Arbeitsgericht Verden
Urt. v. 26.03.1980, Az.: 1 Ca 667/79

Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers gegen einen Auszubildenden wegen der Beschädigung eines Treckers; Anwendung der Grundsätze über schadensgeneigte Arbeit ; Haftungsbeschränkung ; Grob fahrlässige Verursachung

Bibliographie

Gericht
ArbG Verden
Datum
26.03.1980
Aktenzeichen
1 Ca 667/79
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1980, 12440
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:ARBGVER:1980:0326.1CA667.79.0A

In dem Rechtsstreit
hat das Arbeitsgericht in Verden/Aller
auf die mündliche Verhandlung vom 26.03.1980
durch
den Richter am Arbeitsgericht Hannes als Vorsitzenden i.V. und
die ehrenamtlichen Richter Rose und F. Müller als Beisitzer
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1)

    Die Klage wird angewiesen.

  2. 2)

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

  3. 3)

    Der Streitwert wird auf 5.481,00 DM festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt von dem Beklagten Schadensersatz wegen der Beschädigung eines Treckers in Höhe von 5.481,21 DM.

2

Der Beklagte war bei dem Kläger seit dem 01.07.1978 als Auszubildender auf dem Hof des Klägers im 3. Lehrjahr aufgrund des Berufsausbildungsvertrages vom 15.04.1978 (Bl. 18 bis 22 d. A.) beschäftigt.

3

Der Beklagte ist im Besitz einer Fahrerlaubnis.

4

Der Beklagte hat am 14.04.1979 Felder des Klägers gedrillt. Am Vormittag des 14.04.1979 hat der Beklagte zwei Felder des Klägers, die sich vor der Eisenbahnlinie befinden, mit dem Schlepper des Klägers, an dem sich ein Frontlader befindet, gedrillt. Anschließend sollte er ein weiteres Feld drillen, das sich hinter der Eisenbahnlinie befindet und das der Beklagte über einen Weg, der durch eine Unterführung der Eisenbahnlinie führt, erreichen konnte.

5

Bei der Durchfahrt durch diese Unterführung hat der Beklagte den Schlepper des Klägers beschädigt, indem er mit dem Frontlader oben gegen die Eisenbahnbrücke gestoßen ist.

6

Dem Beklagten ist die Örtlichkeit bekannt. Er ist bereits mehrfach, jedoch ohne Drillgerät an dem Schlepper, durch diese Brücke mit dem Schlepper gefahren.

7

Vor der Brücke ist ein Schild vorhanden, das eine Durchfahrtshöhe von drei Metern anzeigt. Tatsächlich ist die Brücke 3,15 Meter hoch. Die Breite beträgt 4,20 Meter.

8

Die Hubhöhe des Frontladers, der bei dem. Unfall nach oben gestellt war, beträgt 3,30 Meter. Das Drillgerät hat eine Breite von 2,50 Metern.

9

Der Schlepper war im Zeitpunkt des Unfalles ca. 8 Jahre alt. Er war erstmalig zugelassen am 30.03.1971.

10

Wegen der Einzelheiten der Unfallstelle sowie des Schleppers wird auf den Lageplan sowie die überreichten Bilder (Bl. 78 d. A.) verwiesen.

11

Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte müsse den Schaden in voller Höhe tragen.

12

Zwar liege eine schadensgeneigte Arbeit vor, jedoch habe der Beklagte einen Schaden an dem Schlepper grob fahrlässig verursacht, indem er mit diesem, ohne auf den Frontlader zu achten, gegen die Brücke gefahren sei.

13

Der Beklagte sei mehrere Male darauf hingewiesen worden, daß er bei der Brücke darauf achten müssen, daß die Schwinge nicht zu hoch eingestellt sei. Der Beklagte habe auch seit Jahren mit Traktoren bereits gearbeitet. Die dem Beklagten übertragene Arbeit stelle für einen Auszubildenden eine leichte Arbeit dar, die dieser bereits im 1. Lehrjahr seiner Ausbildungszeit verrichten könne.

14

Der Beklagte sei auch in den ersten vier Wochen seiner Tätigkeit von dem Kläger eingehend eingewiesen worden und sei sodann ständig mit diesem Schlepper gefahren.

