Sozialgericht Braunschweig
Urt. v. 06.03.2018, Az.: S 52 AS 361/17

abschließende Entscheidung; endgültige Festsetzung; Erstattung; materiell-rechtliche Leistungsablehnung; Nachholung der Mitwirkung; Rechtsfolgenbelehrung; Versagungsentscheidung; Widerspruchsverfahren

Bibliographie

Gericht
SG Braunschweig
Datum
06.03.2018
Aktenzeichen
S 52 AS 361/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 73924
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Gegen die abschließende Leistungsfeststellung nach § 41a Abs 3 Satz 3 und 4 SGB II ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft.

2. Die auf § 41a Abs 3 Satz 3 und 4 SGB II gestützte abschließende (teilweise) Leistungsablehnung ist eine materiell-rechtliche Leistungsablehnung.

3. An die schriftliche Rechtsfolgenbelehrung im Sinne des § 41a Abs 3 Satz 3 SGB II sind dieselben Anforderungen wie an die Rechtsfolgenbelehrungen im Sanktionsrecht (§ 31 ff SGB II) zu stellen. Diese müssen also konkret, verständlich, richtig und vollständig sein.

4. Enthält eine Rechtsfolgenbelehrung nach § 41a Abs 3 Satz 3 SGB II keinen Hinweis auf die Erstattungspflicht nach § 41a Abs 6 SGB II im Falle der (teilweisen) Leistungsablehnung, ist sie nicht vollständig.

5. Holt die leistungsberechtigte Person im Widerspruchsverfahren gegen eine Entscheidung nach § 41a Abs 3 Satz 3 und 4 SGB II die geforderten Mitwirkungshandlungen nach, sind die vorgelegten Unterlagen und abgegebenen Erklärungen zu berücksichtigen.

Tenor:

Der Bescheid vom 26. Januar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2017 wird geändert und der Beklagte verurteilt, den Anspruch des Klägers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum Mai bis Oktober 2016 in Höhe von monatlich 656,62 EUR abschließend festzusetzen.

Soweit mit dem genannten Bescheid eine Erstattungsforderung geltend gemacht wird, wird dieser aufgehoben.

Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen des Klägers.

Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Erstattungsforderung des Beklagten.

Der 1972 geborene, alleinstehende Kläger bezieht seit mindestens 2013 vom Beklagten Arbeitslosengeld II (Alg II). Ergänzend betreibt der Kläger eine selbstständige Tätigkeit im Bereich Verkauf, Promotion, Einzelhandel mit Uhren („E.“). Im Hinblick auf die zu diesem Zeitpunkt nicht abschließend feststehenden Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 9. Mai 2016 dem Kläger für die Zeit von Mai bis Oktober 2016 Alg II - wie auch schon in den Vorzeiträumen - unter Hinweis auf § 40 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in der bis zum 31. Juli 2016 geltenden Fassung (a.F.) i.V.m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) vorläufig. Er bewilligte Leistungen in Höhe von monatlich 656,62 EUR. Er rechnete kein Einkommen an und berücksichtigte die Aufwendungen des Klägers für die von ihm damals zur Untermiete bewohnte Unterkunft in tatsächlicher Höhe von monatlich 243,33 EUR (davon 50 EUR für Heizkosten) zzgl. eines Mehrbedarfes für dezentrale Warmwasserbereitung.

Mit Schreiben vom 6. Dezember 2016 forderte der Beklagte den Kläger unter Fristsetzung bis zum 31. Dezember 2016 unter Vorlage des Vordrucks „Anlage EKS“ und entsprechender Unterlagen die tatsächlichen Betriebseinnahmen und -ausgaben im Bewilligungszeitraum Mai bis Oktober 2016 nachzuweisen. Das Schreiben endete mit folgendem Hinweis: „Sollten Sie bis zum obigen Datum die erforderlichen Unterlagen ohne Begründung nicht oder nicht vollständig einreichen, werde ich den Leistungsanspruch für den Bewilligungszeitraum nur in der Höhe abschließend feststellen, in welcher die Anspruchsvoraussetzungen ganz oder teilweise nachgewiesen worden. Soweit keine Nachweise vorliegen, werde ich feststellen müssen, dass kein Leistungsanspruch besteht (§ 41a Absatz 3 SGB II).“

Nachdem keine Unterlagen beim Beklagten eingegangen waren, lehnte der Beklagte mit zwei Bescheiden vom 26. Januar 2017 den klägerischen Bewilligungsantrag für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober 2016 endgültig ab und verlangte die Erstattung aller gewährten Leistungen (insgesamt 3.939,72 EUR). Da der Kläger keine Angaben zu seinen Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit gemacht habe, könne dessen Hilfebedürftigkeit nicht festgestellt werden. Die Leistungen seien daher zu erstatten (Hinweis auf § 41a Abs. 6 SGB II).

