Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 04.01.2011, Az.: 12 U 91/10

Rechtsnatur eines Pferdepensionsvertrages; Haftung des Betreibers einer Pferdepension für Verletzungen eines Pferdes

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
04.01.2011
Aktenzeichen
12 U 91/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 10159
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2011:0104.12U91.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 31.08.2010 - AZ: 4 O 547/10

Fundstellen

  • AUR 2011, 255-256
  • MDR 2011, 473-474
  • ZGS 2011, 383-384

Amtlicher Leitsatz

1. Der Pferdepensionsvertrag ist seiner Eigenart nach als entgeltlicher Verwahrungsvertrag zu qualifizieren.

2. Zur Haftung des Betreibers der Pferdepension.

In dem Rechtsstreit

R... R... GbR, vertreten durch die Gesellschafter ... und ... in H..., ...

Beklagte und Berufungsklägerin,

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte ...

gegen

K... G..., ...

Klägerin und Berufungsbeklagte,

Prozessbevollmächtigter:

Rechtsanwalt ...

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... auf die mündliche Verhandlung vom 14.12.2010 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 31.08.2010 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche der Klägerin aus einem Tierpensionsvertrag.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin der Schimmelstute´R...´ von R... D..., die sie aufgrund eines mündlich geschlossenen Tierpensionsvertrages ab dem 01.09.2007 in einer ihr von der Beklagten zugewiesenen Box auf dem Hof der Beklagten eingestallt hatte. Die Beklagte war vertraglich zur Stallunterbringung und Fütterung des Pferdes sowie zur Reinigung der Box und zum Einstreu verpflichtet. In der Nacht vom 14. auf den 15.10.2007 geriet das Pferd nach Herausbrechen eines Gitterstabes mit dem rechten Hinterbein zwischen die Gitterstäbe der Pferdebox und zog sich in der Folge erhebliche Verletzungen zu. Der konkrete Schadenshergang blieb dabei ungeklärt. Wegen der eingetretenen Verletzungsfolgen, insbesondere einem reduzierten Marktwert des Pferdes, hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 13.564,81 € in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage nach umfangreicher Beweisaufnahme in Höhe eines Betrages von 12.244,81 € stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass von einer schadensursächlichen Pflichtverletzung der Beklagten im bestehenden Verwahrungsverhältnis auszugehen sei, da sich die Beklagte wegen des in ihrem Verantwortungsbereich entstandenen Schadens nicht habe entlasten können. Der Entscheidung lag dabei vorrangig zugrunde, dass die Gitterstäbe der Pferdebox nach den Feststellungen des vom Landgericht beauftragten Sachverständigen unzureichend mit dem auf die Holzeinfassung der Box aufgesetzten Rahmen verschweißt waren. Gegen die Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt weiter vor, dass eine mangelhafte Verschweißung der Gitterstäbe für sie nicht erkennbar und im Übrigen auch nicht die primäre Schadensursache gewesen sei.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 31.08.2010 abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Die Klägerin tritt der Berufung nach Maßgabe ihrer Erwiderung entgegen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

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II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg.

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Die Klägerin kann von der Beklagten weder unter dem Gesichtspunkt einer schuldhaften Pflichtverletzung im bestehenden Vertragsverhältnis noch aus unerlaubter Handlung Schadensersatz wegen der eingetretenen Verletzung ihres Pferdes verlangen.