15

Der Beklagte habe er versäumt, vor Durchfahrt durch die Unterführung den Frontlader nach unten zu bringen. Die einzige Gefahr bei der Durchfahrt durch die Unterführung sei Höhe des Frontladers gewesen, nicht aber das am Schlepper befindliche Drillgerät, da es aufgrund der Ausmaße gefahrlos durch die Unterführung gepaßt habe. Der Beklagte habe sich auch ohne weiteres zunächst nach vorne orientieren können und habe erst zu dem Zeitpunkt, als er mit dem Traktor unter der Unterführung sich befunden habe, auf das Drillgerät achten müssen.

16

Im übrigen sei auch kein Grund ersichtlich, warum die Schwinge nach oben gestellt sein müsse, da die ... Sicht besser sei, wenn die Schwinge nach unten gestellt sei. Darauf sei der Beklagte auch mehrfach hingewiesen worden.

17

Bei dem Zusammenstoß sei der Druck auf das Mittelstück des Traktors so stark gewesen, daß das Zwischenstück zwischen Getriebe und Motor zerstört worden sei. Durch diesen Unfall sei ein Schaden in Höhe von 5.481,21 DM eingetreten. So habe die Reparatur des Traktors gemäß Rechnung vom 30.04.1979 (Bl. 6 d. A.) einschließlich der Mehrwertsteuer 5.273,96 DM betragen. Ferner seien bei der Bergung des Traktors zwei Frontscheiben zerstört worden, deren Ersatz 207,25 DM gemäß Rechnung vom 30.04.1979 (Bl. 7. d. A.) gekostet habe.

18

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger DM 5.481,21 nebst 4 % Zinsen seit dem 26.05.1979 zu zahlen.

19

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

20

Der Beklagte trägt vor, er sei nicht darauf hingewiesen worden, daß er bei dieser Brücke wegen der Schwinge besonders aufmerksam sein müsse. Er sei auch nicht auf den Traktor eingewiesen worden. Der Beklagte habe den Kläger mehrfach gebeten, Betriebsanleitungen für den Traktor zur Verfügung zu stellen. Er habe aber niemals Unterlagen oder Auskünfte hierüber bekommen. Ihm sei lediglich pauschal gesagt worden, er müsse mit dem Trecker vorsichtig sein. Auf diese Weise habe er nicht gewußt, daß die Schwinge 3,30 m hoch sei.

21

Es sei auch schwierig gewesen, mit dem Schlepper und dem angehängten Drillgerät durch die Brück-e zu fahren. Da das Drillgerät ein überbreites Arbeitsgerät darstelle, sei auf jeder Seite nur 85 cm Platz gewesen, so daß er sein Augenmerk auf das Drillgerät habe richten müssen. Er sei mit einer Geschwindigkeit von 5 bis 6 km/h gefahren. Er habe sich hierbei umgedreht, ob genügend Platz vorhanden gewesen sei, um mit dem Drillgerät die Unterführung zu passieren. Dabei sei die Schwinge gegen den Tunnel gestoßen. An die Schwinge habe er bei der Durchfahrt durch den Tunnel nicht gedacht. Bei dem Traktor sei die Kupplung durchgebrochen.

22

Aus diesem Grunde sei ihm lediglich höchstens leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen, so daß er bei der Anwendung der Grundsätze über die schadensgeneigte Arbeit nicht hafte.

23

Auch sei der Schaden nicht durch den Unfall eingetreten.

24

Nur nach dem ersten Augenschein sei der am Trecker entstandene Schaden Folge des Anstoßes mit der Frontlader schwinge an der Tunnelkante. Es werde bestritten, daß bei einem Trecker der benutzten Art bei durchschnittlich gutem Allgemeinzustand durch das anfahren der Frontladerschwinge an den Tunnel mit einer Geschwindigkeit von höchstens 5 bis 6 km/h der eingetretene Schaden entstehen könne. Tatsächlich dürfe der Schaden im wesentlichen darauf zurückzuführen sein, daß entweder der Trecker in einem weit unterdurchschnittlichen Allgemeinzustand sich befunden habe durch mangelhafte Pflege oder aber durch Vorliegen eines Materialfehlers im Gußblock. Allenfalls hätte die Frontladerschwinge sich verbiegen dürfen, keinesfalls aber habe der Trecker in der Mitte durchbrechen können.

25

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt derzu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Erklärungen der Parteien im Termin vom 26.03.1980 Bezug genommen.

Gründe

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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

27

Dem Kläger steht kein Schadensersatz an Spruch gegenüber dem Beklagten zu.