Der Kläger legte am 8. Februar 2017 Widerspruch ein. Er habe aufgrund seines Umzuges vergessen, die Unterlagen einzureichen. Diese füge er bei mit der Bitte um nochmalige Entscheidung bei.

Ausweislich der beigefügten Unterlagen (unter anderem „Anlage EKS“) hatte der Kläger Betriebseinnahmen im streitgegenständlichen Zeitraum von 225 EUR im Mai, 249 EUR im Juni, 118 EUR im Juli, 69 EUR im August, 0 EUR im September und 177 EUR im Oktober. Als Betriebsausgaben (überwiegend für Büromaterial, Telefonkosten, Beratungskosten, Druckeranschaffung und Reparatur des Anlagevermögens) machte er im Mai 131,47 EUR, im Juni 250,19 EUR, im Juli 224,27 EUR, im August 69,90 EUR, im September 45,85 EUR und im Oktober 79,91 EUR geltend (siehe im Einzelnen: „Anlage EKS“: Bl. 498 ff. der Verwaltungsakte).

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2017 als unbegründet zurück. Der Kläger habe innerhalb der gesetzten Frist die angeforderten Unterlagen nicht eingereicht. Nach Maßgabe von § 41a Abs. 3 SGB II sei daher die endgültige Leistungsablehnung rechtmäßig erfolgt. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens sei lediglich zu prüfen, ob die Festsetzung des Leistungsanspruchs als solche ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Die Nachreichung der erforderlichen Unterlagen im Widerspruchsverfahren sei unerheblich.

Der Kläger hat am 7. März 2017 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass die von ihm eingereichten Unterlagen zu berücksichtigen seien. Aufgrund seines Umzuges im Dezember 2016 habe er die Unterlagen erst im Februar 2017 übersenden können. Ausweislich dieser Unterlagen ergebe sich nur ein geringer Gewinn, weshalb zweifelsfrei nachgewiesen sei, dass Hilfebedürftigkeit bestanden habe.

Er beantragt schriftsätzlich,

1. die Bescheide des Beklagten vom 26. Januar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2017 aufzuheben und

2. den Beklagten zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis 31. Oktober 2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II unter Anrechnung des erzielten Einkommens zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt seine getroffenen Entscheidungen. Die nachträgliche Vorlage von Unterlagen berühre nicht die Rechtmäßigkeit des Ausgangsbescheides. Auch wäre eine Fristverlängerung nach § 26 Abs. 7 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nicht in Betracht gekommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, sowie die von dem Beklagten als Verwaltungsvorgänge vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Kammer entscheidet mit Zustimmung der Beteiligten (vgl. Schriftsätze vom 22. Januar und 12. Februar 2018) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Klage ist zulässig (dazu I.) und begründet (dazu II.).

I.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§§ 54 Abs. 1 Satz 1, 56 SGG) statthaft.

1. Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG kann durch Klage die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden.

Streitgegenständlich sind die beiden Bescheide vom 26. Januar 2017, die einen einheitlichen Bescheid bilden, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2017. Dieser enthält zwei Verfügungsätze und mithin zwei Verwaltungsakte im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X. Zum einen hat der Beklagte unter Berufung auf § 41a Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB II (die Regelung des § 41a SGB II findet hier Anwendung, weil der Bewilligungszeitraum vor dem 1. August 2016 noch nicht beendet war, § 80 Abs. 2 Nr. 2 SGB II) festgestellt, dass ein Leistungsanspruch für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht bestand. Zum anderen hat er die vorläufig bewilligten, überzahlten Leistungen erstattet verlangt (§ 41a Abs. 6 Satz 3 und 4 SGB II). Diese „Zweiteilung“ des Regelungsinhaltes von Bescheiden, mit denen vorläufige Leistungen zurückverlangt werden, ist bezüglich der Erstattungsregelung bzw. der entsprechenden endgültigen Festsetzung nach § 328 Abs. 2 und 3 Satz 2 Halbs. 1 SGB III, die bis zum 31. Juli 2016 auch im SGB II Anwendung fand (siehe § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II a.F.), - soweit ersichtlich - unbestritten (ausdrücklich: Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 328 Rn. 249 und Schaumberg in jurisPK-SGB III, 1. Aufl. 2014, § 328 Rn. 125; dies voraussetzend: BSG, Urteil vom 8. Februar 2017 - B 14 AS 22/16 R - juris Rn. 11). Dieser Grundkonzeption folgt auch § 41a SGB II (Abs. 3 einerseits, Abs. 6 Satz 3 und 4 andererseits; ausdrücklich in diesem Sinne: Kallert in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 68. EL Dezember 2017, § 41a SGB III, Rn. 114).

