Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.10.2003, Az.: 11 K 191/03
Einnahmen aus Messstipendien als steuerpflichtige Einkünfte; Leistungen Dritter als Arbeitslohn; Betrachtung des erhaltenen Vorteils durch den Arbeitnehmer als Frucht der Dienstleistung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 10.10.2003
- Aktenzeichen
- 11 K 191/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 25879
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2003:1010.11K191.03.0A
Rechtsgrundlagen
- § 19 Abs. 1 EStG
- § 2 Abs.1 LStDV
- can. 949 Codex Iuris Canonici (CIC)
Fundstelle
- EFG 2004, 901-902
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Messstipendien zählen zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit.
- 2.
Bei Messstipendien handelt es sich um von Dritten gezahlten Arbeitslohn. Dabei ist ohne Bedeutung, dass Messstipendien als unvollkommene Verbindlichkeiten zwar erfüllbar, aber nicht einklagbar sind.
Tatbestand
Streitig ist, ob Messstipendien steuerpflichtige Einnahmen eines Priesters darstellen.
Der Kläger ist katholischer Priester. Der Beklagte (das Finanzamt) erhöhte in dem Einkommensteuerbescheid 2000 vom 10.09.2001 die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit um die Messstipendien des Klägers. Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren (Einspruchsbescheid vom 04.03.2003) die Klage.
Der Kläger meint, die Messstipendien seien nicht steuerpflichtig. Sie seien eine besondere Form der Teilnahme der Gläubigen an der Eucharistiefeier. Sie seien kein Kaufpreis für die heilige Messe, keine privatrechtliche Vergütung für eine exklusive Sach- oder Dienstleistung, sondern eine Gabe an den Priester, damit er die heilige Messe in einer bestimmten Meinung feiert. Messstipendien führten nicht zu Einkünften aus selbstständiger Arbeit, da sie kein Äquivalent für die zu lesende Messe seien. Da der Zuwendende nicht Arbeitgeber oder Dienstherr des Geistlichen sei, handele es sich auch nicht um Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Da sie auch keine sonstigen Einkünfte oder Schenkungen darstellten, müssten sie steuerfrei bleiben. Der Priester zelebriere die Messe auf Grund seines Dienstvertrags mit der katholischen Kirche. Unter anderem hierfür erhalte er ein einklagbares Gehalt. Messstipendien könnten jedoch nicht eingeklagt werden und somit nicht Gegenstand des Dienstvertrags sein. Zumindest sei der Freibetrag für Trinkgelder nach § 3 Nr. 51 EStG zu berücksichtigen. Auch bei den Messstipendien handele es sich um Gelder, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von Dritten freiwillig und, ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie bestehe, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werde, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen sei.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2000 vom 10.09.2001, die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit um 3.450 DM zu mindern und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, bei den Messstipendien handele es sich um Lohnzahlungen Dritter, die, wie § 38 Abs. 1 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) zeige, steuerpflichtig seien. Sie stünden im Zusammenhang mit einer dem Arbeitgeber geschuldeten Arbeitsleistung, der Feier der heiligen Messe. Ein angenommenes Messstipendium müsse der Priester auch erfüllen. Der Freibetrag für Trinkgelder sei nicht zu gewähren. Wer Trinkgelder gibt, könne frei über die Höhe entscheiden. Die Höhe der Messstipendien sei jedoch fest vorgeschrieben. Trinkgelder würden üblicherweise auch nur für einfache Tätigkeiten gegeben und nicht für solche, die ein Studium erforderten. Kein Mitglied der katholischen Kirche würde ein Messstipendium als Trinkgeld bezeichnen.
Die Beteiligten haben sich mit einem undatierten (Blatt 24 Gerichtsakte) und einem Schriftsatz vom 30.05.2003 mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Der Einkommensteuerbescheid 2000 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Messstipendien zählen zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Der Freibetrag für Trinkgelder (§ 3 Nr. 51 EStG) ist nicht zu berücksichtigen.
1.