28

Nach Ansicht der Kammer sind auf den vorliegenden Fall die Grundsätze über die schadensgeneigte Arbeit anzuwenden. Dem Beklagten ist jedoch nur leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen, so daß der Beklagte insoweit nicht haftet.

29

Ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten ist dann gegeben, wenn der Beklagte die Pflichten aus seinem Arbeitsvertrag verletzt, und hierdurch aus dem Verschulden des Beklagten dem Kläger ein Schaden entsteht. Ein schuldhaftes Verhalten liegt bereits dann vor, wenn der Beklagte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht läßt. Dieses hat der Beklagte getan, da er nichtausreichend auf den Frontlader geachtet hat und es hierdurch zu dem Unfall gekommen ist. Eine Haftungsbeschränkung nach den Grundsätzen der schadensgeneigten Arbeit ist dann anzunehmen, wenn die Eigenart der vom Arbeitnehmer zu leistenden Arbeit es mit großer Wahrscheinlichkeit mit sich bringt, daß auch dem sorgfältigen Arbeitnehmer gelegentlich Fehler unterlaufen, die für sich allein betrachtet zwar jedenfalls vermeidbar wären, mit denen aber angesichts der menschlichen Unzulänglichkeit als mit einem typischen Abirren der Dienstleistung erfahrungsgemäß zu rechnen ist. Das Fahren mit dem Schlepper mit dem angennangten Drillgerät stellt deshalb eine gefahrgeneigte Arbeit dar, weil dieses, z. B. bei Durchfahren einer Unterführung auf einem schmalen Weg erfahrungsgemäß zu einem Schaden führen kann. Im Rahmen dieser Haftungsminderung haftet der Arbeitnehmer für den ganzen Schaden nur dann, wenn ihm Vorsatz oder gar grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Bei mittlerer Fahrgeschwindigkeit ist der Schaden in ... angemessenem Umfang zu verteilen, während bei geringer Fahrlässigkeit der Arbeitgeber den Schaden allein trägt (vgl. BAG in AP 61 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers mit weiteren Nachweisen).

30

Bei der Wertung der Fahrlässigkeit des Beklagten hat die Kammer folgende Gesichtspunkte berücksichtigt: Eine grobe Fahrlässigkeit hat die Rechtsprechung nur bei Vorwürfen angenommen, die erheblichen Umfang haben, wie bei Alkoholgenuß über Promillegrenze, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Fehlen von Fahrpraxis, Geschwindigkeitsüberschreitung, Häufung von Fehlleistung, Mißachtung von Verkehrszeichen, überfahren einer Ampel, unvorsichtiges Überholen, Übermüdung sowie Vorfahrtverletzung (vgl. Schaub Arbeitsrechtshandbuch § 52 VI 3). Von einer derart groben Pflichtverletzung kann aber bei dem hier vorliegenden Fall nach Ansicht der Kammer keine Rede sein, wie sich aus einem Vergleich mit dem Verschulden bei den o. g. Fällen und dem Verschulden des Beklagten im vorliegenden Fall ergibt. Dem Beklagten kann lediglich vorgeworfen werden, daß er nicht beachtet hat, daß die Schwinge um 15 cm zu hoch eingestellt war. Selbst wenn der Kläger den Beklagten hierauf aufmerksam gemacht hat, so ist dem Beklagten soweit nach Ansicht der Kammer nur vorzuwerfen, daß er bei Durchfahrt durch den Tunnel die Höhe der Schwinge falsch eingeschätzt hat. Dieses stellt für einen Auszubildenden, auch wenn er sich im 3. Lehrjahr befindet, angesichts seiner geringen Erfahrung im Berufsleben durchaus eine Schwierigkeit dar, die ihm nur eingeschränkt vorgeworfen werden kann. Zwar ist der Beklagte unstreitig mehrfach bereits durch diese Unterführung gefahren, jedoch noch nicht mit einem Drillgerät. Wie sich aus den vom Kläger überreichten Fotografien sowie aufgrund der Ausmaße des Traktors und des Drillgerätes ergibt, mußte der Beklagte nach Ansicht der Kammer durchaus besondere Aufmerksamkeit auf das Drillgerät richten. Zwar ist normalerweise ein Platz von 85 cm auf jeder Seite ein genügend breiter Raum, um ohne Schwierigkeiten durch die entsprechende Lücke zu fahren, jedoch ist deutlich, erkennbar, daß die Straße durch diese Unterführung jeweils vor und hinter der Durchfahrt Kurven macht, so daß der Trecker bei Durchfahrt durch die Unterführung genau ausgerichtet werden mußte. Um diese Ausrichtung auch nach hinten ordnungsgemäß vorzunehmen, mußte sich der Beklagte durchaus auch nach hinten orientieren. Wenn der Beklagte herbei auf den Frontlader nicht in dem Maße geachtet hat, wie dieses an sich erforderlich gewesen wäre, so kann ihm kein erheblicher Vorwurf gemacht werden. Vielmehr handelt es sich hierbei um einen Fehler, der sich mit großer Wahrscheinlichkeit bei der Eigenart des Ausbildungsverhältnisses ereignen kann. Dieser Fehler ist nach Ansicht der Kammer gerade deshalb passiert, weil der Beklagte erstmalig auf das Drillgerät zu achten hatte, während er sich bei den übrigen Durchfahrten nur nach vorne ausrichten konnte. Die Tatsache, daß der Beklagte sonst ohne Schwierigkeiten die Durchführung passiert hat, zeigt gerade von der einmaligen und deshalb nicht so vorwerfbaren Schwere des Arbeitsvertragsverstoßes.