Daher richtet sich das Klageziel des Leistungsberechtigten bei der abschließenden Entscheidung mit einer verbundenen Erstattung neben der Aufhebung des Erstattungsbescheides und der Änderung des Leistungsbescheides auch darauf, den Beklagten zu verpflichten auszusprechen, dass ihm abschließend höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zustehen, als im angefochtenen Bescheid festgesetzt wurden. Bei einer reinen Anfechtungsklage würde der Verfügungssatz insgesamt entfallen, ohne dass dem verfahrensrechtlichen Anspruch des jeweiligen Klägers auf eine zutreffende abschließende Entscheidung Rechnung getragen wäre (zu § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II a.F. i.V.m. § 328 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 SGB III: BSG, aaO.; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. Januar 2018 - L 7 AS 18/16 -; a.A. allerdings noch BSG, Urteil vom 12. Oktober 2016 - B 4 AS 60/15 R - juris Rn. 13: reine Anfechtungsklage).

Daher begehrt der Kläger bei verständiger Würdigung im Sinne des Meistbegünstigungsgrundsatzes (vgl. § 123 SGG) neben der Aufhebung der Erstattungsverfügung und der Änderung des angefochtenen Bescheides im Wege der Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, 1 Alt. SGG) auch die Verpflichtung des Beklagten zur abschließenden Feststellung seines Leistungsanspruchs für den Zeitraum Mai bis Oktober 2016 ohne Anrechnung von Einkommen im Wege der Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. SGG). Der Kläger formuliert insoweit zwar lediglich, ihm seien Leistungen „unter Anrechnung des erzielten Einkommens zu gewähren“. Aus der Klagebegründung und der dortigen Aufstellung des nach Auffassung des Klägers von ihm erzielten Gewinn in den einzelnen Monaten (Schriftsatz vom 17. Juli 2017) ergibt sich aber ausreichend deutlich, dass er der Auffassung ist, dass kein anrechenbares Einkommen verbleibt.

2. Dass der Beklagte seine Ablehnungsentscheidung auf § 41a Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB II und damit lediglich auf die Behauptung, der Kläger habe nicht ausreichend an der Feststellung der Leistungsvoraussetzungen mitgewirkt, gestützt hat, führt zu keinem anderem Ergebnis. Dieser Umstand begründet nicht die Statthaftigkeit der reinen Anfechtungsklage. Vielmehr ist auch in diesem Fall die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft (SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017 - S 179 AS 6737/17 - juris Rn. 44, Revision anhängig unter B 4 AS 39/17 R; SG Dortmund, Urteil vom 8. Dezember 2017 - S 58 AS 2170/17 - juris Rn. 20; Merten in BeckOK Sozialrecht, Stand 1.12.2017, § 41a SGB II Rn. 28; a.A. SG Augsburg, Urteil vom 3. Juli 2017 - S 8 AS 400/17- juris Rn. 17; SG Berlin, Urteil vom 13. November 2017 - S 61 AS 4057/17 - juris Rn. 24, Revision anhängig unter B 14 AS 4/18 R; SG Leipzig, Urteile vom 20. November 2017 - S 17 AS 2232/17 und S 17 AS 1746/17 - juris Rn. 19 ff. bzw. 16 ff.; SG Duisburg, Gerichtsbescheid vom 2. Januar 2018 - S 49 AS 3349/17 - juris Rn. 20 ff.). Die Entscheidung nach § 41a Abs. 3 Satz 4 SGB II ist nämlich im Hinblick auf ihre Rechtsfolge nicht mit der Versagungsentscheidung nach § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) vergleichbar (zur in der Regel ausschließlichen Statthaftigkeit der reinen Anfechtungsklage bei Entscheidungen nach § 66 SGB I: BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 78/08 R - juris Rn. 11 ff.) sondern eine materiell-rechtliche Leistungsablehnung (so bereits Kallert, aaO., Rn. 86 und wohl auch Merten, aaO.). Diese Auslegung der Regelungen ist geboten, um innerhalb des differenzierten Regelungssystems des § 41a SGB II die Interessen der leistungsberechtigten Person und des Grundsicherungsträgers ausgehend vom Sinn und Zweck der Regelung in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.

a. § 41a Abs. 3 SGB II lautet wie folgt:

Die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheiden abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch, sofern die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht oder die leistungsberechtigte Person eine abschließende Entscheidung beantragt (Satz 1). Die leistungsberechtigte Person und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen sind nach Ablauf des Bewilligungszeitraums verpflichtet, die von den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum Erlass einer abschließenden Entscheidung geforderten leistungserheblichen Tatsachen nachzuweisen; die §§ 60, 61, 65 und 65a des Ersten Buches gelten entsprechend (Satz 2). Kommen die leistungsberechtigte Person oder die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ihrer Nachweis- oder Auskunftspflicht bis zur abschließenden Entscheidung nicht, nicht vollständig oder trotz angemessener Fristsetzung und schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen nicht fristgemäß nach, setzen die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende den Leistungsanspruch für diejenigen Kalendermonate nur in der Höhe abschließend fest, in welcher seine Voraussetzungen ganz oder teilweise nachgewiesen wurden (Satz 3). Für die übrigen Kalendermonate wird festgestellt, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand (Satz 4).

