v. 19.01.2006 - 3 C 11/05 -, Buchholz 428.7 § 16 StrRehaG Nr. 2 und - juris -; U.v. 08.03.2002 - BVerwGE 116, 100 [BVerwG 08.03.2002 - 3 C 23/01] und - juris -; dagegen für die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit, weil hiergegen nur ein Staat verstoßen kann: VG Würzburg, U.v. 15.07.2002 - W 8 K 02 122 - juris -).
Aufgrund des nunmehr vorliegenden Materials des MfS unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren eingeholten Auskunft des Landesbeauftragten des Freistaates Thüringen für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes vom 14.07.2003 - ab jetzt: Landesbeauftragten -, der vom Gericht eingeholten weiteren Auskunft desselben vom 17.09.2007 und der gegenüber dem Gericht erstatteten Auskunft der Mitarbeiterin der BStU vom 16.12.2008, die auf der Sichtung des wohl vollständigen Materials des MfS über den Kläger beruht, ist das Gericht davon überzeugt, dass die Unterlagen nicht nachträglich hergestellt worden sind und damit die MfS-Mitarbeit des Klägers nicht konstruiert worden ist, er vielmehr als Spitzel für die Stasi tätig war, so wie es die Unterlagen wiedergeben.
Den dem Beklagten übersandten Auszügen aus der MfS-Akte AIM 561/83, Teil I, Bd. 1, ist zu entnehmen, dass der Kläger ab dem 21.12.1970 Gesellschaftlicher Mitarbeiter Sicherheit (GMS) war. GMS sollten breite gesellschaftliche Kräfte und dadurch "Ausdruck der entfalteten Massenwachsamkeit" sein. Das MfS ging aber in den 70er Jahren dazu über, ihnen in etwa den gleichen Rang wie den IM/IMS zu geben (Müller-Engbers, MfS-Handbuch, Die inoffiziellen Mitarbeiter, BStU, 2008, 21,22). Er wurde laut Beschluss des Unterleutnants H. der Diensteinheit F. des MfS vom 07.04.1975 unter der Reg.Nr. X/233/75 als IMS registriert unter dem Decknamen "I.". In den Gründen hierfür ist die Bearbeitung der VAO (Vorlauf-Akte-Operativ) "J." der KD (Kreisdienststelle) F. erwähnt, die mit der Verhaftung einer Person nach § 213 StGB (ungesetzlicher Grenzübertritt) habe abgeschlossen werden können. Er gehöre zur Kategorie der Haftentlassenen, die Kontakt zu Jugendlichen habe, welche negativ bzw. labil in Erscheinung treten bzw. er könne op.(operativ) interessante Personen bearbeiten im Hinblick auf den Versuch gemäß § 213 StGB. Es existiert die Verpflichtung des Klägers vom 19.03.1975, als inoffizieller Mitarbeiter Sicherheit (IM, IMS) für das MfS zu arbeiten.
Seine Tätigkeit als GMS hat nach dem sich im Verwaltungsvorgang befindlichen BStU-Material am 16.12.1974 zur Inhaftierung einer Person geführt. Das ergibt sich aus der Quittung über eine hierfür dem Kläger gezahlte Prämie von 150,- Mark vom 23.12.1974. Ferner ist diesen Unterlagen zu entnehmen, dass er am 24.03.1979 unter seinem Decknamen quittiert hat, eine Prämie über 50,- Mark für seine Arbeit bei der Aufklärung von Verdachtsmomenten im Zusammenhang mit dem ungesetzlichen Verlassen der DDR erhalten zu haben. Durch Beschluss des Mitarbeiters H. vom 27.04.1983 zur Reg.-Nr. X/233/75 wurde der IM-Vorgang archiviert (abgeschlossen) mit der Begründung, dass auf Grund der Unehrlichkeit und erfolgter Dekonspiration eine weitere Zusammenarbeit nicht möglich sei. Er habe 1980 versucht, die DDR ungesetzlich zu verlassen. Die weitere Bearbeitung erfolge in einer OPK (Operativen Personenkontrolle). Aus der Akte Ermittlungsbericht 158/80 Abt. IX liegt die Erstmeldung an das MfS Berlin, Hauptabteilung IX/8 vor, worin über den am Vortag beim Versuch des illegalen Grenzübertritts festgenommenen IM der KD F. berichtet wird. Dabei wurde - möglicherweise zur Entlastung der Dienststelle von dem "Makel", dass einer ihrer IM Republikflucht begehen wollte - darauf hingewiesen, es sei im gleichen Monat die "Archivierung" (ohnehin) geplant gewesen wegen "dekadenten Auftretens" und wegen der gescheiterten Bemühungen, den IMS zur Verhaltensänderung zu bringen.