31

Bei der Bewertung der Schwere des Verstoßes hat die Kammer ferner berücksichtigt, daß es sich bei dem Beklagten um einen Auszubildenden handelt, der nach seiner relativ kurzen Erfahrung im Arbeitsleben größere Schwierigkeiten damit hat, Einschätzungen von Situationen vorzunehmen.

32

Im übrigen war der Beklagte insoweit auch nicht eigenverantwortlich tätig. Der Beklagte war Auszubildender und stand unter der Aufsicht des Klägers. Wenn auch zuzubilligen ist, daß derartige Tätigkeiten im 3. Lehrjahr selbständig durchgeführt werden können, so muß gleichwohl der Ausbildende die Verantwortlichkeit für den Auszubildenden übernehmen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, daß der Kläger von seinem Unternehmensrisiko nicht befreit wird, wenn er Auszubildende mit einer selbständigen Arbeit betraut. Dieses schon deshalb nicht, da er von dem Auszubildenden für diese Fälle eine Arbeitsleistung erhält, die normalerweise in vollem Umfang einer normalen Arbeitsleistung entspricht und der hierfür die an sich sonst zu zahlenden Löhne aufzuwenden braucht.

33

Schließlich hat die Kammer insbesondere die persönlichen Verhältnisse des Beklagten beachtet. Die Haftung des Auszubildenden muß in einem vernünftigen Verhältnis zu seiner Entlohnung stehen. Dieses insbesondere dann, wenn der Auszubildende von seiner verhältnismäßig geringen Vergütung den Schaden niemals in voller Höhe abdecken kann, selbst wenn er es wollte. Es entspricht nicht Billigkeitsgrundsätzen, wenn dem Auszubildenden relativ teure Arbeitsgeräte an die Hand gegeben werden und dieser bei einem Verschulden für den entsprechenden Schaden in voller Höhe haften soll. Dieses hieße, bereits einen Auszubildenden mit derartigen Forderungen zu belasten, die den Beginn seines Arbeitslebens in unzumutbarer Weise beeinträchtigen.

34

Bei Beachtung der Abwägung dieser gegenseitigen Interessen ist die Kammer von dem Schadensverlauf ausgegangen, wie ihn der Beklagte geschildert hat, da mangels irgendwelcher Zeugen ein anderer Schadensverlauf nicht dargelegt werden kann. Fährt deshalb der Auszubildende mit einer Geschwindigkeit von 5 bis 6 km/h mit dem Schlepper und dem angehängten Drillgerät aufgrund der vorhandenen Straßenlage mit der hochgestellter Schwinge gegen die Unterführung, so ergibt bei Beachtung der Arbeitsqualität des Auszubildenden, des Unternehmensrisikos, der Eigenschaft der Tätigkeit als Auszubildender, des Lebensalters, der Ausbildungsvergütung und der persönlichen Verhältnisse des Beklagten einen derart geringen Verschuldungsrad des Beklagten, daß nur von einer leichten Fahrlässigkeit gesprochen werden kann. Demzufolge war eine Haftung des Beklagten gegenüber dem Kläger nicht anzunehmen.

35

Die Klage war demzufolge abzuweisen.

36

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert war im Urteil gem. § 61 Abs. 1 ArbGG, 3,4 ZPO festzusetzen.