Mithin ist immer dann abschließend zu entscheiden, wenn die leistungsberechtigte Person dies beantragt, oder die abschließend zustehende Leistung nicht der vorläufig bewilligten entspricht, wobei der leistungsberechtigten Person zum Zwecke der Feststellung der Voraussetzungen Mitwirkungsobliegenheiten und Nachweispflichten auferlegt werden. Wird diesen Nachweis- und Auskunftspflichten trotz Belehrung über die Rechtsfolgen und angemessener Fristsetzung nicht oder nicht vollständig nachgekommen (zum insoweit versehentlich missverständlichen Wortlaut von Abs. 3 Satz 3: siehe Formann, SGb 2016, 615, 617 und Kemper in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 41a Rn. 46), setzt der Träger den Leistungsanspruch nur in dem Umfang fest, in dem er nachgewiesen wurde und stellt im Übrigen fest, dass kein Leistungsanspruch bestand.

Insgesamt stellt sich die Regelung des § 41a Abs. 3 SGB II dem Rechtsanwender mithin etwas eigenwillig dar. Satz 2 normiert zunächst gerade durch die Anordnung der entsprechenden Geltung bestimmter allgemeiner Mitwirkungstatbestände der §§ 60 ff. SGB I gewisse Mitwirkungspflichten, ohne allerdings die entsprechende Geltung der Regelung über die Rechtsfolge von Verstößen gegen Mitwirkungspflichten (Versagung der Leistung: § 66 SGB I) anzuordnen. Betrachtet man den Wortlaut des Satzes 3 und die dort benannten Voraussetzungen, normiert dieser einen mit § 66 SGB I vergleichbaren Tatbestand (siehe insbesondere § 66 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 SGB I). Während allerdings § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I deutlich auf die Vorläufigkeit seiner Rechtsfolge hinweist („kann der Leistungsträger ... die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen“), bestimmt § 41a Abs. 3 Satz 3 SGB II als Rechtsfolge zunächst mit der Anordnung das Leistungen in der Höhe bewilligt werden, in der sie nachgewiesen worden sind, eine ziemliche Selbstverständlichkeit. Die eigentliche Rechtsfolge der unzureichenden Mitwirkung regelt § 41a Abs. 3 Satz 4 SGB II, wobei die Aussage „wird festgestellt, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand“ eine materiell-rechtliche Wirkung nahelegt (vgl. auch Kemper, aaO. Rn. 43). Zu der naheliegenden und wie auch hier praxisrelevanten Frage, was passiert, wenn die Mitwirkungspflichten nachgeholt werden, schweigt das Gesetz. Dieses Schweigen spricht allerdings für eine materiell-rechtliche Wirkung der Ablehnungsentscheidung, weil in diesem Fall eine Regelung zur Nachholung der Mitwirkung wie in § 67 SGB I nicht nötig ist. Die Folgen der im weiteren Verlauf nachgeholten Mitwirkung ergeben sich dann aus dem materiellen Recht unter Berücksichtigung der jeweiligen verfahrensrechtlichen bzw. prozessualen Situation.

Innerhalb der übrigen Absätze von § 41a SGB II finden sich keine eindeutigen Hinweise zum rechtlichen Charakter der Leistungsablehnung nach § 41a Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB II. Während etwa § 41a Abs. 4 Satz 1 SGB II ohne weitere Differenzierungen an die „abschließende Feststellung des Leistungsanspruches nach Absatz 3“ anknüpft, wird im Rahmen der Erstattungsregelung in § 41a Abs. 6 SGB II ausdrücklich geregelt, dass in den Fällen des Absatzes 3 Satz 3 und 4 die Regelungen zur Anrechnung der vorläufigen Leistungen, Saldierung und Erstattung von Überzahlungen in § 41a Abs. 6 Satz 1 bis 3 SGB II „auch“ gelten (§ 41a Abs. 6 Satz 4 SGB II). Gleichwohl dürfte diese Regelung eher klarstellende Funktion haben, da auch ohne deren Vorhandensein das Gesetz keine Anhaltpunkte für die Nichtanwendung des § 41a Abs. 6 Satz 1 bis 3 SGB II bei Entscheidungen nach § 41a Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB II bieten würde (ebenso Kallert, aaO. Rn. 116).