Die in verschiedenen Akten unter unterschiedlichen Aktenzeichen geführten Vorgänge ergeben ein in sich stimmiges Bild über die Tätigkeit des Klägers als IM. Sie sprechen dafür, dass er in der früheren DDR tatsächlich dem Ministerium für Staatssicherheit zugearbeitet hatte, und zwar dergestalt, wie es in den Stasiakten dokumentiert ist. Seine Behauptung es habe niemals eine Anwerbung durch das MfS gegeben und es könnte sich unter einigen Schriftstücken des MfS seine Unterschrift nur deshalb befinden, weil das Ministerium ihn belastende Schriftstücke im Wege der Fälschung nachträglich hergestellt und in die aufgefundenen Unterlagen eingefügt habe, ist bereits deshalb nicht glaubwürdig, weil das MfS in der Zeit seiner Haft zwischen 1980 bis 1982 nicht damit rechnen konnte, dass es zur Wiedervereinigung kommen würde und den Kläger derartige Schriftstücke danach einmal belasten könnten. Dass Schriftstücke und Äußerungen des MfS vor einer Wiedervereinigung Behörden oder andere Einrichtungen in der Bundesrepublik in ihrer Entscheidungsbildung beeinflusst hätten, war vom MfS wohl kaum ernsthaft angenommen werden.
Bereits die im Verwaltungsverfahren eingeholte Auskunft des Landesbeauftragten vom 14.07.2003 legt nachvollziehbar dar, aus welchen Gründen an der Glaubwürdigkeit des Inhalts der Kopien der BStU - Außenstelle Gera - keine Zweifel bestehen. Unter der Registriernummer X 233/75 sei die IMS-Akte I. angelegt worden, wobei X für "Bezirksverwaltung Gera" steht und es sich um den 233. Vorgang im Jahr 1975 handelt. Die vom Kläger weitergegebenen Informationen seien auch in die Beobachtungsakten der betroffenen Person (VOA "J." - Reg. Nr. X/322/74) eingegangen, wovon der Kläger nach Maßgabe der von ihm ausgestellten Quittung über eine Prämie Kenntnis erlangt habe. Die im gerichtlichen Verfahren eingeholte ergänzende Auskunft des Landesbeauftragten vom 17.09.2007 widerlegt die Behauptung des Klägers, die Akte sei zum Zwecke seiner beabsichtigten Schädigung nachträglich vom MfS konstruiert worden. Darin ist detailgenau dargelegt, dass es aufgrund der stasiinternen Registrierweise und der fortlaufenden Nummerierung der Vorgänge als ausgeschlossen angesehen werden kann, dass die Registriernummer nachträglich vergeben worden sei, um den Kläger belastende Dokumente in die Unterlagen einzufügen bzw. Stasi-Akten über ihn anzulegen. Eine dem Gericht erstattete weitere Auskunft der BStU, Außenstelle Gera, vom 16.12.2008 setzt sich mit der Frage des Gerichts, ob die MfS-Mitarbeit des Klägers nachträglich konstruiert worden sein könne, unter Berücksichtigung des dort vorhandenen weiteren, nunmehr wohl vollständigen Materials auseinander. Darin heißt es, "Struktur und Führung der MfS-Akte sind typisch für eine Mitarbeiterakte und entsprechen den Ausführungsvorschriften des Staatssicherheitsdienstes. Besonderheiten, Abweichungen oder zweifelhafte Punkte sind nicht vorhanden...Gegen eine nachträglich konstruierte MfS-Tätigkeit spricht, dass bereits am Tag der Festnahme von ihm der Hinweis auf seine MfS-Tätigkeit kam. Weiterhin belegte er diese Aussage während der Untersuchungshaft am 11.06.1980 in einer handschriftlichen Stellungnahme mit entsprechenden Fakten. Recherchen in den sogenannten "Opferakten" (Akten der Betroffenen, zu denen der IM "I." berichtete) bestätigten die Zusammenarbeit des IM mit dem MfS in unterschiedlichen Zeiträumen. Herr K. realisierte Aufträge des MfS im Zusammenhang mit Verdachtsmomenten zum illegalen Verlassen der DDR von zwei Personen aus seinem entfernten Bekanntenkreis. Letztlich wurde eine Person inhaftiert und der Vorgang zur zweiten Person nach einer zweijährigen Beobachtung wegen Nichtbestätigung eingestellt."
