Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 24.10.2017, Az.: L 11 AL 9/15

Arbeitsunfähigkeit; Krankentagegeld; leidensgerechte Tätigkeit; Nahtlosigkeitsregelung; objektive Verfügbarkeit; subjektive Verfügbarkeit

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
24.10.2017
Aktenzeichen
L 11 AL 9/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 54272
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 09.10.2014 - AZ: S 59 AL 209/12

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Es besteht keine subjektive Verfügbarkeit im Sinne des § 138 Abs 5 Nr 3 und 4 SGB III, wenn der Versicherte ausschließlich die Wiederaufnahme des bestehenden Arbeitsverhältnisses nach Ende seiner Arbeitsunfähigkeit beabsichtigt, jedoch nicht bereit ist, sich in eine andere leidensgerechte Tätigkeit vermitteln zu lassen.

2. Arbeitslosengeld ist nicht allein deshalb zu zahlen, weil kein Krankengeld gewährt wird (hier bei einer Deckungslücke einer privaten Krankentagegeldversicherung).

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 9. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Zahlung von Arbeitslosengeld I (Alg) für die Zeit vom 24. April bis 9. September 2012.

Die 1963 geborene Klägerin ist seit März 2007 bei der Stadt H. als technische Angestellte beschäftigt (seit 2009 und auch jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,5 Stunden). Sie ist privat bei der I. Krankenversicherung AG (J.) krankenversichert. Im Rahmen ihrer früheren Tätigkeit beim Land Niedersachsen konnte die Klägerin noch eine Entgeltfortzahlung von 26 Wochen beanspruchen. Durch den Wechsel zur Stadt H. im Jahre 2007 stand ihr nur noch eine Entgeltfortzahlung von sechs Wochen zu. Insoweit war eine Vertragsänderung im Hinblick auf den Krankentagegeldanspruch erforderlich. Ihr Versicherungstarif sieht aktuell vor, dass im Falle einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit aufgrund bestimmter im einzelnen bezeichneter Erkrankungen – dies betrifft unter anderem die Folgen einer Verletzung der rechten Schulter und des rechten Armes nach einem Unfall 2007 – Krankentagegeld erst ab dem 183. Tag der Arbeitsunfähigkeit gezahlt werde. Im Übrigen wird Krankentagegeld nach Ende der sechswöchigen Entgeltfortzahlung gezahlt (vgl. Schreiben der J. vom 10. Mai 2012 und Versicherungsschein vom 1. April 2007). Eine andere Vertragsgestaltung war ebenso wie ein Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung nicht möglich.

Aufgrund von Erkrankungen auf orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet beantragte die Klägerin 2010 bei der K. (L.) M. die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente.  Dies lehnte die L. ab (Bescheid vom 14. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2011). Die dagegen eingelegte Klage, mit der die Klägerin ab dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht (SG) am 29. Oktober 2013 nur noch die Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung begehrte, hatte nach Durchführung umfangreicher medizinischer Ermittlungen (unter anderem ein für die Klägerin ungünstiges orthopädisches Gutachten des Dr. N. vom 24. Oktober 2012 nach Untersuchung vom 7. September 2012) keinen Erfolg (SG Braunschweig, Urteil vom 29. Oktober 2013 - S 70 R 780/11 - und Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. September 2015 - L 1 R 510/13 -). Der Klägerin ist zudem für die Zeit ab Februar 2012 ein Grad der Behinderung von 50 aufgrund eines psychosomatischen Syndroms, einer Funktionsstörung des rechten Schultergelenks und des rechten Armes, degenerativen Wirbelsäulenveränderungen und einer craniomandibulären Dysfunktion zuerkannt worden (Bescheid des O. vom 30. Juli 2012).

Zwischenzeitlich war die Klägerin ab dem 28. Februar 2012 aufgrund der Folgen des Unfalls 2007 arbeitsunfähig (siehe Bescheinigungen des Dr. P. vom 28. Februar 2012 für die Zeit bis zum 10. April 2012 und Bescheinigung des Dr. P. vom 23. April 2012 für die Zeit bis zum 31. Juli 2012).

