Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 05.01.2021, Az.: 11 A 10690/17

Abschiebungsverbot; ärztliche Bescheinigung; Asylberechtigter; Behandlung; Behandlungsbedürftigkeit; Behandlungskosten; Behandlungsstandard; Betreuungsrecht; China; Dolmetscher; Erkrankung; Erstattung setze; Flüchtlingseigenschaft; Gefahr für Leib und Leben; Gesundheitsversorgung; Gesundheitsversorgung; Guo Min Dang; Hukou; Königsfamilie; Krankenversicherungssystem; Krankheitsbild; Krankheitseinsicht; Medikamentenkosten; medikamentöse Versorgung; Menschenrechte; Mutismus; Niederschrift; persönliche Anhörung; Psychiater; psychotisch; Reisepass; Rückübersetzung; Schizophrenie; Sicherheitsüberprüfung; subsidiärer Status; Suizidalität; Unterbringung; Verfolgung; Verfolgungsintensität; Visum

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
05.01.2021
Aktenzeichen
11 A 10690/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 71112
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Keine Anerkennung als Asylberechtigter und keine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bei fehlender Verfolgungsintensität.
Die Erkrankung an einer paranoiden Schizophrenie steht der Abschiebung nach China nicht entgegen, da eine ausreichende medizinische Behandlung in China zumindest in den Großstädten gewährleistet und insbesondere auch finanziell erreichbar ist.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Der 1989 geborene Kläger, chinesischer Staatsangehöriger, dem Volk der Han zugehörig und buddhistischen Glaubens, reiste nach eigenen Angaben am 13. März 2017 auf dem Luftweg von F. in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte dort am 8. Juni 2017 einen Asylantrag.

Bei seiner persönlichen Anhörung vor dem A. (Bundesamt) am 13. Juni 2017 trug der Kläger im Wesentlichen vor, er habe sein Heimatland aus Furcht vor Verfolgung durch die chinesische Regierung verlassen. Vor Jahren habe ihm sein Vater kurz vor dessen Tod im Mai 2009 mitgeteilt, dass sie einer königlichen Familie angehörten. In jungen Jahren habe ihm seine Großmutter erzählt, dass einer ihrer Familienmitglieder der Anführer der Partei Guo Min Dang gewesen sei. Angehörige der Partei seien damals von der chinesischen Regierung umgebracht und deren Familien von der chinesischen Regierung das Leben schwergemacht worden. Nach seinem Studium habe er eine Zeit lang für das Import/Export Business und habe danach als Fotograf bei der G. gearbeitet. Dort sei im Jahr 2013 vor einem Event eine Sicherheitsprüfung durchgeführt worden. Einige Tage vor der Veranstaltung habe ihm eine der chinesischen Regierung angehörige Politikerin geraten, das Land zu verlassen und in ein Land zu gehen, in dem möglichst wenige Chinesen lebten. Einige Tage nach dem Event habe er mehr als sechs Monate vergeblich einen Job gesucht und sich dann als Fotograf selbstständig gemacht. Irgendwann sei er von Personen verfolgt worden. Nach seiner Einladung zu einer G20 Konferenz in H. Ende 2016/Anfang 2017 sei er verstärkt verfolgt worden. Er sei von Teams von mindestens zwei Personen verfolgt, beobachtet und bedrängt worden, egal wohin er gegangen sei. Er habe einige Male dieselben Personen an ganz verschiedenen Orten gesehen. Selbst nach seiner Flucht nach Thailand sei er von Personen und Regierungsfahrzeugen verfolgt worden. Er habe damals vermutet, dass entweder sein Cousin wegen früherer Erbstreitigkeiten oder die chinesische Regierung dahintersteckte und die thailändische und die chinesische Regierung zusammenarbeiteten. Nach seiner Rückkehr nach China habe er von Projektpartnern und Kunden erfahren, dass diese von der Regierung auf seine Person angesprochen worden seien und einige Fragen der Partei Guo Min Dang hätten beantworten müssen. Sie hätten aus Angst keine weiteren Details genannt und ihm geraten, China zu verlassen. Er habe nur erfahren, dass seine Probleme mit der chinesischen Regierung und mit seinem familiären Hintergrund zu tun gehabt hätten. Er habe dann innerhalb von zwei Tagen sein Auto verkauft, habe eine Bestätigungsmail wegen der G20 Konferenz geschrieben, ein Flugticket gebucht und bei der deutschen Botschaft ein Visum beantragt. Da sein Flug mit der KLM gecancelt worden sei, habe er dann mit Air China über I. nach J. fliegen müssen. Auf dem Flughafen und im Flugzeug nach I. sei er wieder verfolgt worden; etwa 20 Personen unterschiedlichen Alters hätten 10 Stunden um ihn herumgestanden, ihn böse angesehen und Bewegungen mit ihren Fäusten vor seinem Gesicht gemacht, um ihm Angst zu machen. Alle Passagiere, die in seiner Nähe gesessen hätten, hätten ihn während des gesamten Fluges abwechselnd beschattet. Selbst im Hotel in J. und auf dem Weg mit einem Taxi zum Bahnhof und auf der Reise nach H. an verschiedenen Standorten sei er weiterverfolgt worden. Bei der G20 Konferenz am 16. und 17. März 2017 und nach der Abreise am nächsten Tag sei er wiederum von Chinesen beobachtet und verfolgt worden. In Bedburg sei es zu einem Konflikt mit der Vermieterin gekommen, weil diese ihm seinen Pass und sein Handy habe abnehmen wollen. Er habe daraufhin bei der Polizei in Köln Anzeige erstattet. Ein Anwalt habe ihm geraten, Asyl zu beantragen. Er sei daraufhin nach Tschechien zur Deutschen Botschaft gereist, um dort Asyl zu beantragen. Sie hätten ihm nicht weiterhelfen können. Er habe es dann bei der japanischen und amerikanischen Botschaft, bei den NGO und beim Fernsehsender K. vergeblich versucht. Er sei daraufhin zurück nach H. gegangen und habe auf Anraten seines Rechtsanwaltes dort einen Asylantrag gestellt.

