Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 27.02.2007, Az.: 4 A 20/06
Anbauflächen für Stärkekartoffeln; Anbauvertrag; Bekantmachungsadressat; Bewirtschaftungsvertrag; eigene Kartoffelerzeugung; Entreicherung; Erzeuger; falsche Angaben; gemeinschaftsrechtswidriges Verhalten; Handeln der Stärkehersteller; kartoffelstärkeerzeugendes Unternehmen; Kartoffelstärkelieferungen; Kontingent; Mitglied einer Erzeugervereinigung; Pachtflächen; Rechtsverhältnis; Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides; Regelungsadressat; Rückforderung; Rückforderung der Ausgleichszahlungen; schutzwürdiges Vertrauen; Stärkekartoffel; Unterkontingente für Stärkehersteller; Vermittler; Vertrauensschutz; Wegfall der Bereicherung; Zurechnung
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 27.02.2007
- Aktenzeichen
- 4 A 20/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 71688
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 10 MOG
- § 14 MOG
- Art 8 EWGV 1766/92
- § 48 Abs 2 S 3 Nr 2 VwVfG
- § 49a Abs 2 VwVfG
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Ausgleichszahlungen für Stärkekartoffelerzeuger für das Wirtschaftsjahr 1998/99 in Höhe von 4.412,07 € (8.629,25 DM) und die Rücknahme der den Zahlungen zu Grunde liegenden Bewilligungsbescheide.
Der Kläger ist Landwirt. Er ist weiter alleiniger Gesellschafter der B. GmbH, die Handel mit landwirtschaftlichen Produkten betreibt. In den Jahren 1995/96, 1996/97 und 1997/98 kam es zum Abschluss sog. „Anbau- und Lieferverträge für Stärkekartoffeln“ zwischen der B. GmbH und der C. GmbH in D. bzw. - in dem Wirtschaftsjahr 1997/98 - deren Rechtsnachfolgerin, der E. GmbH. Für das Wirtschaftsjahr 1998/99 übernahm der Kläger die Anteile der B. GmbH am Kontingent der Stärkeherstellerin und schloss selbst mit der E. GmbH im Mai 1998 einen sog. Anbau - und Liefervertrag. Weiter unterzeichnete er als „Auftraggeber (Erzeuger bzw. Anbauer)“ sog. Bewirtschaftungsverträge für landwirtschaftliche Ackerflächen. Vertragspartner waren die in dem Vertragstext als „Bewirtschafter“ bezeichneten Landwirte F., G. und H.. In den Verträgen heißt es u.a:
„ § 1 - Gegenstand und Zweck des Vertrages
(1) Die Vertragspartner vereinbaren eine Zusammenarbeit im Stärkekartoffelanbau mit Ertragsbeteiligung.
(2) Folgende in der Größe begrenzte Ackerfläche des Bewirtschafters wird als Stärkekartoffelanbaufläche im Auftrag des Auftraggebers bewirtschaftet …ha Ackerland
(3) Der Bewirtschafter lastet über die zusätzliche Kartoffelfläche seine Kapazitäten an Arbeitskraft und Maschinen besser aus und verbessert durch die zusätzlichen Einnahmen sein Betriebsergebnis.
§ 2 - Vertragsdauer
(1) Der Bewirtschaftungsvertrag tritt mit dem 1. März 1998 in Kraft und endet am 28. Februar 1999. Eine automatische Verlängerung um jeweils ein weiteres Bewirtschaftungsjahr ist nicht vorgesehen.
§ 3 - Rechte und Pflichten
(1) Beide Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass die Erfüllung des Anbau - und Liefervertrages zur E. GmbH, Werk D. (…) allein dem Auftraggeber (Erzeuger) obliegt.
(2) Der Bewirtschafter verpflichtet sich, Stärkekartoffeln für den Auftraggeber in entsprechender Größenordnung anzubauen und dem Auftraggeber die Erntemenge zu überlassen.
(3) Der Auftraggeber trägt die fachliche Oberleitung und damit das Risiko alleine. Das heißt Entscheidungen über Sorte, Düngung, Pflanzenschutzmaßnahmen, Legeabstand usw. werden vom Auftraggeber in Abstimmung mit dem Bewirtschafter vom Grundsatz bereits 3 Monate vor dem in Kraft treten des Bewirtschaftungsvertrages festgelegt. Die Umsetzung in der Praxis obliegt alleine dem Bewirtschafter. Der Bewirtschafter verpflichtet sich, die o.a. Fläche dem Vertrag entsprechend zu bewirtschaften.
