Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 17.01.2011, Az.: 5 U 187/10
Überwachungspflichten innerhalb der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 17.01.2011
- Aktenzeichen
- 5 U 187/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 40638
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2011:0117.5U187.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Osnabrück - AZ: 2 O 3012/07
Rechtsgrundlagen
- § 253 BGB
- § 280 Abs. 1 BGB
- § 823 Abs. 1 BGB
- § 360 S. 2 ZPO
Fundstellen
- ArztR 2011, 276-277
- FamRZ 2011, 1827
- MedR 2012, 332-335
- PflR 2011, 518-522
- RPsych (R&P) 2011, 245
Amtlicher Leitsatz
1. Auch bei einem Patienten, der nach Selbstverletzung in fraglicher suizidaler Absicht und möglicher psychotischer Störung in die geschlossene Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses eingewiesen wird, ist bei einem Toilettengang nicht stets eine Begleitung oder Videoüberwachung erforderlich.
2. Zur nachträglichen Ernennung eines Sachverständigen nach § 360 S. 2 ZPO.
In dem Rechtsstreit
A... M..., ...
gesetzlich vertreten durch
Herrn P... P..., ...
Antragsteller und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...
gegen
1. A... K... O..., vertreten durch ...
2. Dr. C... W..., ...
3. Dr. R... S..., ...,
Antragsgegner und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte zu 1, 2, 3:
Rechtsanwälte ...
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ...und die Richterin am Landgericht ...
am 17. Januar 2011
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Klägers und Berufungsklägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der Kläger macht Schadensersatz und Schmerzensgeldansprüche aus einer Behandlung im Krankenhaus der Beklagten zu 1) im Jahr 2004 geltend.
Am 02.06.2004 wurde der Kläger unter seinem damaligen Aliasnamen ´E... A...´ durch den Landkreis Osnabrück gemäß § 18 NPsychKG vorläufig in die geschlossene Abteilung des Krankenhauses der Beklagten zu 1) eingewiesen, nachdem er sich als Beifahrer in einem LKW mit einem Messer Schnittverletzungen im Arm und Bauchbereich zufügte. Der Beklagte zu 2) ist der Leitende Arzt der Fachabteilung für Neurologie und Psychiatrie und der Beklagte zu 3) ist Oberarzt der Abteilung. Da der Kläger der deutschen Sprache nicht mächtig ist, erfolgte das Aufnahmegespräch durch die russisch sprechende diensthabende Stationsärztin Frau K.... Eine Benachrichtigung der Mutter des Klägers, mit der er in einer Asylbewerbersammelstelle in B... lebte, erfolgte nicht, da der Kläger dies gegenüber Frau K... ausdrücklich ablehnte. Der Kläger wurde zur weiteren Abklärung und Beobachtung in ein Intensivzimmer auf der geschlossen geführten Station aufgenommen. Ferner erhielt er ein niedrigpotentes Neuroleptikum (Promethazin), welches er ab dem Abend des 03.06.2004 auch einnahm. An den darauf folgenden Tagen verhielt sich der Kläger ruhig und unauffällig. Am 05.06.2004 gegen 17:00 h begab sich der Kläger, nachdem er zuvor den ganzen Tag im Bett gelegen und überwiegend geschlafen hatte, zu der an sein Intensivzimmer angrenzenden, nicht einsehbaren oder videoüberwachten Toilette. Dort zerstörte er mit seinen bloßen Händen beide Augäpfel. Die Verletzung ist irreversibel, bei einer Operation im Augenzentrum der Uniklinik Münster wurden die Reste beider Augen operativ entfernt.
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagten hätten schuldhaft ihre Pflicht verletzt, alle Gefahren abzuwenden, die dem Kläger infolge seiner psychischen Erkrankung in Form einer schizophrenen Psychose durch sich selbst drohten. Die erneute Selbstverletzung beruhe auf einer fehlerhaften Überwachung des Klägers durch die Mitarbeiter der Beklagten zu 1). Auch die verordnete Medikation und die nicht erfolgte Benachrichtigung seiner Angehörigen stellten einen Behandlungsfehler dar. Der Kläger hat nach der teilweisen Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das Landgericht ein Schmerzensgeld von 175.000,00 €, eine monatliche Schmerzensgeldrente von 200,00 € sowie einen Haushaltsführungsschaden für die Zeit vom 09.06.2004 bis Anfang Dezember 2007 in Höhe von insgesamt 14.720,00 € geltend gemacht.
