Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 24.10.2017, Az.: L 11 AS 335/14

Durchschnittskindergeld; Familienleistungsanspruch; Individualanspruch; Kindergeld; Unterhaltsrecht

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
24.10.2017
Aktenzeichen
L 11 AS 335/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53676
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 20.02.2014 - AZ: S 34 AS 2519/12

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Kindergeld ist im SGB II bei dem jeweiligen Kind in der Höhe als Einkommen anzurechnen, in der es für das jeweilige Kind gezahlt wird (§ 11 Abs 1 S 4 i.V.m. S 3 SGB II in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung bzw. § 11 Abs 1 S 5 i.V.m. S 4 SGB II in der seit dem 1. April 2011 geltenden Fassung). Die Anrechnung eines Durchschnittskindergeldes ist nicht zulässig,

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 20. Februar 2014 wie folgt geändert:

Der Bescheid vom 19. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2012 wird aufgehoben.

Der Beklagte wird unter teilweiser Rücknahme der Bescheide vom 27. März und 18. Mai 2008 verurteilt, den Klägern für den Zeitraum Mai bis Juni 2008 jeweils weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von monatlich 12,50 € und für den Zeitraum Juli bis Oktober 2008 in Höhe von jeweils monatlich 12,00 € zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte trägt 1/3 der Kosten des Rechtsstreits.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger des Berufungsverfahrens. Die Kostenentscheidung des Sozialgerichts bleibt unberührt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger und Berufungsbeklagten begehren im Rahmen eines Überprüfungsantrages nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) die Gewährung weiterer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum Mai bis Oktober 2008.

Die 1993, 1995 und 1997 geborenen Kläger bezogen seit 2005 mit ihren Eltern und ihren 2000, 2001 und 2005 geborenen Geschwistern laufende Leistungen nach dem SGB II. Die Rechtsvorgängerin des Beklagten bewilligte für den Zeitraum Mai bis Oktober 2008 mit Bescheiden vom 27. März und 18. Mai 2008 Leistungen in Höhe von insgesamt monatlich 1.623 € (ab Juli: 1.649 €). Dabei berücksichtigte sie als Bedarf für Unterkunft und Heizung einen Betrag in Höhe der tatsächlichen laufenden Aufwendungen von 680 € für die von der Bedarfsgemeinschaft bewohnte Wohnung. Als Einkommen berücksichtigte sie das für die Kläger und deren Geschwister gezahlte Kindergeld (Kläger jeweils 154 €, Geschwister jeweils 179 €), indem sie ein Sechstel des Gesamtkindergeldes (166,50 €) bei jedem Kind auf den Bedarf anrechnete und entsprechend reduzierte Leistungen bewilligte.

In dem von den Klägern gegen den Bescheid vom 18. Mai 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. August 2008 angestrengten Klageverfahren (Sozialgericht - SG - Braunschweig - S 34 AS 2580/08 -) verpflichtete sich die Rechtsvorgängerin des Beklagten wegen „nicht ordnungsgemäßer Anwendung der Rundungsvorschriften“ den hiesigen Klägern und ihren Geschwistern für den Zeitraum Juli bis Oktober 2008 jeweils monatlich weitere 0,50 € pro Person zu gewähren (Schriftsatz im dortigen Verfahren vom 24. September 2009). Nach Annahme dieses Teilanerkenntnisses erklärten die dortigen Kläger das Verfahren am 18. Februar 2011 für erledigt.

Mit Schreiben vom 17. Februar 2011 (Eingang beim Beklagten am 25. Februar 2011) beantragte der Bevollmächtigte für die klägerische Bedarfsgemeinschaft die Überprüfung des Bescheides vom 27. März 2008 und aller „weiteren Bescheide des Bewilligungsabschnitt 5-10/08 und alle sonstigen Bescheide im vorgenannten Zeitraum“.

Diesen Antrag lehnte der Beklagte ab. Im Hinblick auf das beim SG anhängige Gerichtsverfahren dürfte es schon an einem Rechtsschutzinteresse fehlen. Jedenfalls sei der Antrag unbegründet, da die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X nicht erfüllt seien. Anhaltspunkte für deren Vorliegen seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Statt mit einer Rechtsbehelfsbelehrung endet der Bescheid mit dem Hinweis, dass dieser nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens S 34 AS 2580/08 sei (Bescheid vom 19. Juli 2011).

Den Widerspruch der klägerischen Bedarfsgemeinschaft vom 14. Juni 2012 wies der Beklagte zurück. Auf die Zulässigkeit des Widerspruches komme es nicht an, da dieser unbegründet sei. Es bestehe kein Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 27. März 2008 und die Gewährung höherer Leistungen. Zudem erfülle der Antrag nicht die „minimalsten“ Anforderungen, die an einen Antrag nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu stellen seien (Widerspruchsbescheid vom 24. August 2012).