Mit Bescheid vom 26. Oktober 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Asylanerkennung sowie des subsidiären Schutzstatus noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen. Außerdem drohte das Bundesamt dem Kläger für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung die Abschiebung nach China an und sprach das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG befristet auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung aus.

Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen nicht vor. Der Kläger sei schon kein Flüchtling. Seine Schilderungen erweckten eher den Eindruck, als fühle er sich subjektiv verfolgt. Die vom Kläger dargestellten Umstände zu seiner Verfolgung erschienen unwahrscheinlich und lebensfremd. Selbst bei Wahrunterstellung der geschilderten Handlungen fehle es an der für eine Verfolgungshandlung notwendigen Intensität. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass der Kläger sich in Tschechien an den TV-Sender K. gewandt, im Ausland bei mehreren Botschaften vorgesprochen und in Deutschland Asyl beantragt habe. Anhaltspunkte für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus seien nicht ersichtlich. Abschiebungshindernisse lägen ebenfalls nicht vor.

Der Kläger am 9. November 2017 Klage erhoben.

Er legt einen Ordner mit Dokumenten und zahlreichen Fotos sowie ein Video über die Eskalation zwischen ihm und der Vermieterin vor. Er meint das Bundesamt habe das Asylverfahren manipuliert und Fehler bei der Verwertung und der Würdigung der vorgelegten Beweismittel gemacht. Unter anderem seien bei der Anhörung vor dem Bundesamt nicht autorisierte Fragen gestellt worden. Er habe nach der Rückübersetzung bei der Anhörung nicht ausreichend Zeit gehabt, die Abschrift zu überprüfen, habe nicht die vollständige Niederschrift gesehen und sei angehalten worden, die Niederschrift gegen seinen Willen zu unterschreiben, andernfalls habe er den Raum nicht verlassen dürfen. Bei der Rückübersetzung seien von ihm gerügte Fehler und Missverständnisse nicht ausreichend berücksichtigt worden. Der Dolmetscher habe bei der Anhörung und der Rückübersetzung seine Aussagen teilweise verfälscht und manipuliert.