Die Beklagten sind der Ansicht, die Behandlung des Klägers habe in jeder Hinsicht dem fachmedizinischen Standard entsprochen und die Selbstverletzung des Klägers sei nicht zu vermeiden gewesen, da sie auf einen unvorhersehbaren Impuls zurückzuführen sei.
Die 2. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück hat zu der Frage, ob die Behandlung des Klägers dem fachmedizinischen Standard entsprochen hat, ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt. Mit Beschluss vom 13.08.2008 wurde zunächst der Sachverständige Dr. med. P... W... N..., Chefarzt des St. MarienHospitals E..., zum Sachverständigen bestimmt. Nachdem dieser mitgeteilt hatte, er wolle seine Mitarbeiterin K... mit der Erstellung des Gutachtens beauftragen, hat das Landgericht unter Abänderung des ursprünglichen Beschlusses diese zur Sachverständigen bestellt und den Sachverständige Dr. N... entpflichtet. Die Sachverständige K... hat unter dem 20.04.2009 ein Gutachten erstellt. Auf der letzten Seite findet sich unter ihrer Unterschrift auch diejenige von Dr. N... mit dem Vermerk ´Einverstanden aufgrund eigener Urteilsbildung´. Der Kläger ist der Auffassung, hieraus ergebe sich, dass die Sachverständige K... das Gutachten nicht eigenverantwortlich erstellt habe. Da somit ein Verstoß gegen § 407 a Abs. 2 ZPO vorliege, hat er die Einholung eines neuen Gutachtens gemäß § 412 ZPO beantragt. Hilfsweise hat der Kläger verschiedene Ergänzungsfragen an die Sachverständige K... gestellt. Mit Beschluss vom 19.03.2010 hat das Landgericht die Sachverständige K... zur ergänzenden Stellungnahme aufgefordert. An deren Stelle hat am 16.07.2010 Dr. N... ein Ergänzungsgutachten erstattet und darauf hingewiesen, seine Mitarbeiterin K.... befinde sich nunmehr im Mutterschutz. Mit Übersendung des Gutachtens an die Parteivertreter hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass eine Umbestellung des Sachverständigen beabsichtigt ist und den Parteivertretern insoweit rechtliches Gehör gewährt. Der Kläger hat der Verwertung des Ergänzungsgutachtens widersprochen und erneut die Einholung eines neuen Gutachtens beantragt. Durch Beschluss vom 30.08.2010 hat das Landgericht Frau K... entpflichtet und Dr. N... nachträglich zum Sachverständigen bestellt.
Nach mündlicher Verhandlung hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück die Klage abgewiesen, da nach der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer feststehe, dass die Beklagten keine Verantwortung dafür treffe, dass sich der Kläger am 05.06.2004 mit seinen Händen die Augäpfel zerstört habe. Dabei ist die Kammer den Ausführungen der Sachverständigen K... und Dr. N... gefolgt.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Prozesskostenhilfeantrag für die beabsichtigte Berufung. Er ist der Auffassung, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft seiner Tatsachenfeststellung die eingeholten Gutachten zugrunde gelegt. Beide Gutachten hätten wegen des Verstoßes gegen §§ 407, 407 a ZPO nicht verwertet werden dürfen, so dass dem Antrag des Klägers auf Einholung eines neuen Gutachtens hätte entsprochen werden müssen.
II. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen nicht vor. Die vom Kläger beabsichtigte Berufung hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 S. 1 ZPO.
Das Landgericht hat die Klage aus den zutreffenden Gründen abgewiesen. Dem Kläger steht gegenüber den Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus keinem Rechtsgrund zu.
1. Hinsichtlich der Beklagten zu 2) und 3) fehlt es bereits an der Passivlegitimation, weil sich dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen lässt, dass diese in die Behandlung des Klägers eingebunden waren.
2. Das Landgericht hat weiter rechtsfehlerfrei festgestellt, dass auch die Beklagte zu 1) keine Verantwortung dafür trifft, dass sich der Kläger am 05.06.2004 mit seinen Händen die Augäpfel zerstörte.
a) Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht seine Feststellungen auf die Ausführungen der Sachverständigen K... und Dr. N... gestützt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers war das Landgericht nicht gehalten, ein neues Gutachten einzuholen. Die Voraussetzungen des § 412 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor.