(4) Der Auftraggeber bleibt im Sinne seines Anbau - und Liefervertrages mit der E. GmbH, Werk D. der Erzeuger der Vertragsware.
(5) Der Auftraggeber verpflichtet sich, die gesamte Ernte von der oben bezeichneten Gesamtvertragsfläche abzunehmen.
§ 4 - Abrechnung
(1) Nach der Übernahme der Stärkekartoffeln durch den Auftraggeber (Erzeuger) stellt der Bewirtschafter die ihm durch die Bewirtschaftung entstandenen Aufwendungen dem Auftraggeber als Werklohn in Rechnung.
(2) Dem Auftraggeber wird ein Mindestüberschuss von … DM/dt Stärkekartoffeln von allen erzeugten Stärkekartoffeln zugesichert. Den Transport zur Stärkefabrik übernimmt der Bewirtschafter im Werklohn.
(3) Der Werklohn wird dem Bewirtschafter nach erfolgter Abrechnung zwischen dem Auftraggeber (Erzeuger) und der E. GmbH, Werk D. in einem Zeitraum von 14 Tagen (Belegdatum) überwiesen. Bei Zahlungsverzug zuzüglich Zinsen vom Tage der Fälligkeit an. Der Werklohn ist dann mit einem Zinssatz in Höhe von 3% über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank zu verzinsen.
§ 5 - Abgaben und Lasten
(1) Der Bewirtschafter trägt die auf der betreffenden Acker-(Vertrags)fläche ruhenden öffentlichen Abgaben und Lasten wie die Grundsteuer und die Beiträge zu Landwirtschaftskammer, Wasser - und Bodenverbänden. Der Bewirtschafter trägt weiter die Beiträge zur landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft…“
Die Stärkeherstellerin beantragte und erhielt von der Bezirksregierung Weser - Ems mit Bescheiden vom 27. November 1998, 4. Januar 1999 und 2. Februar 1999 Ausgleichszahlungen für Stärkekartoffelerzeuger und zwar auch für die Lieferungen des Klägers. Nach Prüfungen der Kampagne 1997/98 im Dezember 1998 und der Kampagnen 1995/96, 1996/97 und 1998/99 im März 1999 stellte die Bezirksregierung Weser - Ems durch Prüfbericht vom 6. Mai 1999 fest, dass der Kläger selbst nicht über landwirtschaftliche Nutzflächen zum Anbau von Stärkekartoffeln verfügte sondern, dass die Lieferungen an die Stärkeherstellerin durch die Landwirte H., F. und G. erfolgt waren.
Die Bezirksregierung Weser - Ems wandte sich zunächst an die Stärkeherstellerin, nahm im September 1999 ihre Bewilligungsbescheide für das fragliche Wirtschaftsjahr zurück und verhängte gegen diese Sanktionen nach Gemeinschaftsrecht. Die Stärkeherstellerin erhob hiergegen nach erfolglosem Widerspruch Klage, die noch vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück anhängig ist (X.). Die Bezirkregierung hat mittlerweile ihren Bescheid von September 1999 aufgehoben, soweit hiermit Ausgleichszahlungen für durch den Kläger gelieferte Kartoffeln zurückgenommen worden waren.
Mit Schreiben vom 16. März 2001 teilte die Bezirksregierung Weser - Ems dem Kläger mit, dass sie beabsichtige, diese Zahlungen von ihm zurückzufordern. Ausgleichszahlungen könne der Kläger nicht verlangen, weil er Stärkekartoffeln nicht selbst erzeugt habe. Es sei auch an die tatsächlichen Erzeuger der Kartoffeln nicht der vorgeschriebene Mindestpreis gezahlt worden.
Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 3. April 2001 hiergegen. Die Stärkeherstellerin habe gewusst, dass er selbst keine Stärkekartoffeln anbaue. Sie habe vorgeschlagen, dass die B. GmbH ihr Lieferrecht auf ihn, den Kläger, übertrage und dass er dann sog. „Unterverträge“ mit anderen Landwirten abschließe. Er habe darauf vertraut, dass das von der Stärkeherstellerin vorgeschlagene Vorgehen rechtmäßig sei.