Die chinesische Regierung habe ihn nach dem Erhalt der Einladung zur G 20 Konferenz verfolgt. Es gebe auch keinen Ort, um der Verfolgung in China zu entkommen. Er werde als Mitglied einer sozialen Gruppe wegen seiner Zugehörigkeit zur königlichen Familie und des Familienhintergrundes von Guo Min Dang verfolgt und müsse er bei einer Rückkehr in sein Heimatland Verfolgung befürchten.

Wie sich aus den vorgelegten ärztlichen Zeugnissen entnehmen lasse, leide er unter einer schweren paranoiden Schizophrenie mit Mutismus. Ohne Behandlung seiner Erkrankung sei mit einer Verschlechterung und Chronifizierung der psychotischen Symptomatik zu rechnen. In Deutschland sei seine Behandlung auch ohne seine Einsicht und gegebenenfalls gegen seinen Willen durch das Betreuungsrecht gewährleistet. So habe er sich vom 28. Oktober 2019 bis zum 8. Juli 2020 mit Unterbringungsbeschluss des Amtsgerichts E-Stadt in der L. klinik M. aufgehalten. Seit seiner Entlassung aus der stationären Behandlung befinde er sich in der von seiner Betreuerin organisierten ambulanten ärztlichen Behandlung und medikamentöser Versorgung durch einen Pflegedienst. Bei einer Abschiebung nach China müsse er angesichts seiner fehlenden Krankeneinsicht aufgrund ungewisser Behandlungsaussichten mit lebensbedrohlichen gesundheitlichen Konsequenzen rechnen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 26. Oktober 2017 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise, ihm subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,

weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen,

und bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind. Weiter wird verwiesen auf die Erkenntnismittel, die zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe

Die Kammer hat den Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen.

Das Gericht kann über die Klage trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten mit der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO) und keine erheblichen Gründe für eine Terminsaufhebung, Terminsverlegung oder Vertagung der mündlichen Verhandlung dargelegt worden oder sonst ersichtlich gewesen sind.

Wird ein Beteiligter – wie hier der Kläger – durch einen Betreuer bzw. Rechtsanwalt vertreten, ist seine Anwesenheit im Termin zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich nicht erforderlich, weil seine Rechte in dem erforderlichen Umfang durch den Bevollmächtigten wahrgenommen werden können. Dies gilt auch für Klageverfahren im Bereich des Asylrechts. Die Betreuerin des Klägers ist zur mündlichen Verhandlung erschienen und hatte Gelegenheit ergänzend für den Kläger vorzutragen. Auf die Glaubhaftigkeit des Klägervortrages kam es überdies, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt, nicht an, so dass eine persönliche Anhörung aus Sicht des Gerichts nicht erforderlich erschien. Das persönliche Erscheinen des Klägers zur mündlichen Verhandlung hat das Gericht auch nicht angeordnet.

Die zulässige Klage ist mit Haupt- und Hilfsanträgen unbegründet.

Der Kläger hat zu dem gemäß § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG und § 60 Abs. 1 AufenthG und auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a GG noch hilfsweise auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG oder auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG in seiner Person (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der angegriffene Bescheid des Bundesamtes vom 26. Oktober 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Es ist dem Kläger auch im Klageverfahren nicht gelungen, das Gericht davon zu überzeugen, dass er sein Heimatland aus Angst vor flüchtlingsrelevanten Übergriffen von asylerheblicher Intensität verlassen hat.

Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG. Danach ist einem Ausländer gemäß §§ 3 Abs. 1 AsylG, 60 Abs. 1 Satz 6 Aufenthaltsgesetz – AufenthG – die Flüchtlingseigenschaft durch die Beklagte zuzuerkennen, wenn er in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, den Bedrohungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt ist. Nach dieser Norm liegt ein Abschiebungsverbot dann vor, wenn ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden darf, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch dann vorliegen, wenn die Bedrohung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der Freiheit allein an das Geschlecht anknüpft. Ferner kommt es bei einer von nichtstaatlichen Akteuren ausgehenden Verfolgung nicht darauf an, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist; entscheidend ist lediglich, dass sowohl der Staat als auch das Staatsgebiet beherrschende Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.

Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorliegt, sind gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthGArt. 4 Abs. 4 sowie Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 304, S. 12) - sog. Qualifikationsrichtlinie QRL - ergänzend anzuwenden. Der Anwendungsbereich des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist zwar weitgehend deckungsgleich mit dem des Asylgrundrechts, bei dessen Auslegung sich das Bundesverfassungsgericht schon bisher an der Genfer Flüchtlingskonvention orientiert hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315). Der Anwendungsbereich des Flüchtlingsschutzes geht allerdings über den Schutz des Asylgrundrechts teilweise hinaus. So begründen - nach Maßgabe des § 28 Abs. 1a AsylG - auch selbst geschaffene Nachfluchtgründe sowie gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, etwa in Bürgerkriegssituationen, in denen es an staatlichen Strukturen fehlt, ein Abschiebungsverbot.

Aus den in Art. 4 QRL geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Antragstellers folgt ferner, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen, das heißt unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht.

Dabei ist stets erforderlich, dass dem Ausländer in seinem Heimatland bei verständiger, nämlich objektiver, Würdigung der gesamten Umstände seines Falles mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Heimatstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren. Insoweit ist eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Asylantragstellers Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann und für ihn nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint.

Hat der Ausländer in seinem Heimatland bereits Verfolgungsmaßnahmen erlitten, so greift zu seinen Gunsten zwar nicht der zum Asylrecht entwickelte herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Verfolgungs​sicherheit. Allerdings gilt für den Flüchtlingsschutz im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG auf Grund der Bestimmung des Art. 4 Abs. 4 QRL eine Beweiserleichterung insoweit, als für den Vorverfolgten eine tatsächliche Vermutung streitet, dass sich die früheren Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Für eine Widerlegung dieser Vermutung ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit der Verfolgung entkräften. Dabei kann die Vermutung selbst dann widerlegt sein, wenn nach herkömmlicher Betrachtung keine hinreichende Sicherheit im Sinne des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabs bestünde. Maßgebend ist insoweit eine tatrichterliche Würdigung im Rahmen freier Beweiswürdigung (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 5/09 -, juris).

Der Kläger hat indes das Gericht im Klageverfahren nicht von einer begründeten Furcht vor Verfolgung aus individuellen Gründen zu überzeugen vermocht.

Die von ihm geschilderten Verfolgungshandlungen bleiben vage und lebensfremd. Nach seinem Vorbringen weiß der Kläger schon nicht genau, aus welchem tatsächlichen Grund er verfolgt wurde und wann diese Verfolgung tatsächlich begonnen hat. Bei dem von ihm aufgeführten Gründen handelt es sich durchweg um Vermutungen. So sieht er als Gründe für die Verfolgung die ihm von seinem Vater kurz vor dessen Tod offenbarte Zugehörigkeit zur königlichen Familie und die Mitteilung der Großmutter, dass einer seiner Familienmitglieder der Anführer von der Partei Guo Min Dang gewesen sei. Dem Kläger sind indes keine weiteren Details bekannt. Er hat auch keine Dokumente dazu vorlegen können. Den restlichen Familienmitgliedern waren diese familiären Verhältnisse nach dem Vorbringen des Klägers ebenfalls nicht bekannt. Auch hat der Kläger nicht nachvollziehbar begründen können, aus welchen Gründen die chinesische Regierung plötzlich Kenntnis von diesen Beziehungen des Klägers gehabt haben sollte, nachdem seine Familie und er offensichtlich jahrelang unbehelligt in China haben leben können. Als Grund führt der Kläger lediglich die Sicherheitsüberprüfung im Jahr 2013 an. Dabei hat er jedoch lediglich Angaben zu seinem Namen, seinem Geburtsdatum und den Namen seiner Eltern gemacht, die Gegenstand des Hukou-Systems sind und den Behörden ohnehin längst bekannt waren. In den vom Kläger vorgelegten Führungszeugnissen aus den Jahren 2013 und 2017 wird sogar ausdrücklich erwähnt, dass der Kläger über ein solches Hukou verfügt. Darüber hinaus hat er bereits im Dezember 2008 seinen Pass erhalten. Zur Beantragung des Reisepasses müssen der Personalausweis und Haushaltsregister (Hukou) vorgelegt werden, sodass die Regierung nicht erst im Jahr 2013 durch die Nennung der Namen der Eltern des Klägers auf seine familiären Verhältnisse aufmerksam geworden sein können. Bei den Angaben des Klägers, er aber nach der Sicherheitsüberprüfung und dem Event im Jahr 2013 wegen der Zugehörigkeit zur königlichen Familie und der Partei Guo Min Dang über sechs Monate Probleme gehabt, eine Arbeit zu finden, handelt es sich ebenfalls um Mutmaßungen. Der Kläger hat auch nicht nachvollziehbar darlegen können, welches Regierungsmitglied ihm aus welchem Grunde 2013 geraten habe, China zu verlassen. Hätte die chinesische Regierung tatsächlich ein Interesse an der Verfolgung des Klägers gehabt, wäre es ihm nicht gelungen, nach der Einladung zur G20 Konferenz in H. sein Heimatland auf offiziellem Wege unter seinem eigenen Namen per Flugzeug zu verlassen. Schon gar nicht nachvollziehbar ist der Aufwand der chinesischen Regierung, etwa 20 Personen zur Beobachtung des Klägers mit auf die Flugreise zu schicken und ihn nach seiner Einreise an allen weiteren Aufenthaltsorten in Deutschland weiterzuverfolgen. Bei einem tatsächlichen Interesse an der Person des Klägers wäre es weniger aufwendig gewesen, ihn an der Ausreise zu hindern und die Verfolgungsmaßnahmen im Land selbst zu intensivieren und zu konkretisieren. Gerade die Schilderung des Klägers von der Verfolgung bei der Reise nach Deutschland und innerhalb der Bundesrepublik lässt darauf schließen, dass sich der Kläger aufgrund seiner später diagnostizierten psychischen Erkrankung lediglich subjektiv verfolgt fühlt.