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter (§ 79 a Abs. 3 und 4 Finanzgerichtsordnung - FGO).
2.
Nach § 19 Abs.1 Nr.1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit neben Gehältern und Löhnen u.a. auch "andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden". Gemäß § 2 Abs.1 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV), der § 19 EStG gesetzeskonform auslegt, sind Arbeitslohn alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen. Dabei sind Einnahmen alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen. Es ist gleichgültig, ob es sich um laufende oder einmalige Einnahmen handelt, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie gewährt werden (§ 19 Abs.1 Satz 2 EStG, § 2 Abs. 1 Satz 2 LStDV). Auch als Geschenke bezeichnete Zuwendungen gehören demnach zum steuerpflichtigen Arbeitslohn, wenn sie in Bezug auf das Dienstverhältnis gegeben wurden. Arbeitslohn ist im weitesten Sinn alles, was im Rahmen eines Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer zufließt, was also als Ertrag der nichtselbstständigen Arbeit anzusehen ist, wobei es nicht so sehr auf den rechtlichen als auf den tatsächlichen Zusammenhang der Einnahmen mit dem Dienstverhältnis ankommt (BFH-Urteile vom 17.07.1981 VI R 205/78, BStBl II 1981, 773; vom 19.07.1974 VI R 114/71, BStBl II 1975, 181).
Auch Leistungen dritter Personen können Arbeitslohn sein, wenn es sich bei ihnen unter Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise um Leistungen im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis handelt. Es steht der Annahme von Arbeitslohn daher nicht entgegen, dass der Kläger die Messstipendien nicht von seinem Arbeitgeber, sondern von den Gläubigen erhalten hat (a.A. Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 18, 600 "Geistlicher"). Ohne Bedeutung ist, dass Messstipendien als unvollkommene Verbindlichkeiten (Naturalobligationen) zwar erfüllbar, aber nicht einklagbar sind. Auch die Bezeichnung als Messstipendium spielt keine Rolle.
Maßgebend für die Entscheidung, ob eine Leistung als Arbeitslohn anzusehen ist, ist in erster Linie die Betrachtung aus der Sicht des Arbeitnehmers. Es kommt darauf an, ob der Arbeitnehmer einen erhaltenen Vorteil wirtschaftlich als Frucht seiner Dienstleistung für den Arbeitgeber betrachtet. Wird die Leistung nicht vom Arbeitgeber, sondern von einem Dritten erbracht, muss besonders sorgfältig geprüft werden, ob die Grundlage für die Zuwendung in dem Dienstverhältnis oder in anderen Erwägungen oder Umständen zu sehen ist. Auch dies ist in erster Linie aus der Sicht des Arbeitnehmers zu beurteilen. An die Unmittelbarkeit des Zusammenhangs zwischen Zuwendung und Arbeitsverhältnis sind dagegen keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Es genügt unter Umständen auch ein loser Zusammenhang für die Annahme von Arbeitslohn (BFH in BStBl II 1975, 181 [BFH 19.07.1974 - VI R 114/71] m.w.N.).
Danach handelt es sich bei den Messstipendien um von Dritten gezahlten Arbeitslohn (RFH-Urteil vom 15.05.1935 VI A 1081/33, RStBl 1935, 1241; Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 19, 600 "Messstipendien"; Giloy in Kirchhof/Söhn, EStG, § 19, B 1000 "Messstipendien"; Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, "Geistliche", Tz. 2; Stache in Horowski/Altehoefer, Kommentar zum Lohnsteuerrecht, § 19, 985; a.A. Brandt a.a.O.). Die Messstipendien sind als Ertrag der nichtselbstständigen Arbeit des Klägers anzusehen. Es besteht ein rechtlicher und tatsächlicher Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis.