Am 29. Juni 2012 beantragte die Klägerin rückwirkend zum 24. April 2012 bei der Beklagten schriftlich die Zahlung von Alg. Sie habe bis einschließlich 23. April 2012 von ihrem Arbeitgeber Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erhalten. Seitdem erhalte sie von diesem nur noch einen Krankentagegeldzuschuss. Krankentagegeld zahle die J. aufgrund des vereinbarten Leistungsausschluss bei weiter bestehender Arbeitsunfähigkeit erst ab dem 10. September 2012. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 5. Juli 2012 ab, weil die Klägerin sich nicht persönlich arbeitslos gemeldet habe.

Am 18. Juli 2012 meldete sich die Klägerin persönlich arbeitslos und beantragte (erneut) die Bewilligung von Alg.

Auch diesen Antrag lehnte die Beklagte ab. Aufgrund der Arbeitsunfähigkeit stehe die Klägerin dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung (Bescheid vom 23. Juli 2012).

Hiergegen legte die Klägerin am 15. August 2012 Widerspruch ein. Nach § 125 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III, in der bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung) sowie den entsprechenden einschlägigen Urteilen stehe ihr Alg so lange zu, wie über den Antrag auf Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente nicht positiv entschieden worden sei. Das entsprechende Klageverfahren laufe aber noch. Sie sei noch bis mindestens zum 14. September 2012 arbeitsunfähig (vgl. Bescheinigung des Dr. P. vom 31. Juli 2012).

Die Beklagte wies den Widerspruch zurück. Da die Klägerin aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe, könne sie Alg nur nach der sog. Nahtlosigkeitsregelung in § 145 SGB III beanspruchen. Diese sei aber nicht anwendbar. Die Vorschrift betreffe nur das Verhältnis zwischen Arbeitslosen- und Rentenversicherung und nicht zur Krankenversicherung. Voraussetzung sei also ein sog. Aussteuerungssachverhalt. Die Nichtzahlung von Leistungen der Krankenversicherung führe nicht zur Anwendbarkeit von § 145 SGB III. Dieses Risiko müsse die Klägerin tragen (Widerspruchsbescheid vom 14. September 2012).

Dagegen hat die Klägerin beim SG Braunschweig am 26. September 2012 Klage erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt. Die Bundesagentur für Arbeit müsse bei der Prüfung der Nahtlosigkeitsregelung zunächst das tatsächliche Leistungsvermögen eigenständig ermitteln. Ein Aussteuerungsachverhalt sei nicht Voraussetzung für die Anwendung des § 145 SGB III.

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 9. Oktober 2014 hat die Klägerin erklärt, ab dem 10. September 2012 Krankentagegeld bezogen zu haben. Danach habe sie zwischenzeitlich wieder gearbeitet, sei aber seitdem auch immer wieder arbeitsunfähig gewesen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 9. Oktober 2014 abgewiesen. Die Klägerin sei schon nicht beschäftigungslos gewesen, weil ihr Beschäftigungsverhältnis fortbestanden habe und sie sich auch nicht von diesem habe lösen wollen. Außerdem sei sie wegen der Arbeitsunfähigkeit nicht verfügbar gewesen. Die Verfügbarkeit könne nicht nach § 145 SGB III fingert werden. Zum Zeitpunkt der Antragstellung habe die Rentenversicherung bereits festgestellt gehabt, dass die Klägerin nicht erwerbsgemindert sei. Dies schließe die Anwendung der Norm aus.

Gegen das den ehemaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 13. Januar 2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 5. Februar 2015 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie trägt vor, dass bekanntermaßen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes die Arbeitsverhältnisse nicht kündigen würden, wenn eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beantragt wurde. Für den Fall, dass die Rente endgültig nicht gewährt werde, ergebe sich kein eindeutiger Ausschluss der Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses. Sie sei von der Beklagten auch nicht auf die Notwendigkeit der subjektiven Verfügbarkeit hingewiesen worden.

