Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 12.03.2009, Az.: 7 B 4997/08
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 12.03.2009
- Aktenzeichen
- 7 B 4997/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 44165
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2009:0312.7B4997.08.0A
Verfahrensgang
In der Verwaltungsrechtssache
...
Streitgegenstand: Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Krankenpfleger" - vorläufiges Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO -
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 7. Kammer - am 12. März 2009 beschlossen:
Tenor:
- 1.
Die aufschiebende Wirkung der vom Antragsteller am 10. Oktober 2008 erhobenen Klage 7 A 4996/08 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 1. Oktober 2008 wird wiederhergestellt.
Die Wirkung der Anordnung entfällt, sobald der Antragsteller eine Tätigkeit als Krankenpfleger in einer medizinischen Einrichtung aufnimmt, in der auch Kinder und Jugendliche behandelt werden.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird für das vorläufige Rechtsschutzverfahren auf 7 500,00 € festgesetzt.
- 2.
Dem Antragsteller wird für das vorläufige Rechtsschutzverfahren in 1. Instanz Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B., ohne Ratenzahlung bewilligt.
Gründe
I.
Die Bezirksregierung E. erteilte dem Antragsteller am F. 2002 die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Krankenpfleger". Seither wurde der Antragsteller im Landeskrankenhaus G. bzw. dessen Rechtsnachfolgerin H.-Krankenhausgesellschaft I. mbH (im Folgenden Arbeitgeberin) als Krankenpfleger beschäftigt. Der Antragsteller ist verheiratet und hat J. Kinder.
Das AG K. verurteilte den Antragsteller mit Urteil vom 4. September 2007 wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften (Vergehen nach §§ 184b Abs. 4, 11 Abs. 3 StGB) zu einer Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen zu 25,00 € - L. -. Der Antragsteller war geständig. Das Urteil ist seit 12. September 2007 rechtskräftig.
Hierauf kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit dem Antragsteller mit Wirkung zum 30. September 2008. Auf die Kündigungsschutzklage des Antragstellers schlossen die Parteien des arbeitsgerichtlichen Verfahrens vor dem ArbG G. am 2. Juli 2008 einen Vergleich, nach dem das Arbeitsverhältnis gegen Leistung einer Abfindung fristgerecht aus personenbedingten Gründen durch die Kündigung der Arbeitgeberin zum 30. September 2008 endete - M. -. Der Antragsteller ist seitdem arbeitslos.
Zuvor hatte die Arbeitgeberin mit anwaltlichem Schreiben vom 1. Juli 2008 gegenüber dem Antragsgegner angeregt, dem Antragsteller die Erlaubnis zum Führen der Berufserlaubnis "Krankenpfleger" zu widerrufen. Dieses Schreiben ging am 7. Juli 2008 beim Antragsgegner ein. Im Verwaltungsverfahren korrespondierte der Antragsgegner mit den Rechtsanwälten der Arbeitgeberin und Justiz - sowie Polizeibehörden, hörte den Antragsteller jedoch nicht an.