Gerade die Mitteilung der BStU über die Recherchen in den sogenannten "Opferakten" belegt zur Überzeugung des Gerichts, dass die in der "Persönlichen Niederschrift" vom 11.06.1980 ausführlich geschilderte Tätigkeit des Klägers im Zusammenhang mit der Verhaftung einer weiblichen Person im Wesentlichen so den Tatsachen entspricht. Der "Persönlichen Niederschrift" ist zu entnehmen, dass der Kläger sich mit der zu observierenden Person getroffen hat, sie über ihre Ausreisebestrebungen ausgehorcht hat, Briefe, die für diese Person aus dem Westen an eine Deckadresse - seine Schwester - übersandt wurden, abgefangen, bei den MfS-Treffs Mitarbeitern übergeben und ausführlich und detailliert über die Ausreisevorbereitungen der Person berichtet hat. Er hat darin angegeben, dass es vor oder nach ihrer Verhaftung ein Gespräch im VPKA F. gegeben habe, an das er sich nicht mehr erinnern könne.
Das deckt sich mit dem Inhalt des "Maßnahmeplans" vom 13.06.1980, worin es heißt, dass der Kläger bei seiner gescheiterten Grenzüberschreitung zur CSSR bei der Festnahme angegeben habe, für das MfS zu arbeiten und in dessen Auftrag die Reise in die CSSR durchzuführen. Die Schilderung seiner Stasi-Tätigkeit sieben Tage später in der "Persönlichen Niederschrift" dürfte erfolgt sein, um einen günstigen Einfluss auf seine Haftbedingungen/Haftzeit zu bewirken, oder aber weil er hierzu gezwungen wurde. Der Inhalt dieser "Persönlichen Niederschrift" vom 11.06.80 stimmt laut Aussage der Mitarbeiterin der BStU überein mit den in den Opferakten dokumentierten Vorgängen und ist damit inhaltlich belegt. Dazu passt der Bericht der KD (Kreisdienststelle) F. vom 17.02.1975 (Unterschrift unleserlich) über die Zusammenarbeit mit dem GMS "I.", worin erwähnt ist, dass die betroffene Person laut Urteil des Kreisgerichts Schleiz vom 14.02.1975 wegen Vorbereitung zum ungesetzlichen Verlassen der DDR gemäß § 213 StGB zu einem Jahr Freiheitsentzug sowie zur Vollstreckung der im Urteil vom 10.1.1975 angedrohten zwei Jahre Freiheitsentzug verurteilt wurde.
Die Schwester des Klägers G. hat zwar als Zeugin ausgesagt, sie habe ganz bestimmt nicht Briefe aus dem Westen für eine Bekannte/Freundin in Empfang genommen und weitergeleitet. Die Zeugin konnte aber, obwohl das Jahr 1974 als das für die Vernehmung maßgebliche in der Zeugenladung erwähnt war, sich nicht einmal mehr in Erinnerung rufen, ab welchem Zeitpunkt sie nach der abgeschlossenen Lehre in L. wieder in die Wohnung in F., in der ihr Bruder und ihre Mutter lebten, eingezogen war. Sie meinte lediglich, das sei Ende 1974 gewesen, wann genau wisse sie nicht mehr. Das zeigt, dass ihr Erinnerungsvermögen nach so langer Zeit eindeutige Aussagen offenbar nicht mehr zulässt. Nach dem persönlichen Eindruck, den die Zeugin in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, ist ihre Aussage insgesamt in Zweifel zu ziehen. Dass 35 Jahre nach einem Geschehen nicht mehr zuverlässig Einzelheiten aus dem Gedächtnis abgerufen werden können, erscheint dem Gericht durchaus nachvollziehbar.