Dem steht auch nicht entgegen, dass ich der Kläger nach seinem Vorbringen an den tschechischen TV-Sender K. TV gewandt hat, im Ausland bei mehreren Botschaften vorgesprochen und in Deutschland Asyl beantragt hat. Der Kläger hat nicht geschildert, gegenüber dem tschechischen TV-Sender Vorwürfe gegen die chinesische Regierung veröffentlicht zu haben. Auch ist nach chinesischem Recht das Stellen eines Asylantrages kein Straftatbestand (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die Asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik China vom 22. Dezember 2019 – Stand November 2019 – S. 25).

Unabhängig davon erreichen die vom Kläger geschilderten Verfolgungsmaßnahmen nicht die nach § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG erforderliche flüchtlingsrelevante Intensität. Der Kläger trug in diesem Zusammenhang lediglich vor, häufiger von Gruppen von mindestens zwei Personen beobachtet, angestarrt und fotografiert worden zu sein, nach seinen Ausführungen hätten die Personen auch um ihn herumgestanden. Selbst die von ihm geschilderten Bewegungen mit den Fäusten vor seinem Gesicht während des Fluges von China nach I. stellen keine mit einer schwerwiegenden Verletzung der grundlegenden Menschenrechte vergleichbare Handlung dar. Es ist nicht einmal ersichtlich und vorgetragen, was die Verfolger mit der geschilderten Handlung bezwecken wollten.

Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, das Bundesamt habe das Asylverfahren manipuliert, unzulässige Fragen gestellt, die Beweismittel unzureichend gewürdigt, das Verfahren bei der Rückübersetzung nicht eingehalten und ihn zur Unterschrift genötigt. Dafür sind aus der Niederschrift über die persönliche Anhörung des Klägers vom 14. Juni 2017 keine Anhaltspunkte ersichtlich. Die Anhörung ist ausweislich der mit den Verwaltungsvorgängen in elektronischer Form vorgelegten Niederschrift sehr ausführlich und detailliert durchgeführt worden. Der Kläger ist zunächst anhand des Fragenkatalogs zu den Angaben im Heimatland, zur Familie, Ausbildung und zu seinem Reiseweg befragt worden. Er hatte dann Gelegenheit, zusammenhängend alle Tatsachen zu seinem Verfolgungsschicksal vorzutragen. Danach sind die wesentlichen Punkte seines Verfolgungsschicksals detailliert ergänzend hinterfragt worden. Unzulässige Fragen sind nicht ersichtlich gestellt worden. Darüber hinaus hat der Kläger auf Nachfrage erklärt, dass er ausreichend Gelegenheit hatte, die Gründe für seinen Asylantrag zu schildern. Dem Kläger ist auch die verfasste Niederschrift rückübersetzt worden, wie er bestätigt hat. Dass er dabei nicht ausreichend Gelegenheit zu Korrekturen und Ergänzungen gehabt hat und zur Bestätigung vom Entscheider gezwungen worden ist, ist nicht ersichtlich. Die Rückübersetzung hat immerhin 120 Minuten in Anspruch genommen.