Mit dem hier streitbefangenen Bescheid vom 1. Oktober 2008 widerrief der Antragsgegner die dem Antragsteller erteilte Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Krankenpfleger" unter Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Wirkung vom Tage der am 2. Oktober 2008 erfolgten Zustellung des Bescheides und forderte ihn auf, die Erlaubnisurkunde umgehend, spätestens jedoch bis zum 14. Oktober 2008 zurückzugeben. Zur Begründung wird ausgeführt, dass in der abgeurteilten Straftat eine schuldhaft begangene, schwere Verfehlung zu sehen sei, welche für die Zukunft die Gefahr weiterer Verfehlungen beinhalte bzw. für eine zukünftige ordnungsgemäße Berufsausübung keine hinreichende Gewähr biete. Aus diesem Grunde sei der Antragsteller für die Ausübung des Berufes als Krankenpfleger unzuverlässig. Die sofortige Vollziehung sei anzuordnen, weil der Antragsteller entgegen § 25 JArbSchG bei seiner Arbeitgeberin zuletzt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie beschäftigt gewesen sei und er trotz des genannten Beschäftigungsverbots infolge der Verurteilung weiterhin mit psychisch kranken Kindern und Jugendlichen gearbeitet habe. Dabei handele es sich um den Personenkreis, der vor ihm geschützt werden solle. Wegen dieser erheblichen und vorsätzlichen Verletzung der Berufspflicht sei eine sofortige Entscheidung notwendig und geboten gewesen. Aus diesem Grund habe der Antragsgegner auch gemäß § 28 VwVfG davon abgesehen, den. Antragsteller anzuhören. Ein Absehen von der sofortigen Vollziehung würde zudem das Schutzgut der Volksgesundheit gefährden. Das Verhalten des Antragstellers sei auch unter Berücksichtigung des Berufsbildes zu würdigen, welches in erster Linie durch das besondere Ansehen und Vertrauen der Öffentlichkeit in die Ärzteschaft und das Pflegepersonal geprägt sei. Würde dem Antragsteller die Möglichkeit belassen, bis auf weiteres seine Berufsbezeichnung zu führen, bestünde eine konkrete Gefährdung der Volksgesundheit. Das Vertrauen der Bevölkerung in das Pflegepersonal würde einen möglicherweise nicht wieder gutzumachenden Schaden nehmen, wenn er weiterhin dem Beruf nachgehen würde.
Mit seiner am 10. Oktober 2008 beim Verwaltungsgericht Hannover eingegangenen Klage begehrt der Antragsteller die Aufhebung des Bescheides - 7 A 4996/08 -. Zugleich sucht er um vorläufigen Rechtsschutz nach. Zur Begründung führt er aus: Er habe sich an das Verbot in § 25 JArbSchG gehalten. Er sei im Maßregelvollzug eingesetzt gewesen und nicht in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Maßregelvollzug sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie seien auf dem Krankenhausgelände der Arbeitgeberein zudem räumlich getrennt angeordnet. Er beachte das fünfjährige Berufsverbot. Im Übrigen würde er sich allenfalls wieder im Maßregelvollzug bewerben, bei welchem die Konfrontation mit Kindern und Jugendlichen ausgeschlossen sei.
Der Antragsteller beantragt,
- 1.
die aufschiebende Wirkung seiner am 10. Oktober 2008 erhobenen Klage 7 A 4996/08 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 1. Oktober 2008 wiederherzustellen und
- 2.
ihm für das vorläufige Rechtsschutzverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B., zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Nach seiner Auffassung wiesen die erhebliche Anzahl der Straftaten, die Beschaffung und der Besitz von kinderpornographischen Schriften auf eine länger andauernde sexuelle Störung bzw. erhebliche Charakterschwäche hin. Bei einer Gesamtschau habe er mit einbezogen, dass der Antragsteller bereits im Jahre 2002 in zwei Fällen im Verdacht des sexuellen Missbrauchs gestanden habe (N.). Der Antragsteller habe seine Berufspflichten gröblich verletzt, indem er seine Arbeitgeberin von dem Verbot nach § 25 JArbSchG nicht unterrichtet habe. Er habe nach dem Verbot seine Tätigkeit in der Kinder- und Jugendpsychiatrie bzw. im Maßregelvollzug fortgesetzt. Dabei sei unerheblich, dass der Antragsteller die Auffassung vertrete, dass der Maßregelvollzug nichts mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie zu tun habe. Im Gegenteil wiege der Sachverhalt umso schwerer, weil im Maßregelvollzug psychisch erkrankte Patienten, die ihrerseits Straftaten mit gegebenenfalls selben Inhalts begangen hätten wie der Antragsteller, zu betreuen und zu behandeln seien. Ohne das "Tätigkeitsverbot" gäbe es keine weitere Möglichkeit, um zu verhindern, dass der Antragsteller erneut im Krankenpflegebereich tätig würde. In der Krankenpflege könne praktisch nie ausgeschlossen werden, dass es sich bei den Patienten um Kinder und Jugendliche handele. Eine Beschäftigung im Maßregelvollzug verbiete sich aus den genannten Gründen ebenfalls. Eine günstige Prognose sei für den Antragsteller nicht erkennbar.
