Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 05.01.2011, Az.: 11 WF 342/10

Beiordnung eines Rechtsanwalts für ein Kind im Abstammungsverfahren

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
05.01.2011
Aktenzeichen
11 WF 342/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 10002
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2011:0105.11WF342.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Bersenbrück - AZ: 12 F 299/10 AB

Fundstellen

  • FF 2011, 333
  • FPR 2011, 409-410
  • FamRZ 2011, 914-915
  • FuR 2011, 352-353
  • NJW 2011, 941
  • RVGreport 2011, 154-155
  • ZFE 2011, 153-154

Amtlicher Leitsatz

Zur Frage der Anwaltsbeiordnung im Abstammungsverfahren.

Tenor:

1. Das Verfahren wird gem. § 568 Abs.1 S.2 ZPO dem Senat zur Entscheidung übertragen.

2. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Bersenbrück, durch den die Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt worden ist, wird aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen.

3. Die Antragstellerin hat die nicht ermäßigte Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren zu tragen. außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§§ 97 Abs. 1, 127 Abs. 4 ZPO i. V. m. Nr. 1912 KV zum FamGKG).

Gründe

1

I. Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass der Antragsgegner ihr Vater sei. Der Antragsgegner behauptet, in der Empfängniszeit keinen Geschlechtsverkehr mit der Mutter der Antragstellerin gehabt zu haben.

2

Das Amtsgericht hat sowohl der Antragstellerin als auch dem Antragsgegner auf ihre Anträge Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts hat es abgelehnt. Die Voraussetzungen einer Anwaltsbeiordnung gemäß § 78 Abs.2 FamFG lägen nicht vor, da aus Sicht des um die Anwaltsbeiordnung nachsuchenden Beteiligten eine aus objektiven oder subjektiven Gründen schwierige Sach und Rechtslage nicht vorliege.

3

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, die sie damit begründet, dass zumindest aus subjektiver Sicht besondere Schwierigkeiten vorlägen. Die Mutter der Antragstellerin als gesetzliche Vertreterin sei der deutschen Sprache nicht in hinreichendem Maße mächtig und nicht in der Lage sich mündlich oder schriftlich adäquat auszudrücken. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass aufgrund des streitigen Vortrages eine förmliche Beweisaufnahme stattfinden müsse.

4

II. Die gemäß §§ 76 Abs.2 FamFG, 127 Abs.2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

5

Gem. § 78 I FamFG ist ein Rechtsanwalt beizuordnen, wenn die anwaltliche Vertretung gesetzlich vorgeschrieben ist. Dies ist in Abstammungsverfahren nicht der Fall.

6

Ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben, ist dem Beteiligten im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe ein Rechtsanwalt beizuordnen, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Sach und Rechtslage erforderlich ist. Entscheidend ist dabei, ob ein bemittelter Rechtssuchender in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Das Verfahren kann sich dabei für einen Beteiligten auch allein wegen einer schwierigen Sachlage oder allein wegen einer schwierigen Rechtslage so kompliziert darstellen, dass auch ein bemittelter Beteiligter einen Rechtsanwalt hinzuziehen würde. Jeder der genannten Umstände kann also die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich machen. Schließlich beurteilt sich die Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts auch nach den subjektiven Fähigkeiten des betroffenen Beteiligten (BGH Beschluss vom 23.06.2010, FamRZ 2010, 1427).

7

Aufgrund der Schwierigkeit der Sach und Rechtslage ist vorliegend eine Beiordnung nicht erforderlich. Zu entscheiden ist hier allein über die Frage, ob der Antragsgegner der Vater der Antragstellerin ist und ob die Kindesmutter in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehr mit dem Antragsgegner hatte. Dabei spielt es keine Rolle, dass der Antragsgegner in Abrede stellt, mit der Antragstellerin während der gesetzlichen Empfängniszeit überhaupt Geschlechtsverkehr gehabt zu haben, da die Frage der Abstammung stets durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens positiv oder negativ zu entscheiden ist. Auf ggf. übereinstimmende jedoch unsichere Angaben der Beteiligten und evtl. Zeugen kann eine Entscheidung über die Abstammung in der Regel nicht gestützt werden. Vielmehr ist eine DNAUntersuchung unerlässlich (BayObLG FamRZ 1999, 1363). Die Angaben der Beteiligten und evtl. von Zeugen sind im Feststellungsverfahren nur erforderlich, um die gesetzliche Vermutung gemäß § 1600d Abs.2 BGB zu begründen, die Voraussetzunge für die Einholung des Abstammungsgutachtens ist.

