Verwaltungsgericht Lüneburg
v. 27.02.2007, Az.: 3 A 362/05

Abzug; Alternative; Anpassung; Anrechnung; Aufwand; Ausbau; Bad ; Baumaßnahme; Behinderung; Besatzungsschaden; Beseitigung; Eigenbeteiligung; Eigenheim; Entschädigung; Erforderlichkeit; Geschädigter; Haus; Herstellungskosten; Höhe; Schaden; Schadensbeseitigung; Schätzung; Treppe; Umbau; Umbaukosten; Verletzter; Vermögensnachteil; Vorteilsanrechnung; Wertsteigerung; Wirtschaftlichkeit; Zumutbarkeit

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
27.02.2007
Aktenzeichen
3 A 362/05
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2007, 71816
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Nach dem Besatzungsschädenabgeltungsgesetz kann in besonders gelagerten Fällen statt einer Rente eine einmalige Zahlung in Betracht kommen. Dies gilt insbesondere für den Bau oder den Ausbau eines der Behinderung angepassten Eigenheimes.

Die Entschädigung der Höhe nach bemisst sich entsprechend dem Rechtsgedanken des § 249 Satz 2 BGB nach dem, was zur Ausführung der Baumaßnahme nach objektiven Kriterien "erforderlich" ist. Sofern mehrere Alternativen für die Schadensbeseitigung bestehen, gilt das Gebot der Wirtschaftlichkeit, der Geschädigte muss die Variante wählen, die den geringsten finanziellen Aufwand fordert.

Ein Geschädigter muss sich im Falle eines behindertengerechten Umbaues des Hauses die Wertsteigerung seines Hauses anrechnen lassen. Die Vorteilsanrechnung muss allerdings dem Geschädigten zumutbar sein, was aber beim Einbau eines neuen Bades und einer neuen Treppe regelmäßig der Fall ist. Die Höhe des Abzuges ist vom Gericht nach § 287 ZPO zu schätzen.

Es gilt: Je weiter sich die Herstellungskosten von der Grenze dessen entfernen, was nach objektiven Kriterien "erforderlich" ist, um so höher ist eine Eigenbeteiligung unter dem Gesichtspunkt der Wertsteigerung des Hauses.

Tatbestand:

1

Die Klägerin begehrt einen weiteren Zuschuss zum behindertengerechten Umbau ihres Hauses.

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Sie wurde 1939 geboren. Im Jahr 1946 wurde sie von einem LKW der britischen Besatzungskräfte angefahren und hat dadurch das rechte Bein im Oberschenkel verloren. Die Klägerin erhält eine monatliche Rente von jetzt knapp 1.000,00 EUR nach dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden.

3

Im März 2004 beantragte sie bei der Beklagten einen Zuschuss zum behindertengerechten Umbau ihres Hauses. In einem Fragebogen vom Juni 2004 spezifizierte sie, dass sie einen „Treppenaufgang sowie behindertengerechtes Bad“ benötige (Fragebogen vom 28.06.2004, Frage 6 c). Sie legte einen Kostenvoranschlag für den Treppenausbau vor, dieser wurde von der Fa. C. am 13. September 2004 erstellt und schließt mit einer Summe von 8.073,60 EUR ab. Hinsichtlich des Bades legte sie ein Angebot der Fa. D. vom 11. Dezember 2004 vor, das mit einer Summe von 6.323,86 EUR abschließt. Das Bad ist inzwischen eingebaut worden. Die Rechnung vom 25. April 2005 der E. GmbH schließt mit einer Summe von 7.396,62 EUR.

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Mit Bescheid vom 29. März 2005 wurde der Klägerin ein Betrag von 7.500,00 EUR bewilligt. Der Widerspruch, mit dem die Klägerin einen höheren Zuschuss begehrte, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2005 zurückgewiesen.

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Die Klägerin hat am 14. Juli 2005 Klage erhoben. Sie trägt vor: Sie habe mit dem Sachbearbeiter F. verhandelt. Dieser habe die Gewährung von zweimal 7.500,00 EUR zugesagt. Damit sollten insgesamt 15.000,00 EUR gezahlt werden. Sie benötige das Geld, weil sie den Umbau von ihrer Rente nicht finanzieren könne.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 29.03.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6.07.2005 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ihr für den Umbau ihres Hauses einen weiteren Zuschuss von 7.500,00 EUR zu gewähren.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hält einen weitergehenden Anspruch nicht für gegeben. Der gewährte Zuschuss von rund 50 % der veranschlagten Kosten sei angemessen.

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Die Klägerin ist in der mündlichen Verhandlung zu ihrer persönlichen Situation und den Auswirkungen ihrer Behinderung befragt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Terminsprotokoll Bezug genommen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

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Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin für den bereits erfolgten Umbau des vorhandenen Bades in behindertengerechter Ausstattung und den geplanten Bau einer Treppe vom Erdgeschoss in das 1. Stockwerk des Gebäudes auf dem Grundstück der Klägerin in B. über den bereits bewilligten Zuschuss in Höhe von 7.500 EUR hinaus noch einen weiteren Zuschuss in Höhe von 2.500,00 EUR zu gewähren.