Hiergegen hat die gesamte klägerische Bedarfsgemeinschaft am 10. September 2012 beim SG Braunschweig Klage erhoben. Im Termin zur mündlichen Verhandlung sind dagegen Anträge ausschließlich noch von den Klägern zu 1.-3. gestellt worden (Zahlung von jeweils weiteren 12,50 € pro Monat an die Kläger zu 1.-3.).

Mit Urteil vom 20. Februar 2014 hat das SG den Beklagten antragsgemäß unter Änderung des angefochtenen Bescheides und der Bescheide vom 27. März und 18. Mai 2008 verpflichtet, den Klägern (dort: Kläger zu 3. bis 5) für den streitigen Zeitraum pro Monat 12,50 € wegen fehlerhafter Anrechnung des Kindergeldes zu zahlen. Die Klage sei zulässig, weil nach Abgabe der Erledigungserklärung im Verfahren S 34 AS 2580/08 am 17. Februar 2011 keine anderweitige Rechtshängigkeit mehr bestehe. Die Kindergeldanrechnung für die Kläger zu 3. bis 5. entspreche nicht der gesetzlichen Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II. SGB II-Ansprüche seien Individualansprüche. Bei jedem Kind könne nur das diesem zustehende Kindergeld angerechnet werden, weshalb die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB X erfüllt seien. Zur Überzeugung des Gerichts habe die Verwaltungsbehörde auch ohne neues Vorbringen zu prüfen, ob bei Erlass des bindend gewordenen Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt worden sei. Der Prozessbevollmächtigte habe in seinem Überprüfungsantrag auch den zu überprüfenden Einzelfall konkret bezeichnet, indem er die zu überprüfende Verwaltungsentscheidung benannt habe. Der Beklagte habe ein Drittel der Kosten der Kläger zu tragen. Die Berufung sei nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zuzulassen. Die Entscheidungsgründe des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13. Februar 2014 (- B 4 AS 22/13 -) hätten zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht vorgelegen.

Gegen das dem Beklagten am 17. März 2014 zugestellte Urteil hat dieser am 26. März 2014 Berufung eingelegt. Der klägerische Überprüfungsantrag entspreche nicht den Anforderungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Es sei zumindest erforderlich, dass dargelegt werde, dass bei Erlass des zu überprüfenden Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erwiesen habe. Schließlich seien die Anforderungen des BSG (a.a.O.) an die notwendige Konkretisierung eines Überprüfungsantrages zu beachten. Hier seien diese Anforderungen im Hinblick auf den äußeren Eindruck des Antrags sowie die fehlende individuelle Auseinandersetzung mit der Begründung der Ausgangsbescheide nicht erfüllt. Außerdem sei nur der Bescheid vom 27. März 2008, nicht aber der vom 18. Mai 2008 ausweislich des Antrages zu überprüfen gewesen. Schließlich sei auch die in den Bescheiden vorgenommene Kindergeldanrechnung rechtmäßig (vgl. hierzu im Einzelnen: S. 8 und 9 der Berufungsbegründung).

Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 20. Februar 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger und Berufungsbeklagten beantragen sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufung sei bereits mangels Erreichens des Beschwerdewertes unzulässig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die von dem Beklagten als Verwaltungsvorgänge vorgelegten Unterlagen sowie die beigezogene Akte des gerichtlichen Verfahrens S 34 AS 2580/08 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet mit Zustimmung der Beteiligten (vgl. Erklärungen vom 31. Mai und 12. Juni 2017) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie statthaft, weil das SG sie zugelassen hat. Der Senat ist an diese Entscheidung gebunden (§ 144 Abs. 3 SGG).

Streitgegenständlich ist nur, ob die Kläger im Zeitraum Mai bis Oktober 2008 jeweils Anspruch auf die Gewährung weiterer Leistungen in Höhe von 12,50 € pro Monat haben. Die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (im erstinstanzlichen Verfahren: Kläger zu 1. und 2. sowie 6. bis 8.) haben in der mündlichen Verhandlung ausweislich des von ihrem Bevollmächtigten gestellten Antrages ihre Klagen konkludent nicht mehr aufrechterhalten. Sie haben auch kein Rechtsmittel gegen das Urteil des SG eingelegt und sind daher nicht Beteiligte des Berufungsverfahrens.

Die so verstandene Berufung ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.