Außerdem beruhe die Deckungslücke bei der Krankentagegeldversicherung nur auf der Entscheidung der Krankenversicherung aufgrund der durch den Arbeitgeberwechsel am 1. April 2007 notwendig gewordenen Vertragsumstellung. Sie könne auch nicht in eine andere private oder die gesetzliche Krankenversicherung wechseln. Zweck des § 145 SGB III sei es gerade, Lücken zwischen dem Bezug einzelner (Sozial-)Leistungen zu vermeiden.

Sie beantragt.

1. das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 9. Oktober 2014, den Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2012 aufzuheben und

2. ihr Arbeitslosengeld für die Zeit vom 24. April 2012 bis zum 9. September 2012 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt ihre getroffenen Entscheidungen und das Urteil des SG.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, sowie die von der Beklagten als Verwaltungsvorgänge vorgelegten Unterlagen und die Akte des gerichtlichen Verfahrens S 70 R 780/11 / L 1 R 510/13 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin ist nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG), weil der Bescheid vom 23. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2012 rechtmäßig ist.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Alg für die Zeit vom 24. April bis zum 9. September 2012.

Ein Anspruch auf Alg besteht grundsätzlich nur, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin arbeitslos ist, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt hat (§§ 136 Abs. Nr. 1, 137 Abs. 1 SGB III). Arbeitslosigkeit setzt nach § 138 Abs. 1 SGB III voraus, dass der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen), und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).

Hier steht für die Zeit bis einschließlich 17. Juli 2012 dem Begehren der Klägerin schon die fehlende Arbeitslosmeldung (§ 136 Abs. 1 Nr. 2 SGB III) entgegen (dazu 1.). Für den Zeitraum ab dem 18. Juli 2012 besteht ebenfalls kein Alg-Anspruch. Die Klägerin war - ihre Beschäftigungslosigkeit (§ 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III) unterstellt - zwar objektiv aber nicht subjektiv verfügbar. § 145 SGB III ist nicht anwendbar (dazu 2.)

1. Nach § 141 Abs. 1 SGB III hat die Arbeitslosmeldung persönlich bei der zuständigen Agentur für Arbeit zu erfolgen. Die Meldung ist eine materielle Anspruchsvoraussetzung (Baldschun in Gagel, SGB III, 66. EL Juni 2017, § 137 Rn. 13), d.h. ohne deren Vorliegen ist Alg nicht zu bewilligen. Hier hat die Klägerin sich erst am 18. Juli 2012 persönlich arbeitslos gemeldet, weshalb Alg frühestens ab diesem Tag bewilligt werden könnte. Eine Rückwirkung der Meldung ist nur bei Vorliegen der hier nicht erfüllten Voraussetzungen des § 141 Abs. 3 SGB III (fehlende Dienstbereitschaft der Agentur für Arbeit) zulässig.

2. Der Senat lässt dahinstehen, ob die Klägerin vor dem Hintergrund ihrer bestehenden Arbeitsunfähigkeit aber dem gleichwohl bestehenden Willen, nach deren Beendigung das Arbeitsverhältnis mit der Stadt H. fortzusetzen, beschäftigungslos im Sinne des § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III war (siehe zu diesem Problemkreis: BSG, Urteile vom 9. September 1993 - 7 RAr 96/92 - juris Rn. 18 ff. und Urteil vom 28. September 1993 - 11 RAr 69/92 - juris Rn. 13 ff., jeweils noch zu § 101 Arbeitsförderungsgesetz - AFG -).

Die Klägerin war nämlich - selbst wenn ihre Beschäftigungslosigkeit unterstellt wird - nicht verfügbar. Nach § 138 Abs. 5 SGB II steht den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung, wer

1. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf,

2. Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann,

3. bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben, und

4. bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen.

Die Norm differenziert mithin zwischen der objektiven (Nr. 1 und 2) und der in der Nr. 3 und 4 geregelten subjektiven Verfügbarkeit (Baldschun, aaO., § 138 Rn. 148).