15

Rechtsgrundlage für den Anspruch ist § 15 Abs. 2 des Gesetzes über die Abgeltung von Besatzungsschäden - BesatzSchG -. Nach dieser Vorschrift wird eine Entschädigung gewährt für Vermögensnachteile, die dem Verletzten dadurch entstehen, dass seine Bedürfnisse vermehrt worden sind. Nach § 19 Abs. 1 BesatzSchG wird die Entschädigung in Form einer Rente gewährt. Dabei stellt § 19 Abs. 1 BesatzSchG einen Grundsatz dar, von dem es Ausnahmen geben muss, um den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles gerecht zu werden. In besonders gelagerten Fällen kann statt einer Rente eine einmalige Zahlung in Betracht kommen, etwa wenn durch die einmalige Zahlung für den Verletzten dessen erhöhtes Bedürfnis für die Zukunft in ausreichendem Maße befriedigt werden kann. Hierzu gehören insbesondere Aufwendungen für den Bau oder den Ausbau eines der Behinderung angepassten Eigenheimes (BGH, Urt. v. 19.05.1981, NJW 1982, Seite 757 [BGH 19.05.1981 - VI ZR 108/79]; Urt. v. 20.01.2004, NJW - RR 2004, Seite 671).

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Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die Klägerin einen Geldbetrag für das behindertengerechte Bad und die Treppe in den 1. Stock dem Grunde nach beanspruchen kann. Die in ihrem Antrag und in der Vorkorrespondenz konkretisierten beiden Baumaßnahmen sind von der Beklagten dem Grunde nach als gerechtfertigt und zuschusswürdig angesehen worden. Streitig ist allein die Höhe der Leistungen.

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Allgemein gilt: Die Entschädigung der Höhe nach bemisst sich entsprechend dem Rechtsgedanken des § 249 Satz 2 BGB nach dem, was zur Ausführung der Baumaßnahme nach objektiven Kriterien „erforderlich“ ist. Der Geschädigte kann die Kosten ersetzt verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zum Ausgleich der vermehrten Bedürfnisse zweckmäßig und angemessen erscheint. Sofern mehrere Alternativen für die Schadensbeseitigung bestehen, gilt das Gebot der Wirtschaftlichkeit, der Geschädigte muss die Variante wählen, die den geringsten finanziellen Aufwand fordert. Die Kosten dürfen nicht unverhältnismäßig hoch sein, sie müssen sachgemäß und geboten erscheinen und sich an einem üblichen Preisgefüge des Marktes orientieren (vgl. RGRK, BGB, Kommentar, 11. Aufl., § 249 Anm. 44).

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Hinzu kommt weiter, dass sich ein Geschädigter im Falle eines behindertengerechten Umbaues des Hauses die Wertsteigerung seines Hauses anrechnen lassen muss. Etwa durch den Neubau eines behindertengerechten Bades und einer Treppe erlangt der Geschädigte Vorteile, die auch einem Nicht-Behinderten vorteilhaft wären und sich in einem höheren Marktwert des Hauses ausdrücken. Dies ist nicht nur der Fall, wenn ein 35 Jahre altes Bad neu (und behindertengerecht) ausgebaut wird, sondern auch dann, wenn eine enge steile Treppe („Hühnerleiter“) durch eine neue 1,30 m breite und gefahrlos zu begehende Treppe in hochwertiger Holzbauweise ersetzt wird. Deshalb ist diese Vermögensmehrung auszugleichen, die sich als Werterhöhung für den Geschädigten wirtschaftlich günstig auswirkt (Stichwort: Abzug „Neu für Alt“). Die Vorteilsanrechnung muss allerdings dem Geschädigten zumutbar sein, was aber beim Einbau eines neuen Bades und einer neuen Treppe regelmäßig der Fall ist. Schon unter dem Gesichtspunkt der Anrechnung „Neu für Alt“ kann ein Geschädigter nicht stets und automatisch die gesamten Ausbaukosten zugesprochen bekommen. Die Höhe des Abzuges ist vom Gericht nach § 287 ZPO zu schätzen (BGH in NJW 1982 a.a.O.).

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In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass es einem Geschädigten nicht verwehrt ist, auch qualitativ hochwertigere Einbauten in seinem Haus vorzunehmen. Jedoch gilt: Je weiter sich die Herstellungskosten von der Grenze dessen entfernen, was nach objektiven Kriterien „erforderlich“ ist, um so höher ist eine Eigenbeteiligung unter dem Gesichtspunkt der Wertsteigerung des Hauses. Dies hat dann unmittelbare Auswirkungen auf die Höhe des richterlich nach § 287 ZPO zu schätzenden Abzuges.