Der Umstand, dass der Inhalt der von der BStU übersandten Stasi-Unterlagen laut schriftlicher Auskunft der Mitarbeiterin der BStU vom 16.12.2008 inhaltlich mit dem Inhalt der Opferakte übereinstimmt, beweist, dass der Kläger in den Besitz der Briefe gelangt war und sie zunächst den Mitarbeitern des MfS und dann auf deren Betreiben dem VPKA F. am 16.12.1974 vorgelegt hat, im Zusammenhang mit der Anzeige der Betroffenen und einer ausführlichen Vernehmung. Das belegt das Protokoll vom 16.12.1974, das der Kläger nach Maßgabe der Verhaltenslinie des MfS (Bericht der KD F. vom 17.02.1975) mit seinem Klarnamen unterschrieben hatte, ohne sich zu "dekonspirieren" (enttarnen). Das hat, wie der von der Staatsanwaltschaft Gera übersandten Karteikarte zu entnehmen ist, zu der Verhaftung der Betroffenen in F. an genau diesem Tag geführt. Der Kläger hat damit deren Inhaftierung und Verurteilung zu einer Haftstrafe von einem Jahr - und die Anordnung des Vollzugs einer bereits ausgesprochenen, aber noch nicht vollzogenen Haftstrafe von einem weiteren Jahr - veranlasst. Aufgrund des Ablaufs der Aufbewahrungsfrist (10 Jahre) ist das Urteil vom 14.02.1975 laut Auskunft der Staatsanwaltschaft Gera zwar vernichtet. Der Inhalt der Karteikarte über die Verurteilung des Opfers stimmt inhaltlich aber vollständig überein mit dem Inhalt des Berichts der KD F. vom 17.02.1975, denn darin ist der Weg von der Beobachtung bis Verhaftung, Verurteilung und Inhaftierung der weiblichen Person unter Benennung identischer Daten dokumentiert.
Das Gericht ist auf der Grundlage der übersandten Schriftstücke, die für eine nachträgliche Konstruierung der MfS-Mitarbeit des Klägers keinerlei Anhaltspunkte bieten, überzeugt, dass der Kläger durch seine IM-Tätigkeit die Inhaftierung einer Person ermöglicht hat. Damit hat er nicht lediglich Spitzeltätigkeit für das MfS ausgeübt, die als solche noch keinen schwerwiegenden Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit darstellen muss. Das ist erst dann der Fall, wenn die Informationstätigkeit eine beachtliche Gefahrenlage bzw. Gefährdung für andere Personen geschaffen hat (Thür. OLG, B.v. 13.07.2005 - 1 Ws-Reha 14/04 -, OLG NL 2006, 214-216 und - juris -; Thür. OLG, B.v. 05.03.2002 - 1 Ws-Reha 37/01 - V.n.b.). Die Tätigkeit des Klägers hat nicht nur zur Gefährdung einer Person, sondern darüber hinaus zu ihrer Verhaftung und Haftzeit von einem Jahr geführt. Aus der "Persönlichen Niederschrift" vom 11.06.1980, dessen Urheberschaft durch den Kläger das Gericht nicht anzweifelt, ist zu entnehmen, dass er erst nach der ersten Haftentlassung Ende 1970 von einem Mitarbeiter des MfS angesprochen worden ist, "ob er bereit wäre, für sie zu arbeiten". Er habe "damals schon Interesse für sollsche Arbeiten gehabt." Daraus ist zu schlussfolgern, dass er die Tätigkeit nicht etwa unter dem Druck der Haft oder in einer ausweglosen Situation aufgenommen hat, was in subjektiver Hinsicht den Vorwurf des Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit als ein zurechenbares, vorwerfbares Verhalten hätte entkräften können (BVerwG, U.v. 19.03.2006, a.a.O.). Der Kläger hat durch seine Tätigkeit für das MfS gegen die Grundsätze der Menschlichkeit verstoßen und damit der Ausschlussgrund des § 2 Abs. 1 Nr. 2 HHG für die Erteilung der Häftlingshilfebescheinigung erfüllt.