Durch das Landgericht wurde mit Beschluss vom 13.08.2008 zunächst der Sachverständige Dr. N... mit der Begutachtung beauftragt. Die Ernennung der Sachverständigen K... unter gleichzeitiger Entpflichtung des Sachverständigen Dr. N... mit Beschluss vom 08.12.2008 ist nicht zu beanstanden. Gemäß § 404 Abs. 1 ZPO erfolgt die Auswahl des Sachverständigen durch das Prozessgericht. Dabei kann das Gericht den Beweisbeschluss ohne Angabe von Gründen ändern und so den zunächst ernannten Sachverständigen entlassen und einen neuen ernennen, § 404 Abs. 1 S. 3 ZPO. Soweit der Kläger rügt, dass das in der Folgezeit von der Sachverständigen K... erstattete Gutachten ebenfalls durch Herrn Dr. N... mit dem Zusatz ´Einverstanden aufgrund eigener Urteilsbildung´ unterzeichnet wurde, führt dies nicht zu einer Unverwertbarkeit des Gutachtens.
Die - überflüssige - Unterschrift von Herrn Dr. N... beruht nach seinen glaubhaften Ausführungen in seinem Ergänzungsgutachten vom 01.07.2010 unter Ziff. 4 darauf, dass er sich als Chefarzt der Sachverständigen K... ´mitverantwortlich´ fühlte. Anhaltspunkte dafür, dass er - entgegen § 407 a Abs. 2 ZPO - in die Erstellung des Ursprungsgutachtens einbezogen war, sind nicht ersichtlich.
Es ist auch nicht als rechtsfehlerhaft anzusehen, dass das Landgericht das durch den Sachverständigen N... erstattete Ergänzungsgutachten vom 01.07.2010 verwertet hat. Zwar erfolgte die ergänzende Begutachtung durch den entpflichteten und nicht erneut bestellten Sachverständigen Dr. N..., so dass der Beschluss des Landgerichts vom 19.03.2010 nicht ordnungsgemäß ausgeführt wurde. Der Umstand, dass das Gutachten nicht durch die gerichtlich bestellte Sachverständige erstellt wurde hat auch grundsätzlich zur Folge, dass das Gutachten unverwertbar ist. Dieser prozessuale Mangel wurde durch das Landgericht aber in zulässiger Weise behoben. Denn das Gericht darf nach § 360 S. 2 ZPO seinen Beweisbeschluss in der Weise abändern, dass eine Entlassung des ursprünglichen Sachverständigen und eine Ernennung des tatsächlichen Erstellers des Gutachtens zum neuen Sachverständigen erfolgt (BGH NJW 1985, 1399 [BGH 08.01.1985 - VI ZR 15/83], [BGH 08.01.1985 - VI ZR 15/83] Tz. 20. Schellhammer, ZPO, 13. Aufl., S. 317, Rn. 656. Katzenmeier in: Prütting, ZPO, § 407 a, Rn. 7. Heinrich in: Münchner Kommentar, ZPO, 3. Aufl., § 360, Rn. 10.) Das Gericht muss einen Wechsel des Gutachters den Parteien zu erkennen geben und ihnen insoweit rechtliches Gehör gewähren. Weitere Voraussetzung ist, dass der neue Sachverständige die Gewähr für die zur Erfüllung des Auftrags erforderliche Sachkunde bietet (Bayr. ObLG, NJW 2003, 216 ff. [BayObLG 05.07.2002 - 1 Z BR 45/01][BayObLG 05.07.2002 - 1 Z BR 45/01]). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Das Landgericht hat mit Übersendung des Ergänzungsgutachtens an die Parteivertreter darauf hingewiesen, dass eine förmliche Umbestellung des Sachverständigen beabsichtigt ist und den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Es war auch nicht ermessensfehlerhaft, Herrn Dr. N... durch Beschluss vom 30.08.2010 trotz der Einwendungen des Klägers nachträglich zum gerichtlichen Sachverständigen zu bestellen. Angesichts des Umstandes, dass es sich bei dem Sachverständigen Dr. N... um den Chefarzt und ärztlichen Direktor des St. MarienHospitals E..., Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie handelt, bestehen hinsichtlich der Qualifikation keine Bedenken.
b) Nach dem Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme liegt eine fehlerhafte Behandlung des Klägers im Krankenhaus der Beklagten zu 1) nicht vor.
aa) Im Rahmen der Behandlung auf der geschlossenen Station war die Beklagte zu 1) dazu verpflichtet, den Kläger vor selbstschädigenden Handlungen zu schützen. Welche Sorgfaltsanforderungen diesbezüglich zu stellen sind, ist jeweils unter Berücksichtigung des aus ärztlicher Sicht für eine Behandlung des Patienten Gebotenen zu entscheiden (vgl. OLG Zweibrücken, NJWRR 2010, 1246 ff. m. w. N.). Diese Sorgfaltspflicht ist zudem beschränkt auf das für das Krankenhauspersonal und den Patienten Zumutbare (vgl. BGH, NJW 2000, 3425 ff. [BGH 20.06.2000 - VI ZR 377/99][BGH 20.06.2000 - VI ZR 377/99]).
