Arbeitsgericht Verden
Urt. v. 28.03.1980, Az.: 1 Ca 30/80
Herausgabe eines erhaltenen Krankengeldes im Falle eines gleichzeitig bestehenden Anspruch auf Gehaltsfortzahlung bei Schwangerschaftsbeschwerden
Bibliographie
- Gericht
- ArbG Verden
- Datum
- 28.03.1980
- Aktenzeichen
- 1 Ca 30/80
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1980, 12466
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:ARBGVER:1980:0328.1CA30.80.0A
In dem Rechtsstreit
hat das Arbeitsgericht in Verden/Aller
auf die mündliche Verhandlung vom 28.03.1980
durch
den Richter Hannes als Vorsitzenden i.V. und
die ehrenamtlichen Richter Schmidt u. Schwen als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1)
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 710,94 nebst 4 % Zinsen ab 16.01.1980 zu zahlen.
- 2)
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
- 3)
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 2/3, der Beklagte zu 1/3.
- 4)
Der Streitwert wird auf 1.717,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt vom Beklagten mit der Klage die Zahlung von 1.717,94 DM.
Die ehemalige Arbeitnehmer in des Beklagten, ..., war bei der Klägerin pflichtversichert. Sie war seit dem 01.10.1976 bei dem Beklagten als Angestellte beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde zwischenzeitlich zum 21.12.1979 gelöst.
Die Versicherte hatte zunächst zwei Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen einer bestehenden Schwangerschaft vom 25.11. bis 14.12.1977 und vom 4.3. bis 25.03.1978. Sie entband Ostern 1978 und war sodann bis 18.06.1978 innerhalb der Mutterschufzfristen.
Dieses Kind verstarb relativ kurze Zeit nach der Geburt.
Die Versicherte war sodann erneut aus Anlaß einer weiteren Schwangerschaft arbeitsunfähig krank vom 28.11. bis 22.11.1978 und vom 12.4. bis 01.05.1979.
Für letztere beiden Zeiträume zahlte der Beklagte an die Versicherte kein Krankengeld. Dieses hat die Klägerin getan und verlangt nunmehr aus übergegangenem Recht das verauslagte Krankengeld in Höhe von 1.007,00 DM für den Zeitraum vom 12.4. bis 01.05.1979 vom Beklagten zurück.
Zwischen den Parteien hat wegen der Bezahlung des Krankengeldes ein Schriftverkehr stattgefunden. Insoweit wird auf die im Termin vom 28.03.1980 überreichten Schreiben des Beklagten (Hülle Bl. 24 d. A.) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 20.02.1979 schrieb die Klägerin sodann an den Beklagten folgenden Brief:
"Wir bitten höflich um Kenntnisnahme, daß wir für die Zeit der Krankengeldzahlung vom 28.11. bis 22.12.1978 in Höhe von 1.007,00 DM Ersatzansprüche nicht geltend machen."
Die Klägerin trägt vor, der Beklagte sei verpflichtet, auch für die beiden Krankheitszeiten während der 2. Schwangerschaft Krankengeld zu zahlen, da es sich nicht um eine Fortsetzungserkrankung gehandelt habe. Vielmehr seien die Arbeitsunfähigkeiten aufgrund verschiedener Ursachen während des Bestehens der Schwangerschaft erfolgt.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.717,94 DM zuzüglich 6 % Zinsen vom Eingang der Klage an zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, er habe bereits an die Versicherte für insgesamt 6 Wochen, nämlich vom 25.11. bis 14.12.1977 und vom 4.3. bis 25.03.1978 Gehaltsfortzahlung vorgenommen. Vor Ablauf von 6 Monaten nach Wiederaufnahme der Tätigkeit am 19.06.1978 sei am 28.11.1978 erneut Arbeitsunfähigkeit aufgrund stationärer Krankenhausbehandlung eingetreten. Da es sich abermals um eine Behandlung gehandelt habe, die erforderlich geworden sei, weil bei der Versicherten ein normaler Schwangerschaftsablauf nicht möglich sei, habe er für die Zeit vom 28.11. bis 22.12.1978 eine Gehaltszahlung nicht vorgenommen. Auch vom 12.4. bis 01.05.1979 sei wiederum Arbeitsunfähigkeit aus dem gleichen Grunde eingetreten. Eine Pflicht zur Bezahlung bestehe deshalb nicht.
Im übrigen habe die Beklagte auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen mit dem Schreiben vom 20.02.1979 verzichtet. Die Klägerin sei an ihre Zusage vom 20.02.1979 gebunden.