Der Kläger kann auch nicht geltend machen, der Dolmetscher habe bei der Anhörung und der Rückübersetzung seine Aussagen teilweise verfälscht und manipuliert. Auch dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Der Kläger hat vielmehr bestätigt, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe.

Im Übrigen hat der Kläger im gerichtlichen Verfahren keine Angaben dazu gemacht, was unzutreffend in die Niederschrift aufgenommen worden und von welchem Sachvortrag stattdessen auszugehen ist.

Die Voraussetzung für die Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG liegen damit ebenfalls nicht vor.

Dem Kläger ist ferner zu Recht kein subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG gewährt worden. Nach dieser Vorschrift ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Heimatland ein ernsthafter Schaden droht. Dabei gilt als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Kläger in seinem Heimatland China die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht. Entsprechendes hat der Kläger nicht vorgetragen. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen.

Schließlich liegen auch keine nationalen Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vor.

Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass aufgrund der humanitären Verhältnisse in China eine Abschiebung des Klägers dorthin nicht zu einer Verletzung nach Art. 3 EMRK führen würde. Auch eine schwierige soziale und wirtschaftliche Lage begründet kein Abschiebungsverbot und muss vom Kläger ebenso wie von vielen seiner Landsleute bewältigt werden. Anhaltspunkte für eine darüber hinausgehende existenzielle Gefährdung, die nach ihrer Intensität und Schwere einer Rechtsbeeinträchtigung gleichkommen würde, hat der Kläger weder bei der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt noch im Klageverfahren glaubhaft gemacht. Der ledige und erwerbsfähige Kläger verfügt über ein abgeschlossenes Hochschulstudium und über Berufserfahrung. Er hat nach seinem Studium in Singapur in China im Import/Export in administrativer Position in der Verwaltung und danach bei einer anerkannten Firma gearbeitet und sich schließlich als Fotograf selbstständig gemacht und bis zu seiner Ausreise mit seinem Team gearbeitet. Nach den vorstehenden Ausführungen ist zu erwarten, dass es dem Kläger bei einer Rückkehr nach China gelingen wird, aus eigener Kraft bzw. mithilfe seiner in China lebenden Onkel und Tanten zumindest das Existenzminimum zu sichern.

Dem Kläger droht nach seinem Vorbringen ersichtlich auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen könnte.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Die Beurteilung, ob eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt, erfordert eine individuelle Prüfung insbesondere anhand des konkreten Krankheitsbildes, der Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat der Abschiebung, der Gesamtkonstitution des Ausländers, seiner individuellen Situation und der benötigten Medikamente, so dass die Frage, wann ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegt, nicht allgemein, sondern nur in jedem Einzelfall beantwortet werden kann (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 - 8 LA 129/14 -, juris, Rn. 31, OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Mai 2017 - 13 A 198/17.A -, juris, Rn. 11).

Der Kläger hat bislang nicht glaubhaft gemacht, dass ihm eine solche erhebliche Gefahr konkret droht.