Der Anspruch der Klägerin scheitert nicht schon an der fehlenden objektiven Verfügbarkeit. Im Rahmen der objektiven Verfügbarkeit nach Nr. 1 muss in jedem konkreten Einzelfall auf Grund der tatsächlichen Umstände festgestellt werden, für welche Tätigkeiten Arbeitslose objektiv in Betracht kommen. Dabei ist auch das körperliche (Rest-)Leistungsvermögen des Arbeitslosen zu prüfen. Wer auf Grund mangelnder körperlicher oder geistiger Leistungsfähigkeit keine mindestens 15 Stunden wöchentliche umfassende, zumutbare Tätigkeit unter den Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann, steht dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Krankenversicherungsrechts nicht zwangsläufig die Verfügbarkeit beseitigt, denn diese bezieht sich grundsätzlich auf die zuletzt ausgeübt Tätigkeit, während bei der Verfügbarkeit auch andere zumutbare Tätigkeiten in den Blick zu nehmen sind (Baldschun, aaO., § 138 Rn. 189 ff. m.w.N.).

Hier war die Klägerin ab dem 28. Februar 2012 bis mindestens zum 14. September 2012 aufgrund der Funktionseinschränkung des rechten Armes und der rechten Schulter arbeitsunfähig. Gleichwohl ist der Senat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens aber davon überzeugt (vgl. § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG), dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von wenigstens 15 Stunden hätte tätig werden können. Dies folgt aus dem Ergebnis des Rentenverfahrens bzw. der dort eingeholten medizinischen Gutachten. Sowohl die L. als auch SG und LSG sind im Rentenverfahren zu dem Ergebnis gekommen, dass unter anderem im streitgegenständlichen Zeitraum keine teilweise Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (Unfähigkeit, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein) vorlag. An diesen Feststellungen, denen auch insbesondere das zeitnah zum hier streitgegenständlichen Zeitraum eingeholte Gutachten des Orthopäden Dr. N. (Untersuchung am 7. September 2012) zugrunde lag, hat der Senat keine Zweifel. War die Klägerin aber in der Lage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich arbeiten zu können, war sie auch in der Lage mindestens 15 Stunden wöchentlich zu arbeiten.

Da die Klägerin damit die Voraussetzungen von § 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III erfüllte, braucht auf die sog. Nahtlosigkeitsregelung in § 145 SGB III nicht mehr abgestellt zu werden, denn diese setzt gerade das Fehlen der objektiven Verfügbarkeit im Sinne des § 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III aufgrund einer mehr als sechsmonatigen Minderung der Leistungsfähigkeit voraus (§ 145 Abs. 1 Satz 1 SGB III).

Die Klägerin war aber nicht subjektiv verfügbar, weil sie weder bereit war, jede Beschäftigung im Sinne von Abs. 5 Nr. 1 anzunehmen und auszuüben noch an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen (§ 138 Abs. 5 Nr. 3 und 4 SGB III). Das Erfordernis der subjektiven Verfügbarkeit stellt sicher, dass nur solche Arbeitslose Leistungen erhalten, deren Arbeitslosigkeit allein darin begründet ist, dass Arbeitsplätze, die für sie in Betracht kommen, nicht frei sind (Baldschun, aaO., § 138 Rn. 297). Grundsätzlich sind an die Arbeitsbereitschaft als innere Tatsache keine überhöhten Anforderungen zu stellen. Sie kommt in der Regel in der persönlichen Arbeitslosmeldung zum Ausdruck (Baldschun, aaO., Rn. 302 ff.). Subjektive Verfügbarkeit liegt bei Leistungseinschränkungen aber nur vor, wenn der Arbeitslose bereit ist, alle seiner objektiven Leistungsbereitschaft entsprechenden und nach Art und Umfang zumutbaren Beschäftigungen aufzunehmen (BSG, Urteil vom 9. September 1999 - B 11 AL 13/99 - juris Rn. 19 zur Vorgängerregelung in § 105a AFG; Beschluss des Senats vom 1. März 2017 - L 11 AL 60/16 -; siehe auch Baldschun, aaO., Rn. 314 ff.).