1. Begründet ist die Berufung für die Monate Juli bis Oktober 2008 in Höhe von 0,50 € pro Monat und Kläger schon deshalb, weil die Rechtsvorgängerin des Beklagten sich bereits im Verfahren S 34 AS 2580/08 verpflichtet hatte, pro Monat und Person weitere 0,50 € zu zahlen. Damit beträgt die Differenz zwischen den begehrten nur um 154 € (= Höhe des Kindergeldes) gekürzten Leistungen für den Regelbedarf (Kläger zu 1.: 281 € - 154 € = 127 €, Kläger zu 2. und 3. jeweils 211 € - 154 € = 57 €) zu den bewilligten Leistungen nur 12 € (Kläger zu 1. bewilligt 114,50 € zzgl. 0,50 €, Kläger zu 2. und 3. jeweils bewilligt 44,50 € zzgl. 0,50 €).

2. Im Übrigen ist das Urteil des SG nicht zu beanstanden

a. Der Widerspruch vom 14. Juni 2012 war nicht bereits wegen Verfristung unzulässig. Vielmehr war der Hinweis im Bescheid vom 19. Juni 2011, ein Rechtsbehelf sei nicht gegeben, weil der Bescheid nach § 96 SGG Gegenstand des laufenden Klageverfahrens S 34 AS 2580/08 geworden sei, unzutreffend. Dieses Verfahren war am 18. Februar 2011 und damit vor Bekanntgabe des Bescheides bereits beendet gewesen. Daher lief die Monatsfrist des § 84 SGG nicht (§ 66 Abs. 2 Satz 1 SGG).

b. Der Beklagte hat es auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu Unrecht abgelehnt, die Bescheide vom 27. März und 18. Mai 2008 zurückzunehmen.

Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II (hier in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung, vgl. § 77 Abs. 13 SGB II) i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Im Falle der Rücknahme eines Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des Sozialgesetzbuchs längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Antragstellung erbracht.

aa. Entgegen der Auffassung des Beklagten scheitert eine Überprüfung nach § 44 SGB X nicht schon daran, dass kein hinreichend konkreter Antrag vorliegt. Für einen solchen Überprüfungsantrag ist Mindestvoraussetzung, dass der Antrag konkretisierbar ist und entweder aus dem Antrag selbst, ggf. nach Auslegung, oder aus einer Antwort des Antragstellers auf eine Nachfrage des Leistungsträgers der Umfang der Prüfungspflicht für die Verwaltung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens erkennbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2014 - B 14 AS 39/13 R - juris Rn. 15 und BSG, Urteil vom 13. Februar 2014 - B 4 AS 22/13 R - juris Rn. 15; Urteil des Senats vom 29. September 2015 - L 11 AS 1380/13 -, bestätigt i.E. durch BSG, Urteil vom 4. April 2017 - B 4 AS 6/16 R -).

Es kann hier offenbleiben, ob der Antrag vom 25. Februar 2011 hinreichend konkretisiert im o.g. Sinne ist. Jedenfalls ist der Beklagte im Ausgangsbescheid in die Sachprüfung eingetreten, ohne die Kläger um Erläuterung des Prüfbegehrens zu bitten. Dies ist auch im Widerspruchsverfahren nicht geschehen. Der Beklagte wäre bei etwaigen Unklarheiten aber verpflichtet gewesen nachzufragen (BSG, Urteil vom 13. Februar 2014, a.a.O. Rn. 15). Erst wenn trotz entsprechender Nachfrage der Antrag nach § 44 SGB X vollkommen unbestimmt bzw. pauschal bleibt, darf aus diesem Grund eine inhaltliche Überprüfung abgelehnt werden. Daher kann sich der Beklagte hier nicht auf die angeblich fehlende Bezeichnung des „Einzelfalls“ im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X berufen.

bb. Die Rechtsvorgängerin des Beklagten hat bei Erlass der Bescheide vom 27. März und 18. Mai 2008 das Recht unrichtig angewandt.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Anrechnung von einem Sechstel des Gesamtkindergeldes (166,50 €) statt des Kindergeldes in der Höhe, in der es für das jeweilige Kind bewilligt wurde (hier 154 € pro Kläger), als jeweiliges Einkommen der Kläger nicht zulässig (ebenso Thür. LSG, Urteil vom 17. April 2014 - L 9 AS 1180/13 - juris Rn. 29 ff., vgl. auch die Anschluss ergangene Entscheidung des BSG, Beschluss vom 2. Dezember 2014 - B 14 AS 241/14 B - juris Rn.6; i.E. BSG, Urteil vom 14. März 2012 - B 14 AS 17/11 R - juris Rn. 5, 15; Schmidt in: Eicher/Luik, SGB III, 4. Aufl. 2017, § 11 Rn. 32; J. Neumann in: BeckOK Sozialrecht, Stand 1.6.2017, § 11 Rn. 24; Mues in: Estelmann, SGB II, Stand April 2016, § 11 Rn. 42; ebenso auch die Fachlichen Hinweise der BA, Stand 18. August 2016 zu §§ 11-11b SGB II Rz. 4.1; aA. Geiger in: LPK-SGB II, 6. Aufl. 2017, § 11 Rn. 54; Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand Juni 2014, § 11 Rn. 381; Saarl. LSG, Urteil vom 25. Mai 2010 - L 9 AS 9/07 -; und insb. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30. Januar 2013 - L 13 AS 67/11 - juris Rn. 23 ff.)