Er hat erstmals im Klageverfahren vorgetragen, dass das er unter einer schweren paranoiden Schizophrenie mit Mutismus leidet und hat dazu den ärztlichen Bericht der L. -Klinik GmbH & Co. KG in M. vom 20. November 2019 und die Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie N. zur Betreuungssache vom 13. Dezember 2019 und vom 26. Februar 2020 vorgelegt. Diese bescheinigen ihm die Erkrankung an einer paranoiden Schizophrenie. Der Kläger wurde ausweislich des ärztlichen Zeugnisses der L. -Klinik GmbH & Co. KG vom 20. November 2019 dort am 28. Oktober 2019 erstmals stationär nach § 18 NPsychKG aufgenommen, weil zum damaligen Zeitpunkt ohne Behandlung der seit mehreren Jahren unbehandelten Erkrankung eine erhebliche Gefahr durch schweres selbstverletzendes Verhalten, mangelnde Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme, fehlende verbale Kontaktaufnahme, Steuerungsfähigkeit, Krankheitseinsicht und Realitätserkennung sowie Verweigerung der Behandlung und Medikation bestanden habe. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie N. bestätigt in seinem Gutachten vom 13. Dezember 2019 ein fortgeführtes selbstschädigendes Verhalten in Form deutlich reduzierter Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme und fehlender Krankheitseinsicht, sieht aber keinen Hinweis auf eine akute Suizidalität. Er bescheinigt dem Kläger, das ohne die Behandlung und Medikation der paranoiden Schizophrenie mit einer weiteren Verschlechterung und Chronifizierung der psychotischen Symptomatik zu rechnen und das Leben des Klägers durch Unterernährung bedroht sei. In seinem Gutachten vom 26. Februar 2020 führt der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie N. aus, dass unter der mittlerweile begonnenen Behandlung eine leichte Besserung der psychischen Erkrankung festgestellt werden könne. Bei nur langsamer Besserung der Symptomatik erscheine eine Überprüfung der geschlossenen Unterbringung nach Ablauf von zwölf Wochen angemessen.

Weitere fachärztliche Stellungnahmen über den weiteren Behandlungsverlauf und zur gegenwärtigen Schwere und Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankung des Klägers sind bislang nicht vorgelegt worden. Der Kläger hat dazu lediglich vorgetragen, er habe sich bis zum 8. Juli 2020 mit Unterbringungsbeschluss des Amtsgerichts E-Stadt in der

L. -Klinik M. aufgehalten. Seit seiner Entlassung aus der stationären Behandlung befinde er sich in der von seiner Betreuerin organisierten ambulanten ärztlichen Behandlung und medikamentöser Versorgung durch einen Pflegedienst.

Diese Angaben zur gegenwärtigen Ausprägung seines Krankheitsbildes genügen insoweit nicht den Anforderungen nach §§ 60 Abs. 7 Satz 2, 60 a Abs. 2 c Satz 2 und 3 AufenthG. Danach muss ein Ausländer eine Erkrankung durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach der ärztlichen Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten.

Daran fehlt es im vorliegenden Verfahren. In der Zwischenzeit ist erkennbar eine Besserung des Krankheitsverlaufs eingetreten. Ein weiterer stationärer Aufenthalt des Klägers war seit Juli 2020 ersichtlich nicht mehr erforderlich. Der Kläger ist nach dem Vorbringen seiner Betreuerin in der mündlichen Verhandlung inzwischen bereit, die erforderlichen Medikamente zu nehmen, allerdings unter regelmäßiger Kontrolle eines Pflegedienstes. Konkrete Angaben zur derzeitigen ambulanten Therapie und Medikation liegen nicht vor.

Unabhängig davon ist nach dem bisherigen Vorbringen und unter Berücksichtigung der Auskunftsklage nicht ersichtlich, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach China eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben droht.