Die Klägerin hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, an einer Vermittlung in eine andere leidensgerechte Tätigkeit nicht interessiert zu sein. Im ersten Alg-Antrag vom 27. Juni 2012, mit dem sie rückwirkend zum 24. April 2012 Alg beantragte, hat sie zur Begründung auf die Nichtzahlung von Krankentagegeld und den damit verbundenen Einnahmeausfall abgestellt. Im Antragsformular vom 18. Juli 2012 hat die Klägerin im Feld „Ich werde alle Möglichkeiten nutzen, um meine Beschäftigungslosigkeit zu beenden“ lediglich angemerkt, dass ein Arbeitsvertrag mit der Stadt H. bestehe. In der Widerspruchsbegründung vom 24. August 2012 hat sie ausgeführt, sie gehe in ihrem Job wieder arbeiten, wenn sie wieder arbeitsfähig sei (letzte Seite, dritter Absatz) und damit ihre Angaben bei der Antragstellung bestätigt. Daraus folgt, dass die Klägerin verständlicherweise zwar am Alg als Entgeltersatzleistung mangels anderer ausreichender Einnahmen interessiert war, nicht aber an der Aufnahme einer anderen Beschäftigung. Gegen die Annahme der subjektiven Verfügbarkeit spricht ferner, dass die Klägerin auch im Jahre 2012 weiter ihr Anliegen auf Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gegenüber der L. intensiv verfolgte. Die Annahme der eigenen vollen Erwerbsminderung lässt aber nicht den Schluss zu, dass der Wille bestand, sich im Rahmen des tatsächlich objektiv noch bestehenden Leistungsvermögens vermitteln zu lassen.

Soweit die Klägerin im Zeitraum vom 24. April bis 9. September 2012 aufgrund der Vereinbarung mit der J. tatsächlich keine Entgeltersatzleistung (auch nicht in Form von Krankentagegeld) erhielt, ändert dies an der vorstehenden Bewertung nichts. Beim Alg handelt es sich zwar um eine Leistung mit existenzsicherndem Charakter, deren Gewährung aber nicht nur von der Bedürftigkeit des Antragstellers abhängig ist. Sie setzt Arbeitslosigkeit nach den oben dargestellten Grundsätzen voraus. Auch das Alg ist nämlich eine Leistung der Arbeitsförderung (§ 3 Abs. 4 Nr. 1 SGB III). Dem SGB III lässt sich kein allgemeiner Rechtssatz entnehmen, dass im Falle der Nichtzahlung von Krankengeld immer Alg zu zahlen wäre. Dies folgt auch nicht aus § 145 SGB III. Diese Norm soll lediglich verhindern, dass die widersprüchliche Beurteilung der objektiven Leistungsfähigkeit durch die Agentur für Arbeit und die L. „auf dem Rücken des Versicherten ausgetragen wird“. Er regelt also das Verhältnis der Arbeitslosen- zur Rentenversicherung (vgl. schon Beschluss des Senats vom 7. Juni 2010 - L 11 AL 55/10 B ER - zur Vorgängerregelung in § 125 SGB III in der bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung). Insoweit bestimmt § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB III, dass Anspruch auf Alg auch eine Person hat, die allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil sie (...) versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht (...) ausüben kann,“ (Hervorhebung durch den Senat). Die übrigen Voraussetzungen nach § 138 SGB III müssen gleichwohl erfüllt sein.

Der Leistungsausfall einer privaten Krankenversicherung aufgrund einer Individualabrede, wie auch immer diese zustande kommen mag, begründet damit nicht die Eintrittspflicht der Arbeitslosenversicherung. Ob in dieser Situation Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch bestanden hat, kann offengelassen werden. Dies ist nicht Gegenstand des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.