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Ebenso wie das Landgericht geht der Senat davon aus, dass es sich bei dem von den Parteien mündlich geschlossenen Tierpensions bzw. Einstellungsvertrag um einen entgeltlichen Verwahrungsvertrag i.S.v. § 688 BGB handelt. Nach dem Vertrag schuldete die Beklagte der Klägerin neben der Überlassung einer Pferdebox u.a. auch die Fütterung des Pferdes und die Übernahme der Fürsorge und Obhut für das eingestellte Tier. Vertragsinhalt war daher nicht nur die Vermietung einer Box (vgl. insoweit BGH NJWRR 1990, 1422), sondern auch die Lieferung von Futter und die Erbringung weiterer (Dienst)Leistungen (vgl. BGH Urt. v. 12.06.1990, Az.: IX ZR 151/89, wonach der Einstellvertrag als Dienstvertrag zu qualifizieren ist), namentlich der Fütterung und Fürsorge. Der zu beurteilende Pferdepensions bzw. Einstellvertrag ist demnach ein gemischter Vertrag, der sich aus Elementen des Mietvertrages, des Kaufvertrages, des Dienstvertrages und des Verwahrungsvertrages zusammensetzt. Ein solcher Vertrag bildet ein einheitliches Ganzes und kann deshalb bei der rechtlichen Beuteilung nicht in dem Sinne in seine verschiedenen Bestandteile zerlegt werden, dass auf den Mietvertragsanteil Mietrecht, auf den Kaufvertragsanteil Kaufrecht und auf den Verwahrungsvertragsanteil Verwahrungsrecht anzuwenden wäre. Der Eigenart des Vertrages wird vielmehr grundsätzlich nur die Unterstellung unter ein einziges Vertragsrecht gerecht, nämlich dasjenige, in dessen Bereich der Schwerpunkt des Vertrages liegt (vgl. BGH NJW 2005, 2008/2010 [BGH 21.04.2005 - III ZR 293/04]). Dabei ist es jedoch nicht ausgeschlossen, auf die Bestimmungen eines anderen Vertragsrechts, bei dem der Schwerpunkt nicht liegt, zurückzugreifen, wenn allein hierdurch die Eigenart des Vertrages richtig gewürdigt wird (vgl. BGH aaO., m.w.Nachw.). Bei dem Pferdepensions oder Einstellvertrag steht entgegen der Auffassung der Klägerin regelmäßig nicht dieÜberlassung einer konkreten Pferdebox, sondern die Pflicht zur Fürsorge und Obhut über das Pferd im Vordergrund. Diese Leistungen sind hier vertragswesentlich und typusbildent (vgl. Häublein, NJW 2009, 2982/2983), so dass der Vertrag verwahrungsrechtlichen Charakter hat. Der rechtliche Schwerpunkt des Pferdepensions oder Einstellvertrages fällt demnach in den Bereich des Verwahrungsrechts, mit der Folge, dass der Vertrag als Verwahrungsvertrag anzusehen ist (so auch die wohl überwiegend vertretene Auffassung, vgl. Palandt/Sprau, BGB, § 688, Rn. 2 m.w.Nachw.. Staudinger/ Reuter BGB (2006) vor § 688, Rn. 27. OLG Brandenburg, NJWRR 2006, 1558 m.w.Nachw.. OLG Schleswig, OLGR 2000, 248ff). Das mietvertragliche Element tritt demgegenüber in den Hintergrund, zumal die Gewährung von Raum (neben der Übernahme der Obhut) bereits vertragstypische Leistung im Verwahrungsvertrag ist. Es erscheint daher auch im Hinblick auf die Eigenart des Vertrages gerechtfertigt, im Pferdepensionsvertrag die haftungsrechtlichen Bestimmungen des Verwahrungsrechts und nicht diejenigen des Mietrechts anzuwenden.

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Die Beklagte war daher aus dem Pferdepensions bzw. Einstellvertrag gemäß § 695 BGB verpflichtet, das in ihre Obhut gegebene Pferd ordnungsgemäß, also unverletzt, wieder an die Klägerin herauszugeben. Bei Rückgabe des Pferdes in nicht ordnungsgemäßem Zustand gelten damit, wie das Landgericht zutreffend feststellt, die Grundsätze der Haftung nach Gefahren bzw. Verantwortungsbereichen (vgl. insoweit Palandt/Grüneberg, aaO. § 280, Rn. 37. § 695, Rn. 1. OLG Schleswig aaO. und OLGR 2001, 285f), mit der Folge dass eine Beweislastumkehr eintritt und die Beklagte die Beweislast dafür trifft, dass der eingetretene Zustand nicht auf einer ihr zurechenbaren schuldhaften Pflichtverletzung beruht.

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Dieser der Beklagten obliegende Entlastungsbeweis ist entgegen der Ansicht des Landgerichts nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme als geführt anzusehen.

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Grundsätzlich muss ein Verwahrer, wenn er den Entlastungsbeweis in Bezug auf eine in seinem Verantwortungsbereich beschädigte Sache führen will, aufklären, wie es ohne sein Verschulden zu der Beschädigung gekommen ist. Dabei dürfen an den Beweis keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (vgl. Palandt/ Grüneberg aaO. § 280, Rn. 40. OLG Schleswig OLGR 2000, 248 (Rz. 8)). Der Entlastungsbeweis ist danach regelmäßig erbracht, wenn der Verwahrer die Ursache der Beschädigung nachweist und dartut, dass er diese nicht zu vertreten hat oder wenn er die Ursache wahrscheinlich macht und beweist, dass er hierfür nicht einzustehen hat. Ist die konkrete Ursache der Beschädigung nicht aufklärbar, kann sich der Verwahrer durch den Beweis entlasten, dass er die ihm obliegende Sorgfalt beachtet hat und keine ernsthafte Möglichkeit offen bleibt, dass auf seiner Seite ein Vertretenmüssen vorliegt (vgl. Palandt/Grüneberg aaO., OLG Schleswig, aaO.).