Der Antragsteller erwidert, das 2002 anhängige Ermittlungsverfahren gegen ihn sei gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Die Verurteilung durch das AG K. habe auf ihn derart eingewirkt, dass er künftig straffrei durchs Leben gehe werde. Darüber hinaus habe er - auch um seine Ehe zu retten - Hilfe in Anspruch genommen, um von seinen ursprünglichen Neigungen loszukommen. Auch das Jugendamt des Landkreises G. habe keinen Grund gesehen einzuschreiten. Er halte sich an das Tätigkeitsverbot und habe nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinerlei Versuch unternommen, in einer anderen Pflegeinrichtung eine neue Stellung zu bekommen. Er sei nach wie vor arbeitslos und warte die fünfjährige Frist gemäß JArbSchG ab, bevor er beabsichtige, die Arbeit als Pfleger in einer Pflegeeinrichtung wieder aufzunehmen.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts Stellungnahmen der Polizeiinspektion G. und der früheren Arbeitgeberin eingeholt. Wegen des Ergebnisses wird auf Bl. 38-44 d.A. verwiesen.
Wegen der übrigen Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorbezeichneten Gerichts- bzw. Ermittlungsakten und der Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen, die dem Gericht zur Einsicht vorgelegen haben.
II.
Die Anträge haben Erfolg.
1. Das Gericht kann gemäß § 80 Abs. 5, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die aufschiebende Wirkung der vom Antragsteller rechtzeitig erhobenen Klage gegen den mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehenen Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Krankenpfleger" wiederherstellen, wenn das private Interesse des Antragstellers an einem vorläufigen Behalt der Erlaubnis das vom Antragsgegner besonders begründete öffentliche Interesse an dem sofortigen Widerruf der Erlaubnis überwiegt.
Dies ist hier der Fall.
Dem Antrag fehlt vorliegend nicht deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Antragsteller - ersichtlich in Verkennung der Bestimmung des § 25 JArbSchG - davon ausgeht, mit einem fünfjährigen "Tätigkeitsverbot" belegt zu sein und sich innerhalb von fünf Jahren nicht erneut als Krankenpfleger bewerben zu wollen. Denn ein Irrtum über die Reichweite des § 25 JArbSchG kann ihm bereits deshalb nicht angelastet werden, weil auch der Antragsgegner diese Bestimmung verkannt hat.
Vorliegend überwiegt das private Interesse des Antragstellers an einem vorläufigen Behalt der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Krankenpfleger", weil der Bescheid des Antragsgegners vom 1. Oktober 2008 sowohl verfahrensfehlerhaft ergangen ist als auch sowohl in der Sachverhaltsaufklärung als auch in der Rechtsanwendung unter Mängeln leidet. An der sofortigen Vollziehung eines solchen Bescheides besteht kein überwiegendes öffentliches Interesse.
Es ist verfahrensfehlerhaft, dass der Antragsteller im Verwaltungsverfahren nicht angehört worden ist. Der Hinweis des Antragsgegners auf § 28 VwVfG verfängt nicht. Das Verwaltungsverfahren wurde mit dem Eingang der Anzeige der früheren Arbeitgeberin des Antragstellers beim Antragsgegner am 7. Juli 2008 eingeleitet und mit dem Erlass des Bescheides am 1. Oktober 2008 abgeschlossen. Bei einem auf Anzeige eines Dritten eingeleiteten Widerrufsverfahren, das sich über fast drei Monate hinzieht und bei dem ausreichend Zeit besteht, ein Führungszeugnis einzuholen und Nachfragen an die Staatsanwaltschaft zu richten, ist weder Gefahr im Verzug noch erscheint es im öffentliche Interesse notwendig, von einer Anhörung des Betroffenen gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG abzusehen. Dies verbietet auch das tangierte Grundrecht des Antragstellers aus Art. 12 Abs. 1 GG. Vorliegend bestand ausreichend Zeit, den Antragsteller zwischen dem 8. Juli 2008 und dem 30. September 2008 zu der von seiner früheren Arbeitgeberin angeregten Verwaltungsentscheidung anzuhören. Hätte der Antragsgegner dies unternommen, wären ihm die nachfolgenden Fehler bei der Sachverhaltswürdigung nicht unterlaufen und auch die Rechtsanwendung nicht misslungen, die zur fehlerhaften Begründung zumindest der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes geführt hat.