b. Unter Berücksichtigung des Vorstehenden streitet der Regelungszweck für den materiell-rechtlichen Charakter der Regelung. Die Gesetzgebungsmaterialien zu der konkreten Regelung in § 41 Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB II (BT-Drs. 18/8041, S. 51) sind zwar unergiebig (Kemper, aaO.), weil sie die Regelungen des Satzes 3 und 4 nur in etwas anderer Formulierung wiedergeben. Mit dem Neunten Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung, welches die hier streitige Regelung einführte, verfolgte der Gesetzgeber aber allgemein das Ziel, leistungsberechtigten Personen schneller und einfacher Klarheit über das Bestehen und den Umfang von Rechtsansprüchen zu verschaffen, sowie die von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Jobcentern anzuwendenden Verfahrensvorschriften zu vereinfachten (BT-Drs., S. 1, 21). Dieser Gedanke der Rechtsvereinfachung wird aber nicht ausreichend berücksichtigt, wenn die Leistungsablehnung nach § 41 Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB II lediglich als (vorläufige) Versagungsentscheidung wie in § 66 SGB I verstanden wird. Denn eine Versagungsentscheidung beendet das Verwaltungsverfahren zu einem bestimmten Lebenssachverhalt nämlich nicht endgültig, sondern nur vorläufig. Die Behörde kann bei Nachholung der Mitwirkung oder bei Aufhebung der Versagungsentscheidung durch ein Gericht zu einer erneuten Sachprüfung verpflichtet sein. Mithin schafft die Versagungsentscheidung nur in diesem begrenzten Umfang für die Beteiligten Rechtssicherheit. Ist die Rechtsfolge der unterbliebenen Mitwirkung dagegen die materiell-rechtliche Leistungsablehnung verbunden mit der Pflicht zur Erstattung der vorläufigen Leistungen, ist sichergestellt, dass dieser Bescheid (ggf. nach Durchführung eines Vor- und Klageverfahrens dann in der Gestalt einer gerichtlichen Entscheidung) den streitigen Lebenssachverhalt vorbehaltlich allgemeiner Regelungen etwa der in § 131 Abs. 5 SGG endgültig regelt.

c. Wenn man dagegen die Entscheidung als „echte“ Versagungsentscheidung begreifen wollen würde, die im Wege der reinen Anfechtungsklage bei Nichtvorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen vollständig aufzuheben wäre, ergibt sich aufgrund des Verhältnisses von vorläufiger und endgültiger Entscheidung ein Schwebezustand, der keine Rechtssicherheit schafft. Ergeht eine endgültige Entscheidung erledigt sich die vorläufige Entscheidung auf sonstige Weise im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB X (st. Rspr. siehe nur BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 - B 4 AS 139/10 R - juris Rn. 13). Würde die endgültige Entscheidung aufgehoben werden, ohne durch eine andere endgültige Entscheidung ersetzt zu werden, existiert keine wirksame Regelung über den Lebenssachverhalt mehr. Die vorläufige Entscheidung lebt nämlich nicht wieder auf.

Dieser Schwebezustand würde nur dann nicht eintreten, wenn die vorläufige Entscheidung trotz der Entscheidung nach § 41a Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB II sich nicht erledigen würde. Dann würde das Fortbestehen der Wirksamkeit der vorläufigen Entscheidung allerdings nur noch von Zufälligkeiten abhängen. Denn selbst wenn die Entscheidung nach § 41a Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB II bestandskräftig wird und sich die vorläufige Entscheidung damit erledigt, bliebe noch die Möglichkeit, dass die leistungsberechtigte Person die Überprüfung der Entscheidung nach § 44 SGB X beantragt, mit der Folge, dass bei Rechtswidrigkeit der Entscheidung die vorläufige Bewilligung wiederaufleben müsste. Allein diese Folgeprobleme – die Kammer ist zuversichtlich, dass die Rechtspraxis noch weitere Folgeprobleme finden würde (vgl. etwa die im hiesigen Zusammenhang dann zu diskutierende Reichweite der Endgültigkeitsfiktion in § 41a Abs. 5 SGB II) – widersprechen der mit der Regelung bezweckten Rechtsanwendungsvereinfachung.

d. Die Kammer stellt allerdings nicht in Abrede, dass die von ihr bevorzugte Lösung dazu führen kann, dass im Streitfall die Gerichte diejenigen sind, die erstmals „in der Sache“ über die Höhe des Leistungsanspruches entscheiden müssen, wenn die Voraussetzungen von § 41a Abs. 3 Satz 3 SGB II im Einzelfall von der Behörde zu Unrecht bejaht worden sind. Der Versuch dies zu vermeiden, ist insoweit auch kennzeichnend für die meisten der zu § 41a Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB II bis dato veröffentlichten oben bereits zitierten Entscheidungen. Allerdings ist der gerichtlichen Überprüfung immanent, dass bei von der behördlichen Beurteilung abweichenden Beurteilung der Sach- und Rechtslage Tatsachen bedeutsam werden, zu denen von der Behörde konsequenterweise keine Feststellungen getroffen worden (z.B. wenn die Behörde den Widerspruch aus Sicht des Gerichts zu Unrecht als unzulässig verworfen hat). Gleichwohl hat das Gericht in der Sache zu entscheiden, wenn wie hier gebundenen Entscheidungen angefochten sind. Damit korrespondiert das fehlende Rechtsschutzbedürfnis für die isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides in Fällen der gebundenen Entscheidung (hierzu B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 95 Rn. 3c, 3e m.w.N.).