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Ausgehend von diesen Grundsätzen ist hier zugunsten der Beklagten der Entlastungsbeweis geführt. Nach dem Ergebnis des erstinstanzlich in Bezug auf den Boxenstall eingeholten Sachverständigengutachtens kann der Beklagten ein Verschulden im Zusammenhang mit den eingetretenen Verletzungen des Pferdes der Klägerin nicht vorgeworfen werden.

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Entsprechend dem insoweit unstreitigen Sachvortrag der Parteien ist das Pferd der Klägerin in der Nacht vom 14. auf den 15.10.2007 mit dem rechten Hinterbein zwischen die Gitterstäbe der zugewiesenen Pferdebox geraten, wobei das Pferd - um mit dem Bein zwischen die Stäbe geraten zu können - einen Stab aus dem Rahmen herausgetreten haben muss. Bei welcher Gelegenheit das Pferd gegen die Gitterstäbe getreten hat, d.h. ob dies im stehenden, liegenden oder sich wälzenden Zustand geschehen ist, kann nicht mehr aufgeklärt werden. In jedem Falle ist jedoch davon auszugehen, dass dem Schadensereignis ein Ausschlagen des Pferdes mit dem rechten Hinterbein, mithin eine für das Tier typische gefahrenträchtige Reaktion vorangegangen ist. Entsprechend den Feststellungen des erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen L... im Gutachten vom 20.01.2009 ist ferner davon auszugehen, dass das Pferd den Gitterstab offenbar nur deshalb heraustreten und mit dem rechten Hinterbein zwischen die Gitterstäbe der Box gelangen konnte, weil die Gitterstäbe in dem auf die darunter befindliche Trennwand aufgesetzten Metallrahmen nicht hinreichend fixiert waren. Die durch eine Bohrung im Rahmen geführten Stäbe waren nicht, wie in den Empfehlungen der Reiterlichen Vereinigung (FN) vorgesehen, rundum bzw. zu 80 %, sondern nur zu 40 % von unten mit dem Rahmen verschweißt, so dass sich ein Stab aus der Verankerung lösen konnte. In Bezug auf diesen Umstand kann der Beklagten jedoch ein schuldhafter Verstoß gegen ihre Sorgfaltspflichten nicht vorgeworfen werden. Nach den Ausführungen des Sachverständigen L... war der festgestellte Verarbeitungsmangel an den Gitterstäben für die Beklagte nicht erkennbar. Erst durch eine Herausnahme der Holzbohlen aus der unter dem Gitter befindlichen Trennwand und durch eine Überprüfung und Begutachtung der an der Unterseite des Gitterrahmens befindlichen Schweißnähte konnte der Sachverständige den Mangel feststellen. Eine solch eingehendeÜberprüfung der Boxengitter konnte und brauchte die Beklagte vor der Ingebrauchnahme der Boxen nicht durchzuführen. Dies gilt um so mehr, als der Sachverständige ausgeführt hat, dass die Pferdebox nach ihremäußeren Erscheinungsbild, namentlich hinsichtlich der Stärke der Gitterstäbe, des Abstandes der einzelnen Gitterstäbe und ihrer Länge den im Zeitpunkt der Ingebrauchnahme geltenden Empfehlungen der FN im Wesentlichen entsprach. Die Beklagte konnte und durfte sich insoweit darauf verlassen, dass die unstreitig für ihre Zuverlässigkeit und gute Qualität bekannte Herstellerin des Gitters, die Streitverkündete, die Pferdeboxen ordnungsgemäß und insgesamt den Anforderungen der FN entsprechend produzieren würde. Für die Beklagte war daher auch bei Anwendung größtmöglicher Sorgfalt eine Mangelhaftigkeit der Pferdeboxen nicht erkennbar, so dass ihr hinsichtlich der eingetretenen Verletzungen des Pferdes der Klägerin im Ergebnis eine fahrlässige Pflichtverletzung nicht vorgeworfen werden kann.

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Auch eine deliktische Haftung der Beklagten, insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, kommt nach den vorstehenden Ausführungen nicht in Betracht, da es an einer jedenfalls fahrlässigen haftungsbegründenden Handlung der Beklagten fehlt.

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Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.