Zutreffend ist, dass die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Krankenpfleger", nach den §§ 23, 2 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Nr. 2 KrPflG zu widerrufen ist, wenn sich der Betroffene nach Erteilung der Erlaubnis eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs ergibt. Dies setzt ein Verhalten voraus, das nach Art, Schwere und Zahl von Verstößen gegen Berufspflichten die zu begründende Prognose rechtfertigt, der Betroffene biete aufgrund der begangenen Verfehlungen nicht die Gewähr, in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten zu beachten. Dabei sind die gesamte Persönlichkeit des Betroffenen und seine Lebensumstände im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens zu würdigen ( Nds. OVG, Beschluss vom 23.12.2004 - 8 ME 169/04 - mwN). Bereits diese Voraussetzungen verbieten ein Absehen von der Anhörung des Betroffenen im Verwaltungsverfahren. Deshalb enthält der angefochtene Bescheid insbesondere keine Würdigung der Lebensumstände des Antragstellers und ist bereits deshalb inhaltlich mit Mängeln belastet. Auf die Verurteilung zu einer Geldstrafe wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften (Vergehen nach §§ 184b Abs. 4, 11 Abs. 3 StGB) bei einem geständigen Ersttäter kann allein noch keine belastbare Prognose künftigen berufsspezifischen Fehlverhaltens gestützt werden, zumal in dem Strafurteil kein Bezug der Straftat zur beruflichen Tätigkeit des Antragstellers hergestellt wurde. Dem Antragsteller in diesem Zusammenhang ein früheres oder frühere Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs vorzuhalten, ist bereits unzulässig, weil das einzig konkret bezeichnete und 2002 anhängig gewesene Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist (O.). Auch im Führungszeugnis findet sich kein Eintrag. Bereits aus diesem Grund ist die Prognose nicht nur unvollständig ermittelt, sondern auch mit einem Bewertungsfehler behaftet.
In der Bezugnahme auf die strafgerichtliche Verurteilung erschöpft sich die inhaltliche Begründung der Widerrufsentscheidung. Die übrigen vom Antragsgegner mitgeteilten Gründe beziehen sich ausschließlich auf die gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO gesondert zu begründende Anordnung der sofortigen Vollziehung. Diese Gründe sind jedoch bei summarischer Überprüfung sachlich und rechtlich fehlerhaft, so dass sie weder geeignet sind, die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu tragen, noch in der Sache als ergänzende Gründe der Widerrufsentscheidung selbst zu dienen.
Dies gilt zunächst für den Vorwurf des Antragsgegners, der Antragsteller habe nach seiner Verurteilung entgegen § 25 JArbSchG als Krankenpfleger in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der H.-Krankenhausgesellschaft I. mbH gearbeitet. Bei diesem Vorwurf verkennt der Antragsgegner zum einen den Regelungsgehalt des § 25 JArbSchG und zum anderen trifft bei summarischer Überprüfung bereits der Sachverhalt nicht zu.
Ein Berufsverbot nach § 70 StGB ist gegen den Antragsteller nicht verhängt worden.
Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 JArbSchG dürfen Personen wie der Antragsteller, die wegen einer Straftat nach § 184b StGB rechtskräftig verurteilt worden sind, kraft Gesetzes Jugendliche nicht beschäftigen sowie im Rahmen eines Rechtsverhältnisses nach § 1 JArbSchG nicht beaufsichtigen, nicht anweisen, nicht ausbilden und nicht mit der Beaufsichtigung, Anweisung oder Ausbildung von Jugendlichen beauftragt werden. Eine Verurteilung bleibt gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 JArbSchG außer Betracht, wenn seit dem Tag ihrer Rechtskraft fünf Jahre verstrichen sind. Gemäß § 1 Abs. 1 JArbSchG gilt dieses Gesetz für die Beschäftigung von Personen, die noch nicht 18 Jahre alt sind, in der Berufsausbildung, als Arbeitnehmer oder Heimarbeiter, mit sonstigen Dienstleistungen, die der Arbeitsleistung von Arbeitnehmern oder Heimarbeitern ähnlich sind, und in einem der Berufsausbildung ähnlichen Ausbildungsverhältnis. § 25 JArbSchG verbietet der nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bestraften Person jede Beschäftigung des Jugendlichen im Sinne von § 1 JArbSchG sowie dessen Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung im Rahmen eines Rechtsverhältnisses nach § 1 JArbSchG (vgl. Zmarzlik, JArbSchG, 5. Aufl., § 25 Rdnm. 13 ff.). Von dem gesetzlichen Verbot des § 25 JArbSchG nicht erfasst wird die Beaufsichtigung von jugendlichen Patienten im Rahmen eines Krankenhausaufnahmevertrages. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift scheidet wegen des ausdrücklich begrenzten Geltungsbereichs des JArbSchG aus. Ein Verstoß kann dem Antragsteller insoweit bereits aus Rechtsgründen nicht vorgehalten werden.
Außerdem trifft der Vorwurf bei summarischer Überprüfung auch nicht zu. Der Antragsteller war nach eigenen Angaben im Maßregelvollzug der Klinik eingesetzt, in dem nur volljährige Patienten untergebracht sind. Dieser Umstand folgt auch aus § 3 Abs. 2 Nds. MVollzG, wonach die Einrichtungen des Maßregelvollzuges so zu gliedern und auszustatten sind, dass die Voraussetzungen für eine gesonderte Behandlung Jugendlicher und Heranwachsender geschaffen werden. Den Hinweis, dass der Antragsteller in der Kinder- und Jugendpsychiatrie tätig war, erhielt die Polizeiinspektion G. telefonisch von der Personalabteilung der Arbeitgeberin. Diese Auskunft bezeichnete bereits der Betriebrat der Arbeitgeberin in seiner Stellungnahme zur beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Antragsteller ausdrücklich als "irrig" und stellte klar, dass der Antragsteller auf einer Aufnahmestation P. des Maßregelvollzugs beschäftigt sei. Wenn die Rechtsanwältin der Arbeitgeberin in ihrer Stellungnahme auf Nachfrage der Kammer ausdrücklich bestätigt, dass der Antragsteller auf der P. eingesetzt war, im Übrigen jedoch auf die allgemeine Aufgabenbeschreibung für Krankenpfleger in der Einrichtung-hinweist, wonach diese im Notfall auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie auszuhelfen hätten, so reicht dieser Hinweis zum einen weder zum Beleg dafür aus, dass der Antragsteller tatsächlich als Krankenpfleger in der Kinder- und Jugendpsychiatrie beschäftigt war, noch, dass er dort Gelegenheit gehabt hätte, unbeaufsichtigt etwaige Straftaten zu begehen.
Selbst wenn der Vorwurf des Antragsgegners dahingehend verstanden werden soll, der Antragsteller habe gegen § 25 JArbSchG verstoßen, indem er als Krankenpfleger minderjährige Krankenpflegeschüler oder -praktikanten, die ihrerseits bei der Arbeitgeberin beschäftigt waren, nach dem 12. September 2007 beaufsichtigt hat, so fehlt es bereits an konkreten Angaben hierzu. Bei summarischer Überprüfung erscheint es der Kammer eher unwahrscheinlich, dass die Arbeitgeberin minderjährige Krankenpflegeschüler und -praktikanten im Maßregelvollzug beschäftigt und damit der Aufsicht des Antragstellers unterstellt hatte. Die Kammer wird hierzu jedoch im Hauptsacheverfahren eine Auskunft der für die H.-Kliniken I. GmbH zuständigen Aufsichtsbehörde einholen. Der Antragsteller selbst hat dazu ausgeführt, dass ihm keine minderjährigen Krankenpflegeschüler und -praktikanten im Maßregelvollzug zur Beaufsichtigung unterstellt waren. Dies erscheint - nicht zuletzt wegen des Sinngehalts von § 3 Abs. 2 Nds. MVollzG - nachvollziehbar. Der Antragsgegner hat - wegen des weitgehenden Verzichts auf eigene Sachaufklärung und dem Absehen von einer Anhörung des Antragstellers - auch keine für das Gericht im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nachprüfbaren Fälle genannt.