Einzige Ausnahme ist die Möglichkeit der Zurückverweisung nach § 131 Abs. 5 SGG innerhalb von sechs Monaten nach Eingang der Akten der Behörde bei Gericht zur Durchführung weiterer Sachaufklärung. Dies setzt unter anderem die Notwendigkeit erheblicher weiterer Ermittlungen im Einzelfall voraus. Dies dürfte allerdings in Fällen wie dem Vorliegendem eher nur dann in Betracht kommen, wenn tatsächlich aufgrund der Komplexität der selbstständigen Tätigkeit bzw. der allgemeinen Einkommenssituation sehr umfangreiche Unterlagen beizuziehen oder gar Zeugen zu befragen sind. Die Berechnung der Höhe des anzurechnenden Einkommens anhand der Angaben des Leistungsberechtigten in der Anlage EKS und die Prüfung der Berücksichtigungsfähigkeit der Betriebsausgaben nach den Vorgaben von § 3 Arbeitslosengeld II-/Sozialgeldverordnung (Alg II-V), die im Einzelfall sicherlich sehr zeitaufwendig sein kann, ist aber keine Sachverhaltsermittlung, sondern die rechtliche Bewertung des Sachverhalts. Welche Anforderungen im Einzelfall zu stellen sind, kann die Kammer hier offenlassen, weil im hiesigen Fall eine Zurückverweisung nach § 131 Abs. 5 SGG schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil die Sechs-Monats-Frist im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abgelaufen ist.

II.

Die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist begründet.

Der Kläger ist beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG), weil der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist. Der Beklagte war nicht berechtigt unter Hinweis auf die nicht vorgelegten Unterlagen nach § 41a Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB II zu entscheiden (dazu 1.). Der Kläger hat vielmehr Anspruch auf die abschließende Feststellung seines Leistungsanspruchs für den Zeitraum Mai bis Oktober 2016 in Höhe der vorläufig bewilligten Leistungen (dazu 2.). Daraus folgt, dass er nicht zur Erstattung von Leistungen verpflichtet ist (dazu 3.).

1. Der Grundsicherungsträger kann die Leistungsablehnung nach § 41a Abs. 3 Satz 4 SGB II nur auf die unzureichende Mitwirkung durch den Leistungsberechtigten stützen, wenn dieser trotz angemessener Fristsetzung und schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen seinen Auskunfts- und Nachweispflichten bis zur abschließenden Entscheidung nicht oder nicht vollständig nachkommt (zum missverständlichen Gesetzeswortlaut siehe bereits oben I.2.a). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

a. Unbeschadet der Frage, ob hier eine angemessene Fristsetzung durch den Beklagten erfolgte, fehlt es an einer ausreichenden Belehrung über die Rechtsfolgen.

Weder dem Gesetz selbst noch der Gesetzesbegründung sind nähere Anforderungen an die Rechtsfolgenbelehrung zu entnehmen. Es liegt allerdings nahe, denselben Maßstab anzulegen, den die Rechtsprechung bei der Rechtsfolgenbelehrung im Hinblick auf mögliche Pflichtverletzungen nach den §§ 31 ff. SGB II verwendet, da das Gesetz sowohl in § 31 Abs. 1 Satz 1 als auch in § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II dieselbe Formulierung wie in § 41a Abs. 3 Satz 3 SGB II („schriftliche Belehrung über die Rechtsfolgen“) verwendet (in diesem Sinne SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017, Rn. 66; SG Berlin, Urteil vom 13. November 2017, Rn. 45). Nach der Rechtsprechung des BSG zum Sanktionsrecht muss die Rechtsfolgenbelehrung nach ihrem objektiven Erklärungswert konkret, verständlich, richtig und vollständig sein (z.B. BSG, Urteil vom 15. Dezember 2010 - B 14 AS 92/09 - juris). Durchgreifende Gründe gegen die Übertragung der entsprechenden Anforderungen bestehen nicht, zumal in beiden Fällen einschneidende, für den Betroffenen negative Rechtsfolgen drohen.

