Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 21.03.2002, Az.: 8 U 1/02

Einstandspflicht des Auftragnehmers für die mangelnde Brauchbarkeit eines verwendeten Werkstoffes trotz Vorgabe durch den Auftraggeber; Bemessung der Höhe der Kosten der Mängelbeseitigung nach Treu und Glauben bei fortlaufender Verwendung des Werkes trotz Mangelhaftigkeit

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
21.03.2002
Aktenzeichen
8 U 1/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 30365
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2002:0321.8U1.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 03.12.2001 - AZ: 3 O 1675/01

In dem Rechtsstreit
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 2002
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...
und die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung seines weiter gehenden Rechtsmittels das am 03. Dezember 2001 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 2.134,35 EUR (= 4.174,42 DM) nebst 7% Zinsen seit dem 9.6.1999 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 4/5, der Beklagte zu 1/5.

Der Wert der Beschwer übersteigt für keine der Parteien 20.000 EUR.

Gründe

1

Die zulässige Berufung des Beklagten führt in der Sache zum überwiegenden Erfolg.

2

Der Klägerin hat gegen den Beklagten gemäß den §§ 13 Nr. 6 Satz 1 VOB/B, 242 BGB lediglich einen Schadensersatzanspruch von 2.134,35 EUR (= 4.174,42 DM) nebst Zinsen.

3

Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass der Beklagte dem Kläger wegen der Mängel, die unstreitig darin bestanden, dass sich auf besonders beanspruchten Teilen der Nebentreppengeländer die vom Beklagten auf den Treppenhandläufen angebrachten Bezüge aus Mipolam verformten, zum Schadensersatz verpflichtet ist. Darüber, dass im vorliegenden Fall die Treppenhandläufe in einer Rehaklinik einer stärkeren Belastung durch eine Vielzahl von Personen ausgesetzt sein würden, gab es bei Vertragsschluss auch für den Beklagten keine Zweifel.

4

Zu Unrecht macht der Beklagte geltend, als Werkunternehmer nicht für die Geeignetheit der mit dem Material Mipolam bezogenen Treppenhandläufe einstehen zu müssen.

5

Nach dem im Beweissicherungsverfahren 9 OH 4/98 eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. A... F... vom 08.05.1999 steht fest, dass die E-Module und Füllstoffe bei dem vom Beklagten eingebauten Handlaufprofil einerseits und dem Musterprofil andererseits erheblich voneinander abwichen (vgl. Ziff. 5.II.1.2. des Gutachtens auf Seite 17 unten). Bei Verwendung eines höheren E-Moduls, wie es das Musterprofil ausweist, und bei anderer Zusammensetzung der Füllstoffe, würde das Schadensrisiko auch bei einer Dauerbelastung sinken, da die Verformungen der verwendeten Mipulam-Bezüge nur an den Treppengeländern entstanden, die regelmäßig benutzt wurden, nicht jedoch bei solchen, die ohne hohe physische Belastung durch die Sonne stark erwärmt werden.