8

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens im Vaterschaftsfeststellungsverfahren begründet nach Auffassung des Senats für sich genommen regelmäßig nicht die besondere Schwierigkeit der Sach und Rechtslage (anders OLG Hamm FamRZ 2010, 1363). Zum einen verbietet die gebotene einzelfallbezogene Prüfung eine Herausbildung von Regeln, nach denen der mittellosen Partei für bestimmte Verfahren immer oder grundsätzlich ein Rechtsanwalt beizuordnen ist (vgl. BGH aaO.). Zum anderen erweist sich gerade das in Abstammungsverfahren einzuholende Sachverständigengutachten als auch für den juristischen Laien verständlich und nachvollziehbar und ist nicht zu vergleichen mit sonstigen familienpsychologischen Sachverständigengutachten in Sorge bzw. Umgangsverfahren. Die Gutachten in Abstammungsverfahren sind von überschaubarer Länge und in ihrem strukturellen Aufbau auch für den juristischen Laien ohne weitere Vorkenntnisse verständlich und nachvollziehbar aufgebaut. Das Ergebnis des Abstammungsgutachtens, auf das es entscheidend ankommt, ist klar formuliert und auch für den juristischen Laien ohne weiteres sofort zu erfassen.

9

Soweit der Bundesgerichtshof zum alten Verfahrensrecht entschieden hat, dass im Vaterschaftsfeststellungsverfahren jedenfalls dann, wenn die Parteien entgegengesetzte Ziele verfolgen, bereits die existenzielle Bedeutung der Sache die Beiordnung eines Rechtsanwalts nahelegen kann (Senatsbeschlüsse vom 11. September 2007 - XII ZB 27/07 - FamRZ 2007, 1968 und vom 2. Juni 2010 - XII ZB 60/09) kann diese Rechtsprechung auf das neue Verfahrensrecht nach dem FamFG nicht in gleicher Weise übertragen werden. Denn die Schwere des Eingriffs in die Rechte eines Beteiligten soll nach der Gesetzesbegründung die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe nicht mehr erfüllen (BTDrucks. 16/6308 S. 2214).

10

Nach den Angaben der Antragstellerin kommt nur der Antragsgegner und Herr H... L... als Vater in Betracht, da die Kindesmutter nur mit diesen in der Empfängniszeit Geschlechtsverkehr hatte. Da Herr L... aufgrund der Feststellungen im Verfahren zum Az. 17 F 49/10 AB nachweislich nicht der Vater der Antragstellerin ist, bleibt lediglich der Antragsgegner als potentieller Vater der Antragstellerin übrig. Auch aus subjektiver Sicht ist die Sach oder Rechtlage somit nicht als schwierig anzusehen. Die sprachlichen Schwierigkeiten der Mutter der Antragstellerin rechtfertigen allenfalls die Hinzuziehung eines Dolmetschers. Eine darüber hinausgehende fehlende Möglichkeit, sich adäquat mündlich und schriftlich auszudrücken, ist nicht belegt.

11

Auch der Grundsatz der Waffengleichheit, der zwar für sich allein kein entscheidender Gesichtspunkt für die Beiordnung eines Rechtsanwaltes im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe mehr darstellt, jedoch ein Kriterium für die Erforderlichkeit der Beiordnung sein kann (vgl. BGH aaO.), gebietet vorliegend nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts, da das Amtsgericht folgerichtig auch dem Antragsgegner die begehrte Beiordnung im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe versagt hat.