Mit an den Kläger gerichtetem Bescheid vom 11. Mai 2001 nahm die Bezirksregierung Weser - Ems die an die Stärkeherstellerin adressierten Bewilligungsbescheide zurück, soweit hiermit Zahlungen für Stärkekartoffellieferungen des Klägers im Wirtschaftsjahr 1998/99 geleistet worden waren und forderte den Kläger zur Rückzahlung eines Betrages von 8.629,25 DM zuzüglich Zinsen in Höhe von 3 % über dem jeweiligen Diskontsatz bzw. dem seit 1. Januar 1999 geltenden Basiszinssatz vom Zeitpunkt des Empfangs an auf. Zur Begründung führte sie aus:
Ausgleichszahlungen könnten nur für Kartoffelmengen gewährt werden, die durch einen zwischen Kartoffelerzeuger und Stärkeherstellerin geschlossenen Vertrag gebunden seien. Der Kläger sei kein Erzeuger von Stärkekartoffeln gewesen, so dass die gelieferten Kartoffeln nicht vertragsgebunden gewesen seien. Der Kläger könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil die Ausgleichszahlungen durch falsche Angaben bewirkt worden seien. Das Wissen und Handeln der Stärkeherstellerin sei dem Kläger zuzurechnen, weil diese als Vertreterin des Klägers gehandelt habe. Schon mit Schreiben vom 2. Februar 1995 sei die E. GmbH darauf hingewiesen worden, dass nicht selbst angebaute Kartoffeln nicht vertragsgebunden seien und dass auch sog. Unterverträge unzulässig seien.
Der Kläger erhob hiergegen am 8. Juni 2001 Widerspruch. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor:
Er sei Erzeuger im Sinne der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen gewesen. Er habe durch die Bewirtschaftungsverträge Ackerland von seinen Vertragspartnern gepachtet und diese dann mit der Bewirtschaftung beauftragt. Die Entlohnung sei dergestalt erfolgt, dass er, der Kläger, sämtliche Zahlungen, die er von der Stärkeherstellerin erhalten habe, ungekürzt an die Bewirtschafter weitergeleitet habe. Er habe weder eigene Aufwendungen in Rechnung gestellt noch einen Überschuss erzielt. Den Antrag auf Ausgleichszahlungen habe die Stärkeherstellerin in eigenem Namen gestellt, deren Handeln sei ihm, dem Kläger, nicht zurechenbar. Auch seien ihm die Einzelheiten der Anträge und Bewilligungen nicht bekannt gewesen. Erst im Widerspruchsverfahren habe er hiervon Kenntnis erlangt. Richtiger Adressat einer Rückforderung könne deswegen nur die Stärkeherstellerin sein. Es sei auch nicht feststellbar, ob die Bezirksregierung Weser - Ems die zutreffenden Bescheide aufgehoben habe. Allenfalls habe die Rückforderung gegenüber den Landwirten zu erfolgen, mit denen er die Bewirtschaftungsverträge geschlossen habe. Er selbst könne sich auf Vertrauensschutz berufen. Er habe darauf vertraut, dass die Auskunft der Stärkeherstellerin richtig sei, wonach der Abschluss von Bewirtschaftungsverträgen möglich sei und dass auf dieser Grundlage Ausgleichszahlungen bewilligt werden könnten. Die Stärkeherstellerin habe darauf hingewiesen, dass diese Praxis mit dem Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Brandenburg abgesprochen sei. Er, der Kläger, sei auch entreichert, weil er die Ausgleichszahlungen ungekürzt an seine Vertragspartner weitergeleitet habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könnten Beihilfen nicht zurückgefordert werden, wenn sie ungekürzt an Vertragspartner weitergereicht worden seien. Jedenfalls sei die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG nicht eingehalten worden.