6

Für die mangelnde Brauchbarkeit des verwendeten Materials haftet der Beklagte trotz der vom Architekten des Klägers in der Ausschreibung angeordneten Vorgabe. Insoweit hat der Bundesgerichtshof unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. NJW 1973, 754 = BauR 1973, 188, 190) entschieden, dass die für den Werkvertrag typische Einstandspflicht des Auftragnehmers für einen trotz genereller Eignung des Stoffes im Einzelfall auftretenden Fehler (sog. Ausreißer) durch eine Anordnung des Auftraggebers, die eine an sich geeignete Art des zu verwendenden Stoffes vorsieht, nicht aufgehoben wird, weil das Werkvertragsrecht dadurch geprägt wird, dass grundsätzlich der Auftragnehmer für die vereinbarte Werkleistung und damit für den Erfolg seiner Tätigkeit einzustehen hat (BGH, NJW 1996, 2372 f.). Diese Verpflichtung hat der Auftragnehmer regelmäßig selbst dann, wenn er es nicht zu vertreten hat, dass der geschuldete Erfolg ausgeblieben ist. Bei einem Bauvertrag gehört es zu den typischen Aufgaben des Auftragnehmers, das Baumaterial zu beschaffen. Dementsprechend fällt es grundsätzlich auch unter seine Einstandspflicht, wenn dieses fehlerhaft ist und zu Mängeln des Werks führt. Eine Anordnung des Auftraggebers zu Baustoffen, aus denen sich ein Mangel des Werks ergibt, bewirkt nicht automatisch, dass der Auftragnehmer umfassend von der Gewährleistung für diesen Mangel frei wird und an seiner Stelle der Auftraggeber uneingeschränkt das Risiko für Mängel in diesem Zusammenhang zu tragen hat. Eine solche Auffassung würde die Gewährleistung des Auftragnehmers insoweit nahezu beseitigen, weil der Auftraggeber, schon um das gewünschte Bauwerk zu beschreiben, in der Regel Vorschriften zum Baustoff machen muss. Der Auftragnehmer könnte sich dann gemäß § 13 Nr. 3 VOB/B unschwer von der Haftung freizeichnen, wodurch man dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung nicht gerecht würde. Zwar soll der Auftraggeber für das, was er anordnet, einstehen. Die einschneidende Rechtsfolge der Risikoverlagerung soll allerdings nur insoweit eintreten, als seine Anordnung reicht (BGH, NJW 1996, 2373). Die Anordnung des Auftraggebers einerseits und der Übergang des Risikos für Mängel andererseits müssen einander im Einzelnen entsprechen. Daraus ergibt sich eine Abstufung, je nachdem, ob der Auftraggeber eine speziellere oder nur eine generelle Anordnung trifft. Je spezieller die Anordnung ist, desto weiter reicht die Freistellung des Auftragnehmers von seiner Gewährleistungspflicht. Bestimmt der Auftraggeber dagegen wie hier nur generell, welcher Stoff verwendet werden soll, dann muss er lediglich auf dieser allgemeineren Ebene das Risiko für Mängel übernehmen. Er hat nur dafür einzustehen, dass der Stoff generell für den vorgesehenen Zweck geeignet ist. Das darüber hinausgehende Risiko bleibt beim Auftragnehmer. Dieser muss für einen trotz genereller Eignung des Stoffes im Einzelfall auftretenden Fehler weiterhin einstehen. Bei Verwendung eines höheren E-Moduls, wie es das Musterprofil ausweist, und einer anderen Zusammensetzung des Füllstoffes wäre das vom Architekten des Klägers vorgegebene Material "Mipolam P 350" für die konkreten Handläufe der Nebentreppen geeignet gewesen (S. 13 und 15 des Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. F...).

7

Der Höhe nach haftet der Beklagte indes nicht für die vollständigen Kosten der Mängelbeseitigung, die sich bei durchgeführter Nachbesserung nach Abzug der vom Sachverständigen Flatau ermittelten Sowiesokosten von brutto 1.252,80 DM auf brutto 20.872,08 DM (= 10.671,72 EUR) belaufen hätten, wie insoweit das Landgericht zutreffend errechnet hat.

8

Bei dieser Schadensberechnung hat das Landgericht unberücksichtigt gelassen, dass sich die vom Beklagten im Sommer 1996 auf den Flachstahl-Handläufen aufgebrachten Bezüge ungeachtet aller Mängelrügen noch nach mehr als fünf Jahren unverändert dort befinden und der Kläger im Termin den Einwand des Beklagten nicht substantiiert bestritten hat, dass zwischenzeitlich die durch Längenänderungen bewirkten Verformungen der Mipolam-Bezüge praktisch zum Stillstand gekommen sind. Wäre dem im Übrigen nicht so, hätten die vorhandenen Treppenhandläufe in der Rehaklinik für Psychosomatik und Orthopädie aus Sicherheitsgründen längst ausgewechselt worden sein müssen. Die vom Kläger unterlassene Schadensbeseitigung trotz der starken Beanspruchung durch die Reha-Patienten spricht dafür, dass die Verformungen mehr einen optischen als einen Gebrauchsmangel darstellen. Vor diesem Hintergrund erweist sich die vom Landgericht für erforderlich gehaltene Nachbesserung durch Anbringung von Stahlrundrohren als unverhältnismäßig im Sinne des § 13 Nr. 6 Satz 1 VOB/B. Dies hat nach § 242 BGB zur Folge, dass sich der Schadensersatzanspruch des Klägers auf den durch die mangelhafte Werkleistung eingetretenen Minderwert beschränkt. Diesen Minderwert schätzt der Senat gemäß § 287 Abs. 1 ZPO auf lediglich ein Fünftel der Beseitigungskosten. Dieser relativ geringe Wert erscheint deshalb als gerechtfertigt, weil nicht deutlich geworden ist, dass die Mängelerscheinungen an den Handläufen der Nebentreppen im Betrieb der Reha-Klinik zu Behinderungen oder gar Gefährdungen der Patienten geführt haben und nicht vielmehr eher als optische Beeinträchtigungen einzuordnen sind.

9

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 543 Abs. 2 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.