Nach der Stellungnahme von ACCORD vom 4. April 2019, Anfragebeantwortung zu China: Psychische Gesundheitsversorgung (posttraumatische Belastungsstörungen, dissoziative Störungen), können psychische Störungen in China behandelt werden. Seit Verabschiedung des Gesetzes für psychische Gesundheitsversorgung im Jahr 2013 ist in China der rechtliche Schutz und die Behandlung von Menschen mit psychischen Störungen formalisiert und die psychische Gesundheitsversorgung gestärkt worden. Die ambulanten und die stationären Gesundheitsausgaben der psychisch Erkrankten sind seitdem schrittweise vom staatlichen Krankenversicherungssystem übernommen worden. So hat Peking bereits im Jahr 2014 sechs Arten von schweren psychischen Erkrankungen (z.B. Schizophrenie, Paranoia, bipolare Erkrankung) in seinen Versicherungsplan aufgenommen und die Erstattungssätze für stationäre und ambulante Gesundheitsversorgung für diese Erkrankungen von 60 auf 70 % erhöht. Darüber hinaus werden die für die Behandlung dieser schweren psychischen Erkrankung notwendigen Medikamente in der ambulanten Betreuung gratis ausgegeben, was bis zum Jahr 2016 mehr als 12.000 Patienten zugutegekommen ist. Auch die Stadt Shanghai und mehrere Städte der östlichen Küstenprovinzen Chinas haben ab dem Jahr 2015 ebenfalls psychische Erkrankungen mit entsprechenden Erstattungssätzen in die Krankenversicherung aufgenommen. Trotz der Fortschritte bei der Ausweitung der Krankenversicherung für psychische Erkrankungen besteht in China weiterhin eine ungleiche Verteilung bei der Erstattung von Behandlungskosten und der Ressourcen für die Behandlung von psychisch Erkrankten. In den einkommensstarken Gebieten wie den östlichen Küstenregionen und in Großstädten besteht in der Regel eine bessere Abdeckung von Psychiatern und höheren Erstattungssätzen. In China ist es nur Psychiatern gestattet, Medikamente zur Behandlung psychischer Störungen zu verschreiben; daher ist ein solcher Service nur dort verfügbar, wo Psychiater beschäftigt sind. Der Kläger wäre mithin bei einer Rückkehr nach China gehalten, sich in einer Region niederzulassen, in der eine ausreichende Behandlung seiner psychischen Erkrankung eher möglich ist.

Die Behandlung psychischer Erkrankungen ist nach der Auskunftsklage auch finanziell leistbar. Die Kosten für die Leistungen der psychischen Gesundheitsversorgung werden direkt von den staatlichen Krankenkassen sowie durch Auslagen der Patienten getragen. Bezüglich ambulant verschriebener Medikamente fallen normalerweise Medikamentenkosten von weniger als 100 Dollar pro Monat an. Nach der Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation China: Versorgung von Rückkehrern, vom 18. August 2020 besteht auch für Rückkehrer ein Anspruch auf medizinische Versorgung. Dazu ist allerdings die Registrierung im „Hukou-System“ erforderlich.

Die Kosten einer stationären Versorgung sind nach der Auskunftslage schwieriger zu beurteilen. Der Kläger hat aber nicht dargetan, dass in absehbarer Zeit nach seiner Rückkehr eine weitere stationäre Behandlung seiner psychischen Erkrankung erforderlich sein wird.

Im Übrigen muss sich ein Ausländer grundsätzlich auf den Behandlungsstandard, der in seinem Herkunftsland für die von ihm geltend gemachten Erkrankungen allgemein besteht, verweisen lassen, wenn damit keine grundlegende schwerwiegende Gefährdung verbunden ist (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Januar 2007 - 13 A 1138/04. - Rn. 77 ff. -; BayVGH, Beschluss vom 28. Mai 2015 - 21 ZB 15.30076 -; VG Bayreuth, Urteil vom 7. Februar 2020 – B 1 K 18.30195 – Rn. 41 ff.; alle zitiert nach juris).

Anhaltspunkte dafür sind nicht ersichtlich und nicht vom Kläger hinreichend substantiiert dargetan worden. Der Kläger ist nach dem Vorbringen seiner Betreuerin derzeit so medikamentös so eingestellt, dass ihm ein Leben in der Asylbewerberunterkunft möglich ist. Eine medikamentöse Versorgung wäre auch nach einer Rückkehr nach China – jedenfalls in Großstädten und den großen Städten an der Ostküste – möglich und finanzierbar.

Die Ausreiseaufforderung, die auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG beruhende Abschiebungsandrohung und die § 36 Abs. 1 AsylG entsprechende Ausreisefrist unter Ziffer 5 des Bescheides vom 26. Oktober 2017 sowie das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG unter Ziffer 6 sind rechtlich nicht zu beanstanden.

Zur Begründung im Übrigen wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die zutreffenden Erwägungen in den Bescheiden der Beklagten vom 26. Oktober 2017 Bezug genommen und insofern von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2 ZPO.