Arbeitsgericht Verden
Urt. v. 21.11.1980, Az.: 1 Ca 505/80
Gewährung von Urlaubsgeld als arbeitsvertragliches Entgelt oder Gratifikationsleistung
Bibliographie
- Gericht
- ArbG Verden
- Datum
- 21.11.1980
- Aktenzeichen
- 1 Ca 505/80
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1980, 12464
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:ARBGVER:1980:1121.1CA505.80.0A
In dem Rechtsstreit
hat das Arbeitsgericht in Verden/Aller
auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 1980
durch
den Richter am Arbeitsgericht Hannes als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter Rathsmann u. Schirmer als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1)
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 598,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 21.08.1980 zu zahlen.
- 2)
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- 3)
Der Streitwert wird auf 598,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger verlangt mit der Klage von der Beklagten Urlaubsgeld.
Der Kläger war bei der Beklagten als gewerblicher Arbeitnehmer seit mehreren Jahren bis zum 30.06.1980 beschäftigt.
Der Kläger hat von der Beklagten jeweils in den vergangenen Jahren ein zusätzliches Urlaubsgeld erhalten, welches ihm ohne jeden Vorbehalt gezahlt wurde.
In den Jahren bis einschließlich 1979 wurde das zusätzliche Urlaubsgeld jeweils mit der Zahlung des Urlaubsentgeltes anteilig je nach Länge des genommenen Urlaubs gewährt.
Die Urlaubsgelder der Beklagten berechneten sich so, daß ein Stundenlohn errechnet wurde, dieser mit 8 Stunden multipliziert wurde und sodann mit der Anzahl der Urlaubstage multipliziert wurde. Von dem so errechneten Betrag macht das Urlaubsgeld 50 % aus.
Die Beklagte ist nicht tarifgebunden.
Der Kläger hat im Jahr 1980 anteiligen Urlaub erhalten. Es wurde an ihn jedoch kein zusätzliches Urlaubsgeld gezahlt.
Der Kläger ist der Ansicht, daß ihm deshalb auch für das Jahr 1980 anteiliges Urlaubsgeld gemäß der Berechnung zusteht.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 598,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Klagzustellung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt hierzu vor, die Urlaubsgeldzahlung habe Gratifikationscharakter. Die Parteien des Arbeitsverhältnisses hätten eine Bestimmung bezüglich des Gratifikationscharakters getroffen.
Die Beklagte dürfe sodann die Urlaubsabgeltung aufgrund ihrer wirtschaftlichen Notlage verlagern. Die Beklagte sei ohne Kapitalzufluß und ohne Veränderung der Gesellschaftsverhältnisse Ende März 1980 in jeder Beziehung konkursreif gewesen. Die Beklagte sei erheblich überschuldet illiquide gewesen. Die Bilanz zum 31.12.1979 zeige eine buchmäßige Überschuldung. Anfang April 1980 habe sich ein weiterer Konkursgrund, nämlich die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens, eingestellt.
Unabhängig von der augenblicklichen, unausgeglichenen Bilanz sei zu berücksichtigen, daß auch die Rentabilitätsfunktion des Unternehmens außerordentlich schlecht sei, daß ohne entscheidene Umstrukturierung laufend weitere Verluste produziert würden. Lediglich durch die strukturelle Verbindung mit einem weiteren Unternehmen sei auf Dauer gesehen eine Rentabilität bei der Beklagten zu erreichen. Es müsse außerdem berücksichtigt werden, daß es sich nicht nur um die mit der Klage geltend gemachten Beträge handele, sondern Urlaubsgelder für die gesamte Belegschaft mit einer Größenordnung von ca. 120.000,00 DM, die die Beklagte an den Rand der Illiquidität bringen würde. Es sei zu berücksichtigen, daß der Kläger die Beklagte verlassen habe. Die weiteren bei der Beklagten Beschäftigten hätten nach ausführlicher Unterrichtung durch den Betriebsrat und die Geschäftsleitung bislang kein Urlaubsgeld erhalten und ein solches auch nicht geltend gemacht.