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Ausgehend von diesen rechtlichen Grundlagen ergibt sich für den vorliegenden Fall: Hinsichtlich des Bades ist davon auszugehen, dass der ursprüngliche Kostenvoranschlag der Fa. G. einen Endbetrag von 6.300,00 EUR aufweist. Darin enthalten ist etwa ein Spiegelschrank mit drei Doppelspiegeltüren mit einem Wert von rund 1.360,00 EUR (ohne Mehrwertsteuer). Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Einbau dieses Schrankes seine Ursache ausschließlich in der Behinderung der Klägerin hat. Von daher spricht Einiges dafür, dass zur Ausführung der Baumaßnahme im Bad wegen des behinderungsbedingten Mehraufwandes ein geringerer Betrag als 6.300 EUR „erforderlich“ ist. Die endgültige Rechnung der Fa. E. liegt mehr als 1.000,00 EUR über dem eingeholten Angebot der Fa. G.. Dies spricht dafür, dass sich die Herstellungskosten noch weiter von der Grenze dessen entfern haben, was nach objektiven Kriterien „erforderlich“ ist. Hinsichtlich des Bades liegen somit Anhaltspunkte dafür vor, dass sich die Klägerin insoweit nicht an das Gebot der Wirtschaftlichkeit im Rahmen ihres Schadenersatzanspruches gehalten hat, und nicht eine Ausbauvariante gewählt, die den geringsten Aufwand fordert.

21

Hinsichtlich der Treppe ist drauf hinzuweisen, dass das Angebot für eine Treppe erstellt worden ist in der Holzart „Eiche massiv“. Auch insoweit handelt es sich nicht um eine preiswertere Variante. Dies hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, und sie hat vorgetragen, die Treppe lasse sich bei entsprechender Materialgestaltung auch preisgünstiger herstellen.

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Der Gesichtspunkt der Erforderlichkeit der Kosten und der Gesichtspunkt des Vorteilsausgleiches („Neu für Alt“) ist vom Einzelrichter unter Würdigung aller Umstände zu würdigen. Dies führt zu dem Ergebnis, dass die Klägerin über den bereits bewilligten Zuschuss in Höhe von 7.500 EUR hinaus noch einen weiteren Betrag von 2.500,00 EUR beanspruchen kann.

23

Reduziert man das Angebot der Fa. G. um die Kosten für den Schrank (1.363,68 EUR plus 16 % MWSt ergeben 1.581,87 EUR) und reduziert man das Angebot für die Treppe auf 7.000 EUR (die Klägerin hat eingeräumt, die Treppe könne auch 1.000,00 EUR billiger erstellt werden bei entsprechend anderer Materialwahl), und erhält so „erforderliche“ Kosten in Höhe von 11.741,99 EUR, so werden mit 10.000 EUR hierauf rund 85% erstattet. Geht man von der Rechnung für ein höherwertiges Bad in Höhe von rund 7.400,00 EUR und dem Angebot für eine hochwertige Treppe von rund 8.000,00 EUR aus, so werden mit dem Gesamtbetrag der Erstattung von 10.000,00 EUR noch rund 65 % der Gesamtkosten erstattet. Insoweit gilt indes: Je weiter sich die Herstellungskosten von der Grenze dessen entfernen, was nach objektiven Kriterien „erforderlich“ ist, um so höher ist eine Eigenbeteiligung unter dem Gesichtspunkt der Wertsteigerung des Hauses.

24

Dies ist ein Ergebnis, das dem Anspruch der Klägerin auf weitgehende Entschädigung wegen ihrer vermehrten Bedürfnisse, aber auch dem Anspruch der Behörde, nur erforderliche Kosten zu übernehmen, gerecht wird. Das Ergebnis ist auch im Hinblick auf die Pflicht der Klägerin, sich die Wertsteigerung ihres Hauses anrechnen zu lassen, nach der Auffassung des Einzelrichters billig und gerecht. Mit einem Gesamtbetrag von 10.000 EUR werden die entstandenen Kosten für das Bad und prognostizierten Kosten für die Treppe im vorliegenden Fall interessengerecht auf die Klägerin und die Beklagte verteilt.

25

Die Klägerin hat nicht etwa deshalb einen Anspruch auf höhere Leistungen, weil nach ihrer Darstellung der Mitarbeiter Herr F. damals eine Zusage abgegeben haben soll, zweimal einen Betrag von 7.500,00 EUR zu bewilligen. Denn zum Einen ist streitig, ob eine solche Zusage tatsächlich gemacht worden ist (Vermerk in den Verwaltungsvorgängen vom 10.06.2005, Bl. 69), zum Anderen hätte eine solche Zusage keinerlei Rechtswirkungen, weil sie nicht schriftlich abgegeben worden ist (vgl. § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG).

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.