Mit Bescheid vom 27. Juli 2005 wies die Landwirtschaftskammer Hannover den Widerspruch zurück. Der Kläger habe in dem Wirtschaftsjahr 1998/99 nur Kartoffeln geliefert, die er weder selbst erzeugt habe noch sei er Mitglied einer Erzeugergemeinschaft gewesen. Er habe nicht über eigene Anbauflächen für Stärkekartoffeln verfügt. Die von ihm mit drei Landwirten abgeschlossenen Bewirtschaftungsverträge seien keine Werkverträge gewesen. Dies zeige die in § 4 Abs. 2 des Vertrages vereinbarte Mindestzahlung, die genau dem Betrag entspreche, den die B. GmbH zuvor für die Überlassung des Lieferrechtes erhoben habe. Konkrete Rechnungen und Zahlungen über Werkleistungen habe der Kläger nicht vorlegen können. Der Bewirtschaftungsvertrag sei der Versuch gewesen, die verbotene Praxis der Unterverträge zu umgehen und aus dem vorhandenen Lieferrecht nach wie vor eine unzulässige Rendite zu ziehen. Den tatsächlichen Erzeugern sei der vorgesehene Mindestpreis nicht gezahlt worden, weil der Kläger den Vertragspartnern der Bewirtschaftungsverträge 2,- DM/dt bzw. 4,- DM/dt in Rechnung gestellt habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei der Rücknahme -und Rückforderungsbescheid an denjenigen zu richten, dem gegenüber das aufzuhebende Rechtsverhältnis im Zeitpunkt der Rücknahme bestehe. Dies sei hier der Kläger. Die Stärkeherstellerin habe die Ausgleichszahlungen im Namen und im Auftrag des Klägers beantragt und entgegengenommen. Der Kläger hingegen habe von seinen Vertragspartnern der Bewirtschaftungsverträge eine Vollmacht für Anträge auf Ausgleichszahlungen bzw. für die Entgegennahme der Zahlungen nicht erhalten. Unterkäufe und Zukäufe seien der bewilligenden Behörde nicht bekannt gewesen. Auf Vertrauensschutz könne der Kläger sich nicht berufen, weil er die rechtswidrigen Verwaltungsakte durch unrichtige Angaben bewirkt habe. Die Frist des § 48 Abs. 4 VwVfG sei bei Erlass des Rücknahmebescheides noch nicht verstrichen gewesen, weil die Frist erst nach Abschluss des Anhörungsverfahrens zu laufen beginne.
Der Kläger hat am 24. August 2005 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein Widerspruchsvorbringen. Ergänzend trägt er vor:
Es sei gängige Praxis, Bewirtschaftungsverträge in Fällen abzuschließen, in denen ein Grundstückseigentümer oder Pächter für Anträge auf Beihilfen als Bewirtschafter auftreten müsse, aber tatsächlich nicht in der Lage sei, die zur Produktion notwendigen Arbeiten auf den Antragsflächen selbst durchzuführen. Sein Vertrauen sei deswegen nach § 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG schutzwürdig, weil er durch die Weitergabe der Zahlungen an die tatsächlichen Erzeuger Vermögensdispositionen getroffen habe, die er nicht rückgängig machen könne. Ansprüche gegen die Landwirte auf Rückzahlung, etwa aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung, könne er nicht geltend machen. Im Übrigen habe er von Anfang an offen gelegt, dass er nicht selbst Stärkekartoffeln produziere. Die zuständigen Behörden hätten den Eindruck erweckt, es sei unschädlich, dass er den Antrag stelle und hätten sein Vorgehen geduldet. Auch wegen der langen Zeit, die seit der Auszahlung vergangen sei, überwiege sein Interesse das öffentliche Interesse an einer Rückforderung. Selbst wenn die Frist des § 48 Abs. 4 VwVfG erst nach Abschluss des Anhörungsverfahrens zu laufen beginne, sei sie hier zum Zeitpunkt des Erlasses des Rücknahmebescheides verstrichen gewesen. Bereits anlässlich der Prüfung am 14. Dezember 1998 sei eine umfassende Anhörung erfolgt. Danach seien der Verwaltung sämtliche maßgebenden Umstände bekannt gewesen. Die beteiligten Amtsträger hätten bei ihm einen Vertrauenstatbestand in der Hinsicht geschaffen, dass er mit einer Rückforderung nicht zu rechnen habe. Nach Angaben der Stärkeherstellerin seien die zuständigen Behörden des Landes Brandenburg davon ausgegangen, es komme maßgebend darauf an, ob die Händler sämtliche Ausgleichszahlungen an die Erzeuger weiterleiten. Anlässlich der Prüfungen im Dezember 1998 und Jahr 1999 habe der Prüfer der Bezirksregierung Weser - Ems geäußert, er, der Kläger, müsse nicht mit Rückforderungen rechnen, weil diese nur gegenüber Händlern erfolgen solle, die sich bereichert hätten.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Bezirksregierung Weser - Ems vom 11. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Landwirtschaftskammer Hannover vom 27. Juli 2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf die Gründe der angegriffenen Bescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die im Gerichtsverfahren gewechselten Schriftsätze und auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Dem Gericht hat auch die Akte des Verfahrens Y. nebst Beiakten vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage bleibt ohne Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide sind nicht im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Rücknahme der Bewilligungen von Ausgleichszahlungen für Stärkekartoffellieferungen des Klägers in den Wirtschaftsjahren 1998/99 sowie die Rückforderung der gezahlten Leistungen in Höhe von 4.412,07 € (8.629,25 DM) zuzüglich Zinsen ist zu Recht erfolgt und lässt Rechtsfehler zu Lasten des Klägers nicht erkennen.
Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bewilligungsbescheide ist § 10 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisation und der Direktzahlung - MOG - in der zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 24. Juni 2005 (BGBl. I S. 1847). Danach sind rechtswidrige begünstigende Bescheide in den Fällen der §§ 6 und 8, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, zurückzunehmen; § 48 Abs. 2 bis 4 und § 49a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwVfG sind anzuwenden.
Die Bescheide der Bezirksregierung Weser - Ems vom 27. November 1998, 4. Januar 1999 und 2. Februar 1999 waren rechtswidrig, soweit hierdurch Ausgleichszahlungen bewilligt wurden, die sich auf von dem Kläger in den umstrittenen Wirtschaftsjahren angelieferte Stärkekartoffeln bezogen. Die Kammer hat dabei keine Anhaltspunkte für die Annahme, es seien hier unzutreffende Bescheide zurückgenommen worden.
Nach Art. 8 Abs. 2a Satz 1 der VO (EWG) Nr. 1766/92 des Rates vom 30. Juni 1992 über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide (ABl. Nr. L 181/21) - VO (EWG) Nr. 1766/92 - in der Fassung der VO (EG) Nr. 1863/95 des Rates vom 17. Juli 1995 (ABl Nr. 179/1) können die Erzeuger von zur Stärkeherstellung bestimmter Kartoffeln Ausgleichszahlungen erhalten. Die Höhe der Zahlung hängt von der Kartoffelmenge ab, die für die Herstellung einer Tonne Stärke erforderlich ist [Art. 8 Abs. 2a Satz 2 der VO (EG) Nr. 1766/92]. Die Ausgleichszahlungen werden nur für die Kartoffelmenge gewährt, die durch einen Vertrag gebunden ist, welcher zwischen Kartoffelerzeuger und kartoffelstärkeerzeugendem Unternehmen im Rahmen des letzterem zugeteilten Kontingents gemäß Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1868/94 geschlossen wurde. [Art. 8 Abs. 2b VO (EG) Nr. 1766/92]. Damit ist ein Anbauvertrag im Sinne von Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1868/94 des Rates vom 27. Juli 1994 (ABl. Nr. L 197/4) gemeint (BVerwG, Urt. v. 9.12.2004 - 3 C 37.03 - RdL 2005, 159). Diese Verordnung hat die Kartoffelstärkeerzeugung kontingentiert: Durch Art. 2 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1868/94 wurde jedem Erzeugermitgliedstaat ein Kontingent für die Kartoffelstärkeerzeugung zugeteilt, das der Mitgliedstaat nach Art. 2 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1868/94 in Unterkontingente für die Stärkehersteller mit Sitz in seinem Gebiet aufzuteilen hat. Um sicherzustellen, dass die Unterkontingente nicht überschritten werden, wurden die Stärkehersteller verpflichtet, Kartoffeln nur auf der Grundlage von Anbauverträgen zu beziehen, die vor dem jeweiligen Wirtschaftsjahr abgeschlossen werden müssen und in der Summe der Liefermengen das Unterkontingent des Stärkeherstellers nicht überschreiten dürfen [vgl. Art. 4 VO (EG) Nr. 1868/94 des Rates sowie Art. 4 der VO (EG) Nr. 97/95 der Kommission vom 17. 1. 1995 , ABl. Nr. L 16/3, i.d.F. der VO (EG) Nr. 1125/96 der Kommission vom 24.6.1996, ABl. Nr. L 150/1].
