Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.10.2003, Az.: 1 K 595/00
Abschreibung des in der Ergänzungsbilanz eines Mitunternehmers aktivierten Mehrwerts eines abnutzbaren Wirtschaftsguts des Gesellschaftsvermögens ; Bemessung des Zeitraums der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 28.10.2003
- Aktenzeichen
- 1 K 595/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 26714
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2003:1028.1K595.00.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 10.03.2005 - AZ: II R 69/03
Rechtsgrundlagen
- § 95 Abs. 1 S. 1 BewG
- § 15 Abs. 1 EStG
- § 15 Abs. 2 EStG
- § 7 Abs. 1 S. 2 EStG
Fundstellen
- BBK 2005, 106
- DB (Beilage) 2005, 1 (amtl. Leitsatz)
- DStR 2005, VI Heft 10 (Kurzinformation)
- DStRE 2005, 376-378 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2004, 1670-1671
- KÖSDI 2005, 14464
- StuB 2005, 83
- WPg 2005, 633
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Soweit ein in der Ergänzungsbilanz aktivierter Mehrwert auf ein abnutzbares Wirtschaftsgut entfällt, ist davon auszugehen, dass die Abschreibung nach Maßgabe der in der Gesellschaftsbilanz zu Grunde gelegten Restnutzungsdauer vorzunehmen ist.
- 2.
Bei zutreffender Schätzung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer auf der Ebene der Gesellschaft ist davon auszugehen, dass sich der wirtschaftliche Wert des Wirtschaftsguts (hier: Seeschiff) bis zu deren Ablauf vollständig verzehrt haben wird.
Tatbestand
Streitig ist, nach welchen Grundsätzen der in der Ergänzungsbilanz eines Mitunternehmers aktivierte Mehrwert eines abnutzbaren Wirtschaftsguts des Gesellschaftsvermögens abzuschreiben ist.
Die Klägerin ist eine in Liquidation befindliche Kommanditgesellschaft (KG), deren Unternehmensgegenstand der Bau und Betrieb eines Containerschiffes war. Die Beigeladenen waren als Kommanditisten an der Klägerin beteiligt. Die sich aus den Anschaffungskosten ergebenden Mehrwerte gegenüber den in den Bilanzen der KG ausgewiesenen Wertansätze für das von der KG betriebene Schiff wurden in Ergänzungsbilanzen aktiviert und entsprechend der Abschreibung des Schiffes in der Hauptbilanz abgeschrieben. Die KG hatte das Schiff nach dem Erwerb zunächst mit einem Satz von 25 % degressiv abgeschrieben. Im Jahr...war sie zur linearen Abschreibung des Restbuchwerts auf der Grundlage einer Restnutzungsdauer von 4,5 Jahren übergegangen.
Im Anschluss an eine Außenprüfung stellte sich der Prüfer auf den Standpunkt, dass die in den Ergänzungsbilanzen für die Beigeladenen aktivierten Mehrwerte nicht entsprechend der in der KG-Bilanz zugrunde gelegten Restnutzungsdauer, sondern entsprechend den Grundsätzen abzuschreiben seien, die sich aus der Rundverfügung der Oberfinanzdirektion Hannover vom 2. April 1982 für die Bemessung der Absetzungen für Abnutzung (AfA) gebraucht erworbener Seeschiffe ergäben. Dementsprechend verteilte das Finanzamt (FA) die zum 1. Januar 19.. und zum 1. Januar 19.. vorhandenen Mehrwerte auf eine Restnutzungsdauer von 6 Jahren (statt 4,5 bzw. 3,5 Jahre) und die zum 1. Januar 19.. aktivierten Mehrwerte auf eine Restnutzungsdauer von 5 statt 2,5 Jahren. Durch Bescheide vom 29. November 1999 änderte Beklagte (das Finanzamt - FA -) die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheide zur Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens gemäß diesen Prüfungsfeststellungen. Den von der Klägerin am 30. Dezember 1999 eingelegten Einspruch wies das FA durch Einspruchsbescheid vom 16. Oktober 2000 als unbegründet zurück.