Hiergegen wendet sich der Kläger. Er bestreitet, die schlechte finanzielle Situation der Beklagten und behauptet vielmehr, daß eine Sanierung bei der Beklagten erfolgt sei, so daß von einer wirtschaftlichen Notlage keine Rede sein könne.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Dem Kläger steht ein Urlaubsgeld in der beantragten Höhe zu, da der Kläger hierauf einen arbeitsrechtlichen Anspruch hat. Dieser Anspruch ist von der Beklagten zugestanden und ergibt sich aufgrund der bisherigen vorbehaltlosen Zahlungen an den Kläger aus dieser Betriebsübung bzw. aus dem zugrundeliegenden Arbeitsvertrag, da dieses mittlerweile Gegenstand des Arbeitsvertrages geworden ist.
Es kann dahingestellt bleiben, ob bei der Beklagten eine wirtschaftliche Notlage vorliegt, da eine Verweigerung allenfalls dann erfolgen könnte, wenn das Urlaubsgeld tatsächlich Gratifikationscharakter trägt. Ist dieses nicht der Fall, so handelt es sich um einen normalen arbeitsvertraglichen Anspruch, der nicht dadurch obsolet wird, daß sich die Beklagte in wirtschaftlicher Notlage befindet, anders als dieses bei Gratifikationszahlungen der Fall sein kann (vgl. BAG in AP Nr. 5 zu § 611 BGB Gratifikation).
Das von der Beklagten gewährte zusätzliche Urlaubsgeld erweist sich nach dem Sachverhalt als eine zum laufenden Arbeitsentgelt zu rechnende Zahlung, nicht um eine Gratifikation. Es ist zwar rechtlich zulässig, eine zusätzliche Urlaubsvergütung in Gratifikationsform zu gewähren, jedoch richtet sich dieses nach dem jeweiligen Charakter der Zahlung, der im vorliegenden Fall mangels anderweitiger Bestimmung durch das Gericht festgelegt werden muß.
Im vorliegenden Fall wird das zusätzliche Urlaubsentgelt in Form prozentualer Entgeltanteile gewährt, die rechtlich ebenso wie das Urlaubsentgelt behandelt werden. Das zusätzliche Urlaubsgeld wird gleichzeitig mit dem Urlaubsentgelt bei dem jeweiligen Urlaubsantritt des einzelnen Arbeitnehmers als Teil des Urlaubsentgeltes gezahlt und nicht unabhängig hiervon an alle Arbeitnehmer zu demselben Zeitpunkt. Diese Regelung entspricht dem Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer des Metallbereiches. Damit erweist sich das zusätzliche Urlaubsgeld als Teil der Urlaubsvergütung nach dem Bundesurlaubsgesetz und hat den Charakter einer Urlaubsentgeltzahlung und nicht den einer Gratifikation (vgl. BAG in AP Nr. 78 zu § 611 BGB).
Das Gericht ist im vorliegenden Fall befugt, eigene Wertungen vorzunehmen, da die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen hat und auch nicht vortragen konnte, daß die Parteien für sich genommen eine Bestimmung der Urlaubsgeldzahlung als Gratifikation vorgenommen haben. Vielmehr ist diese Gratifikation ohne weitere Vereinbarung zwischen den Parteien in der beschriebenen Form gewährt worden. Ob eine Arbeitgeber Zuwendung Gratifikation ist, ist mangels dieser gesetzlichen Regelung nach dem jeweils maßgeblichen vertraglichen Rechtsgrundlagen zu beurteilen. Ist eine Bestimmung nicht beigelegt, so unterliegt sie der Wertung des Gerichts, die sich an vorliegenden Anhaltspunkten zu orientieren hat. Da im vorliegenden Falle der zusätzlichen Urlaubszahlung Entgelt Charakter beizulegen ist, mußte die Klage insoweit Erfolg haben.
Das Gericht hat keinen Anlaß gesehen, die Berufung im vorliegenden Fall ausnahmsweise zuzulassen. Zwar mag es für den Betrieb im vorliegenden Fall von besonderer Bedeutung sein, jedoch liegt zum vorliegenden Problem Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor, so daß eine grundliegende Bedeutung dieser Angelegenheit auch für andere Fälle allgemeiner Art nicht in Betracht kommt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Der Streitwert war im Urteil gem. § 61 Abs. 1 ArbGG, 3, 4 ZPO festzusetzen.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf 598,00 DM festgesetzt.
Der Streitwert war im Urteil gem. § 61 Abs. 1 ArbGG, 3, 4 ZPO festzusetzen.