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Kartoffellieferungen des Klägers an die Stärkeherstellerin in den Wirtschaftsjahren 1998/99 durch einen derartigen Anbauvertrag gedeckt waren. Ein Anbauvertrag ist jeder zwischen einem Stärkeunternehmen und einem Erzeuger geschlossene Vertrag, wobei unter Erzeuger jede natürliche oder juristische Person oder Vereinigung dieser Personen zu verstehen ist, die von ihr selbst oder von ihren Mitgliedern erzeugte Kartoffeln in ihrem Namen und für ihre Rechnung an ein Stärkeunternehmen liefert [Art. 1 lit. d) und e) der VO (EG) Nr. 97/95 der Kommission vom 17.1.1995 mit Durchführungsbestimmungen zur VO (EWG) Nr. 1766/92 sowie der VO (EG) Nr. 1868/94, ABl. L Nr. 16/3, - VO (EG) Nr. 97/95 -]. Ein Vertrag zwischen einem Stärkeunternehmen und einem Unternehmen, das Kartoffeln unmittelbar oder mittelbar von Kartoffelerzeugern bezieht, erfüllt diese Voraussetzungen nicht (EuGH, Urt. v. 16.3.2006 - Rs C- 94/05 -; BVerwG, Urt. v. 9.12.2004 - 3 C 37.03 - RdL 2005, 159). Hiernach ist es zwar nicht verboten, Vermittler einzuschalten. Diese dürfen Verträge mit den Stärkeherstellern aber nur als Vertreter des Kartoffelerzeugers schließen und nicht in eigenem Namen. Damit soll sichergestellt werden, dass der Mindestpreis und die Ausgleichszahlung den Kartoffelerzeugern selbst ungeschmälert zufließen. Vergütungen für den Vermittler dürfen dies nicht mindern (BVerwG, Urt. v. 9.12.2004 - 3 C 37.03 - RdL 2005, 159).
Hier haben die Stärkeherstellerin und der Kläger für das streitige Wirtschaftsjahr im Mai 1998 einen als „Anbau- und Liefervertrag für Stärkekartoffeln“ bezeichneten Vertrag geschlossen, in denen jeweils der Kläger als Erzeuger von Stärkekartoffeln benannt ist, obwohl er selbst keine Anbauflächen für Stärkekartoffeln hatte und nicht Mitglied einer Erzeugervereinigung war. Die mit drei Landwirten geschlossenen sog. „Bewirtschaftungsverträge“ rechtfertigen die Annahmen nicht, der Kläger sei Erzeuger im Sinne der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften gewesen. Der Kläger hat nicht im Sinne von Art. 1 lit. d) der VO (EG) Nr. 97/95 Stärkekartoffeln „selbst“ erzeugt; denn der Anbau der Stärkekartoffeln ist nicht auf Flächen erfolgt ist, die rechtlich dem Kläger zuzuordnen wären. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, der Kläger habe von den oben genannten Landwirten Anbauflächen für Stärkekartoffeln gepachtet. Dies zeigt bereits der Umstand, dass in den sog. „Bewirtschaftungsverträgen“ keine Pachtflächen bestimmt bezeichnet wurden.