Die Annahme von Messstipendien verpflichtet den Priester, die Messe in der vom Gläubigen gewünschten Meinung zu feiern. Dies folgt aus dem Kirchenrecht (can. 945 ff, insbesondere can. 949 Codex Iuris Canonici - CIC -), dem der Priester aufgrund seines Dienstverhältnisses unterworfen ist. Die Rechte und Pflichten des Priesters im Zusammenhang mit Messstipendien sind vom Arbeitgeber bis ins Einzelne geregelt. Die Gläubigen haben einen Anspruch auf die Möglichkeit, Messstipendien in ihren Anliegen zu geben. Von dem Messstipendium ist selbst jeglicher Schein von Geschäft oder Handel gänzlich fernzuhalten (can. 947 CIC). Der Betrag des Stipendiums ist festgelegt. Der Priester darf keine höhere Summe verlangen, wohl aber ein freiwillig gegebenes höheres wie auch ein geringeres Stipendium annehmen. Die Einhaltung der Vorschriften wird vom Ordinarius überwacht (can. 957, 958 CIC). Wer unrechtmäßig aus Messstipendien Gewinn zieht, macht sich strafbar (can. 1385 CIC).
Es besteht auch ein tatsächlicher Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis. Entscheidend ist nicht die vom Kläger herausgestellte theologische Wertung der Hingabe der Messstipendien, sondern die im Steuerrecht vorherrschende wirtschaftliche Betrachtungsweise. Bei wirtschaftlicher Betrachtung aus Sicht des Priesters sind die Einnahmen durch Messstipendien eine Frucht seiner Dienstleistung "Feier der heiligen Messe" für seinen Arbeitgeber. Würde der Priester nicht im Rahmen seines Dienstverhältnisses die heilige Messe feiern, würde er die Messstipendien, die gegeben werden, damit der Priester die Messe in einer bestimmten, vom Gläubigen gewünschten Meinung feiert, nicht erhalten.
Ob diese Beurteilung der Messstipendien, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung äußerte, auf eine dem Priester verbotene "Simonie", den Verkauf der heiligen Messe, hinausläuft, bedarf keiner Entscheidung. Das staatliche Steuerrecht ist nicht an theologische Wertungen oder Betrachtungsweisen gebunden. Sollte hier eine Kollision des staatlichen Rechts mir dem kirchlichen Recht vorliegen, wären jedenfalls die staatlichen Gesetze einzuhalten. Nach Art. 140 Grundgesetz in Verbindung mit Art. 136 Weimarer Reichsverfassung werden die bürgerlichen Pflichten durch die Ausübung der Religionsfreiheit nicht berührt. Im Übrigen spricht can. 946 CIC, wonach Gläubige, die ein Messstipendium geben, zum Wohl der Kirche beitragen und sich durch dieses Stipendium an deren Sorge für den Unterhalt von Amtsträgern und Werken beteiligen, dafür, dass auch nach Auffassung der katholischen Kirche Messstipendien dem Unterhalt der Amtsträger dienen können.
Der Freibetrag nach § 3 Nr. 51 EStG ist nicht zu berücksichtigen. Nach dieser Vorschrift sind Trinkgelder, die dem Arbeitnehmer von Dritten gezahlt werden, ohne dass ein Rechtsanspruch darauf besteht, soweit sie 2.400 DM nicht übersteigen, steuerfrei. Die Messstipendien sind aber keine Trinkgelder. Charakteristisch für Trinkgelder ist, wie auch die ab 2002 geltende Neufassung des § 3 Nr. 51 EStG belegt, dass sie zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für die eigentliche Arbeitsleistung zu zahlen ist. An einem solchen zusätzlichen Betrag fehlt es hier. Die Messstipendien werden nicht zusätzlich zu dem Teil des Gehalts gezahlt, den der Priester für die Feier der heiligen Messe von seinem Arbeitgeber erhält, sondern der Priester nimmt die Stipendien für die gegenüber der normalen Feier der heiligen Messe zusätzliche Arbeitsleistung, "damit er die Messe in einer bestimmten Meinung appliziert" (can. 945 § 1 CIC), an.
3.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Der BFH hat sich zur Steuerpflicht von Messstipendien bisher nicht geäußert.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.