Arbeitsgericht Verden
Urt. v. 16.09.1982, Az.: 2 Ca 124/82

Unzuständigkeit der Arbeitsgerichte bei öffentlich rechtlichen Ansprüchen aus dem Bereich der Sozialversicherung

Bibliographie

Gericht
ArbG Verden
Datum
16.09.1982
Aktenzeichen
2 Ca 124/82
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1982, 13202
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:ARBGVER:1982:0916.2CA124.82.0A

Fundstelle

  • ZIP 1982, 1464-1466

In dem Rechtsstreit
hat das Arbeitsgericht in Verden/Aller
auf die mündliche Verhandlung vom 16. September 1982
durch
den Richter am Arbeitsgericht Pätow als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter Freese u.
Warnken als Beisitzer
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Hinsichtlich der mit Schriftsatz vom 03.03.1982 eingebrachten Klageerhöhung um 2.283,41 DM erklärt sich das Arbeitsgericht Verden für unzuständig und verweist den Rechtsstreit insoweit an das Sozialgericht Stade.

  2. 2.

    Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 18.958,33 DM brutto abzüglich 6.100,80 DM netto zu zahlen nebst 4 % Zinsen seit dem 22. Febr. 1982.

  3. 3.

    Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  4. 4.

    Der Streitwert wird auf 9.400,00 DM festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Beklagte ist Konkursverwalter über das Vermögen der Firma ..., bei der der Kläger seit dem 11. September 1980 beschäftigt war. Der Kläger war bereits vor Konkurseröffnung von seiner Arbeitsleistung freigestellt. Mit der Konkurseröffnung am 14. September 1981 hat der Beklagte das Arbeitsverhältnis unter weiterer Freistellung des Klägers fristgerecht zum 31. Dezember 1981 gekündigt. Der Kläger fordert mit der Klage sein Gehalt für die Zeit vom 15. September 1981 bis 31. Dezember 1981 in Höhe von 5.000,00 DM brutto monatlich, insgesamt 17.500,00 DM brutto, sowie anteiliges 13. Monatsgehalt in Höhe von 1.458,33 DM brutto. Die Höhe dieses Vergütungsanspruches ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Kläger hat in der Zeit vom 15. September 1981 bis 31. Dezember 1981 Arbeitslosengeld in Höhe von 6.100,80 DM netto bezogen.

2

Der Kläger verlangt weiterhin 2.283,41 DM Arbeitgeberanteile zur Kranken- und Sozialversicherung für den Zeitraum vom 15. September 1981 bis 31. Dezember 1981.

3

Der Kläger beantragt,

den Rechtsstreit insoweit mit Schriftsatz vom 3. März 1982 eine Klageerhöhung um DM 2.283,41 eingebracht worden ist, an das zuständige Sozialgericht Stade zu verweisen.

4

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 18.958,33 DM bruttabzüglich 6.100,80 DM netto zuzüglich 4 % Zinsen seit Klagzustellung zu zahlen.

5

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen und hilfsweise das Verfahren auszusetzen.

6

Der Beklagte wendet gegenüber der Klagforderung die Unzulänglichkeit der Konkursmasse ein. Er trägt vor, zur Durchführung des Konkursverfahrens habe er ein Massedarlehen aufnehmen müssen, das am 31. Mai 1982 noch mit 414.000,00 DM in Anspruch genommen war und zu dessen Sicherung er den Verwertungserlös an die Allgemeine Deutsche Kreditanstalt abgetreten habe. Aus diesem Darlehen habe er die Kosten des Konkursverfahrens bestritten, die bis Ende Mai einen Gesamtbetrag von 652.000,00 DM ausgemacht haben. Hierbei habe er seit Eröffnung des Konkurseverfahrens nur solche Zahlungsverpflichtungen erfüllt, denen Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen des Konkursverwalters selbst zugrunde gelegen haben.

7

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen, die auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

8

1)

Soweit der Kläger die Zahlung von Arbeitgeberanteilen einklagt, war die Klage auf seinen Antrag hin an das zuständige Sozialgericht zu verweisen. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist hierfür nicht gegeben, da es sich nicht um einen privatrechtlichen Anspruch aus einem Arbeitsverhältnis, sondern um einen öffentlich rechtlichen Anspruch aus dem Bereich der Sozialversicherung handelt (vgl. den Beschluß des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 4. Juni 1974 in AP Nr. 3 zu § 405 RVO).

9

2)

Im übrigen ist die Klage zulässig und begründet. Der Nettovergütungsanspruch des Klägers für die Zeit vom 15. September bis 31. Dezember 1981 ist zwischen den Parteien in der Höhe nicht streitig. Der Kläger kann auch entgegen der Ansicht des Beklagten seine Bruttogehaltsforderung einklagen und braucht seinen Anspruch nicht etwa auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag zu beschränken. Ist zwischen den Parteien ein Bruttogehalt vereinbart, so ist auch die Klage auf Zahlung des Bruttobetrages zu richten und dieser in der Zwangsvollstreckung beizutreiben. Der Arbeitnehmer haftet sodann selbst für die Abführung der Lohnabzüge (vgl. Schaub Arbeitsrechtshandbuch 4. Auflage § 71 I 4). Der Anspruch des Klägers ist allerdings vermindert um die Höhe des von ihm in demselben Zeitraum bezogenen Arbeitslosengeldes, da der Anspruch insoweit kraft Gesetzes auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangen ist. Den Betrag des bezogenen Arbeitslosengeldes hat der Kläger von seiner Klagforderung entsprechend abgesetzt. Der Kläger kann seine Gehaltsforderung trotz der erfolgten Konkurseröffnung im Klagewege geltend machen. Bei seiner Forderung handelt es sich um eine Masseschuld im Sinne des § 59 Abs. 1 Ziff. 2 Konkursordnung, nämlich um Ansprüche aus einem zweiseitigen Vertrag, deren Erfüllung für die Zeit nach der Eröffnung des Verfahrens erfolgen muß. Gemäß § 57 Konkursordnung sind Masseschulden aus der Konkursmasse vorweg zu berichtigen.