Denkbar wäre alternativ aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit des § 41a Abs. 3 Satz 3 SGB II und § 66 SGB I die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung in Anlehnung an die Vorgaben der Rechtsprechung zu § 66 Abs. 3 SGB I zu bestimmen. Dagegen spricht aber entscheidend, dass § 66 SGB I anders als § 41a Abs. 3 Satz 3 SGB II als Ermessensregelung ausgestaltet ist, die mithin ganz andere Probleme im Hinblick auf die Einzelfallbezogenheit und Vollständigkeit der Belehrung stellt (siehe zum Streitstand bei § 66 SGB I etwa LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. September 2015 - L 13 AS 170/13 - juris Rn. 23 ff.).

In diesem Fall liegt nach den dargestellten Voraussetzungen keine vollständige Rechtsfolgenbelehrung vor. Dem insoweit maßgeblichen Hinweisschreiben des Beklagten vom 6. Dezember 2016 ist lediglich zu entnehmen, dass im Falle der Nichtmitwirkung eine vollständige Leistungsablehnung nach § 41a Abs. 3 SGB II erfolgen wird. Der für den durchschnittlichen juristisch nicht ausgebildeten Adressaten, wie hier dem Kläger, aber viel bedeutendere Umstand, dass in diesem Falle die vorläufig gewährten Leistungen vollständig zu erstatten sind (§ 41a Abs. 6 Satz 3 und 4 SGB II), bleibt unerwähnt, obwohl dies mangels irgendeines Ermessensspielraums des Grundsicherungsträgers zwingend und die Erstattungspflicht daher unmittelbare Folge der Entscheidung nach § 41a Abs. 3 Satz 4 SGB II ist (ebenso SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017, Rn. 67; SG Berlin, Urteil vom 13. November 2017, Rn. 45; wohl auch Kallert, aaO., Rn. 88).

b. Die Entscheidung des Beklagten bleibt schließlich auch dann rechtswidrig, wenn man annähme, dass die Rechtsfolgenbelehrung ordnungsgemäß erfolgt und eine angemessene Frist gesetzt worden ist. Zwar hätte der Beklagte bei dieser Sachlage mit dem Ausgangsbescheid vom 26. Januar 2017 zu Recht festgestellt, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand, weil zu diesem Zeitpunkt der Kläger keine Unterlagen über die Einnahmen und Ausgaben seiner selbstständigen Tätigkeit vorgelegt und damit gegen die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten (§ 41a Abs. 3 Satz 2 SGB II) verstoßen hatte. Dabei übersieht der Beklagte allerdings, dass dieser Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob der Leistungsberechtigte seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen ist, nicht von Bedeutung ist, wenn der Leistungsberechtigte, wie hier der Kläger, gegen den Ablehnungsbescheid Widerspruch einlegt hat.

Bei einem zulässigen Widerspruch muss die Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt nämlich hinsichtlich Recht- und Zweckmäßigkeit überprüfen und neues Vorbringen berücksichtigen. Die Widerspruchsstelle entscheidet damit in der Sache neu (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 78 Rn. 2a und § 85 Rn. 4a). Damit korrespondiert, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage sowohl bei der reinen Anfechtungsklage als auch bei der Verpflichtungsklage in aller Regel zumindest der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ist. Dabei richtet sich die Bestimmung des entscheidungserheblichen Zeitpunkts nach dem einschlägigen materiellen Recht (siehe nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, aaO., § 54 Rn. 33 ff. m.w.N. aus der Rspr.).

Dass entgegen dieses Grundsatzes hier das materielle Recht, also § 41a Abs. 3 SGB II, als entscheidungserheblichen Zeitpunkt den Zeitpunkt des Erlasses der ersten Behördenentscheidung bestimmt, kann der Regelung nicht entnommen werden. Für eine derart weitreichende Auslegung der Formulierung „bis zur abschließenden Entscheidung“ in § 41a Abs. 3 Satz 3 SGB II lassen sich weder dem sonstigen Wortlaut der Regelung noch der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/8041, S. 51) irgendwelche Hinweise entnehmen (davongehen aber offenbar die Fachlichen Hinweise der Bundesagentur für Arbeit zu § 41a SGB II, Rn. 41a.24 aus). Der Kammer leuchtet nicht ein, warum eine derartige rechtsschutzfeindliche Auslegung ohne eindeutige Hinweise im Wortlaut der Regelung zwingend sein soll. Dies konterkariert auch nicht den mit der Gesetzesänderung verfolgten Zweck der Rechts- bzw. Anwendungsvereinfachung (siehe z.B. BT-Drs. 18/8041, S. 50). Durch die Möglichkeit die fehlende Mitwirkung durch die materielle Leistungsablehnung „sanktionieren“ zu können, ist dieses Ziel verwirklicht worden. Dass sich im Widerspruchsverfahren durch neu vorgetragene Tatsachen die Unrichtigkeit der Ausgangsentscheidung ergibt, ist ein Risiko das Behörden regelmäßig zu tragen haben und ist diesem daher immanent, zumal im Widerspruchsverfahren neben der Rechtmäßigkeits- auch eine Zweckmäßigkeitsprüfung zu erfolgen hat (ebenso SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017, Rn. 75; Kemper, aaO., Rn. 50 f.). Die Gegenauffassung (siehe SG Duisburg, Gerichtsbescheid vom 2. Januar 2018, Rn. 32-34) setzt sich mit diesen dargestellten rechtlichen Grundsätzen überhaupt nicht auseinander und kann insoweit nicht überzeugend begründen, warum durch den Erlass der Ausgangsentscheidung eine materielle Präklusion eintreten soll.