Der Beklagte geht zu Recht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG vorliegen, weil der Kläger den rechtswidrigen Bescheid durch Angaben erwirkt hatte, die in wesentlicher Beziehung unrichtig waren. Er hatte im Antrag vom 04.08.1983 auf Erteilung des Aufnahmescheines im Notaufnahmelager Gießen in Rubrik Nr. 77 angegeben, dass er nicht in irgendeiner Weise mit Organen der Staatssicherheit in Verbindung gekommen sei und dazu, insoweit folgerichtig, die Rubrik Nr. 78 (wann, wie) unausgefüllt gelassen. Damit hatte er durch im Wesentlichen unrichtige Angaben den Erlass des rechtswidrigen Häftlingshilfebescheides vom 18.07.1984 bewirkt. Anderenfalls wäre er zu diesem Punkt ausführlich befragt und - bei unterstellter wahrheitsgemäßer Beantwortung - die Häftlingshilfebescheinigung nicht ausgestellt worden. Der Umstand, dass der Kläger die unrichtigen Angaben nicht gegenüber dem Beklagten, sondern im Antrag vom 04.08.1983 auf Erteilung des Aufnahmescheines gemacht hat, ist unerheblich. Denn er hatte darin mit seiner Unterschriftsleistung versichert, dass alle seine Angaben richtig und vollständig seien und ihm bekannt sei, dass bewusst unrichtige Angaben zur Rücknahme nicht nur des erteilten Aufnahmescheines, sondern auch zur Rückerstattung erhaltener finanzieller Leistungen führen können. Im Ergänzungsblatt 2 wird ausdrücklich auf den Antrag auf Anerkennung als politischer Häftling Bezug genommen. Zudem enthält der ihm erteilte Aufnahmeschein auf der ersten Seite die Aufforderung: "Bitte diesen Durchdruck des Aufnahmescheines beim zuständigen Amt (Vertriebenen- Flüchtlings- oder Lastenausgleichsamt) Ihres Stadt- oder Landkreises abgeben". Der Kläger wusste daher, dass er mit seinen Angaben im Aufnahmeverfahren Informationen für die Bearbeitung seiner Anträge bei den genannten Behörden weitergibt, die Notaufnahme-, Flüchtlings- und Vertriebenenämter insoweit einen Behördenkomplex darstellen, die gemeinsam die Aufgabe haben, das Flüchtlingsschicksal Betroffener durch die Vergabe von Bundesmitteln abzumildern und auszugleichen. Der Kläger hat damit durch zielgerichtetes Handeln den Erlass der unrichtigen Bescheide bewirkt.
Nach § 48 Abs. 2 Satz 4 Satz 1 VwVfG wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der Grundlage für eine einmalige oder laufende Geldleistung ist, in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Häftlingshilfebescheinigung stellt einen Verwaltungsakt dar, der die Voraussetzung für Geldleistungen ist (Leistungen nach dem HHG, HKG, StrRehaG). Insoweit war das Ermessen nach § 48 Abs. 2 Satz 4 VwVfG intendiert, d.h. regelmäßig kommt die Rücknahme für die Vergangenheit in Betracht (für Marktordnungsrecht: BVerwG, U. v. 23.05.1996 - 3C 13/94 - Buchholz 451 513 -; für Vertriebenenausweis, soweit nicht Statusentscheidung: BVerwG, B. v. 20.03.1990 - 9 C 12/89 - NVwZ 1990, 1066 [BVerwG 20.03.1990 - BVerwG 9 C 12.89]-1069). Außergewöhnliche Umstände, die eine andere Entscheidung möglich erscheinen ließen, wurden vom Kläger im Rahmen der Anhörung zu den beabsichtigten Rücknahmeentscheidungen nicht dargetan. Der Kläger hatte dazu im Schreiben vom 21.02.2004 angegeben, es sprächen zwar Anhaltspunkte dafür, dass er für die Stasi gearbeitet habe. Andere Gesichtspunkte sprächen aber dagegen. So habe er keine weiteren, für Stasimitarbeiter üblichen Vergünstigungen erhalten. Der Beklagte geht zu Recht davon aus, dass damit Gründe für eine Ausnahme von der Regel in § 48 Abs. 2 Satz 4 VwVfG nicht vorgetragen worden waren. Im Gerichtsverfahren hat der Kläger vertieft, dass er sich selbst als Opfer sieht. Er verweist insbesondere auf seine schwere Haftzeit im Rahmen der zweiten Inhaftierung. Er sei von seiner Mutter in die DDR "verschleppt" worden. Das macht den Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtstaatlichkeit oder Menschlichkeit aber nicht weniger gravierend. Ein Ermessensfehler liegt nicht darin, dass die ihm selbst während der Haft zugefügten Leiden unvergleichlich schwerer wiegen als die möglichen Folgen eigenen Tuns. Eine derartige Abwägung sieht § 2 Abs. 1 Nr. 2 HHG nicht vor. Liegt eine Verletzung der Grundsätze der Menschlichkeit vor, was in jedem Fall die Feststellung schwerwiegender Verfehlungen voraussetzt, findet eine Aufrechnung, was das schlimmere Unrecht war, nicht statt (BVerwG, U.v. 19.01.2006, a.a.O.).