Hier war angesichts der Unterbringung nach dem Nds. PsychKG Zweck der Aufnahme des Klägers auf der geschlossenen Station nicht nur, ihn möglichst zu heilen, sondern insbesondere auch, von dem Kläger alle Gefahren abzuwenden, die ihm wegen seiner Krankheit durch sich selbst drohten (vgl. OLG Koblenz, MedR 2000, 136 ff. [BGH 20.05.1999 - I ZR 54/97]). Maßgebend für die Frage der Haftung der Beklagten für die durch den Kläger selbst vorgenommene Augenverletzung ist daher zum einen die Vorhersehbarkeit des weiteren selbstschädigenden Verhaltens des Klägers sowie die Frage, welche Maßnahmen zur Verhinderung eines derartigen Verhaltens erforderlich waren.
Nach den Ausführungen der Sachverständigen K... und Dr. N... stellt die Tatsache, dass der Kläger ohne unmittelbare Sichtkontrolle (Begleitung oder Videoüberwachung) die Toilette aufsuchen konnte, keinen Behandlungsfehler dar. Die Stationsärztin Frau K... hat in ihrem Aufnahmebericht zur Diagnose festgehalten: ´Zustand nach Selbstverletzung in fraglicher suizidaler Absicht. Verdacht auf psychotische Störung´. Die Sachverständige K... hat hierzu im Gutachten vom 20.04.2009 ausgeführt, das Vorgehen der diensthabenden Ärztin, den Kläger bei dem noch unklaren Zustandsbild zur weiteren Beobachtung in ein Intensivzimmer aufzunehmen, das durchgehend vom Pflegepersonal einsehbar ist, so dass der Kläger unter ständiger Zusicht der Mitarbeiter war, sei durchaus kunstgerecht, üblich und der Situation angemessen. Seiner Äußerung am 03.06.2004 gegenüber einer russisch sprechenden Arzthelferin, ´er wisse nicht, ob er sich nochmals etwas antut´, sei durch die nunmehr als feste Medikation angeordnete Einnahme der bisherigen Bedarfsmedikation Rechnung getragen worden. Aufgrund der weiterhin nicht sicher auszuschließenden Gefährdung sei der Kläger im Intensivzimmer verblieben, obwohl er sich seit der Aufnahme in ruhigem und unauffälligem Zustand gezeigt habe. Im Vorfeld der Selbstverletzung habe es keine ersichtlichen Hinweise darauf gegeben, dass eine unmittelbare Gefährdung des Patienten zu diesem Zeitpunkt vorlag, dieser sei offenbar ganz raptusartig einem Impuls gefolgt. Derart einschneidende Maßnahmen wie eine Begleitung zu den Toilettengängen seien in Abwägung des dadurch zu erwartenden Nutzens für den Patienten nicht angezeigt gewesen. Eine Videoüberwachung erscheine gerade auf einer psychiatrischen Akutstation nicht sinnvoll.
Die Ausführungen der Sachverständigen überzeugen. Auch bei einer Behandlung des Klägers auf der geschlossenen Station wegen unklarer Suizidgefährdung sind die Menschenwürde und die allgemeinen Handlungsfreiheiten des Patienten zu achten. Die vom Kläger für notwendig erachteten Überwachungsmaßnahmen hätten einen schweren Eingriff in seine Intimsphäre dargestellt. Da sich der Kläger in den Tagen nach seiner Aufnahme ruhig und unauffällig verhielt, erscheint es nachvollziehbar und vertretbar, dass von den behandelnden Ärzten keine akute Selbstverletzungsgefahr angenommen und daher weitere Überwachungsmaßnahmen nicht veranlasst wurden.