Mit der am 16. November 2000 erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, dass die Restnutzungsdauer des von ihr betriebenen Schiffes in der Gesellschaftsbilanz und in den Ergänzungsbilanzen nur einheitlich bestimmt werden könne, weil es sich um ein und dasselbe unteilbare Wirtschaftsgut handele. Maßgebend für die Bemessung der AfA sei die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts. Diese werde im Streitfall durch die Nutzung des Schiffes durch die KG bestimmt. Durch die Veräußerung eines Kommanditanteils entstehe kein neues Wirtschaftsgut, das abweichend von dem in der Gesellschaftsbilanz aktivierten Wirtschaftsgut "Schiff" abgeschrieben werden könne. Die in den Ergänzungsbilanzen aktivierten Mehrwerte dienten nicht dem Ausweis anteilig erworbener Wirtschaftsgüter, sondern stellten Korrekturposten zu den Wertansätzen in der Gesellschaftsbilanz dar, welche die Höhe der von dem jeweiligen Gesellschafter beim Erwerb des Gesellschaftsanteils mitbezahlten stillen Reserven zum Ausdruck brächten.
Dementsprechend habe der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 6. Juli 1999 VIII R 17/95 (BFH/NV 2000, 34) entschieden, dass die Auflösung der in den Ergänzungsbilanzen ausgewiesenen Korrekturposten korrespondierend zur Veränderung der Buchwerte der entsprechenden Bilanzposten in der Gesellschaftsbilanz zu erfolgen habe.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung der Bescheide vom 29. November 1999 zur Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens und der Einspruchsentscheidung vom 16. Oktober 2000 den Einheitswert des Betriebsvermögens auf die Beträge festzustellen, die sich ergeben, wenn die in den Ergänzungsbilanzen der Beigeladenen ausgewiesenen Mehrwerte entsprechend der in Gesellschaftsbilanz der Klägerin zugrunde gelegten Restnutzungsdauer des Schiffes bemessen werden, und die Höhe der den Beigeladenen zuzurechnenden Anteile am Einheitswert des Betriebsvermögens entsprechend zu ändern.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an der den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegenden Beurteilung fest und führt zur Begründung: Bei der Abschreibung des in der Ergänzungsbilanz aktivierten Mehrwerts sei nicht zwingend von derselben Restnutzungsdauer des Wirtschaftsguts wie in der Hauptbilanz auszugehen. Vielmehr sei der aktivierte Restbetrag grundsätzlich auf die neu zu bestimmende Restnutzungsdauer des Schiffes abzuschreiben (Hinweis auf Schmidt, Einkommensteuergesetz, § 15 Rdnr. 465). Dies sei deshalb gerechtfertigt, weil der Erwerber den über das Kapitalkonto der Gesellschaft hinausgehenden Mehrbetrag gerade deshalb leisten müsse, weil in der Hauptbilanz der Gesellschaft nicht der tatsächliche, sondern ein - aufgrund überhöhter Absetzungen der Anfangsjahre - zu geringer Wert ausgewiesen sei. Im Übrigen seien auch Anschaffungskosten für ein in der Hauptbilanz bereits vollständig abgeschriebenes Wirtschaftsgut zu aktivieren und über die neu zu bestimmende Restnutzungsdauer abzuschreiben.
Das Urteil des BFH in BFH/NV 2000, 34 betreffe den Fall, dass die Personengesellschaft aus Anlass des Eintritts eines weiteren Gesellschafters stille Reserven aufgelöst und die Buchwerte des Gesellschaftsvermögens aufgestockt habe. Dies führe an sich zur Realisierung eines Veräußerungsgewinns, die jedoch nach den Vorschriften des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) dadurch vermieden worden sei, dass in Höhe der Aufstockungsbeträge für die Altgesellschafter negative Ergänzungsbilanzen erstellt worden seien. Diese seien nach dem BFH-Urteil korrespondierend zur Veränderung der Buchwerte der entsprechenden Bilanzpositionen in der Gesellschaftsbilanz aufzulösen. Ob diese Grundsätze auch dann Anwendung fänden, wenn - wie im Streitfall - die Vorschriften des UmwStG nicht zur Anwendung kämen, sei dem Urteil nicht zu entnehmen.