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder ist, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird, als Einkommen des jeweiligen Kindes anzurechnen (§ 11 Abs. 1 Satz 4 i.V.m.. Satz 3 SGB II in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung - a.F. -, entspricht § 11 Abs. 1 Satz 5 i.V.m.. Satz 4 SGB II in der ab dem 1. April 2011 geltenden Fassung). Schon der Wortlaut („Einkommen des jeweiligen Kindes“) macht deutlich, dass nur das für das jeweilige Kind bewilligte Kindergeld bei diesem anzurechnen ist. § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II a.F. ist eine besondere Zuordnungsregelung, ohne die das Kindergeld bei dem Kindergeldberechtigten im Sinne des § 62 Einkommenssteuergesetz (EStG) bzw. § 1 Abs. 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) anzurechnen wäre (Schmidt, a.a.O., Rn. 29). Das dem Kindergeldberechtigten zufließende Einkommen gilt damit als Einkommen des Kindes (BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R -, juris Rn. 24). Es wird also fingiert, dass dem Kind direkt das ihm zustehende Kindergeld gewährt wird. Abgesehen von der hier nicht einschlägigen Regelung in §§ 74 Abs. 1 Satz 2, 76 Satz 2 Nr. 1 EStG steht dem Kind aber nicht ein Anteil des gesamten gezahlten Kindergeldes, sondern das nach den einschlägigen Regelungen für das jeweilige Kind zu zahlende Kindergeld (§§ 66 EStG, 6 BKGG) zu.

Die Bildung eines „Durchschnittskindergeldes“ würde dagegen zu nicht hinnehmbaren Zufälligkeiten führen. Dem Senat leuchtet nicht ein, wieso allein die Zufälligkeit des Vorhanden-seins von mehr als drei Kindern, für die Kindergeld zu zahlen ist, die Hilfebedürftigkeit eines Kindes mindern (oder erhöhen) soll. Die Gegenauffassung, welche auf den Charakter des einkommenssteuerrechtlichen Kindergeldes als „Familienleistungsanspruch“ abstellt (siehe z.B. LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O., Rn. 25), übersieht, dass Ansprüche nach dem SGB II Individualansprüche sind. Dies kommt gerade in der Fiktion des § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II a.F. zum Ausdruck, weil Zweck der Regelung im Zusammenspiel mit § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II ist, die vorgelagerte Prüfung der Hilfebedürftigkeit eines Kindes zu ermöglichen, mit dem Ziel die Gewährung von Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld an Kinder möglichst zu vermeiden (vgl. BSG, Urteil vom 19. März 2008 - B 11b AS 7/06 R - juris Rn. 16). Letztlich ist das Ergebnis der Zuordnungsregelung, dass das Kind so zu behandeln ist, als hätte es einen eigenen Kindergeldanspruch. Im Übrigen ist es mitnichten so, dass ausschließlich die Eltern oder sonstige gesetzliche Vertreter als Kindergeldberechtigte in Betracht kommen, denn § 1 Abs. 2 BKGG regelt besondere Fallkonstellationen, in denen das Kind selbst Kindergeldberechtigter ist.

Die Bildung eines „Durchschnittskindergeldes“ würde schließlich zu Wertungswidersprüchen mit der Anrechnung von Kindergeld im Unterhaltsrecht (§ 1612b Bürgerliches Gesetzbuch) führen, welches keine Durchschnittsbildung fordert (siehe ausführlich Thür. LSG, aaO. Rn. 32  ff. und etwa Born in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 7. Aufl. 2017, § 1612b Rn. 48 m.w.N.; Viefhus in: jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 1612b Rn. 30).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Der Senat geht davon aus, dass die Problematik der Anrechnung des Kindergeldes durch die bereits erwähnte Entscheidung des BSG vom 2. Dezember 2014 geklärt ist.