bb) Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, ist der Beklagten 1) auch keine ungenügende Anamnese vorzuwerfen. Die Verständigung mit einem nicht ausreichend deutschsprachigen Patienten bedarf nicht zwingend der Hinzuziehung eines Dolmetschers. Erforderlich ist vielmehr, dass zur Aufklärung des Krankheitsbildes gewährleistet wird, dass eine ausreichende Verständigung zwischen behandelndem Arzt bzw. Pflegepersonal möglich ist (vgl. KG Berlin, MDR 2008, 973 f. [KG Berlin 08.05.2008 - 20 U 202/06][KG Berlin 08.05.2008 - 20 U 202/06]). Dies ist hier nach dem Inhalt der beigezogenen Behandlungsunterlagen der Fall. Angesichts des Berichts der Stationsärztin K... war eine Verständigung mit dem Kläger auf Russisch möglich. Auch mindestens eine Arzthelferin auf der Station konnte sich nach den eigenen Angaben des Klägers mit ihm auf Russisch verständigen. Der Kläger trägt auch nichts dazu vor, welche Angaben er gegenüber Frau K... gemacht haben will, die diese nicht richtig verstanden oder wiedergegeben hat oder welche Fragen der Ärztin er selbst nicht verstanden hat. Das pauschale Bestreiten des Klägers diesbezüglich reicht angesichts des Umstandes, dass er bei dem Gespräch selbst anwesend war, nicht aus. Soweit der Kläger der Auffassung ist, eine frühere Einbindung seiner Familie hätte zu einer schnelleren zutreffenden Diagnose seiner schizophrenen Persönlichkeitsstörung geführt, ist zu berücksichtigen, dass der Kläger im Aufnahmegespräch ausweislich des Berichts von Frau K... eine Benachrichtigung seiner Angehörigen ausdrücklich abgelehnt hat. Der Senat folgt dem Landgericht darin, dass auch im Rahmen der erfolgten Unterbringung von einem Arzt bei einem ausdrücklich geäußerten Wunsch nicht ohne weiteres über den Willen des Patienten hinweg gegangen werden darf. Es ist Ausfluss des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, dass der Patient grundsätzlich selbst entscheiden kann, wann und wie persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Gerade im Verhältnis zwischen Arzt und Patient und mit Blick auf die anstehende Behandlung ist die Grundlage des Heilungserfolgs das gegenseitige Vertrauen, so dass die ärztliche Schweigepflicht auch die Tatsache des Krankenhausaufenthaltes umfasst. (Wenzel, Handbuch des Fachanwalts, Medizinrecht, 2. Aufl., Kap. 1, Rn. 5054.) Für die Beachtlichkeit eines derartigen Wunschs des Patienten ist - wie für die Entbindung von der Schweigepflicht - eine volle Geschäftsfähigkeit nicht erforderlich. Es gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Einwilligung beschränkt Geschäftsfähiger, so dass es auf die individuelle Einsichts und Urteilsfähigkeit ankommt (Wenzel, aaO., Kap. 4, Rn. 330). Angesichts des Aufnahmeberichts von Frau K... ist es nicht als fehlerhaft anzusehen, dass entsprechend dem Wunsch des Klägers eine Benachrichtigung seiner Angehörigen zunächst nicht erfolgt ist. Konkrete Anhaltspunkte für eine fehlende Einwilligungsfähigkeit des Klägers sind den Behandlungsunterlagen nicht zu entnehmen und werden vom Kläger auch nicht vorgetragen.
cc) Schlussendlich erfolgte nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen auch die Medikation des Klägers lege artis. Die Sachverständige K... hat in ihrem Gutachten ausgeführt, die Gabe von Promethazin sei indiziert bei Erregungs und Unruhezuständen im Rahmen psychiatrischer Grunderkrankungen. Dass hierdurch ein - grundsätzlich als Nebenwirkung möglicher - Verwirrtheitszustand des Klägers ausgelöst worden sei, lasse sich den Behandlungsunterlagen nicht entnehmen. Das dokumentierte Gesamtverhalten des Klägers spreche dagegen. Dieser habe vorwiegend auf seinem Bett gelegen und insbesondere keine Unruhe gezeigt. Der Sachverstände Dr. N... hat in der ergänzenden Stellungnahme ausgeführt, zwar besitze das verabreichte Medikament keine antipsychotische Wirkung, sondern wirke rein sedierend. Bei einem alleinigen Verdacht auf eine psychotische Störung sei es aber durchaus ratsam, nicht von Beginn an hochpotent neuroleptisch zu behandeln, um eine saubere Differenzialdiagnose zu gewährleisten. Der Kläger habe sich in der beschützten Umgebung ja in den ersten Tagen nach der Aufnahme auch ohne hochpotente Neuroleptika ruhig und compliant verhalten, so dass die erfolgte Medikation vertretbar sei. Im Übrigen hätte auch eine frühere Änderung der Medikation die Selbstverletzung nicht sicher verhindert, da derartige Vorfälle bei schizophren erkrankten Menschen bis hin zum Suizid trotz hochpotenter Neuroleptika vorkommen könnten. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass sich die Verletzung bereits am dritten Tag der Behandlung ereignet habe, so dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass bereits die zutreffende Dosierung gefunden und eine risikomindernde Wirksamkeit des Medikaments eingetreten wäre.