Gegenüber der Rücknahme der nach allem rechtswidrigen Bewilligungsbescheide kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf Vertrauensschutz nach § 10 Abs. 1 MOG i.V. mit § 48 Abs. 2 VwVfG berufen. Nach § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit den öffentlichen Interessen schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich gemäß § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG nicht berufen, wer den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren. Hierbei kommt es allein auf die objektive Unrichtigkeit der Angaben an, nicht auch auf Verschulden (BVerwG, Urt. v. 23.5.1996 - 3 C 13.94 - zit. nach juris). Der Kläger hat hier falsche Angaben in diesem Sinne gemacht, denn er hat den im Antragsverfahren der zuständigen Bewilligungsbehörde vorgelegten Vertrag mit der Stärkeherstellerin von Mai 1998 unterzeichnet, in dem er fälschlicherweise als Erzeuger von Stärkekartoffeln bezeichnet worden war. Der Kläger muss sich weiter das Handeln der Stärkeherstellerin zurechnen lassen, weil er diese in dem Vertrag von Mai 1998 ausdrücklich bevollmächtigt hat, ihn bei den Anträgen auf Ausgleichszahlungen für zur Stärkeherstellung bestimmter Kartoffellieferungen nach der VO (EG) Nr. 1766/92 zu vertreten und entsprechende Zahlungen entgegenzunehmen.
Vertrauensschutz ist dem Kläger auch dann nicht zuzubilligen, wenn - wie der Kläger vorträgt - die Mitarbeiter der Stärkeherstellerin ihm versichert hätten, das gewählte Vorgehen sei rechtmäßig und entspreche der Absprache mit den Behörden des Landes Brandenburg. Die Auskünfte privater Personen können im Rahmen des § 48 Abs. 2 VwVfG schutzwürdiges Vertrauen nicht begründen. Der in dem hier umstrittenen Wirtschaftsjahr für die Bewilligung zuständigen Bezirksregierung Weser - Ems war zum Zeitpunkt der Bewilligung unstreitig nicht bekannt, dass der Kläger selbst nicht über Anbauflächen für Stärkekartoffeln verfügte. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass bereits im Dezember 1998 eine Prüfung bei der B. GmbH vorgenommen worden war, denn diese hatte sich nach dem Prüfbericht von Mai 1999 lediglich auf die Kampagne 1997/98 erstreckt. Das Handeln der Mitarbeiter der Stärkeherstellerin ist der Bezirksregierung Weser - Ems nicht zuzurechnen. Eine mögliche Kenntnis der Mitarbeiter des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Brandenburg, das die Bewilligungen von Ausgleichszahlungen für Lieferungen der B. GmbH an die Stärkeherstellerin im Wirtschaftsjahr 1995/96 vorgenommen hatte, rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme, schutzwürdiges Vertrauen des Klägers stehe einer Rücknahme der Bewilligungsbescheide entgegen. Zwar kann einem Betroffenen, der objektiv unrichtige Angaben gemacht hat, Vertrauensschutz dennoch zugesprochen werden, wenn er bei der Antragstellung ein Höchstmaß an Sorgfalt hat walten lassen, etwa dann, wenn die unrichtigen Angaben auf entsprechende Auskünfte der zuständigen Behörde oder einzelner Mitarbeiter zurückzuführen waren (BVerwG, Urt. v. 6.6.1991 - 3 C 46.86 - DVBl. 1991, 1363; Urt. v. 13.11.1997 - 3 C 33.96 - BVerwGE 105, 354). Hier setzt aber das Gemeinschaftsrecht der Berücksichtigung eines möglichen Mitverschuldens der zuständigen Behörde Grenzen. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes kann nicht gegen eine klare gemeinschaftsrechtliche Bestimmung, wie hier Art. 8 Abs. 2b VO (EG) Nr. 1766/92 und Art. 1 lit d) und e) sowie Art. 4 der VO (EG) Nr. 97/95, angeführt werden, und das gemeinschaftsrechtswidrige Verhalten einer für die Anwendung des Gemeinschaftsrechts zuständigen nationalen Behörde kann kein berechtigtes Vertrauen eines Wirtschaftsteilnehmers darauf begründen, in den Genuss einer gemeinschaftsrechtswidrigen Behandlung zu kommen. Danach kann ein Stärkeunternehmen kein schutzwürdiges Vertrauen darauf gründen, dass eine nationale Behörde einen Vertrag in Verkennung des Gemeinschaftsrechts als Anbauvertrag angesehen hat, obwohl er die in der Gemeinschaftsregelung festgelegten Voraussetzungen nicht erfüllt hat (EuGH, Urt. v.16.3.2006 - Rs C- 94/05 -). Dies gilt auch für denjenigen, der in dem angeblichen Anbauvertrag zu Unrecht als Erzeuger aufgetreten ist.