Gründe
Die Klage ist begründet. Entgegen der Auffassung des FA ist die Abschreibung der in den Ergänzungsbilanzen der Beigeladenen ausgewiesenen Mehrwerte nach Maßgabe der Restnutzungsdauer vorzunehmen, die der Abschreibung des Schiffes durch die Klägerin selbst zugrunde gelegt wird.
Nach § 95 Abs. 1 Satz 1 des Bewertungsgesetzes umfasst das Betriebsvermögen alle Teile eines Gewerbebetriebes im Sinne des § 15 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören. Bei einer Personengesellschaft sind das auch die in Ergänzungsbilanzen für einzelne Gesellschafter enthaltenen Wertansätze.
Die Aufstellung von Ergänzungsbilanzen trägt dem Umstand Rechnung, dass Gewinnermittlungssubjekt hinsichtlich der von einer Personengesellschaft erzielten Einkünfte zwar die Gesellschaft ist, die Einkünfte aber nicht von dieser selbst, sondern von deren Gesellschaftern zu versteuern sind. Um die sachgerechte steuerliche Erfassung der im Rahmen der Personengesellschaft erzielten Einkünfte bei den Gesellschaftern zu gewährleisten, ist es u.a. in den Fällen des entgeltlichen Erwerbs von Gesellschaftsanteilen erforderlich, eine eventuelle Differenz der Anschaffungskosten zu dem aus der Gesellschaftsbilanz abgeleiteten Kapitalkonto festzuhalten und den Mehr- oder Minderwert auf die Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens zu verteilen, auf die er entfällt. Nur auf diese Weise lässt sich sicherstellen, dass sich im Gesellschaftsvermögen enthaltene stille Reserven oder stille Lasten bei der Besteuerung derjenigen Gesellschafter auswirken, in deren Person sie entstanden sind.
Unstreitig ist, dass die nach den Verhältnissen des Erwerbszeitpunkts aufgestellte Ergänzungsbilanz im Interesse einer periodengerechten Besteuerung fortzuführen ist, d.h. die darin enthaltenen Korrekturposten insoweit aufzulösen sind, als sie zu dem jeweiligen Bilanzstichtag nicht mehr vorhanden sind. Entfällt ein in der Ergänzungsbilanz ausgewiesener Mehr- oder Minderwert - wie im Streitfall - auf ein abnutzbares Wirtschaftsgut, ist allerdings streitig, ob diese Auflösung entsprechend der Abschreibung in der Hauptbilanz, d.h. nach Maßgabe der dort zugrunde gelegten (Rest-) Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts, zu erfolgen hat, oder ob diese aufgrund einer aus der Sicht des Erwerbszeitpunkts vorzunehmenden aktuellen Schätzung der Restnutzungsdauer vorzunehmen ist.
Im Schrifttum (Schmidt, Einkommensteuergesetz, 22. Auflage 2003, § 15 Rdnr. 465; Reiß in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 15 Rdnr. 251; Regniet, Ergänzungsbilanzen bei der Personengesellschaft 1990, S. 180; Niehus, StuW 2002, 119 ff.) wird ganz überwiegend letztere Auffassung vertreten. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass sich die Fortführung der Ergänzungsbilanz an dem Ziel zu orientieren habe, die Korrekturposten nach Maßgabe des tatsächlichen Verzehrs der dadurch abgebildeten Mehrwerte aufzulösen. Diesem Zweck werde eine nach Maßgabe der Ermittlungsparameter der Hauptbilanz vorgenommene Abschreibung nicht gerecht.
Für den Fall negativer Ergänzungsbilanzen - in den zugrunde liegenden Fällen jeweils nach § 24 Abs. 2 UmwStG - hat der BFH demgegenüber wiederholt entschieden, dass die Auflösung der in der Ergänzungsbilanz ausgewiesenen Korrekturposten korrespondierend zur Veränderung der Buchwerte in der Hauptbilanz zu erfolgen habe (BFH in BFH/NV 2000, 34; BFH vom 28. September 1995 IV R 57/94, BStBl. II 1996, 68).
Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich diese Beurteilung allerdings nicht unbesehen auf die Fortführung positiver Ergänzungsbilanzen übertragen. Denn der Unterschied zwischen beiden Fällen besteht darin, dass die Auflösung des Korrekturpostens bei der negativen Ergänzungsbilanz dazu dient, ein für den betreffenden Gesellschafter zu hohes Abschreibungspotential, das sich aus den gemessen an den tatsächlichen Anschaffungskosten des Gesellschafters zu hohen Buchwerten in der Gesellschaftsbilanz ergibt, zu neutralisieren. Dies kann nur durch eine mit der Entstehung dieses Mehraufwands korrespondierende Auflösung des negativen Korrekturpostens geschehen. Demgegenüber geht es bei der Fortführung positiver Ergänzungsbilanzen darum, den von dem betreffenden Gesellschafter gegenüber dem Kapitalkonto aufgewendeten Mehrbetrag in der Höhe auszuweisen, in dem er zum jeweiligen Bilanzstichtag noch in dessen Vermögen vorhanden ist.
Soweit ein in der Ergänzungsbilanz aktivierter Mehrwert auf ein abnutzbares Wirtschaftsgut entfällt, ist aber davon auszugehen, dass die Abschreibung nach Maßgabe der in der Gesellschaftsbilanz zugrunde gelegten Restnutzungsdauer dieser Zielsetzung gerecht wird. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 (EStG) bemisst sich die Absetzung nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts. Als betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer ist der Zeitraum anzusehen, in dem das Wirtschaftsgut unter Berücksichtigung der Verhältnisse seines Einsatzes durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen verwendet oder genutzt werden kann. Maßgebend ist nicht die Dauer der betrieblichen Nutzung durch den Steuerpflichtigen, sondern die objektive Nutzbarkeit unter Berücksichtigung der besonderen betriebstypischen Beanspruchung (BFH-Urteile vom 9. Dezember 1999 III R 74/97, BStBl. II 2001, 311; vom 26. Juli 1991 VI R 82/89, BStBl. II 1992, 1000; vom 19. November 1997 X R 78/94, BStBl. II 1998, 59). Bei zutreffender Schätzung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer auf der Ebene der Gesellschaft ist daher davon auszugehen, dass sich der wirtschaftliche Wert des Wirtschaftsguts bis zu deren Ablauf vollständig verzehrt haben wird.
Im Streitfall sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Abschreibung des Schiffes durch die Gesellschaft eine nach dem Maßstab des § 7 Abs. 1 Satz 2 EStG unzutreffende Schätzung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer zugrunde liegt. Der Umstand allein, dass die von den Beigeladenen für den Erwerb der Gesellschaftsanteile gezahlten Preise über dem Betrag der sich aus der Gesellschaftsbilanz ergebenden Kapitalkonten lagen, reicht für eine solche Schlussfolgerung um so weniger aus, als die Klägerin das Schiff degressiv abgeschrieben hat und die Abschreibungsraten daher anfänglich höher waren, als sie es bei einer gleichmäßigen Verteilung der Anschaffungskosten über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer gewesen wären.
Die Gesamtnutzungsdauer, von der nach der Verfügung der Oberfinanzdirektion Hannover bei gebraucht erworbenen Seeschiffen in Abhängigkeit vom Alter des Schiffes im Erwerbszeitpunkt auszugehen ist, kann der Schätzung der Restnutzungsdauer durch die Klägerin offensichtlich nicht zugrunde gelegt werden, weil diese das Schiff gerade nicht gebraucht erworben hat.
Hiernach sind der Einheitswert des Betriebsvermögens und die Höhe der den Beigeladenen zugerechneten Anteile auf die Beträge festzustellen, die sich ergeben, wenn die in den Ergänzungsbilanzen der Beigeladenen ausgewiesenen Mehrwerte entsprechend der in der Gesellschaftsbilanz der Klägerin zu Grunde gelegten Restnutzungsdauer des Schiffes abgeschrieben werden (§ 100 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Berechnung der hiernach festzustellenden Beträge wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 und § 711 der Zivilprozeßordnung i.V.m. § 151 Abs. 1 und 3 FGO. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen waren nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil diese keine Anträge gestellt und daher nicht am Kostenrisiko teilgenommen haben (§ 139 Abs. 4 FGO).
Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.