Im hiesigen Fall hat der Kläger mit der Widerspruchsbegründung nicht nur die vollständig ausgefüllte Anlage „EKS“, sondern auch die Nachweise für seine angegebenen Ein- und Ausgaben eingereicht. Mit diesen Unterlagen ist zur Überzeugung der Kammer eine umfassende Beurteilung der Leistungsvoraussetzungen möglich (siehe insoweit unten bei 2.). Gegenteiliges ist auch nicht vorgetragen worden. Mithin lagen die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 41a Abs. 3 Satz 3 und 4 im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides nicht mehr vor.

Ob für etwaige erst im Klageverfahren eingereichte Unterlagen ggf. von einer materiellen Präklusion auszugehen ist, hatte die Kammer mangels Entscheidungserheblichkeit nicht zu entscheiden.

2. In der Sache hat der Kläger Anspruch auf die abschließende Feststellung seines Leistungsanspruchs für den Zeitraum Mai bis Oktober 2016 nach Maßgabe des § 41a Abs. 3 Satz 1 SGB II in Höhe von monatlich 656,62 EUR. Dies entspricht der Höhe der vorläufig bewilligten Leistungen.

Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Er hat das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht (Geburtsjahr 1972), ist erwerbsfähig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II). Er ist auch im genannten Umfange hilfebedürftig, weil er seinen Lebensunterhalt im streitgegenständlichen Zeitraum nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen decken konnte (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 Abs. 1 SGB II).

Der monatliche Gesamtbedarf des Klägers von 656,62 EUR setzt sich aus dem Regelbedarf von 404 EUR (§ 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung i.V.m. der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe für die Zeit ab dem 1. Januar 2016 vom 22. Oktober 2015), dem Mehrbedarf Warmwasserbereitung von 9,29 EUR (§ 21 Abs. 7 SGB II) sowie den tatsächlichen Untermietkosten von 243,33 EUR (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) zusammen.

Dass diesem Bedarf berücksichtigungsfähiges Vermögen nach § 12 SGB II gegenüber steht, ist nicht ersichtlich. Ebenfalls besteht kein anrechenbares Einkommen im Sinne der §§ 11 ff. SGB II. In Betracht kommt hier nur etwaiges Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit. Die Höhe dieses Einkommens ist nach Maßgabe des § 3 Arbeitslosengeld II-/Sozialgeldverordnung (Alg II-V) zu ermitteln. Von den tatsächlich im Bewilligungszeitraum zugeflossenen Betriebseinnahmen sind die tatsächlich im Bewilligungszeitraum geleisteten notwendigen Betriebsausgaben im Bewilligungszeitraum mit Ausnahme der nach § 11b SGB II zu berücksichtigenden Beträge abzusetzen. Für jeden Monat des Bewilligungszeitraums ist der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate ergibt. Anschließend sind die Freibeträge nach § 11b SGB II abzuziehen (§ 3 Abs. 1, 2 und 4 Alg II-V). Der Kläger hat Betriebseinnahmen von insgesamt 838 EUR angegeben und belegt. Weiter hat er Betriebsausgaben von 801,59 EUR geltend gemacht. Dass die einzelnen Ausgaben für Büromaterial, Telefonkosten, Beratungskosten, Druckeranschaffung und Reparaturen (siehe im Einzelnen bereits oben im Tatbestand und Bl. 498 ff. der Verwaltungsakte) nicht notwendig oder unangemessen (vgl. § 3 Abs. 3 Alg II-V) waren, ist weder vorgetragen worden noch ersichtlich.

Damit verbleibt ein berücksichtigungsfähiges Einkommen von monatlich 6,07 EUR, das bereits vom Grundfreibetrag von 100 EUR (§ 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II) konsumiert wird. Einkommen ist also ebenfalls nicht anrechenbar.

3. Mangels Überzahlungen in den einzelnen Monaten kann die Erstattungsforderung nach § 41a Abs. 6 Satz 3 und 4 SGB II keinen Bestand haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Die Sprungrevision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 161 Abs. 2 Satz 1 SGG i.V.m. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die in diesem Verfahren zu klärenden Rechtsfragen betreffen eine zentrale Regelung des SGB II und stellen sich in einer Vielzahl von Klageverfahren, sodass eine zeitnahe Klärung durch das BSG angezeigt ist (siehe auch SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017, Rn. 92).