10

§ 60 der Konkursordnung steht einem Urteil auf Zahlung der Klagforderung in voller Höhe nicht entgegen. Zwar ist nach dieser Bestimmung eine verhältnismäßige Berichtigung der Massekosten und Masseschulden vorgesehen, wenn sich herausstellt, daß die Konkursmasse zur vollständigen Befriedigung aller Massegläubiger nicht ausreicht. Wie das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 31. Januar 1979 (NJW 1980 Seite 141) mit guten Gründen feststellt, kann eine uneingeschränkte Verurteilung des Konkursverwalters nicht erfolgen, wenn bereits im Erkenntnisverfahren feststeht, daß die Masse zur vollen Befriedigung der Massegläubiger der jeweiligen Rangklasse nicht ausreicht. Vielmehr darf in einem solchen Fall der Konkursverwalter nur in Höhe der nach § 60 Abs. 1 Konkursordnung errechneten Quote zur Leistung verurteilt werden, während im übrigen die Forderung durch Teilurteil festzustellen ist. Sofern eine Erschöpfung der Masse zwar droht, aber über ihren Stand noch keine Klarheit geschaffen ist, ist eine streitige Forderung durch Teilurteil festzustellen, im Falle einer unstreitigen Forderung das Verfahren entsprechend § 148 ZPO auszusetzen.

11

Die Voraussetzungen dafür, in der vom Bundesarbeitsgericht vorgegebenen Weise zu verfahren, sind im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Voraussetzung ist nämlich nach § 60 Abs. 1 Konkursordnung, daß sich herausstellt, daß die Konkursmasse zur vollständigen Befriedigung aller Massegläubiger nicht ausreicht. Eine derartige Unzulänglichkeit der Masse hat der Beklagte aber nicht substantiiert dargelegt. Trotz der ihm durch Beschluß des Gerichts vom 6. Mai 1982 erteilten Auflage, die Umstände vorzutragen, aus denen sich die von ihm behauptete Masseerschöpfung ergibt, hat der Beklagte sich im wesentlichen darauf beschränkt, darzulegen, daß er zur Durchführung des Konkursverfahrens ein Darlehen habe aufnehmen müssen. Hieraus ergibt sich eine Unzulänglichkeit der Masse aber nicht. Der Sinn eines Darlehens kann ja nur darin bestehen, die vorrübergehende Liquiditätsschwierigkeit zu überwinden, die sich daraus ergibt, daß die "Versilberung" der Massegegenstände einige Zeit in Anspruch nimmt. Daß in der Konkursmasse von vornherein nicht genügend Bargeld vorhanden ist, um die Masseschulden zu begleichen, ist ... mit einer Unzulänglichkeit der Masse im Sinne des § 60 Abs. 1 Konkursordnung jedoch nicht gleichzusetzen. Eine solche ist erst dann gegeben, wenn sich herausstellt, daß die Konkursmasse insgesamt, also auch nach der "Versilberung" der zu ihr gehörenden Sachwerte, nicht zur Berichtigung der Massekosten und Masseschulden ausreichen wird, wenn sich der Beklagte mit Erfolg auf eine Unzulänglichkeit der Konkursmasse berufen wollte, wäre es seine Sache gewesen, darzulegen, wie hoch der mutmaßliche Erlös aus der Verwertung der Konkursmasse insgesamt sein würde und wie hoch die gegenüber der Forderung des Klägers vorrangigen Forderungen sein würden. Der Beklagte als Konkursverwalter trägt nämlich die Darlegungs- und Beweislast für die bereits eingetretene oder jedenfalls drohende Unzulänglichkeit der Masse. Dies bedeutet, daß der Konkursverwalter seine Befürchtung, die Masse werde nicht ausreichen, durch Tatsachen belegen und diese notfalls beweisen muß (so auch Bundesarbeitsgericht NJW 1980 Seite 141). Auch wenn mit dem Bundesarbeitsgericht davon auszugehen ist, daß dem Konkursverwalter hierzu eine je nach der Größe des Konkurses abzuschätzende Einarbeitungszeit zuzubilligen ist, hätte diese Darlegung jedenfalls bis zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung, etwa ein Jahr nach Konkurseröffnung erfolgt sein müssen.

12

Die Zinsen stehen dem Kläger gemäß §§ 291 und 288 BGB zu.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

14

Gegen dieses Urteil kann Berufung eingelegt werden,

  1. 1)

    wenn es sich um eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit handelt,oder

  2. 2)

    wenn es sich um eine Vermögensrechtliche Streitigkeit handelt und in diesem Fall entweder der Wert des Beschwerdegegenstandes 800,00 DM übersteigt oder das Arbeitsgericht die Berufung zugelassen hat.

15

Soweit die Voraussetzungen zu 1) oder 2) nicht vorliegen, ist gegen das Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 9.400,00 DM festgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 ArbGG in Verbindung mit § 3 ZPO.