Der Rücknahme der Bewilligungsbescheide stehen §§ 10 Abs. 1 MOG, 48 Abs. 4 VwVfG nicht entgegen. wonach die Rücknahme eines Verwaltungsaktes nur zulässig ist innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Tatsachen, die die Rücknahme rechtfertigen. Dabei beginnt der Lauf der Frist in dem Zeitpunkt, in dem die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die für die Rücknahmeentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind (BVerwG, Urt. v. 19.12.1984 - GrSen 1.84, GrSen 2.84 - BVerwGE 70, 356). Diese Frist wurde hier beachtet. Zur Herstellung der Entscheidungsreife, nach deren Eintritt die Entscheidungsfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG erst beginnen kann, gehört regelmäßig das Anhörungsverfahren (BVerwG, Urt. v. 20.9.2001 - 7 C 6.01 - NVwZ 2002, 458). Eine Anhörung des Klägers hat hier erst mit Schreiben vom 16. März 2001 stattgefunden. Die im März 1999 durchgeführte Prüfung stellt keine Anhörungen im Sinne des § 28 VwVfG dar, weil sie lediglich der Ermittlung des Sachverhaltes gedient hat.
Die Rückforderung der erbrachten Ausgleichszahlungen ist auf der Grundlage der §§ 10 Abs. 1 MOG, 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG ebenfalls zu Recht erfolgt. Dies gilt auch dann, wenn der Kläger - wie er angibt - die Zahlungen sämtlich an die tatsächlichen Erzeuger weitergeleitet hat. Der Begünstigte kann sich nach § 49a Abs. 2 Satz 2 VwVfG auf einen Wegfall der Bereicherung nicht berufen, soweit er die Umstände kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, die zur Rücknahme des Verwaltungsaktes geführt haben. So lag es hier, denn der Kläger wusste, dass er nicht über eigene Flächen zum Anbau von Stärkekartoffeln verfügte. Ob er darüber hinaus wusste oder hätte wissen müssen, dass die Ausgleichszahlungen zu Unrecht bewilligt wurden, ist im Rahmen des § 49a Abs. 2 Satz 2 VwVfG unerheblich, weil hier anders als bei § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG nicht Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes gefordert wird (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. § 49a Rn. 15).
Der Kläger und nicht etwa die Stärkeherstellerin ist richtiger Adressat für die Rücknahme der Bewilligungsbescheide und die Rückforderung der Ausgleichszahlungen. Die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts ist der Gegenakt zu dem aufzuhebenden Verwaltungsakt. Sie zielt auf die Beseitigung des durch diesen Verwaltungsakt begründeten Rechtsverhältnisses. Um dieses Ziel zu erreichen, muss sie sich an denjenigen richten, dem gegenüber dieses Rechtsverhältnis im Zeitpunkt der Rücknahme besteht. Das ist derjenige, dem gegenüber das Rechtsverhältnis begründet worden ist, sofern nicht zwischenzeitlich eine Rechtsnachfolge stattgefunden hat (BVerwG, Urt. v. 26.8.1999 - 3 C 17.98 - NVwZ - RR 2000, 378). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 9.12.2004 - 3 C 37.03 - RdL 2005, 159), der die Kammer folgt, ist der Stärkehersteller nur Vertreter des materiell Begünstigten und ist deswegen zwar Bekanntmachungsadressat, nicht jedoch Regelungsadressat der Bewilligungsbescheide. Die Behörde kann daher die Bewilligungsbescheide nur gegenüber dem jeweiligen Kartoffelerzeuger bzw. demjenigen, den sie als Kartoffelerzeuger behandelt hat, zurücknehmen, nicht jedoch (auch) gegenüber dem Stärkehersteller.
Hier hat die Bezirksregierung Weser - Ems den Kläger als Kartoffelerzeuger angesehen. Im Zeitpunkt des Erlasses der Bewilligungsbescheide war ihr nicht bekannt, dass der Kläger selbst keine Anbauflächen für Stärkekartoffeln hatte sondern Kartoffeln von anderen Landwirten bezog.
Die in den angefochtenen Bescheiden enthaltene Zinsforderung ist auf der Grundlage des § 14 Abs. 1 MOG ebenfalls zu Recht erfolgt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung (§§ 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4, 124a Abs. 1 VwGO) liegen nicht vor.