Wegen des weiteren Vortrages der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet.
Die Klägerin kann von dem Beklagten grundsätzlich das gezahlte Krankengeld verlangen gem. §§ 616 Abs. 2 BGB, 182 Abs. 10 RVO.
Danach kann die Klägerin von dem Beklagten aufgrund gesetzlichen Forderungsüberganges das verauslagte Krankengeld verlangen, wenn der Versicherten für die Krankheitszeiten ein Anspruch auf Gehaltsfortzahlung gegenüber dem Beklagten gehabt hat.
Gemäß § 616 BGB wird der zur Dienstleistung Verpflichtete des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, daß er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund und ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert ist. Hierbei gilt als verhältnismäßig nicht erheblich eine Zeit von 6 Wochen.
Grundsätzlich liegen die Voraussetzungen für die Gehaltsfortzahlungen durch den Beklagten vor. Diese ist auch nicht dadurch gebrochen, daß die Versicherte mehrfach krank war, da es sich nicht und dieselbe Krankheitsursache gehandelt hat, so daß ein neuer Gehaltfortzahlungszeitraum entstanden ist.
Bei Arbeitsunfähigkeitszeiten innerhalb zwei verschiedener Schwangerschaften handelt es sich nicht um dieselbe Krankheitsursache. Dieselbe Krankheit gem. § 183 Abs. 2 RVO, von deren Begriff auszugehen ist, ist von der gleichen Krankheitsursache zu unterscheiden. Dieselbe Krankheit liegt nur vor, wenn ein Grundleiden gegeben ist, aufgrund dessen jeweils wieder Erkrankungen auftauchen. Dieses liegt nicht vor, wenn bei wiederholter Schwangerschaft krankhafte Schwangerschaftsbeschwerden auftreten (vgl. Schaub Arbeitsrechtshandbuch 4. Aufl., § 98 III 2). Vielmehr ist hierbei eine neue Ursache gesetzt, die Arbeitsunfähigkeitszeiten hervorruft. Dann kann aber nicht von derselben Krankheit i. S. d. § 183 Abs. 2 RVO gesprochen werden. Die Tatsache allein, daß grundsätzlich eine Frau nicht in der Lage ist, auf natürlichem Wege eine Schwangerschaft durchzustehen, beinhaltet kein chronisches Grundleiden, daß stets zu neuen Arbeitsunfähigkeiten führen muß. Vielmehr kann sich jeder Schwangerschaftsverlauf anders darstellen. Die hierbei aus Anlaß der Schwangerschaft eintretende Arbeitsunfähigkeit stellt einen eigenen Tatbestand aufgrund der neuen Schwangerschaft dar.
Gleichwohl kann die Klägerin für den Zeitraum vom 28.11.1978 bis 22.12.1978 das verauslagte Krankengeld vom Beklagten nicht verlangen.
Das Schreiben vom 20.02.1979 stellt insoweit einen vertraglichen Verzicht auf die Forderung dar, so daß diese Ansprüche nicht mehr geltend gemacht werden können.
Gem. § 397 BGB erlischt das Schuldner Verhältnis, wenn der Gläubiger dem Schuldner durch Vertrag die Schuld erläßt.
Der Verzicht im Schuldrecht auf einen schuldrechtlichen Anspruch ist nur vertraglich möglich (vgl. Palandt Kommentar zum BGB, § 397, Anm. 1 b).
Das Angebot zum Vertragsschluß ist in den Schreiben des Beklagten an die Klägerin zu sehen, indem er diese auffordert, eine entsprechende Zahlung an Krankengeld für seine Arbeitnehmerin zu leisten. In diesem Schreiben kommt ausdrücklich der Wille zum Ausdruck, keine Krankengeldzahlungen zu leisten. Dieses Angebot ist angenommen durch das Schreiben der Klägerin vom 20.02.1979, in dem dem Beklagten mitgeteilt wird, daß entsprechende Ansprüche auch nicht geltend gemacht werden. Hieran muß sich die Klägerin festhalten lassen. Ein Anspruch auf 1.007,00 DM ist deshalb nicht gegeben. Die Klage mußte insoweit der Abweisung unterliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.
Der Streitwert war im Urteil gem. §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 3, 4 ZPO festzusetzen.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf 1.717,00 DM festgesetzt.
Der Streitwert war im Urteil gem. §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 3, 4 ZPO festzusetzen.