Der Beklagte hat sein Rücknahmeermessen im Bescheid vom 28.04.2004 - und durch die Bezugnahme hierauf auch im Widerspruchsbescheid vom 25.07.2005 - zwar darauf gestützt, dass der Kläger sowohl gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und Menschlichkeit verstoßen hat als auch dem herrschenden System erheblich Vorschub geleistet hat. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Beklagte seine Ermessenserwägungen aber in rechtlich unbedenklicher Weise gemäß § 114 Abs. 2 VwGO dahingehend ergänzt, dass diese Erwägungen für alle Bescheide gleichermaßen gelten sollen, auch wenn nur der Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit gegeben ist.
2. Die Voraussetzungen für die Rücknahme des Bescheides vom 19.07.1984 über Leistungen nach §§ 9a - 9b HHG und § 9 HHG i.V.m. §§ 2 und 3 HKG im Bescheid vom 28.04.2004 liegen ebenfalls vor. Dieser Bescheid beruht auf der Bindungswirkung der Häftlingshilfebescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG, die allen ab dem 01.06.1969 erteilten Bescheinigungen zukommt. Überall dort, wo es für die Gewährung von Leistungen auf die Eigenschaft als politischer Häftling ankommt, dürfen die Betreuungsbehörden den Sachverhalt nicht abweichend von der Häftlingshilfebescheinigung würdigen ( BVerwG, U. v. 28.05.1991 - 9 C 132/90 - juris -). Auch insoweit wurde der rechtswidrige Leistungsbescheid vom 19.07.1984 aufgrund von unrichtigen Angaben des Klägers bewirkt mit der Folge, dass er gemäß § 48 Abs. 2 Satz 4 VwVfG in der Regel für die Vergangenheit zurückgenommen wird.
3. Der Bescheid vom 28.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2005 über die Rücknahme des Vertriebenenausweises vom 05.03.1985 ist rechtmäßig. Die Voraussetzungen hierfür liegen vor, weil die Voraussetzungen in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 BVFG mit denen in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HHG übereinstimmen und die Erteilung des Vertriebenenausweises vom 05.03.1985 auf dem Vorliegen der Häftlingshilfebescheinigung beruht. Dadurch bedingt, liegen auch diesem Bescheid die unrichtigen Angaben des Klägers im Aufnahmeantrag vom 04.08.1983 zugrunde. Die im Widerspruchsbescheid enthaltenen Ermessenserwägungen geben nach der "Konzentration" auf das Vorliegen des Ausschlussgrundes "Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit" keinen Anlass zu rechtlichen Bedenken.
4. Für die Überprüfung des Bescheides vom 28.04.2004 über die Rücknahme des Bescheides nach § 25, 17 StrRehaG vom 04.01.1994 ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Ungeachtet der Doppelzuständigkeit der Bezirksgerichte/Landgerichte und der Verwaltungsgerichte in § 25 StrRehaG handelt es sich jedenfalls dann um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, für die der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, wenn eine Häftlingshilfebescheinigung Grundlage der Kapitalentschädigung ist, vgl. § 25 Abs. 2 Satz 5 StrRehaG. Das gilt auch dann, wenn ein Rehabilitationsverfahren durchgeführt worden ist ( LG Potsdam, B. v. 10.12.2004 - BRH 12642/04 - juris -). Der Bescheid des Beklagten vom 28.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2005 über die Rücknahme des Bescheides des Beklagten vom 04.01.1994, mit dem der Kläger Kapitalentschädigung für erlittene Freiheitsentschädigung erhalten hatte, lässt - jedenfalls nach Ergänzung der Ermessenserwägungen (Abstellen allein auf den Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit) - Rechtsfehler nicht erkennen. Der nunmehr aufgehobene Leistungsbescheid beruhte auf § 25 Abs. 2 i.V.m. § 17 StrRehaG, mithin auf der Existenz der Häftlingshilfebescheinigung, deren Aufhebung, wie ausgeführt, jedenfalls nach Ergänzung der Ermessenserwägungen rechtsfehlerfrei ist. Auch insoweit boten die unrichtigen Angaben des Klägers im Aufnahmeantrag die tatsächliche Grundlage für den Bewilligungsbescheid vom 04.01.1994.
Die gemäß § 48 Abs. 4 VwVfG einzuhaltende Jahresfrist für die Aufhebung der Bescheide nach Kenntnis der Tatsachen von deren Rechtswidrigkeit wurde vom Beklagten unstreitig gewahrt.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.