Ferner begegnet die Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides, es bestünde eine konkrete Gefährdung der Volksgesundheit, würde dem Antragsteller die Möglichkeit belassen, bis auf weiteres seine Berufsbezeichnung zu führen, Zweifeln. Hierbei verkennt der Antragsgegner, dass nach dem KrPflG erlaubnispflichtig und staatlich geschützt (§ 21 KrPflG) nur die Berufsbezeichnung und nicht die Berufstätigkeit ist. Dem entsprechend kann grundsätzlich - vorbehaltlich § 1 HPG - jedermann ohne Erlaubnis krankenpflegerische Tätigkeiten ausüben, auch wenn er keine der geschützten Berufsbezeichnungen führt (Erdle, Recht der Gesundheitsfachberufe und Heilpraktiker, § 1 KrPflG Erl. 4f.). Aus welchen Gründen danach eine Gefährdung der Volksgesundheit bestünde, wenn dem Antragsteller vorerst weiterhin die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung belassen würde, bleibt jedenfalls im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ohne Konkretisierung (ähnlich VG München, Beschluss vom 10.10.2006, PflR 2007, S. 501 [VG München 10.10.2006 - M 16 S 3359/06]). Wenn der Antragsgegner in der Antragserwiderung ausführt, dass in der Krankenpflege praktisch niemals ausgeschlossen werden könne, dass es sich bei Patienten um Kinder und Jugendliche handele, verkennt er schließlich, dass es durchaus Einrichtungen gibt, in denen ausschließlich volljährige Patienten behandelt werden.
Wegen der zahlreichen Fehler in der Begründung des Bescheides ist dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO zu entsprechen.
Das Gericht hat die Anordnung entsprechend § 80 Abs. 5 Sätze 4 und 5 VwGO mit der auflösenden Bedingung versehen, dass ihre Wirkung entfällt, sobald der Antragsteller eine Tätigkeit als Krankenpfleger in einer medizinischen Einrichtung aufnimmt, in der auch Kinder und Jugendliche behandelt werden. Die Kammer will damit für die Dauer des Hauptsacheverfahrens, in dem sie die Grundlagen für eine zu treffende Prognoseentscheidung ermitteln muss, Restrisiken ausschließen. Dieses Restrisiko sieht die Kammer vor allem darin begründet, dass der Antragsteller gegenüber dem Verwaltungsgericht mit Schriftsatz vom 10. November 2008 mitgeteilt hatte, dass er - auch um seine Ehe zu retten - Hilfe in Anspruch genommen hat, um von seinen ursprünglichen Neigungen loszukommen, der gerichtlichen Bitte um Erläuterung jedoch nicht nachgekommen ist. Die Bewertung dieses Verhaltens bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten und ist mit der auflösenden Bedingung ausreichend abgesichert.
Streitwertbeschluss:
Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 53 Abs. Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m Nr. II.1.5, 36.3 (entsprechend) des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ( NVwZ 2004, S. 1327). Anzusetzen ist für das vorläufige Rechtsschutzverfahren 1/2 von 15 000,00 €.
2. Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das vorläufige Rechtsschutzverfahren unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten ist gemäß § 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 121 ZPO ebenfalls zu entsprechen, weil der Rechtsbehelf aus den Gründen zu II.1) hinreichende Aussicht auf Erfolg besitzt.